Aus dem vorangehenden ist somit sehr leicht zu entnehmen, daß zum Beweise der Huxley-Haeckelschen Theorien von der Abstammung des Menschen nicht ein einziges, sondern eine große Anzahl von „fehlenden Gliedern“ - eine wahre Leiter von fortschreitenden Entwicklungsstufen - zuerst aufgefunden und dann von der Wissenschaft der denkenden und überlegenden Menschheit vorgelegt werden müßte, bevor dieselbe den Glauben an Götter und an die unsterbliche Seele zu Gunsten der Anbetung vierhändiger Ahnen aufgeben könnte. Bloße Mythen werden jetzt als „axiomatische Wahrheiten“ begrüßt. Selbst Alfred Russel Wallace behauptet mit Haeckel, daß der Urmensch ein sprachloses Affengeschöpf war. Darauf antwortet Professor Joly:

Der Mensch war meiner Ansicht niemals jener Pithekanthropus alalus, dessen Portrait Haeckel so gezeichnet hat, als ob er ihn gesehen und gekannt hätte, dessen seltsame und vollständig hypothetische Genealogie er gleichfalls gegeben hat, von der bloßen Masse lebendigen Protoplasmas an bis zum Menschen, der mit Sprache und einer Civilisation analog jener der Australier und Papuas begabt ist. [13]

Haeckel kommt unter anderem oft in direktem Widerspruch mit der „Sprachwissenschaft“. Im Verlaufe seines Angriffes auf den Evolutionismus [14] brandmarkte Prof. Max Müller die Darwinsche Theorie als „verwundbar am Anfang und am Ende“. Thatsache ist, daß nur die teilweise Wahrheit von vielen der sekundären „Gesetze“ des Darwinismus außer Zweifel steht - indem Herr de Quatrefages offenbar die natürliche Zuchtwahl, den Kampf ums Dasein und die Umwandlung der Arten nicht als ein für allemal, sondern bloß als zeitweilig erwiesen ansieht. Aber es mag vielleicht nicht unpassend sein, den sprachwissenschaftlichen Streitfall gegen die „Affenvorfahrentheorie“ in gedrängter Kürze darzustellen:
Die Sprachen haben ihre Phasen des Wachstums, u. s. w., wie alles übrige in der Natur. Es ist nahezu sicher, daß die großen Sprachfamilien durch drei Stadien hindurchgehen:
1. Alle Worte sind Wurzeln und werden bloß nebeneinandergestellt (Wurzelsprachen).
2. Eine Wurzel definiert die andere, und wird zum bloß determinierenden Element (Agglutinierende Sprachen).
3. Das determinierende Element (dessen determinierende Bedeutung längst vergessen ist) vereinigt sich mit dem formellen Element zu einem Ganzen (Flektierende Sprachen).
Die Aufgabe ist also diese: Woher kommen diese Wurzeln? Prof. Max Müller argumentiert, daß das Dasein dieser fertigen Sprachmaterialien ein Beweis dafür ist, daß der Mensch nicht die Krone einer langen organischen Reihe sein kann. Diese Möglichkeit der Wurzelbildung ist die große Schwierigkeit, der die Materialisten fast unwandelbar ausweichen.

Von Hartmann erklärt sie als eine Offenbarung des „Unbewußten“, und läßt ihre zwingende Kraft gegen den mechanischen Atheismus gelten. Hartmann ist ein guter Vertreter des Metaphysikers und Idealisten der heutigen Zeit.
Dem Beweise ist niemals von nicht-pantheistischen Evolutionisten Stand gehalten worden. Mit Schmidt zu sagen: „Fürwahr, wir sollen vor dem Ursprung der Sprache halt machen!“ - ist ein Geständnis des Dogmatismus und rascher Niederlage. [15]
Wir achten jene Männer der Wissenschaft, welche - weise in ihrer Generation - sagen: Da die vorgeschichtliche Vergangenheit über unsere Kräfte unmittelbarer Beobachtung gänzlich hinausgeht, sind wir zu ehrlich, und der Wahrheit - oder dem, was wir für Wahrheit halten - zu sehr ergeben, als daß wir über das Unbekannte spekulieren und unsere unbewiesenen Theorien zugleich mit in der modernen Wissenschaft festbegründeten Thatsachen hinausgeben würden.


[13] Man before Metals, p. 320, „International Scientific Series“.

[14] Mr. Darwin´s Philosophy of Language, 1873.

[15] Vergleiche seine Descendenzlehre und Darwinismus, p, 283. (Das Obige ist nach dem englischen rückübersetzt. Das deutsche Original lautet: „Und da sollen wir vor dem Ursprung der Sprache als vor einem Unbegreiflichen, Unerforschlichen halt machen?!“ Der Übers.)