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Johann Gottfried
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IIIReiche der Alemannen, Burgunder und FrankenDie Alemannen waren eins der roheren deutschen Völker, zuerst Räuber der römischen Grenzen, Verwüster ihrer Schlösser und Städte. Als das römische Reich fiel, bemächtigten sie sich des östlichen Teils von Gallien und halten an ihm mit ihren alten Besitzungen ein schönes Land inne, dem sie auch eine schöne Verfassung hätten geben mögen. Die Alemannen haben sie ihm nie gegeben; denn die Macht der Franken überwältigte sie; ihr König fiel in der Schlacht, sein Volk 496 unterwarf sich und wurde unterjocht oder zerstreut, bis unter fränkischer Hoheit sie einen Herzog, bald auch das Christentum, endlich auch geschriebene Gesetze bekamen. Noch sind diese übrig und zeigen den einfachen, rohen Charakter des Volkes. Unter den letzten Merowingern wurde ihm auch sein Herzog genommen, und es verlor sich in der Masse der fränkischen Völker. Wenn Alemannen die Stammväter der deutschen Schweiz sind, so ist ihnen zu danken, daß sie die Wälder dieser Berge zum zweitenmal gelichtet und allgemach wieder mit Hütten, Flecken, Burgen, Türmen, Kirchen, Klöstern und Städten geziert haben. Da wollen wir denn auch ihrer Bekehrer, des h. Columbans und seiner Gefährten, nicht vergessen, deren einer, St. Gall, durch Gründung seines Klosters ein für ganz Europa wohltätiger Name wurde. Die Erhaltung mehrerer klassischen Schriftsteller haben wir dem Institut dieser irländischen Mönche zu danken, deren Einsiedelei mitten unter barbarischen Völkern wo nicht ein Sitz der Gelehrsamkeit, so doch eine Quelle der Sittenverbesserung wurde und wie ein Stern in diesen dunkeln Gegenden glänzt. [282] Die Burgunder wurden ein sanfteres Volk, seitdem sie mit den Römern im Bunde standen. Sie ließen sich von ihnen in Bürge verlegen, waren auch dem Ackerbau, den Künsten und Handwerken nicht unhold. Als ihnen die Römer eine Provinz in Gallien einräumten, hielten sie sich friedlich, pflegten des Feld- und Weinbaues, lichteten die Wälder und hätten in ihrer schönen Lage, die zuletzt bis zur Provence und zum Genfer See reichte, wahrscheinlich ein blühendes Reich gestiftet, wenn ihnen nordwärts die stolzen und räuberischen Franken dazu Raum gegönnt hätten. Nun aber war jene Klotilde, die Frankreich den christlichen Glauben brachte, zum Unglück eine burgundische Prinzessin, die, um einige Freveltaten ihres Hauses zu rächen, dasselbe mit ihrem väterlichen Reiche selbst stürzte. Kaum hundert Jahre hatte dies gedauert, aus welcher Zeit uns die Gesetze der Burgunder nebst einigen Schlüssen ihrer Kirchenversammlungen noch übrig sind; vorzüglich aber haben sie durch Anbau des Landes am Genfer See und in den gallischen Provinzen ihren Namen verewigt. Sie machten diese Gegenden zu einem früheren Paradiese, als andere noch in wüster Wildnis lagen. Gundebald, ihr Gesetzgeber, ließ das zerstörte Genf wiederherstellen, dessen Mauern über tausend Jahre eine Stadt beschirmt, die mehr als große Erdstrecken auf Europa gewirkt hat. In denen von ihnen angebauten Gegenden hat mehr als einmal sich der menschliche Geist entflammt und seine Phantasie geschärft. Auch unter den Franken behielten die Burgunder ihre alte Verfassung; daher beim Verfall der Karlinger sie die ersten waren, die sich einen eigenen König wählten. Über zweihundert Jahre dauerte dieser neue Staat und wurde andern Völkern, sich auch einzeln einzurichten, ein nicht unheilsames Vorbild. Es ist Zeit, von dem Reiche zu reden, das so vielen andern ein Ende gemacht hat, dem Reiche der Franken. Nach manchen vorhergegangenen Versuchen gelang es ihnen endlich, mit einem geringen Anfange in Gallien jenen Staat zu gründen, der zuerst die Alemannen besiegte, dann die Westgoten allgemach bis nach Spanien drängte, die Briten in Armorika bezwang, das Reich der Burgunder unter sich brachte und den Staat der Thüringer grausam zerstörte. Als der verfallende Königsstamm Merwichs und Klodwigs tapfere Großhofmeister (Majores domus) bekam, schlug Karl Martell die Araber zurück und brachte die Friesen unter sich; und als die Majores domus Könige worden, stand bald der große Karl auf, der das Reich der Longobarden zerstörte, Spanien bis zum Ebro samt Majorka und Minorka, das südliche Deutschland bis in Pannonien hinein, das nördliche bis an die Elbe und Eider bezwang, aus Rom den Kaisertitel an sein Land zog und auch die Grenzvölker seines Reichs, Hunnen und Slawen, in Furcht und Gehorsam erhielt. Ein mächtiges Reich! Mächtiger, als seit der Römer Zeiten eins gewesen war, und in seinem Wachstum wie in seinem Verfall für ganz Europa gleich merkwürdig. Wie kam das Reich der Franken, unter allen seinen Mitgenossen, zu dieser vorzüglichen Wirkung? 1. Das Land der Franken hatte eine sicherere Lage als irgendein anderer Besitz ihrer wandernden Brüder. Denn nicht nur war, als sie nach Gallien rückten, das römische Reich schon gestürzt, sondern auch die tapfersten ihrer vorangegangenen Mitbrüder waren entweder zerstreut oder versorget. über die entkräfteten Gallier wurde ihnen der Sieg leicht; diese nahmen, von vielem Unglück ermattet, willig das Joch auf sich, und der letzte Rest der Römer war wie ein Schatte zu verscheuchen. Da Klodwig nun mit tyrannischer Hand seinem neuen Besitz ringsum Platz schaffte und kein Leben eines gefährlichen Nachbars ihm heilig war, so hatte er bald Gesicht und Rücken frei, und sein Frankreich wurde wie eine Insel, von Bergen, Strömen, dem Meer und Wüsteneien unterdrückter Völker umgeben. Nachdem Alemannen und Thüringer überwunden waren, saßen hinter ihnen keine Nationen, die Lust zu wandern hatten; den Sachsen und Friesen wußten sie ihre Lust dazu bald auf eine grimmige Art zu benehmen. Von Rom und Konstantinopel lag das Reich der Franken gleichfalls glücklich entfernet. Denn hätten sie in Italien ihre Rolle zu spielen gehabt, wahrlich, die schlechten Sitten ihrer Könige, die Treulosigkeit ihrer Großen, die nachlässige Verfassung des Reichs, ehe die Majores domus aufstanden, alles dies verbürgte ihnen kein besseres Schicksal, als würdigere Nationen, Goten und Longobarden, darin gehabt haben. 2. Klodwig war der erste rechtgläubige König unter den Barbaren; dies half ihm mehr als alle Tugend. In welchen Kreis der Heiligen trat der erstgeborne Sohn der Kirche hiemit ein! In eine Versammlung, deren Wirkung sich über das ganze westliche Christeneuropa erstreckte. Gallien und das römische Germanien war voll von Bischöfen; längs dem Rhein hinab und an der Donau saßen sie in zierlicher Ordnung: Mainz, Trier, Köln, Besannen, Worms, Speyer, Straßburg, Kostnitz, Metz, Toul, Verdun, Tongern, Lorch, Trident, Brixen, Basel, Chur u. f., alte Sitze des Christentums, dienten dem rechtgläubigen Könige als eine Vormauer gegen Ketzer und Heiden. In Gallien waren auf dem ersten Konzilium, das Klodwig hielt, 32 Bischöfe und unter ihnen fünf Metropolitane, ein geschlossener geistlicher Staatskörper, durch welchen er viel vermochte. Durch sie wurde das arianische Reich der Burgunder den Franken zuteil; an sie hielten sich die Majores domus; der Bischof zu Mainz, Bonifacius, krönte den Usurpator zum Könige der Franken, und schon zu Karl Martells Zeiten wurde über das römische Patriziat, mithin über die Schutzherrschaft der Kirche gehandelt. Auch kann man diesen Vormündern der christlichen Kirche nicht aufrücken, daß sie ihrem Mündel nicht treu und hold gewesen wären. Die verwüsteten Bischofsstädte stellten sie wieder her, hielten ihre Diözesen aufrecht, zogen die Bischöfe mit zu den Reichstägen, und in Deutschland ist auf Kosten der Nation den fränkischen Königen die Kirche viel schuldig. Die Erz- und Bischöfe zu Salzburg, Würzburg, Eichstädt, Augsburg, Freisingen, Regensburg, Passau, Osnabrück, Bremen, Hamburg, Halberstadt, Minden, Verden, Paderborn, Hildesheim, Münster, die Abteien Fulda, Hirschfeld, Kempten, Korvey, Ellwangen, St. Emeran u. f. haben sich durch sie gelagert: ihnen haben diese geistliche Herren ihren Sitz auf den Reichstägen nebst Land und Leuten zu danken. Der König von Frankreich ist der Kirche erstgeborner Sohn; der deutsche Kaiser, sein jüngerer Stiefbruder, hat die Schutzherrschaft der Kirche von ihm nur geerbt. 3. Unter solchen Umständen konnte sich in Gallien die erste Reichsverfassung eines deutschen Volks auszeichnender entwickeln als in Italien, Spanien oder in Deutschland selbst. Der erste Schritt zu einer ringsum beherrschenden Monarchie war durch Klodwig getan, und sein Vorbild wurde stille Reichsregel. Trotz der öftern Teilung des Reichs, trotz der innern Zerrüttungen desselben durch Untaten im Königshause und die Zügellosigkeit der Großen zerfiel es doch nicht; denn es lag der Kirche daran, den Staat als Monarchie zu erhalten. Tapfre und kluge Kronbeamte traten an die Stelle ohnmächtiger Könige, die Eroberungen gingen fort, und man ließ lieber Klodwigs Stamm ausgehn, als einen der ganzen römischen Christenheit unentbehrlichen Staat sinken. Denn da die Verfassung deutscher Völker allenthalben eigentlich nur auf Persönlichkeit der Könige und Kronbeamten ruhte und in diesem Reich zwischen Arabern und Heiden darauf besonders ruhen mußte, so vereinigte sich alles, ihnen in diesem Grenzreiche den Damm entgegenzusetzen, den glücklicherweise das Haus Pipins von Heristall machte. Ihm und seinen tapfern Nachkommen haben wir's zu danken, daß den Eroberungen der Araber sowohl als dem Fortdrange der nörd- und östlichen Völker ein Ziel gesteckt war, daß diesseit der Alpen wenigstens ein Schimmer der Wissenschaft sich erhalten und in Europa endlich ein politisches System deutscher Art errichtet worden ist, an welches sich mit Güte oder Gewalt andere Völker zuletzt knüpfen mußten. Da Karl der Große der Gipfel dieser um ganz Europa verdienten Sprosse ist, so möge sein Bild uns statt aller dastehn. [283] Karl der Große stammte von Kronbeamten ab; sein Vater war nur ein gewordner König. Unmöglich also konnte er andere Gedanken haben, als die ihm das Haus seiner Väter und die Verfassung seines Reichs angab. Diese Verfassung bildete er aus, weil er in ihr erzogen war und sie für die beste hielt; denn jeder Baum erwächst aus seiner Erde. Wie ein Franke ging Karl gekleidet und war auch in seiner Seele ein Franke; die Verfassung seines Volkes also können wir gewiß nicht würdiger kennenlernen, als wie er sie behandelte und ansah. Er berief Reichstage und wirkte auf denselben, was er wollte, gab für den Staat die heilsamsten Gesetze und Kapitulare, aber mit Zustimmung des Reichs. Jeden Stand desselben ehrte er nach seiner Weise und ließ, solange es sein konnte, auch überwundenen Nationen ihre Gesetze. Sie alle wollte er in einen Körper zusammenbringen und hatte Geist genug, den Körper zu beleben. Gefährliche Herzoge ließ er ausgehen und setzte dafür beamtete Grafen, die er nebst den Bischöfen durch Kommissare (Missos) visitieren ließ und auf alle Weise dem Despotismus plündernder Satrapen, übermütiger Großen und fauler Mönche entgegenstrebte. Auf den Landgütern seiner Krone war er kein Kaiser, sondern ein Hauswirt, der auch in seinem gesamten Reiche gern ein solcher sein wollte, um jedes träge Glied zur Ordnung und zum Fleiße zu beleben; aber freilich stand ihm die Barbarei seines Zeitalters, wie insonderheit der fränkische Kirchen- und Kriegsgeist, hiebei oft im Wege. Er hielt aufs Recht, wie kaum einer der Sterblichen getan hat, das ausgenommen, wo Kirchen- und Staatsinteresse ihn selbst zu Gewalttätigkeit und Unrecht verlockten. Er liebte Tätigkeit und Treue in seinem Dienst und würde unhold blicken, wenn er wiedererscheinend seine Puppe der trägesten Titular- Verfassung vortragen sähe. Aber das Schicksal waltet. Aus Kronbeamten war der Stamm seiner Vorfahren emporgesproßt; Beamte schlechterer Art haben nach seinem Tode sein Diadem, sein Reich, ja die ganze Mühe seines Geistes und Lebens unwürdig zerstört. Die Nachwelt hat von ihm geerbt, was er, sofern er's konnte, zu unterdrücken oder zu bessern suchte, Vasallen, Stände und ein barbarisches Gepränge des fränkischen Staatsschmuckes. Er machte Würden zu Ämtern; hinter ihm wurden bald wieder die Ämter zu trägeren Würden. Auch die Begierde nach Eroberungen hatte Karl von seinen Vorfahren geerbt; denn da diese gegen Friesen, Alemannen, Araber und Longobarden entscheidend glücklich gewesen waren und es beinahe von Klodwig an Staatsmaxime wurde, das eroberte Reich durch Unterdrückung der Nachbarn sicherzustellen, so ging er mit Riesenschritten auf dieser Bahn fort. Persönliche Veranlassungen wurden der Grund zu Kriegen, deren einer aus dem andern erfolgte und die den größten Teil seiner fast halbhundertjährigen Regierung einnehmen. Diesen fränkischen Kriegsgeist fühlten Longobarden, Araber, Bayern, Ungarn, Slawen, insonderheit aber die Sachsen, gegen welche er sich in einem dreiunddreißigjährigen Kriege zuletzt sehr gewaltsame Mittel erlaubte. Er kam dadurch sofern zum Zweck, daß er in seinem Reich die erste feste Monarchie für ganz Europa gründete; denn was auch späterhin Normannen, Slawen und Ungarn seinen Nachfolgern für Mühe gemacht, wie sehr auch durch Teilungen und innere Zerrüttung das große Reich geschwächt, zerstückt und beunruhigt werden mochte, so war doch allen fernem tatarischen Völkerwanderungen bis zur Elbe und nach Pannonien hin eine Grenze gesetzt. Sein errichtetes Frankenreich, an welchem ehemals schon Hunnen und Araber gescheitert waren, wurde dazu ein unbezwinglicher Eckstein. Auch in seiner Religion und Liebe zu den Wissenschaften war Karl ein Franke. Von Klodwig an war aus politischen Ursachen die Religiosität des Katholizismus den Königen erblich gewesen; und seitdem die Stammväter Karls das Heft in Händen hatten, traten sie hierin um so mehr an die Stelle der Könige, da bloß die Kirche ihnen auf den Thron half und der römische Bischof selbst sie förmlich dazu weihte. Als ein zwölfjähriges Kind hatte Karl den Heil. Vater in seines Vaters Hause gesehen und von ihm die Salbung zu seinem künftigen Reich empfangen; längst war das Bekehrungswerk Deutschlands unter dem Schutz, oft auch mit freigebiger Unterstützung der fränkischen Beherrscher getrieben worden, weil westwärts ihnen das Christentum allerdings das stärkste Bollwerk gegen die heidnischen Barbaren war; wie anders, als daß Karl jetzt auch nordwärts auf diesem Wege fortging und die Sachsen zuletzt mit dem Schwert bekehrte? Von der Verfassung, die er dadurch unter ihnen zerstörte, hatte er als ein rechtgläubiger Franke keinen Begriff; er trieb das fromme Werk der Kirche zur Sicherung seines Reichs und gegen Papst und Bischöfe das verdienstvolle, galante Werk seiner Väter. Seine Nachfolger, zumal als das Hauptreich der Welt nach Deutschland kam, gingen seiner Spur nach, und so wurden Slawen, Wenden, Polen, Preußen, Liven und Esten dergestalt bekehrt, daß keins dieser getauften Völker fernere Einbrüche ins heilige deutsche Reich wagte. Sähe indes der heilige und selige Carolus (wie ihn auf ewige Zeiten die Goldne Bulle nennt), was aus seinen der Religion und Wissenschaft wegen errichteten Stiftungen, aus seinen reichen Bischoftümern. Domkirchen, Kanonikaten und Klosterschulen geworden ist: heiliger und seliger Carolus, mit deinem fränkischen Schwert und Zepter würdest du manchen derselben unfreundlich begegnen. 4. Endlich ist nicht zu leugnen, daß der Bischof zu Rom auf dies alles das Siegel drückte und dem fränkischen Reich gleichsam die Krone aufsetzte. Von Klodwig an war er demselben Freund gewesen; zu Pipin hatte er seine Zuflucht genommen und empfing von ihm zum Geschenk die ganze Beute der damals eroberten longobardischen Länder. Zu Karl nahm er abermals seine Zuflucht, und da dieser ihn sieghaft in Rom einsetzte, so gab er ihm dafür in jener berühmten Christnacht ein neues Geschenk, die römische Kaiserkrone. Karl schien erschrocken und beschämt; der freudige Zuruf des Volkes indes machte ihm die neue Ehre gefällig, und da solche nach dem Begriff aller europäischen Völker die höchste Würde der Welt war, wer empfing sie würdiger als dieser Franke? Er, der größeste Monarch des Abendlandes, in Frankreich, Italien, Deutschland und Spanien König, des Christentums Beschützer und Verbreiter, des Römischen Stuhls echter Schirmvogt, von allen Königen Europas, selbst vom Kalifen zu Bagdad geehrt. Bald also verglich er sich mit dem Kaiser zu Konstantinopel, hieß Römischer Kaiser, ob er gleich in Aachen wohnte oder in seinem großen Reich umherzog; er hatte die Krone verdient, und o wäre sie mit ihm, wenigstens für Deutschland, begraben! Denn sobald er dahin war, was sollte sie jetzt auf dem Haupte des guten und schwachen Ludwigs? Oder als dieser sein Reich unzeitig und gezwungen teilte, wie drückend war sie auf jedes seiner Nachfolger Haupte! Das Reich zerfällt; die gereizten Nachbarn, Normannen, Slawen, Hunnen, regen sich und verwüsten das Land; das Faustrecht reißet ein; die Reichsversammlungen gehen in Abgang. Brüder führen mit Brüdern, Väter mit Söhnen die unwürdigsten Kriege, und die Geistlichkeit nebst dem Bischöfe von Rom werden ihre unwürdigen Richter. Bischöfe gedeihen zu Fürsten; die Streiterei der Barbaren jagt alles unter die Gewalt derer, die in Schlössern wohnen. In Deutschland, Frankreich und Italien richten sich Statthalter und Beamte zu Landesherren empor; Anarchie, Betrug, Grausamkeit und Zwietracht herrschen. Achtundachtzig Jahre nach Karls Kaiserkrönung erlischt sein rechtmäßiges Geschlecht in tiefstem Jammer, und seine letzte unechte Kaisersprosse erstirbt, noch nicht hundert Jahre nach seinem Tode. Nur ein Mann wie er konnte ein Reich von so ungeheurer Ausbreitung, von so künstlicher Verfassung, aus so widrigen Teilen zusammengesetzt und mit solchen Ansprüchen begabt, verwalten; sobald die Seele aus diesem Riesenkörper gewichen war, trennete sich der Körper und wurde auf Jahrhunderte hin ein verwesender Leichnam. Ruhe also wohl, großer König, zu groß für deine Nachfolger auf lange Zeiten. Ein Jahrtausend ist verflossen, und noch sind der Rhein und die Donau nicht zusammengegraben, wo du, rüstiger Mann, zu einem kleinen Zwecke schon Hand ans Werk legtest. Für Erziehung und Wissenschaften stiftetest du in deiner barbarischen Zeit Institute; die Folgezeit hat sie gemißbraucht und mißbraucht sie noch. Göttliche Gesetze sind deine Kapitulare gegen so manche Reichssatzungen späterer Zeiten. Du sammeltest die Barden der Vorwelt; dein Sohn Ludwig verachtete und verkaufte sie; er vernichtete damit ihr Andenken auf ewig. Du liebtest die deutsche Sprache und bildetest sie selbst aus, wie du es tun konntest, sammeltest Gelehrte um dich aus den fernsten Ländem; Alcuin, dein Philosoph, Angilbert, der Homer deiner Akademie bei Hofe, und der vortreffliche Eginhart, dein Schreiber, waren dir wert; nichts war dir mehr als Unwissenheit, satte Barbarei und träger Stolz zuwider. Vielleicht erscheinst du im Jahr 1800 wieder und änderst die Maschine, die im Jahre 800 begann; bis dahin wollen wir deine Reliquien ehren, deine Stiftungen gesetzmäßig mißbrauchen und dabei deine altfränkische Arbeitsamkeit verachten. Großer Karl, dein unmittelbar nach dir zerfallenes Reich ist dein Grabmal; Frankreich, Deutschland und die Lombardei sind seine Trümmern. |
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Wolfgang
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