Wir müssen als die Entstehung des Menschen hinter den letzten Affen zurückversetzen [was unsere Lehre bestätigt], wenn wir an einem sehr entschieden notwendigsten Gesetze der Darwinschen Theorie festhalten wollen. Wir kommen dann zu den Prosimien Haeckels, den Loris, Indris, u. s. w. Aber diese Tiere sind Kletterer; wir müssen daher auf der Suche nach unserem ersten unmittelbaren Ahnen noch weiter gehen. Aber die Genealogie Haeckels bringt uns von den letzteren zu den Beuteltieren. Von den Menschen bis zum Känguruh ist der Abstand gewiß groß. Nun zeigt weder die lebende, noch die erloschene Fauna die Zwischentypen, welche als Grenzmarken dienen sollten. Diese Schwierigkeit bereitet Darwin nur geringe Verlegenheit. [24] Wir wissen, daß er das Fehlen von Erfahrung über ähnliche Fragen als einen Beweis zu seinen Gunsten ansieht. Haeckel ist zweifellos ebenso wenig in Verlegenheit. Er giebt die Existenz eines absolut theoretischen pithekoiden Menschen  zu.
Wird nun, nachdem bewiesen worden ist, daß, nach dem Darwinismus selbst, die Entstehung des Menschen hinter die achtzehnte Stufe zurückversetzt werden muß, und nachdem es infolge dessen notwendig wird, die Lücke zwischen den Marsupialien und dem Menschen anzufüllen - wird nun Haeckel die Existenz von vier unbekannten Zwischengruppen an Stelle von einer zugestehen? Wird er seine Genealogie auf diese Art vervollständigen? Es ist nicht meine Sache zu antworten. [25]

Aber man sehe Haeckels berühmte Genealogie, im Stammbaum des Menschengeschlechts, die er die „Ahnen-Reihe des Menschen“ nennt. In der „zweiten Hälfte“ (achtzehnte Stufe) beschreibt er -

Halbaffen oder Prosimien, ähnlich den noch heute lebenden Loris (Stenops) und Makis (Lemur), ohne Beutelknochen, ohne Kloake, mit Placenta. [26]

Und nun wenden wir uns zu de Quatrefages´ Menschengeschlecht, [27] und sehen seine auf die jüngsten Entdeckungen begründeten Beweise, die zeigen sollen, daß die Prosimien des Haeckel keine Decidua und eine diffuse Placenta haben. Sie können nicht einmal die Vorfahren der Affen sein, geschweige denn des Menschen, nach einem Grundgesetze Darwins selbst, wie der große französische Naturforscher zeigt. Aber das erschreckt die „Tiertheoretiker“ nicht im mindesten, denn Selbstwiderspruch und Paradoxen sind die eigentliche Seele des modernen Darwinismus. Beweis dafür - Herr Huxley; nachdem er selbst mit Bezug auf den fossilen Menschen und das „fehlende Glied“ gezeigt hat:

Weder in den Quaternärzeiten noch zur gegenwärtigen Zeit füllt irgend ein Zwischenwesen die Kluft aus, die den Menschen vom Troglodyten trennt;

und daß die „Leugnung der Existenz dieser Kluft ebenso tadelnswert und widersinnig sein würde“, verleugnet der große Mann der Wissenschaft seine eigenen Worte durch die That, indem er mit dem ganzen Gewichte seiner wissenschaftlichen Autorität jene „widersinnigste“ aller Theorien unterstützt - die Abstammung des Menschen von einem Affen!
De Quatrefages sagt:

Seine Genealogie ist durchaus falsch, und ist auf einem wesentlichen Irrtum begründet.

In der That begründet Haeckel seine Menschenabstammung auf die siebzehnte und achtzehnte Stufe, die Marsupialien und Prosimien - (genus Haeckelii?). Indem er den letzten Ausdruck auf die Lemuriden anwendet - daher aus ihnen Tiere mit einer Placenta macht - begeht er einen zoologischen Schnitzer. Denn nachdem er selbst die Säugetiere nach ihren anatomischen Unterschieden in zwei Gruppen geteilt hat - in die Indeciduaten, welche keine Decidua (oder besondere Membran, welche die Placenten vereinigt) haben, und in die Deciduaten, welche eine solche besitzen - schließt er die Prosimien in die letztere Gruppe ein. Wir haben nun anderwärts gezeigt, was andere Männer der Wissenschaft dazu zu sagen hatten. Wie de Quatrefages sagt:

Die anatomischen Unterschiede von . . . Milne Edwards und Granidier über die Tiere . . . erheben es über jeden Zweifel, daß die Prosimien des Haeckel keine Decidua und eine diffuse Placenta haben. Sie sind Indeciduaten. Weit entfernt von jeder Möglichkeit, daß sie die Vorfahren der Affen sind - nach den von Haeckel selbst niedergelegten Prinzipien - können sie nicht einmal als die Vorfahren der zonoplacentalen Säugetiere betrachtet werden . . . und sollten mit den Dickhäutern, den Zahnlückern und den walfischartigen Tieren in Zusammenhang gebracht werden. [28]

Und doch gelten Haeckels Erfindungen bei einigen für exakte Wissenschaft!
Der obige Irrtum, wenn er in der That einer ist, ist in der Avelingschen Übersetzung von Haeckels Stammbaum des Menschengeschlechts nicht einmal angedeutet. Wenn die Entschuldigung gelten darf, daß zur Zeit, als die berüchtigten „Genealogien“ gemacht wurden, „die Embryogenesis der Prosimien nicht bekannt war“, so ist sie jetzt wohlbekannt. Wir werden sehen, ob die nächste Ausgabe von Avelings Übersetzung diesen bedeutenden Irrtum richtig gestellt haben wird, oder ob die siebzehnte und achtzehnte Stufe so bleiben werden, wie sie sind, um den Profanen zu blenden, als eines der wirklichen Zwischenglieder. Aber, wie der französische Naturforscher bemerkt:
Ihr (Darwins und Haeckels) Vorgehen ist immer dasselbe, indem sie das Unbekannte als einen Beweis zu Gunsten ihrer Theorie betrachten.
Es kommt auf das hinaus. Gesteht dem Menschen einen unsterblichen Geist und Seele zu; begabt die ganze belebte und unbelebte Schöpfung mit dem monadischen Prinzipe, das sich allmählich aus latenter und passiver zu aktiver und positiver Polarität entwickelt - und Haeckel wird in der Klemme sein, was immer seine Bewunderer sagen mögen.
Aber es bestehen wichtige Abweichungen selbst zwischen Darwin und Haeckel. Während der erste uns von den geschwänzten Schmalnasen abstammen läßt, führt Haeckel unsern hypothetischen Ahnen auf den schwanzlosen Affen zurück, obwohl er ihn zur selben Zeit in eine hypothetische „Stufe“ versetzt, die dieser unmittelbar vorhergeht - den Menocerken mit Schwänzen (der neunzehnten Stufe).


[24] Wie sogar ein Gesinnungsgenosse, Professor Schmidt , sagt, hat Darwin „ein allerdings nicht schmeichelhaftes und in manchen Stücken vielleicht auch nicht zutreffendes Portrait unserer mutmaßlichen Vorfahren entworfen, auf der Stufe, wo die Menschwerdung erst im Zuge.“ (Descendenzlehre und Darwinismus, p. 264.)

[25] a. a. O., pp. 106-108.

[26] a. a. O., I. p. 84 (Der deutsche Urtext hat: „ohne Placenta.“ Der Übers.)

[27] pp. 109, 110.

[28] a. a. O., p. 110.