Großer Vorhof des Palasts
Fackeln.
MEPHISTOPHELES als Aufseher voran.
Herbei! herbei! Herein, herein!
Ihr schlotternden Lemuren,
Aus Bändern, Sehnen und Gebein
Geflickte Halbnaturen!
LEMUREN im Chor. Wir treten dir sogleich zur Hand,
Und wie wir halb vernommen,
Es gilt wohl gar ein weites Land,
Das sollen wir bekommen.
Gespitzte Pfähle, die sind da,
Die Kette lang fürs Messen;
Warum an uns der Ruf geschah,
Das haben wir vergessen.
MEPHISTOPHELES. Hier gilt kein künstlerisch Bemühn!
Verfahret nur nach eignen Maßen:
Der Längste lege längelang sich hin!
Ihr andern lüftet ringsumher den Rasen!
Wie mans für unsre Väter tat,
Vertieft ein längliches Quadrat!
Aus dem Palast ins enge Haus:
So dumm läuft es am Ende doch hinaus.
LEMUREN mit neckischen Gebärden grabend.
Wie jung ich war und lebt und liebt,
Mich deucht, das war wohl süße!
Wos fröhlich klang und lustig ging,
Da rührten sich meine Füße.
Nun hat das tückische Alter mich
Mit seiner Krücke getroffen;
Ich stolpert über Grabes Tür:
Warum stand sie just offen!
FAUST aus dem Palaste tretend, tastet an den Türpfosten.
Wie das Geklirr der Spaten mich ergötzt!
Es ist die Menge, die mir frönet,
Die Erde mit sich selbst versöhnet,
Den Wellen ihre Grenze setzt,
Das Meer mit strengem Band umzieht.
MEPHISTOPHELES beiseite. Du bist doch nur für uns bemüht
Mit deinen Dämmen, deinen Buhnen;
Denn du bereitest schon Neptunen,
Dem Wasserteufel, großen Schmaus.
In jeder Art seid ihr verloren:
Die Elemente sind mit uns verschworen
Und auf Vernichtung läufts hinaus.
FAUST. Aufseher!
MEPHISTOPHELES. Hier!
FAUST. Wie es auch möglich sei,
Arbeiter schaffe Meng auf Menge!
Ermuntere durch Genuß und Strenge!
Bezahle, locke, presse bei!
Mit jedem Tage will ich Nachricht haben,
Wie sich verlängt der unternommene Graben.
MEPHISTOPHELES halblaut.
Man spricht, wie man mir Nachricht gab,
Von keinem Graben, doch vom Grab.
FAUST. Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
Verpestet alles schon Errungene;
Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,
Das letzte wär das Höchsterrungene.
Eröffn ich Räume vielen Millionen.
Nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen.
Grün das Gefilde, fruchtbar! Mensch und Herde
Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft!
Im Innern hier ein paradiesisch Land:
Da rase draußen Flut bis auf zum Rand!
Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschließen,
Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen.
Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß!
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn!
Zum Augenblicke dürft ich sagen:
»Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in Äonen untergehn.« -
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick.
Faust sinkt zurück, die Lemuren fassen ihn auf
und legen ihn
auf den Boden.
MEPHISTOPHELES.
Ihn sättigt keine Lust, ihm gnügt kein Glück,
So buhlt er fort nach wechselnden Gestalten;
Den letzten, schlechten, leeren Augenblick,
Der Arme wünscht ihn festzuhalten.
Der mir so kräftig widerstand,
Die Zeit wird Herr: der Greis hier liegt im Sand!
Die Uhr steht still -
CHOR. Steht still! sie schweigt wie Mitternacht.
Der Zeiger fällt -
MEPHISTOPHELES. Er fällt! es ist vollbracht.
CHOR. Es ist vorbei!
MEPHISTOPHELES. Vorbei! ein dummes Wort. Warum vorbei?
Vorbei und reines Nicht: vollkommnes Einerlei!
Was soll uns denn das ewge Schaffen?
Geschaffenes zu Nichts hinwegzuraffen?
»Da ists vorbei!« Was ist daran zu lesen?
Es ist so gut, als wär es nicht gewesen,
Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es wäre!
Ich liebte mir dafür das Ewigleere.
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