Dies zeigt uns, daß jedes lebende Geschöpf und Ding auf Erden, einschließlich des Menschen, sich aus einer gemeinsamen Urform entwickelt hat. Der körperliche Mensch muß durch dieselben Stadien des Entwicklungsprozesses in den verschiedenen Fortpflanzungsarten hindurchgegangen sein, wie es andere Tiere gethan haben; er muß sich selbst geteilt haben; dann muß er als Hermaphrodit parthenogenetisch (nach dem unbefleckten Prinzip) seine Jungen hervorgebracht haben; das nächste Stadium wäre das ovipare - zuerst „ohne irgend welches befruchtende Element“, dann „mit Hilfe der befruchtenden Spore“; und erst nach der endgiltigen und bestimmten Entwicklung der beiden Geschlechter konnte er ein unterschiedenes „Männlein und Fräulein“ werden, als die Fortpflanzung durch geschlechtliche Vereinigung sich zu einem universalen Gesetze gestaltete. So weit ist all dies wissenschaftlich bewiesen. Es erübrigt nur ein Ding zu ermitteln; nämlich die klar und verständlich beschriebenen Vorgänge einer solchen vorgeschlechtlichen Fortpflanzung. Dies geschieht in den occulten Büchern, von denen die Schreiberin in Teil I dieses Bandes einen schwachen Umriß versucht hat.
Entweder dies, oder - der Mensch ist ein abgesondertes Wesen. Die occulte Philosophie kann ihn so nennen, wegen seiner abgesondert dualen Natur. Die Wissenschaft kann das nicht, sobald sie jedes Dazwischentreten mit Ausnahme der mechanischen Gesetze leugnet, und kein Prinzip außerhalb der Materie zugesteht. Die erstere - die archaische Wissenschaft - giebt zu, daß die menschliche körperliche Gestalt durch jede Form hindurchgegangen ist, von der niedrigsten bis zur allerhöchsten, ihrer gegenwärtigen oder vom einfachen zum zusammengesetzten - um die angenommenen Ausdrücke zu gebrauchen. Aber sie behauptet, daß in diesem Cyklus, dem vierten, die Gestalt - da sie bereits unter den Typen und Modellen der Natur aus den vorhergehenden Runden existierte - für den Menschen vom Anfange dieser Runde an vollständig bereit lag. [8] Die Monade hatte bloß in den Astralkörper der Vorfahren einzutreten, auf daß das Werk der körperlichen Verfestigung rund um das schattenhafte Vorbild beginnen konnte. [9]
Was würde die Wissenschaft dazu sagen? Sie würde natürlich sagen, daß der Mensch, weil er auf Erden als das späteste Säugetier erschien, es nicht mehr als irgend eines dieser Säugetiere notwendig hatte, durch die ursprünglichen Stadien der Fortpflanzung wie oben beschrieben hindurchzugehen. Seine Fortpflanzungsart war bereits auf Erden eingerichtet, als er erschien. In diesem Falle können wir antworten: Nachdem bis zum heutigen Tage noch nicht die entfernteste Spur eines Bindegliedes zwischen Mensch und Tier gefunden worden ist, so muß er (wenn die occulte Lehre verworfen werden soll) durch ein Wunder in der Natur zum Vorschein gekommen sein, gleich einer vollgerüsteten Minerva aus Jupiters Gehirn; und in einem solchen Falle hat die Bibel recht, zugleich mit anderen nationalen „Offenbarungen“. Somit wird die wissenschaftliche Verachtung, die von dem Verfasser von A Modern Zoroastrian an alte Philosophieen und exoterische Glauben so freigebig verschwendet wird - voreilig und ungerechtfertigt. Auch würde die plötzliche Entdeckung eines „Fehlenden Glied“-artigen Fossils die Sache durchaus nicht verbessern. Denn weder ein solches vereinzeltes Exemplar, noch die daraus gezogenen wissenschaftlichen Schlüsse könnten die Sicherheit geben, daß es der lange gesuchte Überrest sei, d. i. der eines unentwickelten, aber doch einstmals sprechenden Menschen. Etwas mehr wäre zu einem endgiltigen Beweise erforderlich. Abgesehen davon nimmt selbst die Genesis den Menschen, ihren Adam von Staub erst dort auf, wo die Geheimlehre ihre „Söhne von Gott und Weisheit“ verläßt und den körperlichen Menschen der dritten Rasse aufnimmt. Eva wird nicht „erzeugt“, sondern sie wird aus Adam herausgezogen, nach Art der „Amoebe A“, die sich in der Mitte zusammenzieht und zur Amoebe B spaltet - durch Teilung. [10]
Auch hat sich die menschliche Sprache nicht aus den verschiedenen tierischen Lauten entwickelt. Haeckels Theorie, daß „die Sprache erst allmählich aus wenigen einfachen, tierisch-rohen Lauten entstand“, wie sie „auch heute noch bei einigen Naturvölkern niedersten Ranges verharrt“, [11] ist durchaus unhaltbar, wie unter andern von Professor Max Müller bewiesen wurde. Er behauptet, daß bis jetzt noch keine einleuchtende Erklärung darüber gegeben worden ist, wieso die „Wurzeln“ der Sprache ins Dasein kamen. Ein menschliches Gehirn ist zu menschlicher Sprache notwendig. Und Zahlen, die sich auf die verhältnismäßige Größe der Gehirne von Menschen und Affen beziehen, zeigen, wie tief die Kluft ist, welche die beiden trennt. Vogt sagt, daß das Gehirn des größten Affen, des Gorilla, nicht mehr als 30·51 Kubikzoll mißt; während die Durchschnittsgehirne der flachköpfigen australischen Eingeborenen - jetzt der niedersten Menschenrasse - sich auf 99·35 Kubikzoll belaufen! Zahlen sind unmanierliche Zeugen und können nicht lügen. Wie daher von Dr. F. Pfaff richtig bemerkt wurde, dessen Voraussetzungen ebenso gesund und korrekt sind, als seine biblischen Schlußfolgerungen albern:
Das Gehirn der menschenähnlichsten Affen erreicht nicht ganz ein Drittel des Gehirns der niedrigsten Menschenrassen: es ist nicht halb so groß wie das Gehirn eines neugeborenen Kindes. [12]


[8] Theosophen werden sich daran erinnern, daß nach der occulten Lehre sogenannte cyklische Pralayas nur „Verdunkelungen“ sind, während welcher Perioden die Natur, d. i. alles sichtbare und unsichtbare auf einem ruhenden Planeten - im vorhergegangenen Zustande bleibt. Die Natur ruht und schlummert, indem kein Zerstörungswerk auf der Kugel von sich geht, wenn nicht auch thätiges Werk geschieht. Alle Formen, ebenso wohl wie ihre astralen Typen, bleiben, wie sie im letzten Augenblicke ihrer Thätigkeit waren. Die „Nacht“ eines Planeten hat kaum irgend ein vorausgehendes Zwielicht. Er wird erfaßt, wie ein gewaltiges Mammut von einer Lawine, und bleibt schlummernd und gefroren bis zur nächsten Dämmerung seines neuen Tages - der in der That sehr kurz ist im Vergleich mit dem Tage des Brahmâ.

[9] Das wird geringschätzig behandelt werden, weil es von unsern modernen Männern der Wissenschaft nicht verstanden werden wird; aber jeder Occultist und Theosoph wird den Vorgang leicht verstehen. Es kann weder auf Erden, noch im Weltall eine objektive Form geben, ohne daß ihr astrales Vorbild zuerst im Raume gebildet wäre. Von Phidias abwärts bis zum bescheidensten Arbeiter in der Töpferkunst mußte jeder Bildhauer vor allem ein Modell in seinem Gemüt erschaffen, dann dasselbe nach Dimensionslinien skizzieren, und dann erst kann er  es in einer dreidimensionalen oder objektiven Figur reproducieren. Und wenn das menschliche Gemüt ein lebendes Beispiel solcher aufeinanderfolgender Stadien im Entwicklungsvorgange ist, wie kann es anders sein, wenn das Gemüt und die schöpferischen Kräfte der Natur in Betracht kommen?

[10] Siehe A Modern Zoroastrian, p. 103.

[11] „Über die Entwicklungstheorie Darwins“, a. a. O., I. p. 24.

[12] Alter und Entstehung des Menschen.