Nicht mehr als die Wissenschaft läßt die Esoterische Philosophie „Plan“ oder „spezielle Schöpfung“ zu. Sie verzichtet vollständig auf das „Wunderbare“ und nimmt nichts an außerhalb der gleichförmigen und unveränderlichen Gesetze der Natur. Aber sie lehrt ein cyklisches Gesetz, einen doppelten Strom der Kraft (oder des Geistes) und des Stoffes, welcher, von dem neutralen Centrum des Seins ausgehend, sich durch seinen cyklischen Fortschritt und durch unaufhörliche Umwandlungen entwickelt. Da der ursprüngliche Keim, aus welchem sich alles Wirbeltierleben durch die Zeitalter entwickelt hat, von dem ursprünglichen Keim verschieden ist, aus welchem sich das vegetabile und animalische Leben evolviert haben, so giebt es Nebengesetze, deren Wirken durch die Bedingungen bestimmt ist, unter denen sie die Materialien, auf die eingewirkt werden soll, vorfinden, und von welchen die Wissenschaft - Physiologie und Anthropologie ganz besonders - wenig zu wissen scheint. Ihre Anhänger sprechen von diesem „ursprünglichen Keim“ und behaupten, daß über jeden Zweifel nachgewiesen ist:
Der Plan [und der „Planer“], wenn es irgend einen giebt [im Falle des Menschen, mit dem wundervollen Baue seiner Glieder, und insbesondere seiner Hand], muß um sehr viel weiter zurückversetzt werden, und ist in der That in dem ursprünglichen Keime involviert, aus welchem sich gewiß alles Wirbeltierleben, und wahrscheinlich alles animale und vegetabile Leben überhaupt langsam entwickelt hat. [2]
Das ist ebenso wahr von dem „ursprünglichen Keim“, als es falsch ist, daß jener „Keim“ nur „um sehr viel weiter zurück“ liegt als der Mensch; denn er befindet sich in einer unermeßlichen und unfaßbaren Entfernung in Zeit, wenn auch nicht in Raum, selbst von dem Ursprung unseres Sonnensystems. Wie die indische Philosophie sehr richtig lehrt, kann das „Anîyâmsam Anîyâsam“ nur durch falsche Vorstellungen erkannt werden. Es ist das „Viele“, welches hervorging aus dem „Einen“ - die lebendigen geistigen Keime oder Kraftcentren - ein jedes in siebenfältiger Form, welche zuerst das Gesetz der Evolution und allmählichen langsamen Entwicklung erzeugen und ihm dann den ersten Anstoß geben.
Beschränken wir die Lehre streng auf diese unsere Erde, so kann gezeigt werden, daß ebenso, wie die etherischen Formen der ersten Menschen zuerst auf sieben Zonen von sieben Dhyân Chohanischen Kraftcentren projiziiert werden, auch Centren schöpferischer Kraft für jede Wurzel- oder Mutterspezies der Schaar von Formen des vegetabilen und animalischen Lebens bestehen. Dies ist wiederum keine „besondere Schöpfung“, noch liegt darin irgend ein „Plan“, ausgenommen in dem von dem Universalen Gesetze ausgearbeiteten Grundplan. Aber es giebt sicherlich „Planer“, obwohl diese weder allmächtig noch allwissend in dem unbedingten Sinne des Ausdruckes sind. Sie sind einfach Bauleute oder Maurer, welche unter dem Antriebe arbeiten, welcher ihnen gegeben wird - dem Einen Leben und Gesetz. Da die dieser Sphäre angehören, so sind sie an keiner anderen beteiligt und haben keine Möglichkeit, an irgend einer anderen zu arbeiten, zum mindesten während des gegenwärtigen Manvantaras. Daß sie in Cyklen und nach einer streng geometrischen und mathematischen Stufenleiter wirken, wird durch die ausgestorbenen Tierarten ausführlich gezeigt; daß sie in den Einzelheiten der kleineren Leben (von tierischen Abzweigungen u. s. w.) planmäßig handeln, ist durch die Naturgeschichte hinlänglich bewiesen. Bei der „Schöpfung“ von neuen Arten, die sich manchmal sehr weit von dem väterlichen Stamme entfernen, wie z. B. bei der großen Verschiedenheit der Gattung Felis - als der Luchs, der Tiger, die Katze u. s. w. - lenken die „Planer“ die neue Entwicklung, indem sie der Art gewisse Zubehöre hinzufügen oder wegnehmen, je nachdem dieselben in der neuen Umgebung entweder nötig oder nutzlos geworden sind. Wenn wir daher sagen, daß die Natur für jedes Tier und für jede Pflanze Sorge trägt, seien sie nun groß oder klein, so sprechen wir richtig. Denn diese irdischen Naturgeister sind es, welche die zusammengefaßte Natur bilden - die, wenn sie gelegentlich in ihrem Plane fehlt, weder für blind erachtet, noch des Fehlers bezichtigt werden darf; denn da sie einer ungleichartigen Summe von Eigenschaften und Attributen angehört, ist sie vermöge, dessen allein bedingt und unvollkommen.

Wenn nichts derartiges bestünde wie Entwicklungscyklen, wie einen ewigen spiralen Fortschritt in die Materie mit einer verhältnismäßigen Verdunkelung des Geistes (obwohl die beiden eins sind), gefolgt von einem entgegengesetzten Aufstieg in den Geist und von der Überwindung der Materie  aktiv und passiv - wie könnten wir dann die Entdeckungen der Zoologie und Geologie erklären? Wie kommt es, daß man nach dem Ausspruche der maßgebenden Wissenschaft das Tierleben von der Molluske bis zum großen Meeresdrachen, ebenso vom kleinsten Landwurm bis zu den riesigen Tieren der Tertiärperiode verfolgen kann; und daß die letzteren einstmals gekreuzt wurden, wird durch die Thatsache gezeigt, daß alle diese Arten abnehmen, sich vermindern und zwergartig werden. Wenn der anscheinende Vorgang der Entwicklung, welche vom weniger vollkommenen zum vollkommeneren und vom einfachen zum zusammengesetzten wirkt, thatsächlich ein universales Gesetz wäre, anstatt eine sehr unvollkommene Verallgemeinerung von bloß sekundärer Natur in dem großen kosmischen Vorgange zu sein, und wenn es keine solche Cyklen geben würde, wie wir sie behauptet haben, dann müßten die mesozoischen Fauna und Flora mit der spätesten neolithischen Platz wechseln. Wir müßten die Plesiosauren und die Ichthyosaurier sich aus den gegenwärtigen Meer- und Flußreptilien entwickeln sehen, anstatt daß diese ihren zwergartigen modernen Entsprechungen Platz machen. Hinwieder würde unser alter Freund, der gutmütige Elephant, der fossile antediluvianische Vorfahr sein, und das Mammut der Pliocänzeit wäre in der Menagerie; das Riesenfaultier und das riesige Megatherium würden an Stelle des schläfrigen Faultieres in den Wäldern von Südamerika gefunden werden, in welchen die kolossalen Farne der Steinkohlenperioden die Stelle der Moose und der gegenwärtigen Bäume einnehmen würden - die Zwerge sind, sogar die Riesen von Kalifornien, im Vergleich mit den titanischen Bäumen der vergangenen geologischen Perioden. Sicherlich müssen die Organismen der gewaltigen Welt des tertiären und des meoszoischen Zeitalters komplizierter und vollkommener gewesen sein, als jene der schwächlichen Pflanzen und Tiere des gegenwärtigen Zeitalters? Der Dryopithecus zum Beispiel ist anatomisch vollkommener, und geeigneter für eine größere Entwicklung der Gehirnkraft, als der moderne Gorilla oder Gibbon. Wie kommt also dies alles? Sollen wir glauben, daß der Körperbau aller jener kolossalen Land- und Meerdrachen, der riesigen fliegenden Reptilien nicht weit entwickelter und komplizierter war, als der Bau der Eidechsen, Schildkröten, Krokodile, und selbst der Wale - kurz gesagt aller jener Tiere, mit denen wir bekannt sind?


[2] Ebenda.