Hier ist die Wissenschaft wiederum schweigsam. Aber nachdem bis jetzt im Klümpchen, Samen, oder Keim nach den Materialisten sowohl, als auch nach den Psychologen der modernen Schule kein Selbstbewußtsein ist - worin die Occultisten ausnahmsweise mit ihren natürlichen Feinden übereinstimmen - was leitet da die Kraft oder die Kräfte so unfehlbar in diesem Entwicklungsvorgange? „Blinde Kraft?“ Ebensowohl könnte man das Gehirn „blind“ nennen, welches in Haeckel seinen Stammbaum des Menschengeschlechtes und andere litterarische Produkte entwickelte. Wir können uns leicht vorstellen, daß dem genannten Gehirn ein oder zwei wichtige Centren fehlen; denn wer immer irgend etwas von Anatomie des menschlichen, oder auch irgend eines tierischen Körpers weiß, und noch immer ein Atheist und ein Materialist ist, muß „hoffnungslos wahnsinnig“ sein, nach Lord Herbert, welcher mit Recht in der Gestalt des menschlichen Körpers und im Zusammenhange seiner Teile etwas so seltsames und paradoxes sieht, daß er ihn für das „größte Naturwunder“ hält. Blinde Kräfte und „kein Plan“ in irgend etwas unter der Sonne! Während kein vernünftiger Mann der Wissenschaft zögern würde, jenes zu sagen, selbst nach dem wenigen, was er von den im Kosmos wirkenden Kräften weiß und bisher entdeckt hat, sieht er sehr klar, daß jeder Teil, jedes Pünktchen und Atom, in Harmonie mit ihren Mitatomen, und diese mit dem ganzen sind, indem ein jedes seine bestimmte Sendung durch den ganzen Lebenscyklus hat. Aber glücklicherweise beginnen die größten, die hervorragendsten Denker und Gelehrten von heute gegen seinen „Stammbaum“ aufzutreten, und auch gegen Darwins Theorie von der natürlichen Zuchtwahl, obwohl ihr Urheber wahrscheinlich niemals so weitreichende Schlußfolgerungen in Betracht gezogen hat. Der russische Gelehrte N. T. Danilevsky stürzt in seinem bemerkenswerten Buche, Der Darwinismus, eine kritische Untersuchung der Theorie, diesen Darwinismus vollkommen und ohne Berufung um, und dasselbe thut de Quatrefages in seinem letzten Werke. Wir empfehlen unsern Lesern, den gelehrten Vortrag des Dr. Bourges, eines Mitgliedes der pariser anthropologischen Gesellschaft, zu prüfen, gelesen von seinem Verfasser bei einer kürzlich abgehaltenen Versammlung jener Gesellschaft und betitelt „Evolutionäre Psychologie; die Evolution des Geistes u. s. w.“ Darin vereinigt er vollständig die beiden Lehren - nämlich die von der physischen und von der geistigen Evolution. Er erklärt den Ursprung der Verschiedenheit der organischen Formen - die ihren Umgebungen mit solcher offenbar intelligenter Absicht angepaßt sind - durch das Bestehen und die gegenseitige Unterstützung und Ineinanderwirkung in der geoffenbarten Natur von zwei Prinzipien, dem inneren bewußten Prinzip, welches sich der physischen Natur anpaßt, und den eigenen Möglichkeiten der letzteren. So muß der französische Gelehrte zu unserem alten Freunde Archäus oder dem Lebensprinzip zurückkehren - ohne es zu nennen - wie es Dr. Richardson in England mit seiner Nervenkraft gethan hat. Dieselbe Idee wurde kürzlich in Deutschland von Baron Hellenbach in seinem bemerkenswerten Werke Der Individualismus im Lichte der Biologie und Philosophie der Gegenwart entwickelt.
Wir finden noch ein anderes ausgezeichnetes Buch, von einem tiefdenkenden Russen, N. N. Strachof, zu denselben Schlußfolgerungen gelangen, welcher in seinen Fundamentalbegriffen der Physiologie und Psychologie sagt:

Der deutlichste sowie bekannteste Typus der Entwicklung findet sich in unserer eigenen geistigen oder körperlichen Evolution, welche anderen zum Vorbild gedient hat. . . . Wenn Organismen Wesenheiten sind . . . dann ist es nur gerecht, zu schließen und zu behaupten, daß das organische Leben psychisches Leben zu erzeugen strebt; aber es würde noch richtiger und noch mehr in Übereinstimmung mit dem Geiste dieser beiden Kategorien der Entwicklung sein, zu sagen, daß die wahre Ursache des organischen Lebens das Bestreben des Geistes ist, sich in substanziellen Formen zu offenbaren, und sich in substanzielle Wirklichkeit zu kleiden. Die höchste Form ist es, welche die vollkommene Erklärung der niedersten enthält, und niemals umgekehrt.

Das heißt ebenso, wie es Bourges in der oben erwähnten Denkschrift gethan hat, die Wesensgleichheit dieses geheimnisvollen, integral wirkenden und organisierenden Prinzipes mit dem Selbstbewußten und Inneren Subjekte zuzugestehen, das wir das Ego nennen, und die große Welt die Seele. So nähern sich alle besten Gelehrten und Denker nach und nach den Occultisten in ihren allgemeinen Schlußfolgerungen.
Aber solche metaphysisch veranlagte Männer der Wissenschaft sind in Bann gethan und werden schwerlich angehört werden. Schiller läßt in seinem großartigen Gedichte vom verschleierten Bilde der Isis dem jungen Sterblichen, der es gewagt hat, die undurchdringliche Hülle zu heben, ohnmächtig zu Boden fallen, nachdem er die nackte Wahrheit in dem Angesichte der düstern Göttin geschaut. Haben einige von unsern Darwinisten, die so zart vereint sind in natürlicher Zuchtwahl und Verwandtschaft, auch die Saitische Mutter ihrer Schleier beraubt angestarrt? Man möchte das fest vermuten, wenn man ihre Theorien gelesen hat. Ihre großen Intellekte müssen zusammengebrochen sein, während sie allzu genau das unbedeckte Antlitz der Natur ausmaßen, so daß nur die graue Substanz und die Ganglien in ihren Gehirnen zurückblieben, um den „blinden“ physikalisch-chemischen Kräften zu antworten. Auf jeden Fall passen Shakespeares Verse wunderbar auf unsern modernen Evolutionisten, welcher jenen „stolzen Mann“ symbolisiert, welcher ist -

Gehüllt in kleine, flücht´ge Wichtigkeit;
Am dümmsten dort, wo er sich weise dünkt,
Sein starres Wesen, wie ein zorn´ger Aff´,
Spielt tolle Possen vor dem Himmel,
Daß drüber Engel weinen! [13]

Diese haben nicht zu thun mit den „Engeln“. Ihre einzige Beschäftigung ist der menschliche Vorfahr, der pithekoide Noah, welcher drei Söhne erzeugte - den geschwänzten Cynocephalus, den schwanzlosen Affen und den „bäumebewohnenden“ paläolithischen Menschen. In diesem Punkte wird ihnen nicht widersprochen werden. Jeder dagegen ausgesprochene Zweifel wird sofort als ein Versuch, die wissenschaftliche Forschung zu verkümmern“, abgetrumpft. Die unüberwindliche Schwierigkeit gerade bei der Begründung der Evolutionstheorie, daß nämlich kein Darwinist imstande ist, eine auch nur annähernde Bestimmung der Zeitperiode, zu welcher, und der Form, in welcher der erste Mensch erschien, zu geben, wird zu einem geringfügigen Hindernis glattgestrichen, das „in Wirklichkeit ohne Bedeutung“ ist. Jeder Wissenszweig befindet sich in derselben Verlegenheit, wird uns bedeutet. Der Chemiker begründet seine höchst verwickelten Berechnungen einfach

auf einer Hypothese von Atomen und Molekülen, von denen nicht ein einziges jemals gesehen, isoliert, gewogen oder bestimmt worden ist. Der Elektriker spricht von magnetischen Fluiden, die sich niemals greifbar geoffenbart haben. Ein bestimmter Ursprung kann weder den Molekülen, noch dem Magnetismus zugeschrieben werden. Die Wissenschaft kann keine Kenntnis von den Anbeginnen des Gesetzes, der Materie, oder des Lebens für sich in Anspruch nehmen, und thut es auch nicht. [14]

Und dabei heißt eine noch so unsinnige wissenschaftliche Hypothese verwerfen - die eine nicht zu vergebende Sünde begehen! Wir wagen es.


[13] Maß für Maß, Akt II, Auftritt 2.

[14] Knowledge, Jänner 1882.