Ungeachtet einer solchen Opposition werden die wilden Theorien Haeckels bis zum heutigen Tage noch immer von einigen wissenschaftlich und logisch genannt. Nachdem die geheimnisvolle Natur des Bewußtseins, der Seele, des Geistes im Menschen jetzt als ein bloßer Fortschritt über die Verrichtungen der protoplasmatischen Moleküle der lebendigen Protisten erklärt wird, und die allmälige Entwicklung und das Wachstum des menschlichen Gemütes und der „sozialen Instinkte“ in der Richtung der Civilisation auf ihren Ursprung in der Civilisation von Ameisen, Bienen, und anderen Geschöpfen zurückgeführt werden müssen - sind der für ein unparteiisches Anhören der Lehren der archaischen Weisheit übrig gelassenen Aussichten in der That nur sehr wenige. Den gebildeten Profanen wird gesagt:

Die sozialen Instinkte der Tiere sind neuerdings von verschiedenen Seiten mit vollem Rechte als die Urquellen der Moral auch für den Menschen (?) in Anspruch genommen worden, . . .

- und daß unser göttliches Bewußtsein, unsere Seele, unser Intellekt und unsere Bestrebungen „von der niederen Stufe der einfachen Zellseele“ des gallertartigen Bathybius sich emporgearbeitet haben, [10] und sie scheinen es zu glauben. Auf solche Menschen muß die Metaphysik des Occultismus die Einwirkung hervorbringen, welche unsere großartigsten Oratorien auf den Chinesen hervorbringen - Töne, die ihre Nerven beleidigen.
Doch, sind unsere esoterischen Lehren über „Engel“, über die ersten drei vortierischen Menschenrassen, und über den Fall der vierten auf einer niedrigeren Stufe der Dichtung und Selbsttäuschung als das Haeckelsche „Plastidul“, oder die unorganischen „Molekularseelen der Protisten“? Zwischen der Entwicklung der geistigen Natur des Menschen aus den obengenannten Amöbenseelen, und der behaupteten Entwicklung seiner körperlichen Gestalt aus dem protoplastischen Bewohner des Meeresschlammes liegt ein Abgrund, der nicht leicht von irgend einem in vollem Besitze seiner intellektuellen Fähigkeiten befindlichen Menschen überschritten werden wird. Die physische Entwicklung, wie die moderne Wissenschaft sie lehrt, ist ein Gegenstand offener Kontroverse; die geistige und moralische Entwicklung nach denselben Regeln ist der wahnsinnige Traum eines groben Materialismus.
Ferner lehrt die tägliche Erfahrung der Vergangenheit sowohl, wie der Gegenwart, daß niemals eine Wahrheit von gelehrten Körperschaften angenommen worden ist, wenn sie sich nicht den gewohnheitsmäßig vorgefaßten Ideen ihre Professoren innig angeschlossen hat. „Die Krone des Neuerers ist eine Dornenkrone“ - sagte Geoffry St. Hilaire. Es ist im allgemeinen Regel, daß nur das, was den volkstümlichen Steckenpferden und angenommenen Vorstellungen entspricht, Boden gewinnt. Daher der Triumph der Haeckelschen Ideen, trotzdem sie von Virchow, du Bois-Reymond, und anderen als das „Armutszeugnis der Naturwissenschaft“ bezeichnet werden.
Wenn auch der Materialismus der deutschen Evolutionisten den geistigen Vorstellungen der esoterischen Philosophie diametral entgegengesetzt sein mag, so wie ihr angenommenes anthropologisches System mit den wirklichen Naturthatsachen durchaus unvereinbar ist - die pseudoidealistische Richtung, welche jetzt das englische Denken kennzeichnet, ist beinahe noch gefährlicher. Die rein materialistische Lehre gestattet eine unmittelbare Widerlegung und einen Appell an die Logik der Thatsachen. Der Idealismus von heute bringt es nicht nur zustande, einerseits die grundlegenden Verneinungen des Atheismus in sich aufzunehmen, sondern landet auch seine Anhänger in einem Gewirre der Unwirklichkeit, welches in einem praktischen Nihilismus gipfelt. Auseinandersetzung mit solchen Schriftstellern kommt beinahe nicht in Betracht. Die Idealisten werden daher den jetzt gegebenen occulten Lehren noch feindseliger gegenüberstehen, als selbst die Materialisten. Aber da die Verkünder der esoterischen Anthropogenesis in den Händen ihrer Feinde kein schlechteres Schicksal treffen kann, als öffentlich mit ihren alten und altehrwürdigen Namen „Tollhäusler“ und „Dummköpfe“ benannt zu werden, so können die vorliegenden archaischen Theorien mit Sicherheit den vielen modernen Spekulationen hinzugefügt werden, und die Zeit ihrer vollen oder auch teilweisen Anerkennung abwarten. Nur müssen wir, da der einfache Bestand dieser archaischen Theorien wahrscheinlich geleugnet werden wird, unsere besten Beweise geben und bei ihnen bis zum Tode ausharren.

In unserer Rasse und Generation ist der eine „Tempel im Weltall“ in seltenen Fällen - in uns; aber unser Körper und unser Gemüt sind von „Sünde“ sowohl, als auch von „Wissenschaft“ zu sehr verunreinigt, als das sie äußerlich jetzt irgend etwas Besseres denn eine Stätte des Lasters und Irrtums wären. Und hier soll unsere gegenseitige Stellung - die des Occultismus und der modernen Wissenschaft - ein für alle Male festgestellt werden.

Wir Theosophen sind gewillt, uns vor solchen Männern der Wissenschaft wie dem verstorbenen Prof. Balfour Stewart, den Herren Crookes, de Quatrefages, Wallace, Agassiz, Butlerof und anderen zu beugen, obwohl wir vom Standpunkte der esoterischen Philosophie nicht mit allem übereinstimmen mögen, was sie sagen. Aber nichts wird uns dahin bringen, auch nur einer Achtungsbezeugung für die Meinungen solcher anderer Männer der Wissenschaft zuzustimmen, wie Haeckel, Carl Vogt, oder Ludwig Büchner in Deutschland, oder auch Herrn Huxley und seine Geistesverwandten im Materialismus in England - trotz der ungeheuren Gelehrsamkeit des Erstgenannten. Solche Männer sind einfach die intellektuellen und moralischen Mörder zukünftiger Geschlechter; insbesondere Haeckel, dessen grober Materialismus sich in seinen Beweisführungen oft bis zur Höhe idiotischer Naivitäten erhebt. Man braucht bloß seine gesammelten populären Vorträge aus dem Gebiete der Entwicklungslehre zu lesen, um ein Verlangen zu empfinden, daß in den Worten Hiobs sein Gedächtnis vergehen möge im Lande, und daß er „keinen Namen haben solle auf der Gasse.“ Man höre den Schöpfer der mythischen Sozura die Idee von der Entstehung des Menschengeschlechts „als einen übernatürlichen (?) Vorgang“ verspotten -

welcher nicht einfach durch mechanische Ursachen, durch physikalische und chemische Kräfte bewirkt werden könne, vielmehr einen unmittelbaren Eingriff einer . . . schöpferischen Persönlichkeit erfordere. Nun liegt aber der Schwerpunkt von Darwins Lehre . . . darin, daß derselbe die einfachsten, mechanisch wirkenden Ursachen, rein physikalisch-chemische Naturvorgänge, als vollkommen ausreichend nachweist, um jene höchsten und schwierigsten aller Aufgaben zu lösen. Darwin setzt also an die Stelle einer bewußten Schöpferkraft, welche zweckmäßig und planvoll die organischen Körper der Tiere und Pflanzen aufbaut und zusammensetzt, eine Summe von sogenannten blinden, zweck- und planlos wirkenden Naturkräften. An die Stelle eines willkürlichen Schöpfungsaktes tritt ein notwendiges Entwicklungsgesetz. . . . [Manu und Kapila hatten dasselbe, und, zur selben Zeit, leitende, bewußte und intelligente Kräfte]. Darwin selbst (hatte) klugerweise . . . die Frage von der ersten Entstehung des Lebens bei Seite geschoben. Nachdem aber bald darauf jener bedeutendste und weitreichendste Folgeschluß von ausgezeichneten und mutvollen Naturforschern, namentlich von Huxley, Carl Vogt und Ludwig Büchner öffentlich ausgesprochen, und auch eine mechanische Entstehung der ersten Lebensformen als notwendige Ergänzung von Darwin´s Lehre behauptet wurde, da . . . Unser eigentlicher Gegenstand (betrifft) nur einen einzigen Folgeschluß der Lehre¸ die natürliche Entstehung des Menschengeschlechtes durch allmähliche Entwicklung. [11]


[10] Siehe Haeckels „Über die heutige Entwicklungslehre im Verhältnisse zur Gesamtwissenschaft“, a. a. O., II. p. 97, samt Anmerkungen.

[11] a. a. O., I. pp. 36-38.