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Johann Gottfried
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IVDer Mensch ist ein Mittelgeschöpf unter den Tieren der Erde1. Als Linneus die Arten der säugenden Tiere auf 230 brachte, unter denen er schon die säugenden Wassertiere mit begriff, zählte er der Vögel 946, der Amphibien 292, der Fische 404, der Insekten 3060, der Gewürme 1205 Arten; offenbar also waren die Landtiere die mindesten, und die Amphibien, die ihnen am nächsten kommen, folgten nach ihnen. In der Luft, im Wasser, in den Morästen, im Sande vermehrten sich die Geschlechter und Arten, und ich glaube, daß sie sich bei weitern Entdeckungen immer ungefähr in dem nämlichen Verhältnis vermehren werden. Wenn nach Linneus' Tode die Arten der Säugetiere bis auf 450 gewachsen, so rechnet Buffon auf 2000 Vögel, und Forster allein entdeckte auf einigen Inseln des Südmeers in einem kurzen Aufenthalt 109 neue Arten derselben, wo es durchaus keine neuzuentdeckende Landtiere gab. Gehet dieses Verhältnis fort, und es werden künftig mehr neue Insekten, Vögel, Gewürme als völlig neue Gattungen der Landtiere bekannt werden, so viel ihrer auch in dem noch undurchreiseten Afrika sein mögen, so können wir nach aller Wahrscheinlichkeit den Satz annehmen: Die Klassen der Geschöpfe erweitern sich, je mehr sie sich vom Menschen entfernen; je näher ihm, desto weniger werden die Gattungen der sogenannten vollkommenern Tiere. 2. Nun ist unleugbar, daß bei aller Verschiedenheit der lebendigen Erdwesen überall eine gewisse Einförmigkeit des Baues und gleichsam eine Hauptform zu herrschen scheine, die in der reichsten Verschiedenheit wechselt. Der ähnliche Knochenbau der Landtiere fällt in die Augen: Kopf, Rumpf, Hände und Füße sind überall die Hauptteile; selbst die vornehmsten Glieder derselben sind nach einem Prototyp gebildet und gleichsam nur unendlich variieret. Der innere Bau der Tiere macht die Sache noch augenscheinlicher, und manche rohe Gestalten sind im Inwendigen der Hauptteile dem Menschen sehr ähnlich. Die Amphibien gehen von diesem Hauptbilde schon mehr ab; Vögel, Fische, Insekten, Wassergeschöpfe noch mehr, welche letzte sich in die Pflanzen- oder Steinschöpfung verlieren. Weiter reicht unser Auge nicht; indessen machen diese Übergänge es nicht unwahrscheinlich, daß in den Seegeschöpfen, Pflanzen, ja vielleicht gar in den tot genannten Wesen eine und dieselbe Anlage der Organisation, nur unendlich roher und verworrener, herrschen möge. Im Blick des ewigen Wesens, der alles in einem Zusammenhange siehet, hat vielleicht die Gestalt des Eisteilchens, wie es sich erzeugt, und der Schneeflocke, die sich an ihm bildet, noch immer ein analoges Verhältnis mit der Bildung des Embryons in Mutterleibe. - Wir können also das zweite Hauptgesetz annehmen: daß, je näher dem Menschen, auch alle Geschöpfe in der Hauptform mehr oder minder Ähnlichkeit mit ihm haben und daß die Natur bei der unendlichen Varietät, die sie liebet, allen Lebendigen unserer Erde nach einem Hauptplasma der Organisation gebildet zu haben scheine. 3. Es erhellet also von selbst, daß, da diese Hauptform nach Geschlechtern, Arten, Bestimmungen, Elementen immer variiert werden mußte, ein Exemplar das andre erkläre. Was die Natur bei diesem Geschöpf als Nebenwerk hinwarf, führte sie bei dem andern gleichsam als Hauptwerk aus; sie setzte es ins Licht, vergrößerte es und ließ die andern Teile, obwohl immer noch in der überdachtesten Harmonie, diesem Teil jetzt dienen. Anderswo herrschen wiederum diese dienenden Teile, und alle Wesen der organischen Schöpfung erscheinen also als disiecti membra poëtae. Wer sie studieren will, muß eins im andern studieren; wo dieser Teil verhüllt und vernachlässigt erscheinet, weiset er auf ein andres Geschöpf, wo ihn die Natur ausgebildet und offen darlegte. Auch dieser Satz findet seine Bestätigung in allen Phänomenen divergierender Wesen. 4. Der Mensch endlich scheint unter den Erdtieren das feine Mittelgeschöpf zu sein, in dem sich, soviel es die Einzelnheit seiner Bestimmung zuließ, die meisten und feinsten Strahlen ihm ähnlicher Gestalten sammlen. Alles in gleichem Maß konnte er nicht in sich fassen; er mußte also diesem Geschöpf an Feinheit eines Sinnes, jenem an Muskelkraft, einem dritten an Elastizität der Fibern nachstehn; soviel sich aber vereinigen ließ, ward in ihm vereinigt. Mit allen Landtieren hat er Teile, Triebe, Sinnen, Fähigkeiten, Künste gemein; wo nicht ererbet, so doch erlernt, wo nicht ausgebildet, so doch in der Anlage. Man könnte, wenn man die ihm nahen Tierarten mit ihm vergleicht, beinah kühn werden zu sagen: sie sein gebrochene und durch katoptrische Spiegel auseinander geworfne Strahlen seines Bildes. Und so können wir den vierten Satz annehmen: daß der Mensch ein Mittelgeschöpf unter den Tieren, d. i. die ausgearbeitete Form sei, in der sich die Züge aller Gattungen um ihn her im feinsten Inbegriff sammeln. Ich hoffe nicht, daß die Ähnlichkeit, auf die ich zwischen Menschen und Tieren zeige, mit jenen Spielen der Einbildung werde verwechselt werden, da man bei Pflanzen und sogar bei Steinen äußere Glieder des menschlichen Körpers aufhaschte und darauf Systeme baute. Jeder Vernünftige belacht diese Spiele, da gerade mit der äußern Gestalt die bildende Natur innere Ähnlichkeiten des Baues verdeckte und verlarvte. Wie manche Tiere, die uns von außen so unähnlich scheinen, sind uns im Innern, im Knochenbau, in den vornehmsten Lebens - und Empfindungsteilen, ja in den Lebensverrichtungen selbst auf die auffallendste Weise ähnlich! Man gehe die Zergliederungen Daubentons, Perraults, Pallas' und andrer Akademisten durch, und der Augenschein zeiget es deutlich. Die Naturgeschichte für Jünglinge und Kinder muß sich, um dem Auge und Gedächtnis zu Hülfe zu kommen, an einzelnen Unterscheidungen der äußern Gestalt begnügen; die männliche und philosophische Naturgeschichte suchet den Bau des Tiers von innen und außen, um ihn mir seiner Lebensweise zu vergleichen und den Charakter und Standort des Geschöpfs zu finden. Bei den Pflanzen hat man diese Methode die natürliche genannt, und auch bei den Tieren muß die vergleichende Anatomie Schritt vor Schritt zu ihr führen. Mit ihr bekommt der Mensch natürlicherweise an sich selbst einen Leitfaden, der ihn durchs große Labyrinth der lebendigen Schöpfung begleite, und wenn man bei irgendeiner Methode sagen kann, daß unser Geist dem durchdenkenden vielumfassenden Verstande Gottes nachzudenken wage, so ist's bei dieser. Bei jeder Abweichung von der Regel, die uns der oberste Künstler als ein Gesetz Polyklets im Menschen darstellte, werden wir auf eine Ursache geführt, warum er hier abwich, zu welchem Zweck er dort anders formte; und so wird uns Erde, Luft, Wasser, selbst die tiefste Tiefe der belebten Schöpfung ein Vorratshaus seiner Gedanken, seiner Erfindungen nach und zu einem Hauptbilde der Kunst und Weisheit. Welchen großen und reichen Anblick gibt diese Aussicht über die Geschichte der uns ähnlichen und unähnlichen Wesen! Sie scheidet die Reiche der Natur und die Klassen der Geschöpfe nach ihren Elementen und verbindet sie miteinander; auch in dem entferntsten wird der weitgezogne Radius aus einem und demselben Mittelpunkt sichtbar. Aus Luft und Wasser, aus Höhen und Tiefen sehe ich gleichsam die Tiere zum Menschen kommen, wie sie dort zum Urvater unsers Geschlechts kamen, und Schritt vor Schritt sich seiner Gestalt nähern. Der Vogel fliegt in der Luft: jede Abweichung seiner Form vom Bau der Landtiere läßt sich aus seinem Element erklären; sobald er auch nur in einer häßlichen Mittelgattung die Erde berührt, wird er (wie in den Fledermäusen und Vampyrs) dem Gerippe des Menschen ähnlich. Der Fisch schwimmt im Wasser; noch sind seine Füße und Hände in Floßfedern und einen Schwanz verwachsen: er hat noch wenig Artikulation der Glieder. Sobald er die Erde berührt, wickelt er, wie der Manati, wenigstens die Vorderfüße los, und das Weib bekommt Brüste. Der Seebär und Seelöwe hat seine vier Füße schon kenntlich, ob er gleich die hintersten noch nicht gebrauchen kann und die fünf Zehen derselben noch als Lappen von Floßfedern nach sich ziehet; er kriecht indes, wie er kann, leise heran, um sich am Strahl der Sonne zu wärmen, und ist schon einen kleinen Tritt über die Dumpfheit des unförmlichen Seehundes erhoben. So gehet's aus dem Staube der Würmer, aus den Kalkhäusern der Muscheltiere, aus den Gespinsten der Insekten allmählich in mehr gegliederte, höhere Organisationen. Durch die Amphibien gehet's zu den Landtieren hinauf, und unter diesen ist selbst bei dem abscheulichen Unau mit seinen drei Fingern und zwei Vorderbrüsten schon das nähere Analogon unsrer Gestalt sichtbar. Nun spielet die Natur und übet sich rings um den Menschen im größesten Mancherlei der Anlagen und Organisationen Sie verteilte die Lebensarten und Triebe, bildete die Geschlechter einander feindlich, indes alle diese Scheinwidersprüche zu einem Ziel führen. Es ist also anatomisch und physiologisch wahr, daß durch die ganze belebte Schöpfung unsrer Erde das Analogon einer Organisation herrsche; nur also, daß, je entfernter vom Menschen, je mehr das Element des Lebens der Geschöpfe von ihm absteht, die sich immer gleiche Natur auch in ihren Organisationen das Hauptbild verlassen mußte. Je näher ihm, desto mehr zog sie Klassen und Radien zusammen, um in seinem, dem heiligen Mittelpunkt der Erdeschöpfung, was sie kann, zu vereinen. Freue dich deines Standes, o Mensch, und studiere dich, edles Mittelgeschöpf, in allem, was um dich lebet! |
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Wolfgang
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