Die beiden Ausleger stehen miteinander durchaus im Widerspruche, Lyell´s Lösung ist wie folgt. Da er an kataklysmatische Veränderungen wegen der Abwesenheit (?) irgendwelcher verläßlicher historischer Daten über den Gegenstand, sowie auch wegen einer starken Voreingenommenheit für die uniformitarischen Auffassungen der geologischen Veränderungen, nicht glaubt, [19] so versucht er, die atlantische „Überlieferung“ auf die folgenden Quellen zurückzuführen:
(1) Barbarische Stämme bringen Katastrophen mit einem rächenden Gotte in Zusammenhang, von welchem sie annehmen, daß er auf diese Art unmoralische Rassen bestrafe.
(2) Daher ist der Anfang einer neuen Rasse logischerweise ein tugendhafter.
(3) Die ursprüngliche Quelle der geologischen Grundlage der Überlieferung war Asien - ein Kontinent, der heftigen Erdbeben unterworfen ist. Übertriebene Bericht würden so die Zeitalter entlang überliefert.
(4) Ägypten, das selbst von Erdbeben frei ist, begründete nichtsdestoweniger sein nicht unbeträchtliches geologisches Wissen auf diese Umwälzungsüberlieferungen.

Eine scharfsinnige „Erklärung“, wie sie alle sind! Aber eine Negation zu beweisen, ist sprichwörtlich eine schwierige Aufgabe. Die Schüler der esoterischen Wissenschaft, welche wissen, was die Fähigkeiten der ägyptischen Priesterschaft in Wirklichkeit waren, brauchen keine solche gekünstelte Hypothese. Während ferner eine phantasiereicher Theoretiker immer im stande ist, eine leidliche Lösung von Problemen zu liefern, welche in einem Zweige der Wissenschaft die Hypothese periodischer kataklysmatischer Veränderungen auf der Oberfläche unseres Planeten notwendig zu machen scheinen, wird der unparteiische Kritiker, welcher nicht Spezialist ist, die unermeßliche Schwierigkeit erkennen, die gehäuften Beweise - nämlich den archäologischen, ethnologischen, geologischen, traditionellen, botanischen und selbst biologischen - zu gunsten früherer, jetzt versunkener Kontinente hinwegzuerklären. Wenn jede Wissenschaft auf eigene Faust kämpft, so wird die gehäufte Kraft des Beweismaterials fast ausnahmslos aus den Augen verloren.

Im Theosophist schrieben wir:

Wir haben zum Beweise die ältesten Überlieferungen verschiedener und weit getrennter Völker - Legenden in Indien, im alten Griechenland, auf Madagaskar, Sumatra, Java und allen Hauptinseln von Polynesien, sowie die Legenden von beiden Amerikas. Unter den Wilden, und in den Überlieferungen der reichsten Litteratur der Welt - der Sanskritlitteratur von Indien - findet sich eine Übereinstimmung in der Behauptung, daß vor Zeitaltern im Stillen Ozean ein großes Festland vorhanden war, welches durch eine geologische Umwälzung vom Meere verschlungen wurde [20] [Lemurien]. Und es ist unser fester Glaube . . ., daß die meisten, wenn nicht alle Inseln vom malayischen Archipel bis Polynesien, Bruchstücke jenes einstmals ungeheuren versunkenen Kontinentes sind. Sowohl Malakka, als auch Polynesien, welche an den beiden Enden des Ozeans liegen, und welche seit Menschengedenken niemals miteinander Verkehr oder auch nur Kenntnis von einander hatten oder haben konnten, besitzen dennoch eine allen Inseln und Inselchen gemeinsame Überlieferung, daß ihre Länder sich weit, weit hinaus in die See erstreckten; daß es in der Welt nur zwei gewaltige Kontinente gab, der eine bewohnt von gelben, der andere von dunklen Menschen; und daß der Ozean auf Befehl der Götter, und um ihren unaufhörlichen Kampf zu bestrafen, sie verschlungen hat. Trotz der geographischen Thatsache, daß Neuseeland und die Sandwich- und Osterinseln voneinander in einer Entfernung von 800 bis 1000 Seemeilen sind, und daß, nach jedem Zeugnisse, weder diese noch irgend welche andern dazwischenliegenden Inseln, z. B. die Marquesas-, Gesellschafts-, Fidschi-, Tahiti-, Samoa- und andere Inseln, seitdem sie zu Inseln wurden, bei der Unbekanntheit ihrer Bewohner mit dem Kompaß jemals vor der Ankunft der Europäer miteinander verkehrt haben konnten; behaupten sie doch alle insgesamt, daß sich ihre bezüglichen Länder weit nach Westen, nach der asiatischen Seite erstreckten. Ferner sprechen alle mit sehr geringem Abweichungen Dialekte von offenbar einer und derselben Sprache, und verstehen einander mit wenig Schwierigkeit, haben dieselben religiösen Glauben und Aberglauben, und im ziemlichen Grade dieselben Gebräuche. Und da wenige der polynesischen Inseln früher als vor einem Jahrhundert entdeckt wurden, und der Stille Ozean selbst für Europa bis zur Zeit des Columbus unbekannt war, und diese Inselbewohner niemals aufgehört haben, dieselben alten Überlieferungen zu wiederholen, seitdem die Europäer zum erstenmal den Fuß auf ihre Ufer gesetzt haben, so scheint es uns eine logische Schlußfolgerung zu sein, daß unsere Theorie der Wahrheit näher ist als irgend eine andere. Der Zufall müßte seinen Namen und seine Bedeutung ändern, wenn all dies bloßem Zufall allein zuzuschreiben wäre. [21]


[19] Heftige kleinere Umwälzungen und gewaltige Erdbeben werden in den Annalen der meisten - wenn nicht aller Nationen berichtet. Hebung und Senkung von Festländern geht beständig vor sich. Die ganze Küste von Südamerika ist binnen einer Stunde nm 10 bis 15 Fuß gehoben und wieder gesenkt worden.  Huxley hat gezeigt, daß die britischen Inseln viermal untern dem Ozean versenkt und in der Folge wieder gehoben und bevölkert worden sin. Die Alpen, Himâlayas und Kordilleren waren alle das Ergebnis von Ablagerungen, die auf die Meeresgründe geschwemmt und durch titanische Kräfte zu ihrer gegenwärtigen Höhe erhoben wurden. Die Sahara war das Becken eines miocänen Meeres. Innerhalb der letzten fünf- oder sechstausend Jahre sind die Ufer von Schweden, Dänemark und Norwegen um 200 bis 600  Fuß gestiegen; in Schottland giebt es gehobene Strande mit außerhalb liegenden Felsklippen und Schären, welche das jetzt von der hungrigen Woge ausgespülte Ufer überragen. Der Norden von Europa hebt sich noch immer aus dem Meere, und Südamerika bietet die Erscheinung von erhöhten Strandlinien von mehr als 1000 Meilen Länge, deren Höhe jetzt zwischen 100 und 1300 Fuß über dem Meeresspiegel variiert. Anderseits ist die Küste von Grönland in raschem Sinken begriffen, so rasch, daß der Grönländer am Ufer nicht bauen will. Alle diese Erscheinungen sind gewiß. Warum soll also nicht eine allmähliche Veränderung in entfernten Epochen einer plötzlichen Umwälzung Platz gemacht haben - zudem solche Umwälzungen im kleineren Maßstabe selbst jetzt stattfinden, z. B. der Fall der Sundainsel mit der Vernichtung von 80 000 Malayen?

[20] Wegen der Anschauungen Jacolliots, nach langen Reisen durch die polynesischen Inseln, und wegen seiner Beweise für eine frühere große geologische Umwälzung im Stillen Ozean, siehe seine Histoire des Vièrges; les Peuples et les Continents Disparus, p. 308.

[21] August 1880.