| Wald, Fels, Einöde.Heilige Anachoreten gebirgauf verteilt, gelagert zwischen Klüften.
 CHOR UND ECHO.Waldung, sie schwankt heran,
 Felsen, sie lasten dran,
 Wurzeln, sie klammern an,
 Stamm dicht am Stamm hinan.
 Woge nach Woge spritzt,
 Höhle, die tiefste, schützt.
 Löwen, sie schleichen stumm-
 Freundlich um uns herum,
 Ehren geweihten Ort,
 Heiligen Liebeshort.
 
 PATER ECSTATICUS auf- und abschweifend.
 Ewiger Wonnebrand,
 Glühendes Liebeband,
 Siedender Schmerz der Brust,
 Schäumende Gotteslust!
 Pfeile, durchdringet mich,
 Lanzen, bezwinget mich,
 Keulen, zerschmettert mich,
 Blitze, durchwettert mich!
 Daß ja das Nichtige
 Alles verflüchtige,
 Glänze der Dauerstern,
 Ewiger Liebe Kern!
 
 PATER PROFUNDUS, tiefe Region.
 Wie Felsenabgrund mir zu Füßen
 Auf tieferm Abgrund lastend ruht,
 Wie tausend Bäche strahlend fließen
 Zum grausen Sturz des Schaums der Flut,
 Wie strack, mit eignem kräftigen Triebe,
 Der Stamm sich in die Lüfte trägt:
 So ist es die allmächtige Liebe,
 Die alles bildet, alles hegt.
 Ist um mich her ein wildes Brausen,
 Als wogte Wald und Felsengrund,
 Und doch stürzt, liebevoll im Sausen,
 Die Wasserfülle sich zum Schlund,
 Berufen, gleich das Tal zu wässern;
 Der Blitz, der flammend niederschlug,
 Die Atmosphäre zu verbessern,
 Die Gift und Dunst im Busen trug:
 Sind Liebesboten! sie verkünden,
 Was ewig schaffend uns umwallt.
 Mein Innres mög es auch entzünden,
 Wo sich der Geist, verworren-kalt,
 Verquält in stumpfer Sinneschranken
 Scharfangeschloßnem Kettenschmerz!
 O Gott, beschwichtige die Gedanken,
 Erleuchte mein bedürftig Herz!
 
 PATER SERAPHICUS, mittlere Region.
 Welch ein Morgenwölkchen schwebet
 Durch der Tannen schwankend Haar?
 Ahn ich, Was im Innern lebet?
 Es ist junge Geisterschar.
 
 CHOR SELIGER KNABEN. Sag uns, Vater, wo wir wallen,
 Sag uns, Guter, wer wir sind!
 Glücklich sind wir: allen, allen
 Ist das Dasein so gelind.
 
 PATER SERAPHICUS. Knaben, Mitternachtsgeborne,
 Halb erschlossen Geist und Sinn,
 Für die Eltern gleich Verlorne,
 Für die Engel zum Gewinn!
 Daß ein Liebender zugegen,
 Fühlt ihr wohl: so naht euch nur!
 Doch von schroffen Erdewegen,
 Glückliche! habt ihr keine Spur.
 Steigt herab in meiner Augen
 Welt- und erdgemäß Organ!
 Könnt sie als die euern brauchen:
 Schaut euch diese Gegend an!
 Er nimmt sie in sich.
 Das sind Bäume, das sind Felsen,
 Wasserstrom, der abgestürzt
 Und mit ungeheuerm Wälzen
 Sich den steilen Weg verkürzt.
 
 SELIGE KNABEN von innen.
 Das ist mächtig anzuschauen;
 Doch zu düster ist der Ort,
 Schüttelt uns mit Schreck und Grauen:
 Edler, Guter, laß uns fort!
 
 PATER SERAPHICUS.
 Steigt hinan zu höhrem Kreise,
 Wachset immer unvermerkt,
 Wie nach ewig reiner Weise
 Gottes Gegenwart verstärkt!
 Denn das ist der Geister Nahrung,
 Die im freisten Äther waltet:
 Ewigen Liebens Offenbarung,
 Die zur Seligkeit entfaltet.
 
 CHOR SELIGER KNABEN um die höchsten Gipfel kreisend.
 Hände verschlinget
 Freudig zum Ringverein!
 Regt euch und singet
 Heilge Gefühle drein!
 Göttlich belehret,
 Dürft ihr vertrauen;
 Den ihr verehret,
 Werdet ihr schauen.
 
 ENGEL schwebend in der höhern Atmosphäre.
 Faustens Unsterbliches tragend.
 Gerettet ist das edle Glied
 Der Geisterwelt vom Bösen:
 Wer immer strebend sich bemüht,
 Den können wir erlösen!
 Und hat an ihm die Liebe gar
 Von oben teilgenommen,
 Begegnet ihm die selige Schar
 Mit herzlichem Willkommen.
 
 DIE JÜNGEREN ENGEL.
 Jene Rosen, aus den Händen
 Liebend-heiliger Büßerinnen,
 Halfen uns den Sieg gewinnen,
 Uns das hohe Werk vollenden,
 Diesen Seelenschatz erbeuten.
 Böse wichen, als wir streuten,
 Teufel flohen, als wir trafen.
 Statt gewohnter Höllenstrafen
 Fühlten Liebesqual die Geister;
 Selbst der alte Satansmeister
 War von spitzer Pein durchdrungen.
 Jauchzet auf! es ist gelungen.
 
 DIE VOLLENDETEREN ENGEL.
 Uns bleibt ein Erdenrest
 Zu tragen peinlich,
 Und wär er von Asbest,
 Er ist nicht reinlich.
 Wenn starke Geisteskraft
 Die Elemente
 An sich herangerafft,
 Kein Engel trennte
 Geeinte Zwienatur
 Der innigen beiden:
 Die ewige Liebe nur
 Vermags zu scheiden.
 
 DIE JÜNGEREN ENGEL.
 Nebelnd um Felsenhöh
 Spür ich soeben
 Regend sich in der Näh
 Ein Geisterleben.
 Die Wölkchen werden klar:
 Ich seh bewegte Schar
 Seliger Knaben,
 Los von der Erde Druck,
 Im Kreis gesellt,
 Die sich erlaben
 Am neuen Lenz und Schmuck
 Der obern Welt.
 Sei er zum Anbeginn,
 Steigendem Vollgewinn
 Diesen gesellt!
 
 DIE SELIGEN KNABEN.
 Freudig empfangen wir
 Diesen im Puppenstand;
 Also erlangen wir
 Englisches Unterpfand.
 Löset die Flocken los,
 Die ihn umgeben!
 Schon ist er schön und groß
 Von heiligem Leben.
 
 DOCTOR MARIANUS in der höchsten, reinlichsten Zelle.
 Hier ist die Aussicht frei,
 Der Geist erhoben.
 Dort ziehen Fraun vorbei,
 Schwebend nach oben.
 Die Herrliche, mitteninn,
 Im Sternenkranze,
 Die Himmelskönigin:
 Ich sehs am Glanze.
 Entzückt.
 Höchste Herrscherin der Welt,
 Lasse mich im blauen,
 Ausgespannten Himmelszelt
 Dein Geheimnis schauen!
 Billige, was des Mannes Brust
 Ernst und zart beweget
 Und mit heiliger Liebeslust
 Dir entgegenträget!
 Unbezwinglich unser Mut,
 Wenn du hehr gebietest;
 Plötzlich mildert sich die Glut,
 Wie du uns befriedest.
 Jungfrau, rein im schönsten Sinn,
 Mutter, Ehren würdig,
 Uns erwählte Königin,
 Göttern ebenbürtig.
 Um sie verschlingen
 Sich leichte Wölkchen:
 Sind Büßerinnen,
 Ein zartes Völkchen,
 Um ihre Kniee
 Den Äther schlürfend,
 Gnade bedürfend.
 Dir, der Unberührbaren,
 Ist es nicht benommen,
 Daß die leicht Verführbaren
 Traulich zu dir kommen.
 In die Schwachheit hingerafft,
 Sind sie schwer zu retten:
 Wer zerreißt aus eigner Kraft
 Der Gelüste Ketten?
 Wie entgleitet schnell der Fuß
 Schiefem, glattem Boden!
 Wen betört nicht Blick und Gruß,
 Schmeichelhafter Odem?
  Mater gloriosa schwebt einher.
           CHOR DER BÜSSERINNEN.Du schwebst zu Höhen
 Der ewigen Reiche;
 Vernimm das Flehen,
 Du Ohnegleiche,
 Du Gnadenreiche!
 
 MAGNA PECCATRIX. (St. Lucae VII, 36.)
 Bei der Liebe, die den Füßen
 Deines gottverklärten Sohnes
 Tränen ließ zum Balsam fließen
 Trotz des Pharisäerhohnes,
 Beim Gefäße, das so reichlich
 Tropfte Wohlgeruch hernieder,
 Bei den Locken, die so weichlich
 Trockneten die heilgen Glieder -
 
 MULIER SAMARITANA. (St. Joh. IV.)
 Bei dem Bronn, zu dem schon weiland
 Abram ließ die Herde führen,
 Bei dem Eimer, der dem Heiland
 Kühl die Lippe durft berühren,
 Bei der reinen, reichen Quelle,
 Die nun dorther sich ergießet,
 Überflüssig, ewig helle
 Rings durch alle Welten fließet -
 
 MARIA AEGYPTIACA. (Acta Sanctorum.)
 Bei dem hochgeweihten Orte,
 Wo den Herrn man niederließ,
 Bei dem Arm, der von der Pforte
 Warnend mich zurückestieß,
 Bei der vierzigjährigen Buße,
 Der ich treu in Wüsten blieb,
 Bei dem seligen Scheidegruße,
 Den im Sand ich niederschrieb -
 
 ZU DREI. Die du großen Sünderinnen
 Deine Nähe nicht verweigerst
 Und ein büßendes Gewinnen
 In die Ewigkeiten steigerst,
 Gönn auch dieser guten Seele,
 Die sich einmal nur vergessen,
 Die nicht ahnte, daß sie fehle,
 Dein Verzeihen angemessen!
 
 UNA POENITENTIUM sich anschmiegend. Sonst Gretchen genannt.
 Neige, neige,
 Du Ohnegleiche,
 Du Strahlenreiche,
 Dein Antlitz gnädig meinem Glück!
 Der früh Geliebte,
 Nicht mehr Getrübte,
 Er kommt zurück.
 
 SELIGE KNABEN in Kreisbewegung sich nähernd.
 Er überwächst uns schon
 An mächtigen Gliedern,
 Wird treuer Pflege Lohn
 Reichlich erwidern.
 Wir wurden früh entfernt
 Von Lebechören;
 Doch dieser hat gelernt:
 Er wird uns lehren.
 
 DIE EINE BÜSSERIN, sonst Gretchen genannt.
 Vom edlen Geisterchor umgeben,
 Wird sich der Neue kaum gewahr,
 Er ahnet kaum das frische Leben,
 So gleicht er schon der heiligen Schar.
 Sieh, wie er jedem Erdenbande,
 Der alten Hülle sich entrafft
 Und aus ätherischem Gewande
 Hervortritt erste Jugendkraft!
 Vergönne mir, ihn zu belehren:
 Noch blendet ihn der neue Tag!
 
 MATER GLORIOSA.
 Komm, hebe dich zu höhern Sphären!
 Wenn er dich ahnet, folgt er nach.
 
 DOCTOR MARIANUS auf dem Angesicht anbetend.
 Blicket auf zum Retterblick,
 Alle reuig Zarten,
 Euch zu seligem Geschick
 Dankend umzuarten!
 Werde jeder bessre Sinn
 Dir zum Dienst erbötig!
 Jungfrau, Mutter, Königin,
 Göttin, bleibe gnädig!
 
 CHORUS MYSTICUS.
 Alles Vergängliche
 Ist nur ein Gleichnis;
 Das Unzulängliche,
 Hier wird's Ereignis;
 Das Unbeschreibliche,
 Hier ist's getan;
 Das Ewigweibliche
 Zieht uns hinan.
  FINIS.
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