Jene rein sekundären Ursachen der Differentiation, die unter der Überschrift: geschlechtliche Zuchtwahl, natürliche Zuchtwahl, Klima, Isolierung, u. s. w., zusammengefaßt werden, führen den westlichen Evolutionisten irre und bieten durchaus keine wirkliche Erklärung für das „woher“ der „Urtypen,“ welche als der Ausgangspunkt für die physische Entwicklung dienten. Die Wahrheit ist die, daß die differenziierenden „Ursachen“, welche der modernen Wissenschaft bekannt sind, in Wirksamkeit treten erst nach der Verkörperlichung der ursprünglichen tierischen Wurzeltypen aus den astralen. Der Darwinismus begegnet der Entwicklung erst in der Mitte ihres Weges - das heißt, wenn die astrale Entwicklung den gewöhnlichen physikalischen Kräften Platz gemacht hat, mit denen unsere gegenwärtigen Sinne uns bekannt machen. Aber selbst hier reicht die Darwinsche Theorie, selbst mit den jüngst versuchten „Erweiterungen“, nicht aus, den Thatsachen des Falles gerecht zu werden. Die Ursache, welche der physiologischen Variation in Arten zugrundeliegt - welcher gegenüber alle anderen Gesetzen untergeordnet und sekundär sind - ist eine unterbewußte Intelligenz, welche den Stoff durchdringt, und schließlich auf einen Wiederschein der göttlichen und dhyân-chohanischen Weisheit zurückführbar ist. [6] Zu einem nicht ganz unähnlichen Schlusse ist ein so wohlbekannter Denker wie Ed. v. Hartmann gelangt, welcher, an der Wirksamkeit der unbeaufsichtigten natürlichen Zuchtwahl verzweifelnd, die Entwicklung für intelligent geleitet hält durch das Unbewußte - den kosmischen Logos des Occultismus. Aber der letztere wirkt nur mittelbar durch Fohat, oder die dhyân-chohanische Energie, und nicht ganz auf die unmittelbare Art, welche der große Pessimist beschreibt.

Diese Meinungsverschiedenheit unter den Männern der Wissenschaft, ihre gegenseitigen, oftmals ihre Selbstwidersprüche, geben der Schreiberin der vorliegenden Bände den Mut, andere und ältere Lehren ans Licht zu bringen  - wenn auch nur als Hypothesen für zukünftige wissenschaftliche Würdigung. So augenscheinlich sind selbst für die bescheidene Aufzeichnerin dieser archaischen Lehre, obwohl sie durchaus nicht sehr gelehrt in den modernen Wissenschaften ist, diese wissenschaftlichen Trugschlüsse und Lücken, daß sie sich entschlossen hat, all dies zu berühren, um die zwei Lehren mit einander in Parallele zu stellen. Für den Occultismus ist es eine Frage der Selbstverteidigung und nichts weiter.

Bis jetzt hat sich Die Geheimlehre mit reiner und einfacher Metaphysik beschäftigt. Sie ist jetzt auf der Erde gelandet, und findet sich innerhalb des Bereiches der Naturwissenschaft und praktischen Anthropologie oder jener Studienzweige, welche die materialistischen Naturforscher als ihr rechtmäßiges Gebiet beanspruchen, wobei sie obendrein kühl behaupten, daß das Wirken der Seele, je höher und vollkommener es ist, umsomehr der Untersuchung und den Erklärungen des Zoologen und des Physiologen allein zugänglich ist. [7] Diese staunenerregende Anmaßung kommt von einem, der, um seine pithekoide Abstammung zu beweisen, nicht gezögert hat, die Lemuriden unter die Ahnen des Menschen einzureihen; diese wurden von ihm zum Range von Halbaffen erhoben, von decidualosen Säugetieren, denen er sehr unrichtig eine Decidua und eine scheibenförmige Placenta zuschreibt. [8] Dafür wurde Haekel von de Quatrefages streng getadelt, und von seinen eigenen Brüdern Materialisten und Agnostikern kritisiert - von Virchow und Du Bois-Reymond, ebenso großen, wenn nicht größeren Autoritäten als er selbst. [9]


[6] Nägeli´s „Prinzip der Vervollkommnungsfähigkeit“; van de Baer´s „Streben nach dem Zweck“; Braun´s „Göttlicher Hauch als innerer Antrieb in der Entwicklungsgeschichte der Natur“; Professor Owen´s „Trieb nach Vervollkommnungsfähigkeit“, u. s. w. sind alles Ausdrücke für die verschleierten Offenbarungen des universalen leitenden Fohat, reich an göttlichem und dhyân-chohanischem Denken.

[7] Haeckel über „Zellseelen und Seelenzellen“, Populäre Vorträge, I. p. 143.

[8] Siehe unten, Herrn Quatrefages´ Auseinandersetzung mit Haeckel, in Abteilung II: „Die Urmenschheit wird von der Wissenschaft angeboten“.

[9] Genau gesprochen ist Du Bois-Reymond ein Agnostiker, und kein Materialist. Er hat sehr heftig gegen die materialistische Lehre protestiert, welche behauptet, daß geistige Phänomene bloß das Ergebnis von Molekularbewegung sind. Die genaueste physiologische Kenntnis des Gehirnbaues läßt uns „nichts als Stoff in Bewegung“ übrig, behauptet er; „wir müssen weiter gehen, und die vollständig unbegreifliche Natur des Seelenprinzips zugestehen, welche unmöglich als bloßes Ergebnis von materiellen Ursachen betrachtet werden kann.“