Prof. Schmidt schreibt zur Verteidigung der Hypothese eines früheren Lemuriens und erklärt:

Eine große Reihe tiergeographischer Thatsachen kann nur durch die Annahme des einstigen Bestehend eines südlichen Kontinents erklärt werden, von welchem das australische Festland ein Überbleibsel ist. . . . [Die Verteilung der Arten weist] auf das verschwundene Südland, wo vielleicht auch die Heimat der Vorfahren der Makis von Madagaskar zu suchen sein mag. [22]

Herr A. R. Wallace kommt in seinem Malay Archipelago nach einer Prüfung des zu Gebote stehenden Beweismaterials zu folgendem Schluß:

Aus diesen Thatsachen müssen wir unzweifelhaft die Folgerung ziehen, daß die gesamten Inseln östlich von Java und Borneo dem Wesen nach einen Teil eines früheren australischen oder pazifischen Kontinents bilden, wenn auch einige von ihnen niemals mit demselben thatsächlich verbunden gewesen sein mögen. Dieser Kontinent muß sich nicht nur früher geteilt haben, als die westlichen Inseln sich von Asien über die Gewässer des Ozeans gehoben wurde, denn ein großer Teil des Landes von Borneo und Java ist bekanntlich geologisch von ganz junger Formation. [23]

Nach Haeckel:

Vielleicht war nicht Südasien selbst die älteste Wiege des Menschengeschlechts, sondern Lemurien, ein südlich davon gelegener Kontinent, welcher später unter den Spiegel des indischen Ozeans versank. [24]

In einem Sinne hat Haeckel damit recht, daß Lemurien - „die Wiege des Menschengeschlechts“ war. Jener Kontinent war die Heimat des ersten physischen Menschenstammes - der späteren Menschen der Dritten Rasse. Vor jener Epoche waren die Rassen viel weniger gefestigt und physiologisch ganz verschieden. Haeckel läßt Lemurien sich von den Sundainseln bis Afrika und Madagaskar und ostwärts bis Hinterindien erstrecken.
Der hervorragende Paläontologe Professor Rütimeyer fragt:

Oder sollte die Vermutung, daß die fast ausschließlich vegetivoren und insektivoren Beuteltiere, Faultiere, Gürtel- und Schuppentiere, Ameisenfresser, Strauße einst in der südlichen Hemisphäre einen wirklichen Sammelpunkt fanden, von welchem die heutige Flora von Feuerland, des Kaplandes und Australiens die Überreste sein müßten, auf Schwierigkeiten stoßen in einem Moment, wo Herr die frühen Wälder von Smithsund und Spitzbergen aus ihren fossilen Überresten uns wieder vor Augen führt? [25]

Nachdem wir uns nun im allgemeinen mit der verbreiteten Haltung der Wissenschaft zu den zwei Fragen beschäftigt haben, wird es vielleicht zu einer angenehmen Kürze beitragen, wenn wir die schlagenderen vereinzelten Thatsachen zu gunsten jener fundamentalen Behauptung der esoterischen Ethnologen - der Wirklichkeit der Atlantis - zusammenfassen. Lemurien ist so weit und breit angenommen, daß eine weitere Verfolgung des Gegenstandes unnötig ist. Mit Bezug jedoch auf die erstere findet man:
(1) Die miocänen Floren von Europa haben ihre zahlreichsten und auffallendsten Analoga in den Floren der Vereinigten Staaten. In den Wäldern von Virginien und Florida findet man die Magnolien, Tulpenbäume, immergrünen Eichen, Platanen, u. s. w., welche der europäischen Tertiärflora Stück für Stück entsprechen. Wie wurde die Wanderung bewirkt, wenn wir die Theorie von einem atlantischen Kontinent, welcher den Ozean zwischen Amerika und Europa überbrückte, ausschließen? Die vorgeschlagene „Erklärung“, welche dahin geht, daß der Übergang auf dem Wege von Asien und den atlantischen Inseln erfolgte, ist einfach eine ungerechtfertigte Theorie, die offenbar von der Thatsachen wiederlegt wird, daß eine große Anzahl dieser Floren nur östlich vom Felsengebirge erscheinen. Das macht auch die Idee von einer transpazifischen Wanderung zunichte. Sie sind jetzt von den europäischen Kontinenten und Inseln im Norden überflüssig gemacht worden.
(2) Schädel, die an den Ufern der Donau und des Rheins ausgegraben wurden, zeigen eine auffallende Ähnlichkeit mit jenen der Kariben und alten Peruaner (Littré). Denkmäler sind in Mittelamerika ausgegraben worden, welche Darstellungen von unzweifelhaften Negerköpfen mit Gesichtern tragen. Wie werden solche Thatsachen erklärt, ausgenommen auf Grund der atlantischen Hypothese? Was jetzt Nordwestafrika ist, war einstmals mit der Atlantis durch ein Netzwerk von Inseln verbunden, von welchen jetzt nur wenige übrig sind.
(3) Nach Farrar hat die „isolierte Sprache“ der Basken keine Verwandtschaften mit den andern Sprachen von Europa, [26] sondern mit

den Ursprachen des großen entgegengesetzten Kontinents [Amerika], und zwar mit jenen allein. [27]

Professor Broca ist auch derselben Meinung.
Der paläolithische europäische Mensch der Miocän- und Pliocänzeit war ein reiner Atlantier, wie wir früher festgestellt haben. Die Basken sind natürlich von viel späterem Datum als dieser, aber ihre Verwandtschaften sind, wie hier gezeigt, ein weitgehender Beweis für die ursprüngliche Herkunft ihrer entfernten Ahnen. Die „geheimnisvolle“ Verwandtschaft zwischen ihrer Sprache und jener der dravidischen Rassen von Indien wird von jenen verstanden werden, welche unserer Skizze der Bildung und Verschiebungen von Kontinenten gefolgt sind.


[22] Descendenzlehre und Darwinismus, pp. 218-220. Vgl. auch seine ausführlichen Argumente über den Gegenstand, pp. 213-218.

[23] a. a. O., I. 22, 23, Ausg. 1869.

[24] Populäre Vorträge, I. 79.

[25] Angeführt in Schmidts Descendenzlehre und Darwinismus, p. 220.

[26] Wegen weiterer Thatsachen in Bezug auf die Isolierung der Basken in Europa und ihre ethnologischen Beziehungen siehe Joly, Man before Metals, p. 316. B. Davis ist geneigt, auf Grund einer Untersuchung der Schädel der Guanchen der kanarischen Inseln, und der modernen Basken, zuzugestehen, daß beide einer Rasse angehören, welche jenen alten Inseln eigentümlich war, deren Überreste die Kanaren sind! Das ist in der That ein Schritt nach vorwärts. De Quatrefages und Hamy schreiben auch beide die Cro-Magnon-Menschen von Südfrankreich und die Guanchen einem Typus zu, ein Satz, welcher einen gewissen Folgesatz in sich schließt, zu dem sich zu bekennen, beide Schriftsteller nicht geneigt sein mögen.

[27] Families of Speech.