Herodot spricht von den Atlanten - einem Volke von Westafrika - welche ihren Namen dem Berge Atlas gaben; welche Vegetatier waren, und „deren Schlaf nie durch Träume gestört war“; und welche obendrein

täglich die Sonne bei ihrem Anfange und bei ihrem Untergange verfluchten, weil ihre übermäßige Hitze sie versengte und quälte.

Diese Angaben beruhen auf moralischen und psychischen Thatsachen und nicht auf einer physiologischen Störung. Die Geschichte des Atlas giebt den Schlüssel dazu. Wenn die Atlantier ihren Schlaf niemals durch Träume gestört sahen, so ist dies deshalb, weil jene besondere Überlieferung sich mit den frühesten Atlantiern befaßte, deren Körperbau und Gehirn noch nicht genügend gefestigt waren, im physiologischen Sinne, um den Nervencentren zu gestatten, während des Schlafes zu arbeiten. Was die andere Behauptung anbelangt - daß sie täglich „die Sonne verfluchten“ - so hat dies wiederum nichts mit der Hitze zu thun, sondern mit der moralischen Entartung, welche mit der Rasse zunahm. Dies wird in unsern Kommentaren erklärt.

Sie [die sechste Unterrasse der Atlantier] gebrauchten magische Beschwörungen sogar gegen die Sonne -

und da sie darin keinen Erfolg hatten, verfluchten sie sie. Den Zauberern von Thessalien wurde die Macht zugeschrieben, den Mond herabzuziehen, wie die griechische Geschichte uns versichert. Die Atlantier der späteren Periode waren berühmt wegen ihrer magischen Kräfte und ihrer Verruchtheit, wegen ihres Ehrgeizes und ihrer Herausforderung der Götter. Daher dieselben Überlieferungen, die in der Bibel Form annehmen, über die vorsintflutlichen Riesen und den Turm von Babel, und die auch im Buche Enoch sich finden.
Diodor berichtet noch eine oder zwei andere Thatsachen: Die Atlantier rühmten sich, das Land zu besitzen, in welchem alle Götter geboren wurden; sowie auch, Uranus als ihren König gehabt zu haben, der auch der erste war, welche sie in Astronomie unterrichtete. Sehr wenig mehr als dies ist auf uns vom Altertume her überkommen.
Der Atlasmythos ist eine leicht zu verstehende Allegorie. Atlas ist die alten Kontinente Lemurien und Atlantis verbunden und personifiziert in einem Symbol. Die Dichter schreiben dem Atlas, ebenso wie dem Proteus, eine höhere Weisheit und eine allgemeine Erkenntnis zu, und insbesondere eine vollständige Bekanntschaft mit den Tiefen des Ozeans; denn beide Kontinente trugen Rassen, die von göttlichen Meistern unterrichtet wurden, und beide wurden in den Grund des Meeres versenkt, wo sie jetzt schlummern bis zu ihrem nächsten Wiedererscheinen über den Wassern. Atlas ist der Sohn einer Meeresnymphe, und seine Tochter ist Kalypso - die „wässerige Tiefe“. Die Atlantis wurde unter die Wasser des Ozeans versenkt, und ihre Nachkommenschaft schläft jetzt ihren ewigen Schlaf auf dem Grunde des Meeres. Die Odyssee macht ihn zum Wächter und zum „Träger“ der gewaltigen Pfeiler, welche die Himmel von der Erde trennen. Er ist ihre „“Stütze“. Und da sowohl Lemurien, das durch submarine Feuer zerstört wurde, als auch Atlantis, die von den Wogen verschlungen wurde, in den Tiefen des Meeres zu Grunde ging, [49] so heißt es, daß Atlas gezwungen wurde, die Erdoberfläche zu verlassen, und sich zu seinem Bruder Iapetus in den Tiefen des Tartarus zu gesellen. [50] Sir Theodore Martin hat recht, wenn er diese Allegorie in dem Sinne erklärt:
[Atlas] steht auf dem festen Grunde der unteren Halbkugel des Weltalls, und trägt so gleichzeitig die Scheibe der Erde und das Himmelsgewölbe - die feste Hülle der oberen Halbkugel. [51]
Denn Atlas ist die Atlantis, welche die neuen Kontinente und deren Horizonte auf ihren „Schultern“ trägt.
Decharme giebt in seiner Mythologie des alten Griechenlands einem Zweifel Ausdruck in bezug auf die Richtigkeit von Pierrons Übersetzung des homerischen Wortes [korrekter Abdruck siehe Buch] mit sustinet, da es nicht möglich sei einzusehen:
wieso Atlas gleichzeitig verschiedene Säulen unterstützen oder tragen kann, die sich an verschiedenen Örtlichkeiten befinden.
Wenn Atlas ein Individuum wäre, so wäre es eine ungeschickte Übersetzung. Aber da er einen Kontinent im Westen personifiziert, von dem es heißt, daß er Himmel und Erde gleichzeitig trägt, [52] d. i. die Füße des Riesen treten die Erde, während seine Schultern das Himmelsgewölbe tragen - eine Anspielung auf die riesigen Bergspitzen des lemurischen und atlantischen Kontinents - so wird das Beiwort „Stütze“ sehr richtig. Der Ausdruck bewahrt für das griechische Wort [korrekter Abdruck siehe Buch], welches Decharme, Sir Theodore Martin folgend, in der Bedeutung von [korrekter Abdruck siehe Buch] und [korrekter Abdruck siehe Buch] versteht, giebt nicht denselben Sinn wieder.


[49] Die Christen sollten dieser Lehre von der periodischen Zerstörung der Kontinente durch Feuer und Wasser nicht widersprechen; denn St. Peter spricht von der Erde „aus Wasser und im Wasser, zu der Zeit durch dieselben mit der Sintflut verderbet, also auch jetzund zum Feuer behalten.“ (II. III. 5-7. Siehe auch die Lives of Alchemystical Philosophers, p. 4, London 1815.)

[50] Siehe Hesiod´s Theogonie, 507-509, und die Odyssee, I. 51-53.

[51] Mémoires de l´Académie des Inscriptions, p. 176.

[52] Aeschylos, Prometheus Vinctus, 351, 429, u. s. w.