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Johann Gottfried
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IEtrusker und LateinerSchon ihrer Lage nach war die hervorgestreckte Halbinsel Italien einer Menge verschiedener Ankömmlinge und Bewohner fähig. Da sie im obern Teil mit dem großen festen Lande zusammenhängt, das von Spanien und Gallien aus, über Illyrien hin, sich bis zum Schwarzen Meer, der großen Wegscheide der Völker, verbreitet und längs dem Meer hin gerade den Küsten Illyriens und Griechenlandes gegenüberliegt, so war's unvermeidlich, daß nicht in jenen Zeiten uralter Völkerwanderungen auch verschiedne Stämme verschiedner Nationen längsab dahin gelangen mußten. Oberhalb waren einige von ihnen iberischen, andere gallischen Stammes; hinunterwärts wohnten Ausonier, deren höheren Ursprung man nicht weiß; und da sich mit den meisten dieser Völker Pelasger und späterhin Griechen, ja vielleicht selbst Trojaner, und jene aus verschiednen Gegenden zu verschiednen Zeiten vermischt haben, so kann man schon dieser merkwürdigen Ankömmlinge wegen Italien als ein Treibhaus ansehn, in welchem früher oder später etwas Merkwürdiges hervorsprießen mußte. Viele dieser Völker kamen nämlich nicht ungebildet hieher: die pelasgischen Stämme hatten, ihre Buchstaben, ihre Religion und Fabel; manche Iberier, die dem phönicischen Handel nahe gewohnt hatten, vielleicht auch; es kam also nur darauf an, auf welcher Stelle und in welcher Weise die einländische Blüte sich hervortun würde. Sie sproßte bei den Etruskern auf, die, woher sie auch gewesen sein mögen, eins der frühesten und eigentümlichsten Völker im Geschmack und in der Kultur wurden. Auf Eroberungen ging nicht ihr Sinn, aber auf Anlagen, Einrichtungen, Handel, Kunst und Schiffahrt, zu welcher ihnen die Küsten dieses Landes sehr bequem waren. Fast in ganz Italien bis nach Kampanien hin haben sie Pflanzstädte angelegt, Künste eingeführt und Handel getrieben, so daß eine Reihe der berühmtesten Städte dieses Landes ihnen ihren Ursprung verdankt. [232] Ihre bürgerliche Einrichtung, in welcher sie den Römern selbst zum Vorbilde dienten, hebt sich hoch über die Verfassung der Barbaren empor und hat zugleich so ganz das Gepräge eines europäischen Geistes, daß sie gewiß von keinem asiatisch- oder afrikanischen Volk entlehnt sein konnte. Nahe noch vor den Zeiten ihres Unterganges war Etrurien eine Gemeinrepublik von zwölf Stämmen, nach Grundsätzen vereinigt, die in Griechenland selbst weit später und nur durch die äußerste Not erzwungen wurden. Kein einzelner Staat durfte ohne Teilnehmung des gesamten Ganzen Krieg anfangen oder Frieden schließen; der Krieg selbst war von ihnen schon zu einer Kunst gemacht, da sie zu Zeichen des Angriffes, des Abzuges, des Marsches, des Fechtens in geschloßnen Gliedern die Kriegstrompete, die leichten Spieße, das Pilum u. f. erfunden hatten oder gebrauchten. Mit dem feierlichen Rechte der Herolde, das sie einführten, beobachteten sie eine Art Krieges- und Völkerrechts; wie denn auch die Augurien und mehrere Gebräuche ihrer Religion, die uns bloß Aberglaube dünken, offenbar zugleich Werkzeuge ihrer Staatseinrichtung waren, durch welche sie in Italien als das erste Volk erscheinen, das die Religion kunstmäßig mit dem Staat zu verbinden suchte. In alle diesem hat Rom fast alles von ihnen gelernt, und wenn Einrichtungen solcher Art unleugbar zur Festigkeit und Größe der römischen Macht beitrugen, so sind die Römer den Etruskern hierin das meiste schuldig. Auch die Schiffahrt trieb dieses Volk frühe schon als wirkliche Kunst und herrschte in Kolonien oder durch Handel längs der italienischen Küste. Sie verstanden die Befestigungs- und Baukunst; die toskanische Säule, älter als selbst die dorische der Griechen, hat von ihnen den Namen und ist von keinem fremden Volk entlehnt. Sie liebten das Wettrennen auf Wagen, Theaterspiele, die Musik, ja auch die Dichtkunst und hatten, wie ihre Kunstdenkmale zeigen, die pelasgische Fabel sich sehr eigen zugebildet. Jene Trümmern und Scherben ihrer Kunst, die uns meistens nur das rettende Totenreich aufbewahrt hat, zeigen, daß sie von den rohesten Anfängen ausgegangen sind und auch nachher, in der Bekanntschaft mehrerer Völker, selbst der Griechen, ihrer eigentümlichen Denkart treu zu bleiben wußten. Sie haben wirklich einen eignen Stil der Kunst [233] und haben diesen, wie den Gebrauch ihrer Religionssagen, bis über das Ende ihrer Freiheit behauptet. [234] So scheinen sie auch in guten bürgerlichen Gesetzen für beide Geschlechter, in Anstalten für den Acker- und Weinbau, für die innere Sicherheit des Handels, für die Aufnahme der Fremden u. f. den Rechten der Menschheit nähergekommen zu sein, als selbst späterhin manche griechische Republiken kamen; und da ihr Alphabet der nähere Typus aller europäischen Alphabete geworden ist, so dürfen wir Etrurien als die zweite Pflanzstätte der Kultur unseres Weltteils ansehen. Um so mehr ist's zu bedauren, daß wir von den Bestrebungen dieses kunstreichen, gesitteten Volks so wenige Denkmale und Nachrichten haben; denn selbst die nähere Geschichte ihres Unterganges hat uns ein feindlicher Zufall geraubet. Woher nun diese etruskische Blüte? Woher, daß sie nicht zur griechischen Schönheit stieg und vor dem Gipfel ihrer Vollkommenheit verblühte? Sowenig wir von den Etruskern wissen, so sehen wir doch auch bei ihnen das große Naturwerk in Bildung der Nationen, das sich nach innern Kräften und äußern Verbindungen mit Ort und Zeit gleichsam selbst umschreibet. Ein europäisches Volk waren sie, schon weiter entfernt vom altbewohnten Asien, jener Mutter der früheren Bildung. Auch die pelasgischen Stämme kamen als halbverwilderte Wanderer an diese oder jene italienische Küste, da Griechenland hingegen dem Zusammenstrom gebildeter Nationen wie im Mittelpunkt lag. Hier drängten sich mehrere Völker zusammen, so daß auch die etruskische Sprache ein Gemisch mehrerer Sprachen scheint [235], dem vielbewohnten Italien war also die Blüte der Bildung aus einem reinen Keime versagt. Schon daß der Apennin voll roher Bergvölker mitten durch Italien streicht, ließ jene Einförmigkeit eines Reiches oder Nationalgeschmacks nicht zu, auf welche sich doch allein die feste Dauer einer allgemeinen Landeskultur gründet. Auch in spätem Zeiten hat kein Land den Römern mehr Mühe gekostet als Italien selbst, und sobald ihre Herrschaft dahin war, ging es abermals in seinen natürlichen Zustand der mannigfaltigsten Teilung über. Die Lage seiner Länder nach Gebirgs' und Küsten sowie auch der verschiedne Stammescharakter seiner Bewohner machte diese Teilung natürlich denn noch jetzt, da die politische Gewalt alles unter ein Haupt zu bringen oder an eine Kette zu reihen sucht, ist unter allen Ländern Europas Italien das vielgeteilteste Land geblieben. Auch die Etrusker also wurden bald von mehreren Völkern bedrängt; und da sie mehr ein handelndes als ein kriegerisches Volk waren, so mußte selbst ihre gebildetere Kriegskunst beinahe jedem neuen Anfall wilderer Nationen weichen. Durch die Gallier verloren sie ihre Plätze in Oberitalien und wurden ins eigentliche Etrurien eingeschränkt; späterhin gingen ihre Pflanzstädte in Kampanien an die Samniten über. Als ein kunstliebendes, handelndes Volk mußten sie roheren Nationen gar bald unterliegen; denn Künste sowohl als der Handel führen Üppigkeit mit sich, von der ihre Kolonien an den schönsten Küsten Italiens nicht frei waren. Endlich gerieten die Römer über sie, denen sie unglücklicherweise zu nahe lagen, denen also auch, trotz alles rühmlichen Widerstandes, weder ihre Kultur noch ihr Staatenbund ewig widerstehen mochte. Durch jene waren sie zum Teil schon ermattet, indes Rom noch ein hartes kriegerisches Volk war; ihre Staatenverbündung konnte ihnen auch wenig Nutzen schaffen, da die Römer sie zu trennen wußten und mit einzelnen Staaten fochten. Einzeln also bezwangen sie dieselbe, nicht ohne vieljährige Mühe, da von der andern Seite auch die Gallier oft in Etrurien streiften. Das bedrängte Volk, von zwei mächtigen Feinden begrenzt, erlag also dem, der seine Unterjochung mit dem festesten Plan fortsetzte, und dies waren die Römer. Seit der Aufnahme des stolzen Tarquins in Etrurien und seit dem Glück des Porsenna sahen sie diesen Staat als ihren gefährlichsten Nachbar an; denn Demütigungen, wie Rom vom Porsenna erfahren hatte, konnte es nie vergeben. Daher es kein Wunder war, wenn einem rohen Volk ein beinah erschlafftes, einem kriegerischen ein handelndes, einer festvereinigten Stadt ein uneiniges Staatenbündnis zuletzt unterliegen mußte. Wenn Rom nicht zerstören sollte, so mußte es frühe zerstört werden; und da solches der gute Porsenna nicht tat, so wurde sein Land endlich des verschonten Feindes Beute. Daß also die Etrusker auch in ihrem Kunststil nie völlige Griechen worden sind, erklärt sich aus der Lage und Zeit, in welcher sie blühten. Ihre Dichterfabel war bloß die ältere, schwere griechische Fabel, in welche sie dennoch bis zur Bewunderung Leben und Bewegung brachten; die Gegenstände, die sie in der Kunst ausdrückten, scheinen auf wenige gottesdienstliche oder bürgerliche Feierlichkeiten eingeschränkt gewesen zu sein, deren Schlüssel wir im einzelnen beinah ganz verloren haben, überdem kennen wir dies Volk fast nur aus Leichenbegängnissen, Särgen und Totentöpfen. Die schönste Zeit der griechischen Kunst, die durch den Sieg der Perser bewirkt wurde, erlebte die Freiheit der Etrusker nicht, und für sich selbst hatte ihnen ihre Lage dergleichen Anlässe zum höheren Aufschwunge des Geistes und Ruhms versagt. Also müssen wir sie wie eine frühgereifte Frucht betrachten, die in einer Ecke des Gartens nicht ganz zur Süßigkeit ihrer Mitschwestern, die sich des milderen Glanzes der Sonnenwärme erfreun, gelangen konnte. Das Schicksal hatte den Ufern des Arno eine spätere Zeit vorbehalten, in der sie reifere und schönere Früchte brächten.Vorjetzt waren die sumpfigen Ufer der Tiber zu dem Wirkungskreise bestimmt, der sich über drei Weltteile erstrecken sollte, und auch dazu schreiben sich die Anlagen lange noch vor der Entstehung Roms aus ältern Zeitumständen her. In dieser Gegend nämlich war's, wo der Sage nach Evander, ja Herkules selbst mit seinen Griechen, Äneas mit seinen Trojanern gelandet hatte; hier im Mittelpunkt Italiens war Pallantium erbaut, das Reich der Lateiner mit Alba longa errichtet; hier war also eine Niederlage früherer Kultur, so daß einige sogar ein Rom vor Rom angenommen und die neue Stadt auf Trümmern einer älteren zu finden vermeinet haben. Das letzte ist ohne Grund, da Rom wahrscheinlich eine Kolonie von Alba longa unter der Anführung zweier glücklicher Abenteurer war; denn unter andern Umständen würde man diese traurige Gegend schwerlich gewählt haben. Lasst uns indessen sehen, was eben in ihr Rom gleich von Anfange an vor und um sich hatte, um, sobald es den Brüsten der Wölfin entkam, sich zum Kampf und zum Raube zu üben. Lauter kleine Völker wohnten rings um dasselbe; daher es bald in den Fall kam, nicht nur seinen Unterhalt, sondern selbst seinen Platz sich zu erstreiten. Die frühen Fehden mit den Cäninensern, Crustuminern, Antemnaten, den Sabinern, Camerinern, Fidenaten, Vejentern u. f. sind bekannt; sie machten das kaum entstandene Rom, das auf der Grenze der verschiedensten Völker gebaut war, von Anfange an gleichsam zu einem stehenden Feldlager und gewöhnten den Feldherren sowohl als den Senat, die Ritter und das Volk zu Triumphaufzügen über beraubte Völker. Diese Triumphaufzüge, die Rom von den benachbarten Etruskern annahm, wurden dem länderarmen, dürftigen, aber volkreichen und kriegerischen Staat die große Lockspeise zu auswärtigen Befehdungen und Streifereien. Vergebens baute der friedliche Numa den Tempel des Janus und der Göttin Fides; vergebens stellte er Grenzgötter auf und feierte Grenzteste. Nur in seinen Lebzeiten dauerte diese friedliche Einrichtung; denn das durch die dreißigjährigen Siege seines ersten Beherrschers zum Raube gewöhnte Rom glaubte auch seinen Jupiter nicht besser ehren zu können, als wenn es ihm Beute brächte. Ein neuer Kriegsgeist folgte dem billigen Gesetzgeber, und Tullus Hostilius bekriegte schon die Mutter seiner Stadt selbst, Alba longa. Er schleifte sie und versetzte die Albaner nach Rom; so bezwangen er und seine Nachfolger die Fidenaten, Sabiner, zuletzt alle lateinische Städte und gingen auf die Etrusker. Alle das wäre von selbst unterblieben, wenn Rom an einem andern Ort gebaut oder von einem mächtigen Nachbar früh unterdrückt worden wäre. Jetzt drang es als eine lateinische Stadt sich gar bald dem Bunde der lateinischen Städte zum Oberhaupt auf und verschlang zuletzt die Lateiner; es mischte sich mit den Sabinern, bis es auch sie unterjochte; es lernte von den Etruskern, bis es sie unter sich brachte, und so nahm es Besitz von seiner dreifachen Grenze. Allerdings wurde zu diesen frühen Unternehmungen der Charakter solcher Könige erfodert, als Rom hatte, insonderheit der Charakter ihres ersten Königs. Dieser, den auch ohne Fabel die Milch einer Wölfin genährt hatte: offenbar war er ein mutiger, kluger, kühner Abenteurer, wie es auch seine ersten Gesetze und Einrichtungen sagen. Schon Numa milderte einige derselben, ein deutliches Kennzeichen, daß es nicht in der Zeit, sondern in der Person lag, die solche Gesetze gegeben. Denn wie roh der Heldengeist der frühem Römer überhaupt gewesen, zeigt so manche Geschichte eines Horatius Cocles, Junius Brutus, Mucius Scävola, das Betragen einer Tullia, Tarquins u. f. Glücklich war's also für diesen räuberischen Staat, daß in der Reihe seiner Könige rohe Tapferkeit sich mit politischer Klugheit, beide aber mit patriotischer Großmut mischten; glücklich, daß auf den Romulus ein Numa, auf diesen ein Tullus, Ancus, nach solchen abermals ein Tarquin und auf ihn Servius folgte, den nur persönliche Verdienste vom Stande eines Sklaven bis zum Thron hinauf führen konnten. Glücklich endlich, daß diese Könige, von so verschiednen Eigenschaften, lange regierten, daß also jeder derselben Zeit hatte, die Zugabe seines Geistes in Rom zu sichern, bis endlich ein frecher Tarquinius kam und die festgegründete Stadt sich eine andere Regierungsform wählte. Eine auserlesene, immer verjüngte Reihe von Kriegsmännern und rohen Patrioten trat jetzo auf, die auch ihre Triumphe jährlich zu verjüngen und ihren Patriotismus auf tausendfache Art zu wenden und zu stählen suchten. Wollte man einen politischen Roman erfinden, wie ein Rom etwa habe entstehen mögen, so wird man schwerlich glücklichere Umstände erdenken, als hier die Geschichte oder die Fabel uns wirklich gibt. [236] Rhea Silvia und das Schicksal ihrer Söhne, der Raub der Sabinerinnen und die Vergötterung des Quirinus, jedes Abenteuer von roher Gestalt in Kriegen und Siegen, zuletzt ein Tarquin und eine Lukrezia, ein Junius Brutus, Poblicola, Mucius Scävola u. f. gehören dazu, um in der Anlage Roms selbst schon eine ganze Reihe künftiger Erfolge zu malen, über keine Geschichte ist daher leichter zu philosophieren gewesen als über die römische Geschichte, weil der politische Geist ihrer Geschichtschreiber uns im Laut der Begebenheiten und Taten die Kette der Ursachen und Wirkungen selbst vorführt. |
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Wolfgang
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