Soweit würden wir, wären nicht die von der Geheimlehre, und selbst vom exoterischen Hindûismus und seinen Überlieferungen gegebenen Lehren gewesen, bis heute in verwirrter Unsicherheit zwischen den unbestimmten „Zeitaltern“ der einen Schule der Wissenschaft, den „Zehntausenden“ von Jahren der anderen, und den 6000 Jahren der Bibelausleger schwankend gelassen sein. Dies ist einer der verschiedenen Gründe, warum wir bei aller Schlußfolgerungen der Gelehrten von heutzutage gebührenden Ehrerbietungen gezwungen sind, sie in allen solchen Fragen des vorgeschichtlichen Altertums unbeachtet zu lassen.
Die moderne Geologie und Anthropologie können selbstverständlich mit unseren Anschauungen nicht übereinstimmen. Aber der Occultismus wird gegen diese zwei Wissenschaften ebensoviele Waffen finden, als er gegen astronomische und physikalische Theorieen gefunden hat, trotz der Versicherungen Herrn Laing´s, daß:

in (chronologischen) Berechnungen dieser Art, betreffend ältere und jüngere Formationen, keine Theorie liegt, sondern daß sie auf feststehenden Thatsachen begründet und nur von einer gewissen möglichen (?) Fehlergrenze nach beiden Seiten eingeschlossen sind. [17]

Der Occultismus wird an der Hand wissenschaftlicher Bekenntnisse den Beweis führen, daß die Geologie gar sehr im Irrtum ist, und sehr oft sogar mehr als die Astronomie. In eben diesem Abschnitte des Herrn Laing, welcher der Geologie in Bezug auf Richtigkeit den Vorrang vor der Astronomie zuspricht, finden wir eine Stelle, die mit den Geständnissen der besten Geologen selbst in offenbarem Widerspruch steht. Der Verfasser sagt:

Kurz, die Schlußfolgerungen der Geologie, zum mindesten bis hinaus zur silurischen Periode [18] , wo die gegenwärtige Ordnung der Dinge ziemlich begonnen war, sind annähernde (wahrlich so!) Thatsachen und nicht Theorieen, indessen die astronomischen Schlußfolgerungen Theorieen sind, die sich auf so unsicheren Daten begründen, daß sie, während sie in einigen Fällen unglaublich kurze Resultate geben, . . .in anderen nahezu unglaublich lange Resultate geben. [19]

Darnach wird dem Leser bedeutet, daß der „sicherste Kurs“

der zu sein scheint, anzunehmen, daß die Geologie wirklich beweist, daß die Dauer der gegenwärtigen Ordnung der Dinge irgendwie mehr als 100 Millionen Jahre gewesen sei, und daß die Astronomie eine ungeheure, aber unbekannte Zahl darüber hinaus in der Vergangenheit, und eine kommende in der Zukunft für Geburt, Wachstum, Reife, Verfall und Tod des Sonnensystems giebt, von welchem unsere Erde ein kleiner Planet ist, der jetzt die Bewohnbarkeitsperiode durchläuft. [20]

Nach vergangener Erfahrung urteilend hegen wir nicht den geringsten Zweifel, daß, wenn einmal die Aufgabe gestellt würde, „den abgeschmackten unwissenschaftlichen und unsinnigen Behauptungen der eoterischen (und esoterischen) ârischen Chronologie“ entgegenzutreten, der Gelehrte mit den „unglaublich kurzen Resultaten“, d. i. nur 15 000 000 Jahren, und der Gelehrte, welcher „600 000 000 Jahre verlangen möchte“, zusammen mit jenen, welche Herrn Huxleys Zahlen von 1 000 000 000 [21] „seit die Sedimentbildung in Europa begann“, annehmen, alle gleich dogmatisch sein würden, einer wie der andere. Auch würden sie nicht ermangeln, den Occultisten und den Brâhmanen daran zu erinnern, daß allein die modernen Männer der Wissenschaft diejenigen sind, welche die exakte Wissenschaft vorstellen, deren Pflicht es ist, „Ungenauigkeit“ und „Aberglaube“ zu bekämpfen.
Die Erde durchläuft die „Bewohnbarkeitsphase“ nur in Bezug auf die gegenwärtige Ordnung der Dinge, und insoweit unsere gegenwärtige Menschheit mit ihren thatsächlichen „Hautröcken“ und ihrem Phosphor für Knochen und Gehirn in Betracht kommt.
Wir sind bereit, die von der Geologie angebotenen 100 Millionen Jahre zuzugestehen, da man uns gelehrt hat, daß unsere gegenwärtige körperliche Menschheit - oder die Vaivasvata Menschheit - erst vor achtzehn Millionen Jahren begann. Aber die Geologie hat uns keine Thatsachen zu geben über die Dauer der geologischen Perioden, wie wir gezeigt haben, nicht mehr in der That als die Astronomie. Der anderwärts angeführte authentische Brief von Herrn W. Pengelly, F. R. S., sagt:
Es ist gegenwärtig, und vielleicht für alle Zukunft, unmöglich, die geologische Zeitrechnung auch nur annäherungsweise auf Jahre oder auch nur auf Jahrtausende zu bringen.
Und nachdem sie bisher noch niemals einen fossilen Menschen von irgend einer anderen als der gegenwärtigen Form ausgegraben hat - was weiß die Geologie von ihm? Sie hat Zonen und Schichten und, mit diesen, ursprüngliches Tierleben bis hinab zum Silur verfolgt. Wenn sie auf dieselbe Weise den Menschen bis hinab zu seiner ursprünglichen protoplasmischen Form verfolgt haben wird, dann werden wir gestehen, daß sie etwas von dem ursprünglichen Menschen wissen mag. Wenn es nicht sehr wesentlich für die „Einflüsse der modernen wissenschaftlichen Entdeckungen auf das moderne Denken“ ist, ob
der Mensch in einem Zustande stetigen, wenn auch langsamen Fortschreitens während der letzten 50 000 Jahre einer Periode von 15 Millionen, oder während der letzten 500 000 Jahre einer Periode von 15 Millionen existiert hat, [22]
wie Herr S. Laing seinen Lesern sagt, so ist es sehr so für die Behauptungen der Occultisten. Wenn nicht die letzteren zeigen, daß es eine Möglichkeit, wo nicht eine vollkommene Gewißheit ist, daß der Mensch vor achtzehn Millionen Jahren gelebt hat, so hätte die Geheimlehre ebensogut ungeschrieben bleiben können. Ein Versuch muß daher in dieser Richtung gemacht werden, und zwar werden unsere modernen Geologen und Männer der Wissenschaft im allgemeinen als Zeugen für diese Thatsache im dritten Teile dieses Bandes geführt werden. Unterdessen, und ungeachtet der Thatsache, daß die indische Chronologie von den Orientalisten beständig als eine Erdichtung hingestellt wird, die auf keiner „thatsächlichen“ Berechnung beruht, [23] sondern bloß ein „kindisches Großtum“ ist, wird sie nichtdestoweniger oft bis zur Unkenntlichkeit verdreht, um sie westlichen Theorieen Rechnung tragen zu lassen und anzupassen. Mit keinen Zahlen hat man sich jemals mehr unberufen befaßt und mißhandelt, als die berühmten 4, 3, 2, mit den darauffolgenden Nullen, der Yugas und Mahâ Yugas.


[17] Modern Science and Modern Thought, 48.

[18] Zur Silurperiode, was Mollusken und tierischen Leben betrifft - zugegeben; aber was wissen sie vom Menschen?

[19] Ebenda. a. a. O.

[20] Ebenda, 49.

[21] Winchell, World-Life, 180.

[22] a. a. O. 49.

[23] Willson´s Vishnu Purâna, I. 51.