Voltaire, der größte Skeptiker seiner Zeit, der Materialist im wahrsten Sinne des Wortes, teilte Bailly´s Glauben. Er hielt es für ganz wahrscheinlich:

Lange vor den Kaiserreichen von China und Indien hatte es kultivierte, gelehrte und mächtige Nationen gegeben, welche eine Sintflut von Barbaren überwältigte und so in ihrem ursprünglichen Zustand der Unwissenheit und Wildheit zurückversenkte, oder in das, was man den Zustand der reinen Natur nennt. [3]

Was bei Voltaire die scharfsinnige Mutmaßung eines großen Intellekts war, war Bailly eine „Frage historischer Thatsachen“. Denn er schrieb:

Ich schätze sehr alte Überlieferungen, die durch eine lange Reihe von Generationen aufbewahrt sind.

Es war möglich, dachte er, daß eine fremde Nation, nachdem sie eine andere Nation unterrichtet hatte, so verschwinden konnte, daß sie keine Spuren zurückließ. Wenn er gefragt wurde, wieso es geschehen konnte, daß diese alte oder vielmehr archaische Nation nicht mindestens einige Erinnerung im menschlichen Gemüte zurückgelassen habe, antwortete er, daß die  Zeit eine unbarmherzige Verschlingerin der Thatsachen und Ereignisse sei. Aber die Geschichte der Vergangenheit war niemals ganz verloren, denn die Weisen des alten Ägypten hatten sie aufbewahrt und „anderwärts“ ist sie bis zum heutigen Tage so aufbewahrt. Die Priester von Sais sagten zu Solon, nach Plato:

Ihr wisst nicht, daß das trefflichste und edelste Geschlecht unter den Menschen in eurem Lande gelebt hat, von denen du und alle Bürger eures jetzigen Staates herstammt [4] , indem einst ein geringer Stamm von ihnen übrig blieb . . . . Unsere Bücher erzählen nämlich, eine wie gewaltige Kriegsmacht einst euer Staat gebrochen hat, als sie übermütig gegen ganz Europa und Asien zugleich von atlantischen Meere heranzog. [5]

Die Griechen waren bloß der verkümmerte und schwache Überrest jener einstmals herrlichen Nation. [6]
Was war diese Nation? Die Geheimlehre lehrt, daß sie die späteste siebente Unterrasse der Atlantischen war, wie bereits von einer der frühen Unterrassen des ârischen Stammes verschlungen war, die sich allmählich über das Festland und die Inseln von Europa ausbreitete, sobald sie sich aus den Meeren zu erheben begonnen hatten. Herabsteigend von den Hochebenen Asiens, wo die beiden Rassen in den Tagen des Todeskampfes der Atlantis Zuflucht gesucht hatten, hatte sie sich langsam niedergelassen und die frisch aufgetauchten Länder kolonisiert. Die einwandernde Unterrasse hatte sich auf jenem jungfräulichen Boden rasch vergrößert und vermehrt; und hatte sich in viele Familienrassen geteilt, welche sich ihrerseits in Nationen teilten. Ägypten und Griechenland, die Phönizier und die nördlichen Stämme waren auf diese Art aus jener einen Unterrasse hervorgegangen. Jahrtausende später begannen andere Rassen - die Überreste der Atlantier - „gelb und rot, braun und schwarz“, in den neuen Kontinent einzufallen. Es fanden Kriege statt, in denen die neu angekommenen besiegt wurden, und sie flohen, einige von ihnen nach Afrika, andere in entferntere Länder. Einige von diesen Ländern wurden im Laufe der Zeit infolge neuer geologischer Umwälzungen zu Inseln. Da sie so gewaltsam von den Kontinenten getrennt waren, so ergab es sich, daß die unentwickelten Stämme und Familien des atlantischen Stammes allmählich in einen noch elenderen und wilderen Zustand versanken.

„Sind nicht die Spanier bei den Cibola-Expeditionen auf weiße wilde Häuptlinge gestoßen; und ist nicht das Vorhandensein von afrikanischen Negertypen in Europa während der prähistorischen Zeitalter nunmehr sichergestellt? Dieses Vorhandensein eines fremden Typus, der mit jenem des Negers, sowie auch mit jenem des Mongolen verwandt ist, ist der Stein des Anstoßes für die Anthropologie. Das Individuum, welches in einer unberechenbar fernen Zeit zu La Naulette in Belgien lebte, ist ein Beispiel. Ein Anthropologe sagt:

Die Höhlen an den Böschungen der Lesse im südöstlichen Belgien geben Zeugnis für den vielleicht niedrigsten Menschen, wie der Kinnbacken von Naulette zeigt. Ein solcher Mensch hatte jedoch Amulette von Stein, die für Schmuckzwecke durchbohrt waren; dieselben waren aus einem Psammit angefertigt, der jetzt im Becken der Gironde gefunden wird. [7]

Somit waren die Menschen außerordentlich alt. Der Mensch, welcher der großen Wasserflut voranging - welche die Hochlande von Belgien mit einer Ablagerung von Lehm oder Landsand dreißig Meter über dem Niveau der gegenwärtigen Flüsse bedeckte - muß die Charaktere des Turaniers und des Negers verbunden haben. Der Mensch von Canstadt oder La Naulette kann schwarz gewesen sein, und hatte nichts mit dem ârischen Typus zu thun, dessen Überreste gleichzeitig mit jenen des Höhlenbären zu Engis sind. Die Bewohner der aquitanischen Knochenhöhlen gehören einer viel späteren Geschichtsperiode an, und mögen nicht so alt sein, als die ersteren.


[3] Lettres sur l´Atlantide, p. 15. Diese Vermutung ist nur ein halbes Erraten. Es gab solche „Sintfluten von Barbaren“ in der Fünften Rasse. Was die Vierte anbelangt, so wurde sie durch eine ehrliche Sintflut von Wasser hinweggeschwemmt. Weder Voltaire noch Bailly wußte jedoch irgend etwas von der Geheimlehre des Ostens.

[4] Wegen einer vollständigen Erörterung der Beziehungen zwischen den alten Griechen und Römern und den atlantischen Kolonisten siehe Five Years of Theosophy, pp. 308-346.

[5] Timaeus, übersetzt von Dr. F. Susemihl, pp. 674, 677. (Osiander und Schwab.)

[6] Die Geschichte von der Atlantis und alle Überlieferungen darüber werden, wie jedermann weiß, von Plato in seinen Timaeus und Kritias erzählt. Plato erfuhr sie als ein Kind von seinem Großvater Kritias, damals neunzig Jahre alt, welchem in seiner Jugend Solon davon erzählt hatte, der Freund seines Vaters Dropides - Solon, einer von den Sieben Weisen Griechenlands. Keine verläßlichere Quelle könnte gefunden werden, sollten wie meinen.

[7] Siehe Dr. Carter Blake´s Aufsatz „Über den Naulette Kinnbacken,“ Anthropological Review, Sept. 1867.