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Johann Gottfried
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VIOrganisation der AmerikanerEs ist bekannt, daß Amerika durch alle Himmelsstriche läuft und nicht nur Wärme und Kälte in den höchsten Graden, sondern auch die schnellesten Abwechselungen der Witterung, die höchsten und steilsten Höhen mit den weitesten und flachsten Ebnen verbindet. Es ist ferner bekannt, daß, da dieser langgestreckte Weltteil bei großen Buchten zur rechten Seite eine Kette von Gebirgen hat, die von Süden nach Norden streicht, daher das Klima desselben so wie seine lebendigen Produkte mit der Alten Welt wenig Ähnliches haben. Alles dies macht uns auch auf die Menschengattung daselbst als auf die Geburt eines entgegengesetzten Hemisphärs aufmerksam. Auf der andern Seite aber gibt es eben auch die Lage von Amerika, daß dieser ungeheure, von der andern Welt so weit getrennete Erdstrich nicht eben von vielen Seiten her bevölkert sein kann. Von Afrika, Europa und dem südlichen Asien scheiden ihn weite Meere und Winde; nur ein Übergang aus der Alten Welt ist ihm nahe geworden an seiner nordwestlichen Seite. Die vorige Erwartung einer großen Vielförmigkeit wird also hiedurch gewissermaßen vermindert; denn wenn die ersten und meisten Einwohner aus einer und der selben Gegend kamen und sich, vielleicht nur mit wenigen Vermischungen andrer Ankömmlinge allmählich herunterzogen und endlich das ganze Land füllten, so wird trotz aller Klimate die Bildung und der Charakter der Einwohner eine Einförmigkeit zeigen, die nur wenig Ausnahmen leidet. Und dies ist's, was so viele Nachrichten von Nord- und Südamerika sagen, daß nämlich ohngeachtet der großen Verschiedenheit der Himmelsstriche und Völker, die sich oft auch durch gewaltsame Kunst voneinander zu trennen suchten, auf der Bildung des Menschengeschlechts im ganzen ein Gepräge der Einförmigkeit liege, die selbst nicht im Negerlande stattfindet. Die Organisation der Amerikaner ist also gewissermaßen eine reinere Aufgabe als die Bildung irgendeines andern gemischteren Erdstrichs, und die Auflösung des Problems kann nirgend als von der Seite des wahrscheinlichen Überganges selbst anfangen. Die Nationen, an die Cook in Amerika streifte [80], waren von der mittlern Größe bis zu sechs Fuß. Ihre Farbe geht ins Kupferrote, die Form ihres Gesichts ins Viereckte mit ziemlich vorragenden Backenbeinen und wenig Bart. Das Haar ist lang und schwarz; der Bau der Glieder stark und nur die Füße unförmlich. Wer nun die Nationen im östlichen Asien und auf den nahe gelegnen Inseln innehat, der wird Zug für Zug den allmählichen Übergang bemerken. Ich schließe diesen nicht auf eine Nation ein; denn wahrscheinlich gingen mehrere, auch von verschiednen Stämmen, hinüber; nur östliche Völker waren's, wie ihre Bildung, selbst ihre Unförmlichkeit, am meisten aber ihr Putz und ihre willkürlichen Sitten beweisen. Werden wir einst die ganze nordwestliche Küste von Amerika, die wir jetzt nur in ein paar Anfurten kennen, übersehen und von den Einwohnern daselbst so treue Gemälde haben, als Cook z. B. uns vom Anführer in Unalaska u. f. gegeben, so wird sich mehreres erklären. Es wird sieh ergeben, ob tiefer hinab auf der großen Küste, die wir noch nicht kennen, auch Japaner und Sinesen übergegangen und was es mit dem Märchen von einer gesitteten bärtigen Nation auf dieser Westseite für Bewandtnis habe. Freilich wären die Spanier von Mexiko aus die nächsten zu diesen schätzbaren Entdeckungen, wenn sie mit den zwei größesten Seenationen Europas, den Engländern und Franzosen, den rühmlichen Eroberungsgeist für die Wissenschaften teilten. Möge indes wenigstens Laxmanns Reise auf die nördliche Küste und die Bemühungen der Engländer von Kanada aus uns viel Neues und Gutes lehren. Es ist sonderbar, daß sich so viele Nachrichten damit tragen, wie die westlichsten Nationen in Nordamerika zugleich die gesittetsten sein sollen. Die Assinipuelen hat man wegen ihrer großen starken, behenden Gestalt und die Christinohs wegen ihrer gesprächigen Munterkeit gerühmet. [81] Wir kennen indes diese Nationen und überhaupt alle Savanner nur als Märchen; von den Nadowessiern an geht eigentlich die gewissere Nachricht. Mit ihnen so wie mit den Tschiwipäern und Winobagiern hat uns Carver [82], mit den Tscherakis, Tschikasahs und Muskogen Adair [83], mit den sogenannten fünf Nationen Colden, Rogers, Timberlake, mit denen nach Norden hinauf die französischen Missionare bekannt gemacht, und, bei allen Verschiedenheiten derselben, wem ist nicht ein Eindruck geblieben von einer herrschenden Bildung, wie von einem Hauptcharakter? Dieser bestehet nämlich in der gesunden und gehaltnen Stärke, in dem barbarisch-stolzen Freiheit- und Kriegsmut, der ihre Lebensart und ihr Hauswesen, ihre Erziehung und Regierung, ihre Geschäfte und Gebräuche zu Kriegs- und Friedenszeiten bildet. In Lastern und Tugenden ein einziger Charakter auf unsrer runden Erde! Und wie kamen sie zu diesem Charakter? Mich dünkt, auch hier erklärt ihr allmählicher Übergang aus Nordasien und die Beschaffenheit dieser neuen Weltgegend sehr vieles. Als rohe und harte Nationen kamen sie herüber; zwischen Stürmen und Gebirgen waren sie gebildet; als sie nun die Küste überstanden hatten und das große, freie, schönere Land vor sich fanden, mußte sich nicht auch ihr Charakter mit der Zeit zu diesem Lande bilden? Zwischen großen Seen und Strömen, in diesen Wäldern, auf diesen Wiesen formten sich andre Nationen als dort auf jenem rauhen und kalten Abhange zum Meer. Wie Seen, Gebirge und Ströme sich teilten, teilten sich die Völkerschaften: Stämme mit Stämmen gerieten in heftige Kriege, daher auch bei denen sonst gleichmütigsten Nationen jener Kriegshaß der Völker untereinander ein herrschender Zug wurde. Zu kriegerischen Stämmen bildeten sie sich also und verleibten sich allen Gegenständen des Landes ein, das ihnen ihr großer Geist gegeben. Sie haben die Schamanenreligion der Nordasiaten, aber auf amerikanische Weise. Ihre gesunde Luft, das Grün ihrer Wiesen und Wälder, das erquickende Wasser ihrer Seen und Ströme begeisterte sie mit dem Hauch der Freiheit und des Eigentums in diesem Lande. Von welchem Haufen elender Russen haben sich alle siberische Nationen bis nach Kamtschatka hin unterjochen lassen! Diese festere Barbaren wichen zwar, aber sie dieneten nie. Wie ihr Charakter, so lässet sich auch ihr sonderbarer Geschmack an der Verkünstelung ihres Körpers aus diesem Ursprunge erklären. Alle Nationen in Amerika vertilgen den Bart; sie müssen also ursprünglich aus Gegenden sein, die wenig Bart zeugten, daher sie von der Sitte ihrer Väter nicht abweichen wollten. Der östliche Teil von Asien ist diese Gegend. Auch in einem Klima also, das reichern Saft zu ihm hervortreiben mochte, hasseten sie denselben und hassen ihn noch, daher sie ihn von Kindheit auf ausraufen. Die Völker des asiatischen Nordens hatten runde Köpfe, und östlicher ging die Form ins Viereckte über; was war natürlicher, als daß sie auch von dieser Väterbildung nicht ablassen wollten und also ihr Gesicht formten? Wahrscheinlich fürchteten sie das sanftere Oval als eine weibische Bildung; sie blieben also auch durch gewaltsame Kunst beim zusammengedrückten Kriegsgesicht ihrer Väter. Die nordischen Kugelköpfe formten es rund, wie die Bildung des höheren Nordens war; andre formten es viereckt oder drückten den Kopf zwischen die Schultern, damit das neue Klima weder ihre Länge noch Gestalt verändern möchte. Kein andrer Erdstrich als das östliche Asien zeigt Proben solcher gewaltsamen Verzierungen, und wie wir sahen, wahrscheinlich auch in der nämlichen Absieht, das Ansehen des Stammes in fernen Gegenden zu erhalten; selbst dieser Geist der Verzierung ging also vielleicht schon mit hinüber. Endlich kann uns am wenigsten die kupferrote Farbe der Amerikaner irren; denn die Farbe der Geschlechter fiel schon im östlichen Asien ins Braunrote, und wahrscheinlich war's die Luft eines andern Weltteils, die Salben und andre Dinge, die hier die Farbe erhöhten. Ich wundre mich so wenig, daß der Neger schwarz und der Amerikaner rot ist, da sie, als so verschiedne Geschlechter, in so verschiednen Himmelsstrichen jahrtausendelang gewohnt haben, daß ich mich vielmehr wundern würde, wenn auf einer runden Erde alles schneeweiß oder braun wäre. Sehen wir nicht bei der gröbern Organisation der Tiere sieh in verschiednen Gegenden der Welt sogar feste Teile verändern? Und was hat mehr zu sagen, eine Veränderung der Glieder des Körpers in ihrer ganzen Proportion und Haltung oder ein etwas mehr und anders gefärbtes Netz unter der Haut? Lasset uns nach dieser Voreinleitung die Völker Amerikas hinunter begleiten und sehen, wie sieh die Einförmigkeit ihres ursprünglichen Charakters ins Mannigfaltige mischt und doch nie verlieret. Die nördlichsten Amerikaner werden als klein und stark beschrieben; in der Mitte des Landes wohnen die größesten und schönsten Stämme; die untersten im flachen Florida müssen jenen schon an Stärke und Mut weichen. »Auffallend ist es«, sagt Georg Forster [84], »daß bei aller charakteristischen Verschiedenheit der mancherlei Nordamerikaner, die im Cookschen Werk abgebildet sind, doch im ganzen ein allgemeiner Charakter im Gesicht herrschet, der mir bekannt war und den ich, wie ich mich recht erinnerte, auch wirklich im Pescheräh im Feuerlande gesehen hatte.« Von Neumexiko wissen wir wenig. Die Spanier fanden die Einwohner dieses Landes wohlgekleidet, fleißig, sauber, ihre Ländereien gut bearbeitet, ihre Städte von Stein gebauet. Arme Nationen, was seid ihr jetzt, wenn ihr euch nicht, wie die los bravos gentes, auf die Gebirge gerettet habet? Die Apalachen bewiesen sich als ein kühnes schnelles Volk, dem die Spanier nichts anhaben konnten. Und wie vorzüglich spricht Pagès [85] von den Chaktas, Adaisses und Tegas! Mexiko ist jetzt ein trauriges Bild von dem, was es unter seinen Königen war; kaum der zehnte Teil seiner Einwohner ist übrig. [86] Und wie ist ihr Charakter durch die ungerechteste der Unterdrückungen verändert! Auf der ganzen Erde, glaube ich, gibt's keinen tiefern, gehaltnern Haß, als den der leidende Amerika- ner gegen seinen Unterdrücker, den Spanier, nähret; denn so sehr Pagès z. E. [87] die mehrere Milde rühmt, die jetzt die Spanier gegen ihre Unterdrückten beweisen, so kann er doch auf andern Blättern die Traurigkeit der Unterjochten und die Wildheit, mit der die freien Völker verfolgt werden, nicht verbergen. Die Bildung der Mexikaner wird stark olivenfarb, schön und angenehm beschrieben; ihr Auge ist groß, lebhaft, funkelnd; ihre Sinne frisch, ihre Beine munter; nur ihre Seele ist ermattet durch Knechtschaft. In der Mitte von Amerika, wo von nasser Hitze alles erliegt und die Europäer das elendeste Leben führen, erlag doch die biegsame Natur der Amerika- ner nicht. Waffer [88], der, den Seeräubern entflohen, sich eine Zeitlang unter den Wilden in Terra firma aufhielt, beschreibt seine gute Aufnahme unter ihnen nebst ihrer Gestalt und Lebensweise also: »Die Größe der Männer war 5 bis 6 Fuß, von starken Knochen, breiter Brust, schönem Verhältnis; kein Krüppel und Unförmlicher war unter ihnen. Sie sind geschmeidig, lebhaft und schnelle Läufer. Ihre Augen lebhaftgrau, ihr Gesicht rund, die Lippen dünn, der Mund klein, das Kinn wohlgebildet. Ihr Haar ist lang und schwarz; das Kämmen desselben ist ihr öfteres Vergnügen. Ihre Zähne sind weiß und wohlgesetzt: sie schmücken und malen sich wie die meisten Indianer.« - Sind das die Leute, die man uns als ein entnervtes, unreifes Gewächs der Menschheit hat vorstellen wollen? Und diese wohnten in der entnervendsten Gegend des Isthmus. Fermin, ein treuer Naturforscher, beschreibt die Indier in Surinam als wohlgebildete und so reinliche Menschen, als es irgend auf Erden gebe. [89] »Sie baden sich, sobald sie aufstehn, und ihre Weiber reiben sich mit Öl teils zur Erhaltung der Haut, teils gegen den Stich der Moskitos. Sie sind von einer Zimmetfarbe, welche ins Rötliche fällt, werden aber so weiß als wir geboren. Kein Hinkender oder Verwachsner ist unter ihnen. Ihre langen pechschwarzen Haare werden erst im höchsten Alter weiß. Sie haben schwarze Augen, ein scharfes Gesicht, wenig oder keinen Bart, dessen geringstem Merkmal sie durch Ausreißen zuvorkommen. Ihre weißen schönen Zähne bleiben bis ins höchste Alter gesund, und auch ihre Weiber, so zärtlich sie zu sein scheinen, sind von starker Gesundheit.« Man lese Bankrofts Beschreibung [90] von den tapfern Caribben, den trägen Worrows, den ernsthaften Accawaws, den geselligen Arrowauks u. f., mich dünkt, so wird man die Vorurteile von der schwachen Gestalt und dem nichtswürdigen Charakter dieser Indianer selbst in der heißesten Weltgegend aufgeben. Gehen wir südlich in die ungezählten Völkerschaften Brasiliens hinunter, welche Menge von Nationen, Sprachen und Charakteren findet man hier! die indes alte und neue Reisende ziemlich gleichartig beschrieben haben. [91] »Nie grauet ihr Haar«, sagt Lery, »sie sind stets munter und lustig, wie ihre Gefilde immer grünen.« Die tapfern Tapinambos zogen sich, um dem Joch der Portugiesen zu entkommen, in die undurchsuchten und unabsehlichen Wälder wie mehrere streitbare Nationen. Andre, die die Missionen in Paraguay an sich zu ziehen wußten, mußten mit ihrem folgsamen Charakter fast bis zu Kindern ausarten; auch dieses aber war Natur der Sache, und weder sie noch ihre mutige Nachbarn können deswegen für keinen Abschaum der Menschheit gelten. [92] Aber wir nähern uns dem Thron der Natur und der ärgsten Tyrannei, dem silber- und greuelreichen Peru. Hier sind die armen Indianer wohl aufs tiefste unterdrückt, und wer sie unterdrückt, sind Pfaffen und unter den Weibern weibisch gewordne Europäer. Alle Kräfte dieser zarten, einst so glücklichen Kinder der Natur, als sie unter ihren Inkas lebten, sind jetzt in das einige Vermögen zusammengedrängt, mit verhaltnem Haß zu leiden und zu dulden. »Beim ersten Anblick«, sagt der Gouverneur in Brasilien, Pinto [93], »scheint ein Südamerikaner sanftmütig und harmlos; betrachtet man ihn genauer, so entdeckt man in seinem Gesicht etwas Wildes, Argwöhnisches, Düsteres, Verdrüßliches.« Ob sich nicht alles dieses aus dem Schicksal des Volks erklären ließe? Sanftmütig und harmlos waren sie, da ihr zu ihnen kamet und das ungebildete Wilde in den gutartigen Geschöpfen zu dem, was in ihm lag, hättet veredeln sollen. Jetzt, könnet ihr etwas anders erwarten, als daß sie, argwöhnisch und düster, den tiefsten Verdruß unauslöschlich in ihrem Herzen nähren? Er ist der in sich gekrümmte Wurm, der uns häßlich vorkommt, weil wir ihn mit unserm Fuß zertreten. In Peru ist der Negersklave ein herrliches Geschöpf gegen den unterdrückten Armen, dem das Land zugehöret. Doch nicht allenthalben ist's ihnen entrissen, und glücklicherweise sind die Cordilleras und die Wüsten in Chili da, die so viel tapfern Nationen noch Freiheit geben. Da sind z. E. die unüberwundnen Malochen, die Puelchen und Arauker und die patagonischen Tehuelhets oder das große, südliche Volk, sechs Fuß hoch, groß und stark. »Ihre Gestalt ist nicht unangenehm; sie haben ein rundes, etwas flaches Gesicht, lebhafte Augen, weiße Zähne und ein langes schwarzes Haar. Ich sah einige«, sagt Commerson [94], »mit einem nicht sehr dichten, aber langhaarigen Knebelbart; ihre Haut ist erzfärbig, wie bei den meisten Amerikanern. Sie irren in den weiten Ebnen des südlichen Amerika herum, mit Weib und Kindern beständig zu Pferde, und folgen dem Wildpret.« Falkner und Vidaure [95] haben uns von ihnen die beste Nachricht gegeben, und hinter ihnen ist nichts übrig als der arme kalte Rand der Erde, das Feuerland, und in ihm die Pescherähs, vielleicht die niedrigste Gattung der Menschen. [96] Klein und häßlich und von unerträglichem Geruch; sie nähren sich mit Muscheln, kleiden sich in Seehundsfelle, frieren jahrüber im entsetzlichsten Winter, und ob sie gleich Wälder genug haben, so mangelt's ihnen doch sowohl an dichten Häusern als an wärmendem Feuer. Gut, daß die schonende Natur gegen den Südpol die Erde hier schon aufhören ließ; tiefer hinab, welche armselige Bilder der Menschheit hätten ihr Leben im gefühlraubenden Frost dahingeträumet! Dies wären also einige Hauptzüge von Völkern aus Amerika; und was folgte aus ihnen fürs Ganze? Zuerst, daß man so selten als möglich von Nationen eines Weltteils, das sich durch alle Zonen erstrecket, ins Allgemeine hin reden sollte. Wer da sagt: Amerika sei warm, gesund, naß, niedrig, fruchtbar, der hat recht; und ein andrer, der das Gegenteil sagt, hat auch recht, nämlich für andre Jahrszeiten und Örter. Ein gleiches ist's mit den Nationen; denn es sind Menschen eines ganzen Hemisphärs in allen Zonen. Oben und unten sind Zwerge, und nahe bei den Zwergen Riesen; in der Mitte wohnen mittelmäßige, wohl- und minder wohlgebildete Völker, sanft und kriegerisch, träge und munter, von allerlei Lebensarten und von allen Charakteren. Zweitens. Indessen hindert nichts, daß dieser vielästige Menschenstamm mit allen seinen Zweigen nicht aus einer Wurzel entstanden sein könne, folglich auch Einartigkeit in seinen Früchten zeige. Und dies ist's, was man mit der herrschenden Gesichtsbildung und Gestalt der Amerikaner sagen wollte. [97] Ulloa bemerkt in der mittlern Gegend besonders die kleine mit Haaren bewachsne Stirn, kleine Augen, eine dünne, nach der Oberlippe gekrümmte Nase, ein breites Gesicht, große Ohren, wohlgemachte Schenkel, kleine Füße, eine untersetzte Gestalt; und diese Züge gehen über Mexiko hinüber. Pinto setzt hinzu, daß die Nase etwas flach, das Gesicht rund, die Augen schwarz oder kastanienbraun, klein aber scharf und die Ohren vom Gesicht sehr entfernt sein, [98] welches sich ebenfalls in Abbildungen sehr entlegner Völker zeiget. Diese Hauptphysiognomie, die sich nach Zonen und Völkern im Feinern verändert, scheint wie ein Familienzug auch in den verschiedensten noch kennbar und weiset allerdings auf einen ziemlich einförmigen Ursprung. Wären Völker aus allen Weltteilen zu sehr verschiednen Zeiten nach Amerika gekommen, mochten sie sich vermischen oder unvermischt bleiben, so hätte die Diversität der Menschengattung allerdings größer sein müssen. Blaue Augen und blonde Haare findet man im ganzen Weltteil nicht; die blauäugigen Cesaren in Chili und die Akansas in Florida sind in der neuern Zeit verschwunden. Drittens. Soll man nach dieser Gestalt einen gewissen Haupt- und mittlern Charakter der Amerikaner angeben, so scheint's Gutherzigkeit und kindliche Unschuld zu sein, die auch ihre alte Einrichtungen, ihre Geschicklichkeiten und wenigen Künste, am meisten ihr erstes Betragen gegen die Europäer beweisen. Aus einem barbarischen Lande entsprossen und ununterstützt von irgendeiner Beihülfe der kultivierten Welt, gingen sie selbst, so weit sie kamen, und liefern auch hier in ihren schwachen Anfängen der Kultur ein sehr lehrreiches Gemälde der Menschheit.
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Wolfgang
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