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Johann Wolfgang von Goethe

Der Tragödie zweiter Teil

Klassische Walpurgisnacht
Pharsalische Felder

Finsternis.

ERICHTHO.
Zum Schauderfeste dieser Nacht, wie öfter schon,
Tret ich einher, Erichtho, ich, die Düstere:
Nicht so abscheulich, wie die leidigen Dichter mich
Im Übermaß verlästern. - Endigen sie doch nie
In Lob und Tadel! - Überbleicht erscheint mir schon
Von grauer Zelten Woge weit das Tal dahin -
Als Nachgesicht der sorg- und grauenvollsten Nacht.
Wie oft schon wiederholt sichs! wird sich immerfort
Ins Ewige wiederholen! Keiner gönnt das Reich
Dem andern, Dem gönnts keiner, ders mit Kraft erwarb
Und kräftig herrscht. Denn jeder, der sein innres Selbst
Nicht zu regieren weiß, regierte gar zu gern
Des Nachbars Willen, eignem stolzen Sinn gemäß.
Hier aber ward ein großes Beispiel durchgekämpft:
Wie sich Gewalt Gewaltigerem entgegenstellt,
Der Freiheit holder, tausendblumiger Kranz zerreißt,
Der starre Lorbeer sich ums Haupt des Herrschers biegt.
Hier träumte Magnus früher Größe Blütentag,
Dem schwanken Zünglein lauschend, wachte Cäsar dort!
Das wird sich messen. Weiß die Welt doch, wems gelang!
Wachfeuer glühen, rote Flammen spendende;
Der Boden haucht vergoßnen Blutes Widerschein,
Und angelockt von seltnem Wunderglanz der Nacht,
Versammelt sich hellenischer Sage Legion.
Um alle Feuer schwankt unsicher oder sitzt
Behaglich alter Tage fabelhaft Gebild. -
Der Mond, zwar unvollkommen, aber leuchtend-hell,
Erhebt sich, milden Glanz verbreitend überall;
Der Zelten Trug verschwindet, Feuer brennen blau.
Doch, über mir! welch unerwartet Meteor?
Es leuchtet und beleuchtet körperlichen Ball.
Ich wittre Leben. Da geziemen will mirs nicht,
Lebendigem zu nahen, dem ich schädlich bin:
Das bringt mir bösen Ruf und frommt mir nicht.
Schon sinkt es nieder. Weich ich aus mit Wohlbedacht! Entfernt sich.
Die Luftfahrer oben.

HOMUNCULUS. Schwebe noch einmal die Runde
Über Flamm- und Schaudergrauen;
Ist es doch in Tal und Grunde
Gar gespenstisch anzuschauen.

MEPHISTOPHELES. Seh ich, wie durchs alte Fenster
In des Nordens Wust und Graus,
Ganz abscheuliche Gespenster,
Bin ich hier wie dort zu Haus.
HOMUNCULUS. Sieh! da schreitet eine Lange
Weiten Schrittes von uns hin.

MEPHISTOPHELES. Ist es doch, als wär ihr bange:
Sah uns durch die Lüfte ziehn.

HOMUNCULUS. Laß sie schreiten! - Setz ihn nieder,
Deinen Ritter, und sogleich
Kehret ihm das Leben wieder;
Denn er suchts im Fabelreich.

FAUST den Boden berührend. Wo ist sie?

HOMUNCULUS. Wüßtens nicht zu sagen,
Doch hier wahrscheinlich zu erfragen.
In Eile magst du, eh es tagt,
Von Flamm zu Flamme spürend gehen:
Wer zu den Müttern sich gewagt,
Hat weiter nichts zu überstehen.

MEPHISTOPHELES. Auch ich bin hier an meinem Teil;
Doch wüßt ich Besseres nicht zu unserm Heil
Als: jeder möge durch die Feuer
Versuchen sich sein eigen Abenteuer
Dann, um uns wieder zu vereinen,
Laß deine Leuchte, Kleiner, tönend scheinen!

HOMUNCULUS. So soll es blitzen, soll es klingen!
Das Glas dröhnt und leuchtet gewaltig.
Nun frisch zu neuen Wunderdingen!

FAUST allein. Wo ist sie? - Frage jetzt nicht weiter nach!
Wärs nicht die Scholle, die sie trug,
Die Welle nicht, die ihr entgegenschlug,
So ists die Luft, die ihre Sprache sprach.
Hier! Durch ein Wunder, hier in Griechenland!
Ich fühlte gleich den Boden, wo ich stand.
Wie mich, den Schläfer, frisch ein Geist durchglühte,
So steh ich, ein Antäus an Gemüte,
Und find ich hier das Seltsamste beisammen,
Durchforsch ich ernst dies Labyrinth der Flammen. Entfernt sich.

 

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