PLASTIDUL-SEELEN, UND BEWUSSTE NERVEN-ZELLEN.

Aber man kann niemals das Ende solcher Wunder bei Haeckel und seiner Schule absehen, die von den Occultisten und Theosophen mit vollem Recht als materialistische Landstreicher betrachtet werden können, welche metaphysischen Privatgrund betreten. Nicht zufrieden mit der Vaterschaft betreffs des Bathybius (Haeckelii), erfindet man jetzt „Plastidul-Seelen“ und “Atom-Seelen“ [30] auf der Grundlage rein blinder mechanischer Kräfte der Materie. Wir werden folgendermaßen belehrt:

Die Entwicklungslehre des Seelenlebens zeigt uns, wie dasselbe von der niederen Stufe der einfachen Zellseele durch eine erstaunliche Reihe von allmählichen Entwicklungsstufen sich bis zur Menschenseele emporgearbeitet hat. [31]

„Erstaunlich“ fürwahr - so wie diese wilde Spekulation auf das „Bewußtsein“ der „Nervenzellen“ begründet wird. Denn wie er uns sagt:

So wenig wr heute auch im stande sind, das Wesen des Bewußtseins völlig zu erklären, [32] so läßt doch die vergleichende und genetische Betrachtung des Bewußtseins klar erkennen, daß dasselbe nur eine höhere und zusammengesetzte Funktion der Nervenzellen ist. [33]

Herrn Herbert Spencers Sang vom Bewußtsein - ist ausgesungen, wie es scheint, und kann hinfort in der Rumpelkammer veralteter Spekulationen sicher verwahrt werden. Wo aber werden Haeckels „zusammengesetzte Funktionen“ seiner wissenschaftlichen „Nervenzellen“ diesen landen lassen? Neuerdings gerade bei den occulten und mystischen Lehren der Kabbalah über die Herabkunft der Seelen als bewußter und unbewußter Atome; bei der pythagoräischen Monade und den Monaden des Leibnitz, und den „Göttern, Monaden und Atomen“ unserer esoterischen Lehre; [34] bei dem toten Buchstaben der occulten Lehren, der Amateur-Kabbalisten und Professoren der zeremoniellen Magie überlassen ist. Denn folgendes sagt er zur Erklärung seiner neugeprägten Terminologie:
Plastidul-Seele. Die „Plastidule“ oder Protoplasma-Moleküle, die kleinsten gleichartigen Teile des Protoplasma, sind nach unserer Plastiden-Theorie als die aktiven Faktoren aller Lebensthätigkeiten zu betrachten. Die Plastidul-Seele unterscheidet sich von der anorganischen Molekül-Seele durch den Besitz des Gedächtnisses. [35]


[30] Nach Haeckel giebt es auch „Zellseelen“ und „Atomseelen“; eine „anorganische Molekülseele“ ohne, und eine „Plastidulseele“ mit, oder in Besetz von Gedächtnis. Was sind unsere esoterischen Lehren im Vergleiche hiermit? Die göttliche und menschliche Seele der sieben Prinzipien im Menschen muß selbstverständlich vor einer so wunderbaren Offenbarung verblassen und das Feld räumen!

[31] a. a. O., II. 120.

[32] Das ist ein wertvolles Geständnis. Nur macht es den Versuch, die Abstammung des Bewußtseins im Menschen, ebenso wie die seinen physischen Körpers von dem Bathybius Haeckelii herzuleiten, noch wunderlicher und empirischer im Sinne von Webster´s zweiter Definition.

[33] Ebenda, II. 119.

[34] Jene, die den entgegengesetzten Standpunkt einnehmen und das Dasein der menschlichen Seele für „eine übernatürliche Erscheinung, für ein Geistesphänomen, das durch ganz andere als bloße Naturkräfte bedingt wird,“ halten, spotten, wie er meint, „jeder rein naturwissenschaftlichen Erklärung.“ Sie haben, wie es scheint, kein Recht zu behaupten, daß „die Psychologie teilweise oder ganz eine ,Geisteswissenschaft’, keine Naturwissenschaft“ ist. Die neue Entdeckung Haeckels - die jedoch seit Jahrtausenden in allen östlichen Religionen gelehrt wird - daß die Tiere Seele, Wille und Empfindung, und somit Seelenthätigkeit haben, führt ihn dahin, aus der Psychologie die Wissenschaft der Zoologen zu machen. Die uralte Lehre, daß die „Seele“ (die tierische und die menschliche Seele, oder Kâma und Manas) ihre „Entwicklungsgeschichte“ hat - wird von Haeckel als seine eigene Entdeckung und Neuerung auf einem „ungebahnten [?] Weg“ für sich in Anspruch genommen! Er, Haeckel, will vergleichend die Entwicklung der Seele im Menschen und in anderen Tieren verfolgen. Die vergleichende Morphologie der Seelenorgane, und die vergleichende Physiologie der Seelenfunktionen, beide überall gestützt auf die Entwicklungsgeschichte, werden so zur psychologischen [in Wirklichkeit materialistischen] Aufgabe des Naturforschers. („Zellseelen und Seelenzellen“, a. a. O., I. 145-147.)

[35] „Über die heutige Entwicklungslehre im Verhältnisse zur Gesamtwissenschaft,“ Anm. 20, a. a. O., II. 119.