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Jean-Paul Sartre 1948


Jean-Paul Sartre

(1905 - 1980)

Jean-Paul Sartre

Ein Querschnitt durch Leben und Werk


Wichtig für mich ist, dass ich getan habe, was zu tun war. Gut oder schlecht, darauf kommt es nicht so sehr an, Hauptsache, ich habe es versucht. 

(J.-P. Sartre, Selbstportrait mit siebzig Jahren. 
In: Sartre über Sartre, Reinbeck 1977) 

 

Inszenierungen des ODYSSEE-Theaters:

 

Jean-Paul Sartre

Ein Querschnitt durch Leben und Werk

Elisabeth Meixner

(auch als PDF-Dokument abrufbar )

 

1905                Jean-Paul Sartre wird am 21. Juni in Paris geboren.

 

1906               Nach dem Tod des Vater, eines Marineoffiziers, ziehen Mutter und Sohn in deren großbürgerliches Elternhaus, das Sartre entscheidend prägen wird. Während der Kindheit empfindet Sartre sein Dasein als ortlos und fremd, er fühlt sich nirgendwo richtig dazugehörig und bildet zur Außenwelt, der Welt der „Anderen“, die ihn ständig prüfend anblickt, seine eigene Gegenwelt. Sartre entdeckt in dieser neu geschaffenen Wirklichkeit die Liebe „zu den Wörtern“. Sein späterer Zugang zur Philosophie und zu seiner politischen Einstellung sind eng mit den Kindheitserfahrungen verbunden.

 

1915 – 1924   Bis zum Alter von zehn Jahren erhält Sartre Privatunterricht vom Großvater, einem Onkel Albert Schweitzers. Anschließend Gymasium in La Rolle und Paris.

 

1924-1929      Besuch der Elitehochschule École normale supérieure in Paris.

 

1929                Beginn der lebenslangen Beziehung zur Philosophin Simone de Beauvoir (1908-1986), die wie Sartre aus bürgerlichem Milieu stammt. Ihre Bindung symbolisiert in seiner Radikalität den Anspruch auf bedingungslose Offenheit, rücksichtslose Aufrichtigkeit und den Willen, dem Anderen vollständige Freiheit zu gewährleisten.

 

1929-1931      Militärdienst als Meteorologe in Tours.

 

1931-1936             Philosophielehrer in Le Havre.

 

1933                Studienaufenthalt in Berlin: Studium der Existenzphilosophie Heideggers und der Phänomenologie Husserls.

 

1936-1939      Philosophielehrer in Laon und Paris. Er schreibt für verschiedene Zeitschriften.

 

1938               Nach mehreren von der Öffentlichkeit unbeachteten Publikationen (u.a.: 1937 Die Transzendenz des Ego) wird Sartre durch den Roman Der Ekel mit einem Schlag berühmt. Der Roman schildert eindrucksvoll die Endlichkeit, Zufälligkeit und Materialität des Seins: Der Protagonist A. Roquentin, ein Außenseiter der Gesellschaft, wie Sartre auch er ortlos, erfährt die Zufälligkeit seiner Existenz. Als Bursche ohne kollektive Bedeutung, (...) ganz einfach nur als Individuum, existiert er in einer Gegenwart, in der das Lebendige ekelhaft sinnlos wuchert, und allgegenwärtig ist: Die Vielfalt der Dinge, ihre Individualität waren nur Schein, Firnis. Dieser Firnis war geschmolzen, zurück blieben monströse und wabbelige Massen, ungeordnet – nackt, von einer erschreckenden und obszönen Nacktheit. (J.-P. Sartre, Der Ekel, Reinbeck 1982)

 

1939-1941      Kriegsdienst, Deutsche Kriegsgefangenschaft.

 

1941                               Flucht. Nach Paris zurückgekehrt, gründet er die Widerstandsgruppe Sozialismus und Freiheit, die bald darauf zerbricht. Die Erfahrungen des Krieges haben Sartre zum Handeln gezwungen, er verläßt den geschützten Raum der Wörter, des Unpolitischen, um von nun an am politischen Weltgeschehen teilzunehmen und zu handeln.

Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit in Paris.

 

1943               Sartre lernt Albert Camus kennen.

 

Veröffentlichung des Hauptwerks Das Sein und das Nichts, in dem er seinen atheistischen Existentialismus begründet und die totale Freiheit und Verantwortung des freien Menschen analysiert: Die Existenz des Menschen ist reines Dasein, das Sein an sich, dem jede Sinngebung, jede Bestimmung und Determination fehlt. Ohne Gott, ohne Gnade, und in dieser Konsequenz ohne Reue ist der Mensch das, was er aus sich selbst macht. Gäbe es einen Gott, könnte der Mensch nicht frei handeln, er würde alles um Gottes Willen tun.

 

Der Existenz, dem Da-sein, geht die Essenz, das Wesen, voraus. Der Mensch füllt das Dasein erst im Laufe seines Lebens mit der Essenz aus, die er sich selbst schafft. Er wird ins Nichts geboren und muss sich erst zu dem machen, was er ist. Man ist, was man will. (Geschlossene Gesellschaft) Durch Nutzung unendlich vieler Möglichkeiten kann er laufend sein Sein verändern. Die Existenz des Einzelnen ist zufällig und grundlos, die eigene Form des Daseins muss jeder frei wählen. Um diesem puren Dasein, der eigenen Grundlosigkeit, Sinn zu verleihen, muss der Mensch nach der gewählten Form auch handeln.

Da der Einzelne zur individuellen Freiheit bestimmt ist, formt er seine eigenen individuellen Werte und trägt die vollständige Verantwortung für sein Selbst. Werte wie Christentum, Naturalismus usw. verschwinden und entziehen sich jeder Bedeutung.

Durch sein Handeln und seine Taten kann der Mensch sein Sein verändern und Freiheit erlangen.

 

Indem der Mensch um die eigene Anerkennung des geschaffenen Selbst kämpft, gelangt er, der sich als Subjekt erlebt, in Konfrontation mit den Anderen, die neben ihm existieren. Nur durch Außeneinwirkung, dem Blick, dem Urteil der Anderen, kann das eigene Selbst wahrgenommen werden, erst durch die Fremdwahrnehmung wird die Außenseite der Existenz sichtbar und das Sein als Körper wahrgenommen. Daraus ergeben sich zwei gegenseitig ausschließende Haltungen. Scham und Hochmut: Einerseits das beschämende Gefühl, als Gegenstand in der Welt des Anderen zu existieren, objektiviert, bewertet, ertappt zu werden und andererseits die Möglichkeit, den Anderen durch den eigenen Blick zu einem Objekt herabzuwürdigen, zu bewerten. Der Mensch ist sowohl Voyeur als auch Gedemütigter.

Obwohl es in der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen liegt, von wem er betrachtet werden will, kann er einer Betrachtung durch die Anderen nicht entkommen. Der Mensch braucht den Anderen, um sich selbst wahrzunehmen. Wer man ist, kann nur der Andere sagen. Er erblickt mich und besitzt als solcher das Geheimnis meines Seins.

 

1944               Uraufführung von Geschlossene Gesellschaft, (ursprünglicher Titel: Die Anderen), am 27. Mai in Paris. Sartres Ansicht, dass der Mensch in seinem Leben bestimmte Rollen einnimmt, diese wählt, um mit Anderen und sich selbst leben zu können, findet hier seinen Ausdruck.

Gründung der Zeitschrift Les Temps Modernes (Der Titel ist angelehnt an Chaplins Film Modern Times) gemeinsam mit Maurice Merleau-Ponty (1908-1961).

 

1945                Sartre gibt seinen Beruf als Lehrer entgültig auf und arbeitet fortan nur mehr als Schriftsteller.

Vortrag: Der Existentialismus als Humanismus.

Sartre bricht mit seiner Wahrnehmung und erkennt ­ im Widerspruch zu Das Sein und das Nichts ­,dass eine absolut gesetzte Freiheit des Individuums, die absolute Subjektivität, nicht realistisch ist.

 

1947                Veröffentlichung von Situations I, Baudelaire und Das Spiel ist aus.

 

1948                Sartres Werke werden vom Vatikan auf den „Index der verbotenen Bücher“ gesetzt.

Er ist Mitbegründer der RDR, der „Revolutionären demokratischen Sammlung“, die den „dritten Weg“, eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus propagiert. Sartre nimmt Partei für die Klasse der ArbeiterInnen gegen die Bourgoisie, gegen Ausbeutung und Ausgrenzung.

 

1949                Austritt aus dem RDR.

 

1952                Veröffentlichung von Saint Genet, Komödiant und Märtyrer.

 

Bruch mit Albert Camus. Sartre, der von seinen Kritikern als „abstrakter Moralist“ verurteilt wird und der in seiner Philosophie einen „verschleierten Idealismus“ predige, verurteilt Camus nach dessen Veröffentlichung von Der Mensch in der Revolte seinerseits als Moralisten.

Sartre wird Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs.

 

1954-1955      Reisen in die UdSSR und China.

 

1956                Sartre distanziert sich von der Kommunistischen Partei.

Öffentliche Manifestationen gegen den Algerienkrieg und die Interventionen der Sowjetunion in Ungarn.

 

1960                Reise nach Kuba.

Veröffentlichung des ersten Bandes der Kritik der dialektischen Vernunft.

 

1964                Veröffentlichung der Autobiographie über Sartres Jugend, Die Wörter. Veröffentlichung von Was ist Literatur?

Sartre erhält den Nobelpreis für Literatur, lehnt diesen aber aus persönlichen und objektiven Gründen ab.

 

1968                Solidarität mit der Protestbewegung von Mai 1968.

 

1970-1972       Veröffentlichung der ersten drei Bände über Gustave Flaubert: Der Idiot der Familie.

 

1973                Gründung der Zeitschrift „Liberation“.

 

1974                Besuch bei Andreas Baader im Gefängnis in Starnheim.

 

1980                Jean-Paul Sartre stirbt am 15. April in Paris.

 

Wichtig für mich ist, dass ich getan habe, was zu tun war. Gut oder schlecht, darauf kommt es nicht so sehr an, Hauptsache, ich habe es versucht. (J.-P. Sartre, Selbstportrait mit siebzig Jahren. In: Sartre über Sartre, Reinbeck 1977)

 

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