Spielgemeinschaft ODYSSEE - Inhaltsübersicht

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Pension Schöller

 

Posse in drei Aufzügen nach einer Idee von W. Jacoby

von Carl Laufs

 

[Uraufführung: 07.10.1890, Berlin. Wallner-Theater]

 

Bearbeitete Fassung der Spielgemeinschaft ODYSSEE Theater.

Personen:

 

PHILIPP KLAPPROTH

ULRIKE SPROSSER, Witwe, seine Schwester

} deren Töchter

 
IDA

FRANZISKA

ALFRED KLAPPROTH

ERNST KISSLING, Maler, Alfreds Freund

FRITZ BERNHARDY

JOSEPHINE KRÜGER, Schriftstellerin

SCHÖLLER, ehemaliger Musikdirektor

AMALIE PFEIFFER, seine Schwägerin

FRIEDERIKE, ihre Tochter

EUGEN RÜMPEL

GRÖBER, Major a. D.

JEAN, Zahlkellner

Kellner, Gäste

 


Erster Aufzug

(Ein Cafe in Wien. Rechts und im Hintergrund je ein Eingang)

1. Auftritt

GASTE  JEAN  KELLNER  KISSLING  JOSEPHINE  EUGEN  GRÖBER

(Josephine und Eugen sitzen an demselben Tisch auf der linken Seite. Eugen liest die Zeitung. Kissling an einem Tisch rechts. Gröber am Tisch weiter hinten. Gäste ab und zu)

 

KISSLING: Alfred ist immer noch nicht da!? (laut) Kellner, noch ein Pilsener!

KELLNER (das leere Glas nehmend und nach hinten gehend): Ein Pilsener!

GRÖBER (wütend zu Jean, der an ihm vorübergeht): Sagen Sie mal, bekomme ich nun endlich das Militärwochenblatt, das ich schon seit einer halben Stunde bestellt habe?

JEAN: Euer Gnaden entschuldigen, wird noch gelesen.

GRÖBER: Den Teufel auch! Zu was habt Ihr denn die Zeitungen, wenn sie immer gelesen werden? (Jean lächelt, verlegen mit den Achseln zuckend) Lachen Sie nicht! Überhaupt eine ganz liderliche Wirtschaft hier, und der Teufel soll mich holen, wenn ich noch einen Schritt in Eure Bude setze.

JEAN: Aber Euer Gnaden ...

GRÖBER: Reden Sie nicht. Wieviel Kognak habe ich?

JEAN (die Karaffe betrachtend): Fünf!

GRÖBER: Das macht?

JEAN: Eins fünfzig.

GRÖBER (Geld hinwerfend): Geld genug für das Gift! — Ziehen Sie mir noch einen ab. (schenkt sich ein Glas voll ein, trinkt schnell  aus und steckt das herausgegebene Geld ein)

JEAN: Danke schön, Euer Gnaden! — Habe die Ehre!

GRÖBER: Gehen Sie zum Henker. (brummend ab)

KISSLING (lächelnd zu Jean): Ein recht angenehmer Herr.

JEAN: Ist nicht so schlimm, wie er aussieht. So macht er es schon seit Jahren. Schimpft über alles und schwört jeden Tag, er käme nicht mehr, und den andern Tag sitzt er wieder auf demselben Platz.

KISSLING: Ein komischer Kauz.

JEAN: Gibt aber immer ein nobles Trinkgeld.

2. Auftritt

VORIGE  BERNHARDY

 

BERNHARDY (etwas exzentrisch gekleidet, außerordentlich lebhaft in seinen Bewegungen): Kellner, ein Glas Madeira!

JEAN: Ein Glas Madeira! (ab Hintergrund)

KISSLING: So wahr ich lebe, Bernhardy!

BERNHARDY: Saleim aleikum, mein lieber Herr Kissling, darf ich bei Ihnen meinen Wigwam aufschlagen?

KISSLING: Wird mich außerordentlich freuen. Seit wann sind Sie denn wieder im Lande?

BERNHARDY (sich zu ihm setzend): Heute morgen bin ich in Wien eingetroffen.

KISSLING: Und wo waren Sie inzwischen, Sie unruhiger Geist, wenn ich fragen darf?

BERNHARDY: Fragen Sie lieber, wo ich nicht war. Sehen Sie mich an. Meinen Anzug habe ich mir in London arbeiten lassen, den Hut in Paris gekauft, die Stiefel mir in Berlin bauen lassen, diese Uhr in Genf ausgesucht und die Zigarette, die ich rauche, mir extra In Kairo anfertigen lassen.

KISSLING: Mit einem Wort, Sie sind eine wandelnde Industrieausstellung. Aber sagen Sie mir nur, aus welchem unserer Weltteile, deren wir gewiß zu Ihrem größten Leidwesen nur fünf haben, kommen Sie jetzt?

BERNHARDY: Aus Afrika von der Löwenjagd, (vergnügt naiv) Denken Sie sich nur, ich hatte früher noch nie eine Löwenjagd mitgemacht.

KISSLING (lachend): Das war freilich eine peinliche Lücke in Ihrer irdischen Glückseligkeit.

BERNHARDY (heiter): Was wollen Sie, dieses ruhelose Umherstreifen liegt einmal in meinem Naturell, und ich vermute fast, daß der ewige Jude verheiratet gewesen ist und ich einer seiner Nachkommen bin.

KISSLING: Werden Sie jetzt längere Zeit hier bleiben?

BERNHARDY: Wer kann das voraussagen? Vor allen Dingen will ich meine Freunde wieder einmal aufsuchen, na, und dann wer den wir ja sehen, ob ich mich hier wohl fühle oder der Reiseteufel mich wieder packt und in die weite Welt hinausführt.

KISSLING: Das allerbeste wäre für Sie, Sie heiraten.

BERNHARDY (entsetzt): Ich heiraten? (lachend) Unsinn! Was soll ich denn mit einer Frau anfangen, wenn ich das ganze Jahr unterwegs bin?

KISSLING (trocken): Sehr einfach — mit der Frau hübsch ruhig zu Hause bleiben. Von der Welt hätten Sie, dächte ich, doch jetzt genug gesehen, um sich nach einem gemütlichen Heim und nach Ruhe zu sehnen.

BERNHARDY: Das ist wahr! Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Zu Hause kann man eigentlich auch bleiben. Das soll sogar mitunter hübsch sein.

KISSLING: Ei freilich. Sie erzählen Ihrer Frau von Ihren Reisen, Erlebnissen, Ihren Abenteuern.

BERNHARDY: Mit Auswahl natürlich.

BERNHARDY: Aber nicht alle, nicht alle, lieber Freund.

KISSLING: An Unterhaltung würde es Ihnen sicher nicht fehlen. Es käme nur darauf an, ein Mädchen zu finden, das Sie dauernd zu fesseln wüßte.

BERNHARDY: Hm. da müßte ich also wieder auf Reisen gehen.

KISSLING: Warum?

BERNHARDY: Um ein solches zu suchen.

KISSLING: Sie sind unverbesserlich.

BERNHARDY: Durchaus nicht, aber bitte, entschuldigen Sie mich jetzt ich muß rasch noch einige Besuche machen.

KISSLING: Lassen Sie sich nicht stören. Auf Wiedersehen!

BERNHARDY: Auf Wiedersehen, — eh, das heißt, vorausgesetzt —

KISSLING (lachend): Daß Sie morgen noch hier sind.

BERNHARDY (in das Lachen einstimmend): So ist's! Adio! (rasch ab)

KISSLING: Adio! — Wie verschieden doch die Geschmäcker sind! Ich würde dafür danken, so jahraus jahrein auf der Landstraße zu liegen. Kellner, noch ein Pilsener!

JOSEPHINE (zu Jean): Pst! Sie! Ich möchte zahlen!

JEAN: Eine Schokolade! Haben Sie Gebäck?

JOSEPHINE: Fünf von dem da! (zeigt auf das Gebäck)

JEAN: Neunzig Pfennig.

JOSEPHINE (zahlend): Hier, für Sie!

JEAN: Danke.

JOSEPHINE: Sagen Sie, Kellner, ist das weit von hier, Chausseestraße 198 ½ ?

ERSTER GAST: Kellner, zahlen!

JEAN: Zahlen? Gleich! (zu Josephine) Einen Moment! (eilt zum andern Tisch)

EUGEN (hat etwas Theatralisches an sich und kann den Buchstaben L nicht aussprechen. Hat die ganze Zeit in einer Rolle studiert, heftig gestikuliert so daß Josephine öfter erschrocken zusammenfuhr: sich zu Josephine wendend): Sie werden am besten tun, ein Taxi zu nehmen.

JOSEPHINE: Sie sind sehr gütig, mein Herr. Es ist also sehr weit bis dahin?

EUGEN: Ein tüchtiger Weg, ich kenne ihn, das Haus gehört meinem Vormund.

JOSEPHINE: Ach, Herrn Schöller, in dessen Pension ich während meines hiesigen Aufenthalts zu wohnen beabsichtige.

EUGEN: Ganz richtig, der Inhaber dieser Pension, Schönner, ist mein Vormund.

JOSEPHINE: Ich denke, er heißt Schöller?

EUGEN: Nun ja, ich sagte ja auch Schönner— der Buchstabe L fännt mir etwas schwer.

JOSEPHINE: Ach so. Aber ich muß doch Schöller gleich erzählen, wie hübsch uns der Zufall hier zusammengeführt hat.

EUGEN: Ich möchte Sie im Gegentein bitten, ja nicht zu verraten, daß Sie mich um diese Zeit hier im Restaurant gesehen haben.

JOSEPHINE (neugierig): Ja, aber warum denn nicht?

EUGEN: Das dürfte Sie wohn kaum interessieren.

JOSEPHINE: O doch! Bin ich doch einzig und allein nach Wien gekommen, um zu sehen, zu hören und Stoff zu sammeln. Sie müssen nämlich wissen, ich bin Schriftstellerin, ich schreibe Romane für die „Gartenlaube“.

EUGEN: Schriftstennerin sind Sie, Künstnerin? O, dann werden Sie mich auch verstehen und begreifen!

JOSEPHINE (ihr Notizbuch hervorziehend): Ha, ich sehe schon, Sie wollen sich ebenfalls der Kunst widmen.

EUGEN: So ist es. Mein Vormund besteht aber darauf, daß ich Kaufmann bneibe.

JOSEPHINE: Ein recht hübscher Konflikt, zwar nicht mehr ganz neu, aber immerhin zu verwerten.

EUGEN: Scheinbar füge ich mich auch seinem Winnen und habe meine Kommisstenne in dem Bankgeschäft beibehanten. Meine freie Zeit aber habe ich inzwischen benutzt, dramatischen Unterricht zu nehmen. Die Stunde kostet zwar fünfhundert Schinninge, aber mein Nehrer behauptet auch, ich hätte ein riesiges Tanent. — Ein zweiter Theo Ningen, finden sie nicht auch? Anne meine Freunde behaupten es.

JOSEPHINE (Notizen machend): Gewiß, gewiß, erzählen Sie nur weiter.

EUGEN: Nächstens aber möcht ich nun einman hier in der Nähe öffentnich auftreten.

JOSEPHINE (notierend, eifrig): Und fallen durch.

EUGEN: Ernauben Sie! —

JOSEPHINE: In meinem Roman lasse ich Sie durchfallen. Ich lasse Sie alle Stadien des Künstlerlebens durchmachen. Sie verzweifeln sogar an Ihrem eigenen Talent, bis sich schließlich Ihre Begabung Bahn bricht und Sie, alle Schwierigkeiten überwindend, ein gefeierter Künstler werden. Ihr Vormund sieht sein Unrecht ein, schließt Sie gerührten Herzens in seine Arme und segnet Ihren Herzensbund mit seiner einzigen, inniggeliebten Tochter.

EUGEN: Er hat ja gar keine.

JOSEPHINE: Schadet nichts. In meinem Roman hat er eine, verlassen Sie sich drauf.

EUGEN (auf seine Uhr blickend): Schon ein Uhr, Kenner! Zahnen! Ein Gnas Punsch und eine, (zu Josephine) Sie entschundigen, ich muß auf die Bank.

JOSEPHINE: Und ich zu Schöller. Werde ich Sie dort wiedersehen?

EUGEN: Heute ist Gesennschaftsabend dort, vienneicht komme ich hin. Empfehne mich! (ab rechts. Josephine folgt)

3. Auftritt

GÄSTE  JEAN  ULRIKE  IDA  FRANZISKA

 

ULRIKE (mit den Mädchen durch die Mitte in Reisekleidung): Der Onkel scheint noch nicht da zu sein.

IDA: Ich sehe ihn auch nicht. Wo setzen wir uns denn hin?

FRANZISKA (auf einen Tisch links vorn deutend): Hier ist ein hübsches Plätzchen.

KELLNER: Die Herrschaften befehlen?

IDA: Mir Melange.

FRANZISKA: Mir auch, aber ein bißchen rasch, wir haben nicht lange Zeit.

ULRIKE: Mir geben Sie eine Schokolade mit Schlagsahne.

FRANZISKA: Ach ja, mir auch Schokolade mit Schlagsahne, keine Melange.

IDA: Das ist eine gute Idee. Mir auch, bitte!

FRANZISKA: Aber ein bißchen schnell, oder wissen Sie was — bringen Sie mir doch lieber eine Tasse Bouillon.

IDA: Ach ja, aber mit Ei!

FRANZISKA: Mir auch mit Ei, das heißt das Ei darf nicht gerührt sein. — Aber auf was warten Sie denn noch? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass wir sehr pressiert sind.

KELLNER: Sehr wohl! (eilt zum Büffet)

ULRIKE: Aber Kinder, Ihr macht den armen Menschen ja ganz konfus.

FRANZISKA: Ich wollte doch, ich hätte lieber Schokolade bestellt, aber diese Kellner sausen ja fort, ehe man nur zum Wort hat kommen können.

IDA (auf rechts deutend): Da kommt ja Alfred.

ULRIKE: Und zwar ohne den Onkel. Wo mag der nur wieder hingeraten sein?

4. Auftritt

VORIGE  ALFRED

 

KISSLING (zum eintretenden Alfred): Na endlich! Ich habe ja auf dich gewartet, wie Wellington bei der Schlacht von Waterloo auf den alten Blücher. Setz' dich, mein Junge.

ALFRED: Entschuldige mich nur noch eine Minute. Dort drüben sitzen meine Verwandten, im Begriff, wieder nach Hause zu reisen. Ich will ihnen nur schnell noch guten Tag sagen und mich dann verabschieden. Bis nachher, (geht zu den Damen)

KISSLING (für sich): Ach du meine Güte! Nun simpelt er erst noch Familie! (resigniert) Kellner, noch ein Pilsener!

 

(Alfred wird von seinen Verwandten begrüßt)

 

ULRIKE: Komm hier neben mich, Alfred. — Aber sage mir doch nur, wo hast du denn den Onkel gelassen? Er ging doch mit dir fort?

ALFRED (mit ihr sprechend, während die Mädchen sich mit Journalen beschäftigen): Offen gestanden, ich bin ihm durchgebrannt und will froh sein, wenn er wieder mit Euch auf der Bahn sitzt und nach Hause dampft. Sage mir doch um des Him mels willen, was ist denn nur in den Mann gefahren? Wäre er ein Engländer, so würde ich behaupten, er hätte den Spleen.

ULRIKE: (seufzt) Ja, seit er sich von seinem Geschäft zurückgezogen hat, kommt er fast jeden Tag auf eine andere Dummheit. Was wir schon mit Ihm durchgemacht haben, ist gar nicht zu sagen. Aber was ist dagegen zu machen? Du kennst ja seinen Eigensinn, seinen Starrkopf.

ALFRED: Freilich, freilich!

ULRIKE: Würde ich ihm Vorstellungen machen, könnte ich seine Schrullen nur verschlimmem.

ALFRED: Und dabei die sonderbare Geschmacksrichtung, der er meistens huldigt.

ULRIKE: Ich bin nur froh, daß wir so hübsch abgeschieden auf unserem kleinen Landgute leben, da hat er wenigstens keine Gelegenheit, Unheil anzurichten.

5. Auftritt

VORIGE  KLAPPROTH

 

KLAPPROTH (mit Paketen schwer beladen, einen Amateur-Photographen über der Schulter hängend, das Stativ in der Hand, stößt mit demselben an einen Herrn)

ERSTER GAST (ärgerlich): Nehmen Sie sich doch in acht.

KLAPPROTH (sich zu ihm wendend, tritt einem andern Herrn auf den Fuß): O bitte, entschuldigen Sie!

ZWEITER GAST: Zum Teufel, mein Herr, treten Sie gefälligst auf Ihre eigenen Füße!

KLAPPROTH (Zu ihm): Pardon! Pardon!

ERSTER GAST (mit dem andern sich brummend entfernend): Was das für eine Mode ist, wie ein Lastkamel beladen in ein Lokal zu kommen!

KLAPPROTH (ist zu den Damen an den Tisch getreten): Da bin ich, Kinderchen! (legt die Sachen ab,, wobei die Damen ihm behilflich sind)

ULRIKE: Ja, wo bleibst du denn, Philipp?

KLAPPROTH: Wo werde lch geblieben sein? Umgesehen habe ich mich und zwar gründlich. Zu was bin ich denn in einer Großstadt, wie Wien, wenn ich mir nichts ansehen soll? Zu was soll ich mich denn immer mit den Schilderungen anderer begnügen? Selbst sehen, das ist unterhaltend und belehrend. So komme ich jetzt z. B. von der armen Arbeiterfrau, von der in den Zeitungen stand, daß sie der Himmel mit gesunden, lebendigen Drillingen beschenkt hat! Naja! so was wird einem doch nicht alle Tage geboten.

ULRIKE: Was hast du denn davon, daß du das gesehen hast?

KLAPPROTH (stolz): Pate bin ich geworden, denkt Euch mal, Pate von einem lebendigen Drilling.

ULRIKE (für sich): Sehr unterhaltend!

ALFRED (beiseite): Äußerst belehrend!

FRANZISKA (die in den Paketen herumgestöbert hat, ein Etui hervorziehend): Was ist denn das, Onkel?

KLAPPROTH: Eine Haus- und Reise-Apotheke mit ausführlicher Gebrauchsanweisung unter dem Titel: „Jedermann sein eigener Arzt." Für alles ist gesorgt, für alles ein brillantes Mittel. Wenn sich also eines von Euch nicht ganz gut befinden sollte —

ALFRED: Bedaure, mir ist ganz wohl.

KLAPPROTH: Schade! Nicht vielleicht ein bißchen Kopfweh, Zahnreißen, Ohrensausen, Magendrücken oder —

ULRIKE: Hör' auf, hör' auf, du machst mich ganz nervös.

KLAPPROTH: Nervös? Hm, dagegen gibt es kein eigentliches Mittel, aber wenn du —

IDA (hat ein Fläschchen entkorkt und will daran riechen): Was ist denn das für närrisches Zeug?

KLAPPROTH: Nicht daran riechen, sonst bekommst du eine ganz schwarze Nase, s ist Silberlösung.

ULRIKE: ZU was brauchst du das schon wieder?

KLAPPROTH: Für meinen photographischen Apparat.

ULRIKE: Photographieren willst du auch noch?

KLAPPROTH: Gewiß, Momentbilder. Willst du ein Momentbild haben? (nimmt den Apparat)

ULRIKE: Um Gotteswillen, nein, nein!

KLAPPROTH: Wenn wir wieder zu Hause sind. Gib acht, was uns das für Vergnügen macht.

ULRIKE (seufzend, ßir sich): Ich seh's schon kommen. Ach, hätten wir ihn doch erst wieder daheim!

KLAPPROTH (auf die Uhr sehend): Kinderchen, es ist jetzt aber die höchste Zeit, daß Ihr aufbrecht, sonst versäumt Ihr den Zug.

ULRIKE: Ja, fährst du denn nicht mit, Philipp?

ALFRED: Wie?

IDA, FRANZISKA: Willst du noch hierbleiben, Onkel?

KLAPPROTH: Die kleine Strecke könnt Ihr doch ganz ruhig allein reisen, ich komme entweder morgen oder übermorgen nach.

ALFRED (seufzend): Ach, du lieber Gott!

ULRIKE: Unsere Einkäufe sind ja besorgt, und die deinigen, wie ich hoffe, auch. Was willst du denn noch hier tun?

KLAPPROTH: Ich habe noch einige Geschäfte zu erledigen und will noch verschiedene Sehenswürdigkeiten in Augenschein nehmen. Aber jetzt sputet Euch —

ULRIKE: Komm, Philipp, fahre mit, das entgeht dir ja nicht, wenn —

KLAPPROTH: Du weißt, Ulrike, ich kann das ewige Widersprechen nicht leiden und habe mir deswegen auch keine Frau angeschafft.

ULRIKE: Wenn du denn absolut bleiben willst, gut, bleiben wir alle. Uns kommt es ja schließlich auch auf ein oder zwei Tage nicht an.

IDA: Ach ja!

FRANZISKA: Uns eilt es nicht!

KLAPPROTH: Nichts da, es bleibt, wie ich's gesagt habe, (die Damen rüsten sich zum Aufbruch) Der Kellner hilft Euch die Sachen ins Taxi zu bringen.

ALFRED (für sich): Er bleibt wirklich. Ach, du lieber Gott!

ULRIKE (leise zu Alfred): Ich binde ihn dir auf die Seele, gib acht, daß er keine Dummheiten macht.

ALFRED: Ich will mein Möglichstes tun, garantieren kann ich freilich für nichts.

KLAPPROTH (drängend): Na adieu denn, Kinder, adieu Ulrike.

IDA: Adieu, Onkel!                                                                       (schnell)

FRANZISKA: Besuche uns einmal, Alfred.                                         (schnell)

ULRIKE: Bleibe nicht so lange aus, Philipp, hörst du?                           (schnell)

KLAPPROTH: Nun macht aber, daß Ihr fortkommt, sonst werde ich ernstlich böse, (die drei Damen ab)

KLAPPROTH (ihnen befriedigt nachschauend): Na, endlich!

ALFRED (für sich): Ich möchte wissen, was ihn noch hier gehalten hat.

KLAPPROTH (gemütlich): So! Nun wären wir ja wieder einmal unter uns. Setze dich, mein Junge, ich habe mit dir zu plaudern.

ALFRED (für sich): Was das wohl geben wird!

BLUMENMÄDCHEN (zu Klappproth tretend): Bukett gefällig?

KLAPPROTH (sie schmunzelnd betrachtend): Nein, danke, brauche keine Blumen. (Blumenmädchen ab) Alfred, mir ist zu Ohren gekommen, du seist im Begriff, dich selbständig zu machen, dich zu etablieren, und suchtest zu diesem Zweck einen Kapitalisten, der dir die nötigen Gelder vorschießt.

ALFRED: Das stimmt.

KLAPPROTH: DU hast aber noch keinen gefunden.

ALFRED: Das stimmt leider auch.

KLAPPROTH: Geschieht dir recht! Warum hast du dich nicht an mich gewendet?

ALFRED: Wie, Onkel, du wolltest?

KLAPPROTH: Warum nicht?

ALFRED (erfreut): Onkel, wie soll ich -

KLAPPROTH (ihn auf den Stuhl niederdrückend): Keine Danksagungen, dagegen hoffe ich, daß du mir auch einen Gefallen tust. Willst du?

ALFRED: Aber mit tausend Freuden, natürlich!

KLAPPROTH: Schön, ich hab's auch nicht anders erwartet und habe deshalb auch die Damen nach Hause geschickt, damit wir ungestört sind.

ALFRED: Aha, ich merke schon. Onkelchen will auf galante Abenteuer ausgehen und —

KLAPPROTH: Unsinn! Seh' ich aus wie galante Abenteuer? Ich will ja nicht leugnen, daß es eine Zeit gab, wo man ein ganz verfluchter Kerl war, aber das ist vorbei. Nein, ich habe andere Absichten. Siehst du, an unserem Stammtisch ist nämlich der reiche Schneidermeister Helferich, über den ich mich noch halb tot ärgern muß. Der reist auch alle paar Wochen hierher nach Wien, und wenn er zurückkommt, dann erzählt der Mensch die haarsträubendsten Räubergeschichten, wo er nicht überall gewesen ist und was er nicht alles gesehen hat. Und dabei reißt der Kerl das Maul auf und tut gerade so, als als ob unsereins ihm das gar nicht nachmachen könne.

ALFRED: Ach, deshalb bist du auch hier so herumgejagt von einer Sehenswürdigkeit zur andern.

KLAPPROTH: Um ihm den Mund zu stopfen, ganz richtig. Aber das genügt noch nicht, ich muß ihn übertrumpfen, ich muß etwas gesehen haben, was er noch nicht gesehen hat, und dazu sollst du mir verhelfen.

ALFRED: Gern. Ich zerbreche mir aber vergebens den Kopf.

KLAPPROTH: Gar nicht nötig, ich habe in dieser Beziehung sowieso schon seit langem einen sehnlichen Wunsch. Da habe ich nämlich vor einiger Zeit einen außerordentlich fesselnden Artikel über Heilanstalten für Geisteskranke gelesen. Und da bei mir zu Hause ein solches Institut gebaut werden soll, ist natürlich sofort in mir der Gedanke rege geworden, einmal eine solche Anstalt zu besuchen. Namentlich ein Ball oder eine Soiree in einem solchen Etablissement soll das Interes santeste sein, was man sich denken kann. Hier sind nun ei ne ganze Reihe solcher Privatinstitute — du bist mit aller Welt bekannt, und ich rechne deshalb fest darauf, daß du mir zu der Gelegenheit verhelfen wirst, einmal einem solchen merkwürdigen Abend beizuwohnen.

ALFRED (erstarrt): Ich? Onkel — da — da — das ist doch dein Ernst nicht?

KLAPPROTH: Warum denn nicht? — mein voller Ernst. Freue mich ja schon die ganze Zeit darauf.

ALFRED: Aber lieber Onkel, ich —

KLAPPROTH: Also mein lieber Junge, verschwende nicht so viel unnütze Worte, sondern sieh zu, wie du zur Erfüllung meines Wunsches am besten beitragen kannst, du weißt, ich kann nicht lange hierbleiben, (plötzlich aufspringend, Lärm hinter der Szene) Herrjeh! Was ist denn das? Eine Hauerei, wie es scheint. Sapperment, das muß ich mir doch einmal in der Nähe ansehen! Wo ist mein photographischer Apparat, vielleicht gibt’s ein Momentbild. (ab rechts mit Apparat)

ALFRED (nachblickend, nach einer Pause): Das ist ja, um aus der Haut zu fahren! Was das nun wieder für eine Idee ist. Darauf kann aber auch nur mein Onkel verfallen.

KISSLING (hat sich ihm genähert, setzt sein Glas auf Alfreds Tisch): Du scheinst ja nicht sehr rosiger Laune zu sein?

ALFRED: Wütend bin ich, außer mir bin ich!

KISSLING (ruhig): Ah bah! Warum denn?

ALFRED: Denke dir, mein Onkel hat sich erboten, mir zur Gründung meines Geschäfts das nötige Geld vorzuschießen.

KISSLING: Ich komme diesem edlen Greis einen Hochachtungs schluck! (trinkt)

ALFRED: Ich muß also meinerseits alles aufbieten, ihn möglichst guter Laune zu erhalten.

KISSLING: Bis du das Geld hast. Sehr richtig.

ALFRED: Aber weißt du denn auch, was er ausgeheckt hat und von mir quasi als Gegendienst verlangt?

KISSLING: Nun?

ALFRED: Ich soll ihm während seines Hierseins die Gelegenheit ver schaffen, einem Ball oder einer Soiree in einer Heilanstalt für Geisteskranke beizuwohnen. Was sagst du zu einer solchen Ungeheuerlichkeit? Stelle ich dem Onkel die Schwierigkeiten und Unmöglichkeiten, seinen Wunsch zu erfüllen, vor, so legt er es mir in seinem Eigensinn sicher für bösen Willen aus und läßt es hübsch bleiben, mir den so nötigen Kredit zu gewähren.

KISSLING: Da muß eben das Unmögliche möglich gemacht werden.

ALFRED: Das ist leicht gesagt aber wie — wie?

KISSLING: Das wird sich schon finden. — Apropos, gehst du heute zu Schöller?

ALFRED (unmutig): Komische Frage! Ich kann doch meinen Onkel nicht allein lassen, und dann muß ich dir offen gestehen, ist die Gesellschaft, die dort wohnt, fast durchgängig eine so verschrobene, daß —

KISSLING: Famos! Da haben wir ja, was wir brauchen!

ALFRED: Ich verstehe dich nicht.

KISSLING: Und es liegt doch so nahe. Du führst deinen Onkel ganz einfach heut' abend zu Schöllers in die Gesellschaft und bestärkst ihn vorher geschickt in dem Gedanken, es sei eine Soiree in einer Privatheilanstalt, wie er sie zu sehen wünscht.

ALFRED (entsetzt): Kissling! Mensch! Satan! Wie kannst du mir nur mit so einem impertinent ruhigen Gesicht einen so unverschämten, ungeheuerlichen Vorschlag machen!

KISSLING (zum Kellner): Kellner, noch ein Pilsener! — Aber Freundchen, sei doch nicht so schwerfällig. Bedenke doch, wie günstig für dich die Chancen liegen. Wenn du schon sagst, es ist eine verschrobene, merkwürdige Gesellschaft dort zusammen, wie sollte da dein Onkel, der alsdann fest überzeugt ist, es mit geistig gestörten Patienten zu tun zu haben,  den Schwindel merken? Er geht in diesem Gedanken hin und sieht folglich durch die Brille des Vorurteils. Und wie schwer ist es doch schon meistens im gewöhnlichen Leben, zu unterscheiden, wer verrückt ist und wer nicht. Du siehst also, daß mein Vorschlag lange nicht so gewagt ist, wie es anfänglich scheint.

ALFRED (zögernd): Du meinst also wirklich, es ginge?

KISSLING: Ich rede, um dir das zu beweisen, mir die Kehle trocken, und du fragst noch.

ALFRED: Na, man muß doch erst eine so geradezu verblüffende Idee ein wenig verdauen. — Sag’ mal, würdest du mir eventuell bei der Ausführung ratend und helfend zur Seite stehen?

KISSLING: Ich war nie ein Spielverderber. Also abgemacht, der Onkel wird heute abend zu Schöllers geführt.

ALFRED: Verführer! (einschlagend) Gut denn, abgemacht. Aber kann ich denn so ohne weiteres den Onkel mitnehmen, der ja gar nicht eingeladen ist?

KISSLING: Kleinigkeit! Schöller ist froh, wenn jemand kommt, und zum Überfluß kann ich ihm ja noch rasch einige Zeilen schicken und den Onkel anmelden, (zieht sein Notizbuch und schreibt)

6. Auftritt

VORIGE  KLAPPROTH

 

KLAPPROTH (mit zerknülltem Hut, derangierter Toilette und hinkend, einige Gäste, die ihm beim Abgang nachgegangen, lachend hinter ihm her, stolz zu Alfred): Der Streit ist geschlichtet, die beiden Kämpfer sind Arm in Arm als die besten Freunde fortgegangen. Und das habe ich fertig gebracht.

ALFRED: Aber Onkel, wie siehst du denn aus?

KLAPPROTH (kleinlaut): Ein paar tüchtige Püffe habe ich freilich weggekriegt, aber ...

ALFRED: Da siehst du, was dabei herauskommt, wenn man sich um Sachen kümmert, die einen nichts angehen.

KLAPPROTH: Das verstehst du nicht. — Sage mal, Alfred, hast du das überlegt, was ich vorhin sagte?

ALFRED (verzweifelt, beiseite): Er läßt nicht locker, (laut) Ja, wenn du denn durchaus auf deinem Wunsch bestehst —

KISSLING (nähertretend): Aber lieber Alfred, es ist doch abgemacht.

ALFRED (vorstellend): Mein Freund Kissling, Maler — mein Onkel Klapproth.

KLAPPROTH: Sehr angenehm!

KISSLING: Sehr erfreut!                         (Hände schüttelnd)

KLAPPROTH: Alfred hat Ihnen wohl von meinem Vorhaben erzählt? Und es ist abgemacht, sagen Sie?

ALFRED: Ja, heute abend also!

KLAPPROTH (entzückt): Heute abend schon? Das ist ja prächtig!

ALFRED: Freund Kissling wird uns begleiten.

KLAPPROTH: Ah, Sie verpflichten mich außerordentlich, (eifrig) Aber was ich sagen wollte, sind denn auch interessante Patienten dort? So von der Sorte, die sich einbilden, der Kaiser von China zu sein, und einen zu ihrem Großwesir machen wollen?

KISSLING (für sich): Der verlangt ein bißchen viel.

ALFRED (für sich): Himmlische Barmherzigkeit! Das kann gut werden.

KLAPPROTH: Oder einer, der sich einbildet, er wäre ein Klavier, und nun immer Angst hat, man könnte ihm aufs Pedal treten oder wolle auf ihm herumspielen? Haha!

KISSLING: Mein lieber Herr Klapproth, Sie werden in dieser Beziehung gewiß sehr enttäuscht sein, denn mit den gefährlichen Patienten kommen Sie bei solchen Gelegenheiten nie zusammen.

ALFRED (eindringlich): Du machst dir eine ganz falsche Vorstellung, lieber Onkel, du wirst sehen, die Leute benehmen und un terhalten sich gerade so wie vernünftige Leute.

KLAPPROTH: Und doch ist's bei ihnen im Oberstübchen nicht richtig, das ist ja gerade für mich das Interessante dabei.

ALFRED: Daß du dir aber um des Himmelswillen nicht merken läßt, daß du weißt, mit wem du es zu tun hast oder wo du dich befindest.

KLAPPROTH: WO werde ich denn?

KISSLING: Selbst gegen den Direktor nicht.

KLAPPROTH: O, ich weiß genau, wie ich mich zu benehmen habe. Jetzt aber zu Tische und dann, wie heißt denn eigentlich die Heilanstalt?

ALFRED: Schöller.

KISSLING: Pension Schöller.

KLAPPROTH: Und dann also in die Pension Schöller. Kinderchen, so viel ist sicher, ein interessanter Abend wird's!

KISSLING (für sich): Das glaube ich auch!

ALFRED (für sich): Wenn das die Tante wüßte!

(Während alle drei abgehen, fällt der Vorhang)


Zweiter Aufzug

(Salon bei Schöller. Im Hintergrund eine Tür, rechts und links je zwei Seitentüren, links vorn allgemeiner Eingang. Rechts Piano etc.)

1. Auftritt

SCHÖLLER  AMALIE

 

SCHÖLLER: WO bleiben denn unsere Herrschaften nur wieder so lange?

AMALIE: Die sind noch auf ihren Zimmern. So machen sie es stets.

SCHÖLLER: Schließlich kommen die Herren, die ich eingeladen habe, früher an, und das ist doch unangenehm.

AMALIE: Wen hast du denn zu unserem Gesellschaftsabend geladen?

SCHÖLLER: Diesmal eigentlich nur zwei Herren, die Herren Klapproth und Kissling, der Onkel des jungen Klapproth wird aber auch mitkommen, ein gemütlicher, alter Junggeselle, der, wie ich hörte, hier in der Nähe ein kleines Landgut hat, du siehst al so, alles respektable Leute.

AMALIE: Ach, Schöller, wenn doch unter diesen —

SCHÖLLER (ärgerlich): Ich weiß schon, was du wieder willst: „Ach, wenn doch unter diesen ein Heiratskandidat für meine Friederike wäre". — Ist's vielleicht nicht so? Den Teufel auch, Schwägerin! Das bekomme ich nachgerade satt! Das ist ja förmlich zur Manie bei dir geworden, auf einen Gatten für Friederike Jagd zu machen. Wart's doch ab!

AMALIE: Wo so viele Mädchen heutzutage sitzen bleiben, halte ich es als Mutter für meine Pflicht, bei Zeit schon darauf bedacht zu sein, daß sie anständig versorgt sei.

SCHÖLLER: Das ist eine übertriebene Ängstlichkeit, Schwägerin. Ein so hübsches, braves und liebes Mädchen wie deine Friederike bekommt ganz ohne Einmischung einen Mann, wahrend du sie durch dein lächerliches Feilbieten und Anpreisen geradezu kompromittierst.

AMALIE: Schwager, das verstehst du nicht! Aber bitte, entschuldige mich, ich will im Musikzimmer die Lichter anzünden lassen. (will Mitte ab)

SCHÖLLER: Apropos, ist Eugen schon da?

AMALIE: Schon lange. Er sitzt in einem Winkel und scheint eine neue Rolle zu studieren, (ab Mitte)

SCHÖLLER: Dem werde ich auch wieder einmal gründlich den Kopf waschen müssen, der vernachlässigt sonst über seinem dummen Schnickschnack noch ganz seinen Beruf. (folgt Amalie, ab Mitte)

2. Auftritt

ALFRED  KISSLING — (dann) KLAPPROTH — (dann) SCHÖLLER

 

ALFRED (mit Kissling von links vorn): Wie mir zumute ist, kann ich niemandem sagen, 's ist und bleibt doch eine unerhörte Frechheit, meinem Onkel -

KISSLING: Fängst du schon wieder an mit deinen Bedenklichkeiten? Jetzt ist's zu spät, mein Junge, zurück können wir nicht mehr.

ALFRED: Eine hübsche Situation! Herrgott, wenn das nur gut abläuft! Aber wo bleibt denn der Onkel?

KISSLING: Er entledigt sich seines Überziehers und bringt vor dem Spiegel seine Toilette in Ordnung — pst, er kommt.

KLAPPROTH (von links, sich scheu umsehend): So! Da bin ich! 

KISSLING (leise zu Alfred): Nimm dich zusammen.

KLAPPROTH: Also endlich bin ich am Ziel meiner Wünsche. Ja, aber wo sind denn eigentlich die Patienten?

KISSLING: Gedulden Sie sich nur, die werden gleich erscheinen.

SCHÖLLER (hinter der Szene): Ich werde gleich mal nachsehen!

KLAPPROTH (erschrocken): Herrjeh! Da kommt schon einer!

ALFRED (leise und eindringlich): Aber Onkel, mäßige dich doch, das ist ja nur der Direktor.

KLAPPROTH (beruhigt): Ach so! 's ist nur der Direktor!

SCHÖLLER (der nach hinten gesprochen): Ah, meine Herren, seien Sie mir herzlich willkommen. Sie sind von einer schmeichelhaf ten Pünktlichkeit.

ALFRED (beiseite): Na, jetzt geht's los!

KISSLING: Das Verdienst ist ganz auf Seite des Herrn Klapproth senior, der die Zeit nicht erwarten konnte, Ihr Etablissement und besonders die gemütlichen Veranstaltungen kennenzulernen,(vorstellend) Herr Klapproth, Herr Direktor Schöller. (Verbeugung)

SCHÖLLER: Ich hoffe, Sie werden sich bei uns wie zu Hause fühlen.

KLAPPROTH (erschreckt beiseite): Wie zu Hause? Ich danke, (laut) Sie sind zu gütig. Mein Neffe hat mir viel von Ihren interessanten Gesellschaftsabenden erzählt.

SCHÖLLER: Ja, ich bin stets bestrebt, meinen Pensionären den Aufenthalt in meinem Hause so angenehm wie möglich zu machen.

KLAPPROTH (für sich): Pensionäre ist gut!

SCHÖLLER: Alles so komfortabel eingerichtet wie möglich. Vorzügliche Verpflegung, aufmerksame Bedienung, reizende Zimmer, Musiksalon, Spielzimmer, Lesekabinett, Bäder im Hause, mit Dusch-Apparat.

KLAPPROTH: Aha! Kalte Dusche, verstehe!

SCHÖLLER: Wenn ich bitten darf, empfehlen Sie mein Hotel Ihren Freunden und Bekannten.

KLAPPROTH (losplatzend): Ihr Hotel? Meinen Freunden und Bekannten empfehlen, hahaha. famos! — Verlassen Sie sich darauf, ich empfehle Ihr Hotel.

SCHÖLLER: Sie sind ein fideler Herr, wie ich mit Vergnügen sehe.

ALFRED (leise): Aber Onkel, so nimm dich doch zusammen!

 

(Heftiges Stimmengewirr links hinter der Szene)

 

SCHÖLLER: Was ist denn da wieder? Da muß ich doch gleich mal nachsehen, (schnell links vorn ab)

KLAPPROTH (sich ängstlich flüchtend hinter Alfred und Kissling): Es wird doch keiner entsprungen sein?

KISSLING: Aber mein lieber Herr Klapproth, Sie vergessen ja ganz und gar unsere Verabredung.

KLAPPROTH: Naja, ich werde mich jetzt zusammennehmen, man muß sich doch erst an eine solche Umgebung gewöhnen.

ALFRED (leise zu Kissling): Mir steht der Angstschweiß auf der Stirn.

KISSLING: Ach was, du siehst ja, er merkt nichts, und außerdem weichen wir ihm nicht von der Seite.

ALFRED (für sich): Wenn das gut geht, will ich's loben.

3. Auftritt

VORIGE  GRÖBER  SCHÖLLER (von links)

 

SCHÖLLER: Sie haben ja ganz recht, mein lieber Major, aber bitte, beruhigen Sie sich nur jetzt wieder.

KLAPPROTH (leise zu Kissling): Aha, das ist gewiß einer von den gefährlichen Patienten — eh Pensionären dieses Hotels, wollte ich sagen.

GRÖBER: Kreuzmillionenbombendonnerwetter! Das ist ja nicht auszuhalten! Dieses Fräulein Krüger ist ja weit schlimmer als der leibhaftige Satan! Das verrückte Frauenzimmer bringt einen ja um mit ihrer ewigen Fragerei!

KLAPPROTH (ZU Alfred): Er nennt die andere verrückt! Großartig!

GRÖBER: Das sage ich Ihnen, Direktor, wenn diese Dame hier bleibt, dann ziehe ich aus. (wütend hinten rechts)

KLAPPROTH (ZU Kissling): Er will ausziehen! Das ist ja gottvoll!

KISSLING: Aber Herr Klapproth, bedenken Sie doch —

SCHÖLLER (entschuldigend): Nehmen Sie es nicht übel, unser lieber Major hat heute seinen schlimmen Tag, da ist nicht gut mit ihm Kirschen essen.

KLAPPROTH: O bitte, das haben wir ja gar nicht anders erwartet. (Alfred gibt ihm verstohlen einen Rippenstoß) Ich wollte sagen, so was kommt ja überall vor.

SCHÖLLER: Er hat sich über eine Dame geärgert, die heute bei uns eingezogen ist, diese Dame schreibt nämlich Romane und hat die leidige Gewohnheit, um schriftstellerisches Material zu sammeln, alle Menschen, die ihr in den Wurf kommen, durch ihre Fragen geradezu auf die Folter zu spannen.

KLAPPROTH (beiseite): Wie fein ausgedrückt: sie schreibt Romane — hat die leidige Gewohnheit. Tüchtiger Mensch, dieser Herr Direktor Schöller! Aber diese Dame muß er mir vorstellen, der werde ich Geschichten erzählen.

SCHÖLLER: Und mit dem guten Major muß man sich sowieso furchtbar in acht nehmen, um ihn nicht wütend zu machen. Er hat so seine kleinen Eigenheiten, die man kennen muß, wenn man sich mit ihm unterhalten will. Von militärischen Angelegenheiten darf man in seiner Gegenwart nicht sprechen, denn da er seinerzeit den blauen Brief bekam, so wittert er auch in der harmlosesten Äußerung eine versteckte Anspielung auf dieses unliebsame Ereignis. Von Advokaten und allem, was drum und dran hängt, kann er auch nichts hören, seitdem er einmal einen Prozeß verloren hat, und das Kapitel Liebe, Ehe, Frauen ist ihm womöglich noch verhaßter. Er scheint in dieser Beziehung sehr schlimme Erfahrungen gemacht zu haben.

KLAPPROTH: Sapperment, sich mit diesem Herrn Major zu unterhalten, ist ja ungefähr so belustigend, wie in einem Gelände voll Tretminen herumzuspazieren.

SCHÖLLER: Ja, ja, er hat seine Eigenheiten.

KLAPPROTH (beiseite): Mit dem unterhalte ich mich nicht, so viel ist sicher.

4. Auftritt

VORIGE  JOSEPHINE  GRÖBER

 

(Josephine links vorn, Gröber von rechts hinten, begegnen sich in der Mitte der Bühne)

 

JOSEPHINE: Nun, lieber Major, wollen Sie mir nicht weiter erzählen?

GRÖBER (sich wütend herumdrehend): Donnerwetter, da ist ja die verrückte Schraube schon wieder! (mit großen Schritten ab in den zweiten Salon hinten)

JOSEPHINE: So ein Brummbär!

SCHÖLLER: Darf ich mir erlauben, die Herrschaften vorzustellen? Herr Klapproth senior und junior, Herr Maler Kissling, — Fräulein Josephine Krüger.

JOSEPHINE: Schriftstellerin! Bekannter bin ich freilich unter meinem Künstlernamen Dorette Eckert. (zu Klapproth) Haben Sie vielleicht meinen Roman „Ein verkanntes Frauenherz" gelesen?

KLAPPROTH: Ich? Verkanntes Frauenherz? (kopfschüttelnd, sich aber rasch besinnend) Ja doch! Natürlich! (beiseite) Solchen Menschenkindern darf man nie widersprechen, das ist die Hauptsache.

SCHÖLLER (der mit Alfred und Kissling im Hintergrund stand): Kommen Sie, meine Herren, dem Herrn Klapproth ist doch für die nächste halbe Stunde nicht zu helfen, wir fallen höchstens Fräulein Krüger ebenfalls zum Opfer. (gehen hinten in den zweiten Salon)

KLAPPROTH (für sich): Warum sie mich nur so anstarrt. Ich habe doch nichts Auffallendes an mir? (mustert sich verstohlen)

JOSEPHINE: Verzeihen Sie, daß ich Sie so prüfend betrachte, aber Sie haben einen so ausdrucksvollen Kopf.

KLAPPROTH (beiseite): Das hat mir noch niemand gesagt. (laut) Oh, mein Fräulein —

JOSEPHINE: Ihnen sieht man es auf den ersten Blick an, daß Sie viel erlebt, viel gekämpft und erlitten haben. Hab' ich recht?

KLAPPROTH (nickt, beiseite): Na so was! (laut) Ach ja, mein Leben ist ein wahrer Roman!

JOSEPHINE: Ach, das müssen Sie mir erzählen. Bitte, bitte! (zieht ihr Notizbuch hervor)

KLAPPROTH (beiseite): Na, du sollst was zu hören kriegen.

JOSEPHINE: Sie erlauben doch, daß ich mir Notizen mache?

KLAPPROTH: O bitte!

JOSEPHINE: Was sind Sie eigentlich für ein Landsmann?

KLAPPROTH (dem man es während der ganzen Szene ansieht, welches Vergnügen es ihm macht, ihr etwas vorzuschwindeln): Portugiese!

JOSEPHINE (erstaunt): Ah! (beiseite) Einen Portugiesen hatte ich noch nicht!

KLAPPROTH: Ja, mir sieht es niemand an, daß ich in Portugisien — in Portugal geboren bin. Wie das aber kommt, weiß ich selbst nicht, denn über meiner Geburt schwebte ein gewisses mysteriöses Dunkel.

JOSEPHINE: Ach, wie rührend!

KLAPPROTH: So wuchs ich denn als elternlose Waise heran, und mein Vater sagte jeden Tag zu mir: —

JOSEPHINE: Ich meine, Sie sind elternlos gewesen?

KLAPPROTH (beiseite): Sapperment! Die paßt aber auf! (laut) Ich meine natürlich meinen Pflegevater. „Forsche nie", sagte er immer mit düsterem Grabeston, „nach deinen Eltern, denn es würde ihnen unangenehm sein".

JOSEPHINE (notierend) Ach, was lässt sich alles aus einer mysteriösen Geburt in einem Roman machen und welche Perspektive eröffnen der denkenden Schriftstellerin die schlichten Worte Ihres Pflegevaters: „Forsche nie!" Das ist Stoff zu wenigstens fünf Kapiteln.

KLAPPROTH (für sich): Ach, wenn das Alfred mit anhören könnte!

JOSEPHINE: Weiter, weiter! Herr Klapproth, Sie verlebten natürlich eine freudlose Jugend.

KLAPPROTH: Ja, ich bekam viel Keile von meinem Meister.

JOSEPHINE: Der Makel einer wahrscheinlich illegitimen Geburt lastete schwer auf Ihnen, Sie mieden die Gesellschaft und grübelten nach über Ihr herbes Geschick. Mit Neid blickten Sie auf das glückliche Familienleben Ihrer Kameraden, und bittere Gefühle bemächtigten sich Ihres Herzens.

KLAPPROTH (für sich): Nun erzählt sie auch noch selbst.

JOSEPHINE: Die Schilderung dieser Seelenzustände gibt ein prächtiges Kapitel.

KLAPPROTH (beiseite): Wenn der Junge doch nur kommen wollte. (sieht sich nach Alfred um)

JOSEPHINE (für sich): Der Mann ist ja eine wahre Fundgrube, (laut) Endlich, nach langen, schweren Kämpfen und Mühsalen errangen Sie sich Stellung und Vermögen und fanden auf Ihrem dornenvollen Lebensweg eine gleichgestimmte Seele, eine edle Frauennatur. Sie sind doch verheiratet, nicht wahr?

KLAPPROTH (etwas zerstreut, da er immer nach Alfred sieht}: Nein, ich bin Junggeselle geblieben. Meine Schwester führt mir die Wirtschaft.

JOSEPHINE: Ihre Schwester?

KLAPPROTH: Naja, warum denn nicht?

JOSEPHINE: Ja, aber woher wissen Sie denn, daß sie Ihre Schwester ist? —

KLAPPROTH: Woher ich das weiß?

JOSEPHINE: Natürlich, Sie kannten ja Ihre Eltern nicht.

KLAPPROTH: Ach so, ja, ja, ganz richtig. Ja, das ist wieder eine Geschichte für sich, eine sehr komplizierte Geschichte, die ich Ihnen ein andermal ausführlich erzähle.

JOSEPHINE: Da scheint Ihre Schwester also auch eine sehr reich belebte, interessante Vergangenheit hinter sich zu haben?

KLAPPROTH. Meine Schwester? Na und ob! Ich sage Ihnen, geradezu verblüffend. Als ich sie endlich wiederfand, war sie bereits mit einem Russen verlobt.

JOSEPHINE: Mit einem Russen? Wie kam denn das?

KLAPPROTH: Sehr einfach. Dieser edle, junge Mann hatte mit Gefahr seines eigenen Lebens meine Schwester aus dem Harem eines türkischen Wesirs befreit, an den sie auf Veranlassung ihrer mächtigen Verwandten, die sie mit ihrem unerbittlichen, grausamen Haß verfolgten, verkauft worden war.

JOSEPHINE: Das ist ja entsetzlich!

KLAPPROTH: Nicht wahr? Ja, Sie werden aber auch einsehen, wie mich dies alles angreift, (verbirgt sein Gesicht ins Taschentuch und lacht hinein)

JOSEPHINE: Dann werde ich Sie aber ein andermal um die Fortsetzung bitten.

KLAPPROTH: Ein andermal? Gewiß! (beiseite) Da kannst du lange warten!

5. Auftritt

VORIGE  BERNHARDT

 

BERNHARDY (von links): Nun, Fräulein Krüger, wieder das Notizbuch zur Hand?

JOSEPHINE: Wer es ernst mit seiner Kunst meint, wie ich, läßt sich so kostbare Gelegenheiten, aus dem ewig sprudelnden Quell des Lebens zu schöpfen, nicht entgehen. Sie gestatten mir wohl, die Herren miteinander bekannt zu machen. Herr Klapproth  Herr Fritz Bernhardy, unser berühmter Löwenjäger!

KLAPPROTH (beiseite): Löwenjäger? Nun kann's aber fidel werden. (reibt sich die Hände)

JOSEPHINE: Mich entschuldigen die Herren wohl, aber ich fühle mich geistig so angeregt, daß ich mir erst einige Kapitel von der Seele schreiben muß. O, ich weiß, wie ich beginne, (pathetisch) Und die Bäume rauschten auf dem Meeresgrund, und die Sterne plätscherten am Firmament, (ab rechts hinten)

BERNHARDY: Wohnen Sie vielleicht auch hier?

KLAPPROTH (mit Grimasse): Das gerade nicht, ich bin nur vorübergehend hier.

BERNHARDY: So, SO! Ich muß gestehen, daß man hier vorzüglich aufgehoben ist. Freilich, ein Mensch, der, wie ich, fast immer auf Reisen ist und sich eine Nacht im Hotel ersten Ranges befindet, ausgestattet mit allem Komfort der Welt, und die andern Nächte wieder teils unter freiem Himmel an einem Indianer-Lagerfeuer oder in einem Araberzelt oder einer schmierigen Karawanserei und wie die verschiedenen Wohn- und Schlafstätten der Menschen alle heißen mögen, der nimmt es nicht so genau.

KLAPPROTH (beiseite): Das ist ein großartiger Kerl! (laut) Sie bereisen wohl die ganze Welt?

BERNHARDY: SO ziemlich. Es gibt wohl wenige der uns bekannten Länder und Erdteile, die ich noch nicht gesehen, oder Völkerschaften, mit denen ich noch nicht verkehrt habe. Im Ural habe ich Bären gejagt, in China das große Drachenfest mit gemacht, in Australien die Diamantfelder besucht, in Kalifornien einmal nach Gold gebuddelt, mit einem Walfischfänger mich in der Hudson-Bay herumgetrieben, am Nil Alligatoren geschossen und in Indien einer Witwenverbrennung beige wohnt. Sie glauben wahrscheinlich, ich schwindele Ihnen etwas vor?

KLAPPROTH: Aber Ich bitte Sie! (beiseite) Hat der Mensch eine Räuberphantasie! Wahrscheinlich zu viel Reisebeschreibungen gelesen und dabei übergeschnappt. (laut) Sie glauben gar nicht, wie mich Ihre Schilderungen interessieren.

BERNHARDT (freundlicher werdend, ihm die Hand schüttelnd): Das freut mich außerordentlich, denn sehen Sie, bei meinen Bekannten finde ich so gar kein Interesse für meine Passionen, die zucken einfach die Achseln und nennen mich hinter meinem Rücken einen verrückten Kerl. Wie beschränkt doch diese Menschen oft sind. —

KLAPPROTH: Ja, 's ist unerhört! Was könnte es wohl Schöneres geben, als die Welt zu sehen.

BERNHARDY: Immer unterwegs, bald im Süden, bald im Norden, heute in Indien —

KLAPPROTH: Morgen Afrika — oder Walpersbach.

BERNHARDY (lachend): Ganz so schnell geht das freilich nicht. Aber ich sehe mit Entzücken, daß Sie gerade so ein passionierter Weltbummler wären wie ich. Warum um Himmelswillen besuchen Sie nicht die fernen Länder?

KLAPPROTH: Warum? Ja, das weiß ich eigentlich selbst nicht. Mir fehlte wahrscheinlich die passende Gelegenheit, die Anregung.

BERNHARDY: Wissen Sie was? Wir reisen zusammen. Einen Gefährten wie Sie habe ich mir schon immer gewünscht.

KLAPPROTH (beiseite): Nur keinen Widerspruch, sonst werden diese Kranken gefährlich.

BERNHARDY: Überlegen Sie nicht lange. Schlagen Sie ein!

KLAPPROTH: Topp!

BERNHARDY: Abgemacht! Ich lasse jetzt schnell einige Flaschen kalt stellen, und dabei entwerfen wir unsem Reiseplan. Donnerwetter, das soll ein Leben werden! — Aber ich bitte, nicht wahr, Sie lassen vorläufig noch nichts über unser Projekt verlauten, der gute Schöller ist nämlich immer darauf aus, seine Gäste so lange wie nur möglich an sein Haus zu fesseln, und wäre sicher sehr verstimmt, wenn er hörte, daß ich schon bald wieder fort will.

KLAPPROTH (beiseite): Das glaube ich!

BERNHARDY: Er wird's ja noch früh genug erfahren. — Ich bestelle den Champagner! (ab links hinten)

KLAPPROTH (mitleidig nachblickend): Schade! Wirklich jammerschade! So ein hübscher, netter, patenter, junger Mann, und in einer solchen Anstalt. — Aber man sieht wieder einmal, wie gemütlich, ich möchte sagen liebenswürdig solche Menschen sind, wenn man ihnen nicht widerspricht, sondern sie ruhig bei ihren fixen Ideen läßt. — Jetzt schmiedet der arme Teufel gewiß die haarsträubendsten Reiseprojekte und bildet sich ein, wir zwei beide gondelten nächstens los nach Timbuktu, oder was weiß ich alles.

6. Auftritt

KISSLING  (dann) AMALIE  KLAPPROTH

 

KISSLING (durch die Mitte, für sich): Jetzt weiß ich aber wirklich bald nicht mehr, wo ich mich vor dieser Frau Pfeiffer hinflüchten soll. Die verfolgt mich ja gerade mit ihren sogenannten müt­terlichen Ermahnungen und wohlgemeinten freundschaftlichen Ratschlägen und spricht von nichts als vom Hafen der Ehe, den Freuden der Ehe, dem Glück der Ehe, daß mir der Kopf brennt. Wie entgehe ich ihr nur? (sieht Klapproth) Der Onkel Klapproth. Ich bin gerettet!

AMALIE (durch die Mitte): Ah, da sind Sie ja, Herr Kissling. Sie wollen mir wohl durchbrennen, und wir haben doch so hübsch zusammen geplaudert!

KISSLING: Ich habe mich auch nur auf einen Moment Ihrer liebenswürdigen Unterhaltung entzogen, um schnell einmal nach Herrn Klapproth zu sehen.

AMALIE: Den habe ich ja noch gar nicht begrüßt.

KISSLING: Darf ich ihn Ihnen vorstellen?

AMALIE: Ich bitte Sie dringend darum!

KISSLING (vorkommend): Herr Klapproth — Frau Pfeiffer. (für sich) So, jetzt kann Onkel Klapproth sich etwas vom Heiraten erzählen lassen, ich konzentriere mich rückwärts. (schnell Mitte ab)

AMALIE (außerordentlich liebenswürdig): Bitte, behalten Sie Platz. —

KLAPPROTH (sich setzend, für sich): Jetzt möchte ich nur wissen, hat die auch einen kleinen Vogel oder nicht?

AMALIE: Sie fühlen sich doch hoffentlich wohl und behaglich bei uns?

KLAPPROTH: Oh, ich amüsiere mich ausgezeichnet.

AMALIE: Das wird meinen Schwager Schöller sehr freuen.

KLAPPROTH (für sich): Herrjeh, 's ist die Schwägerin des Direktors. Sollte die auch —

AMALIE: Sie müssen jetzt aber auch öfters zu uns kommen. Wie mir mein Schwager erzählte, sind Sie Junggeselle, da müssen Sie sich gewiß manchmal recht einsam fühlen.

KLAPPROTH: Ich danke, es macht sich.

AMALIE: Haben Sie denn nie daran gedacht, sich zu verheiraten?

KLAPPROTH: Das wohl, aber ich bin nie dazu gekommen. Verlobt war ich sogar verschiedene Male, aber meine Bräute hatten alle merkwürdiges Glück, sie fanden immer einen, der ihnen noch besser gefiel. Na, und da reichte es mir schließlich doch einmal.

AMALIE: Unbegreiflich, ein so schöner ansehnlicher Mann wie Sie braucht doch nur die Finger auszustrecken, wenn er wirklich heiraten will.

KLAPPROTH (geschmeichelt, beiseite): Die Frau spricht recht vernünftig, wie mir scheint.

AMALIE (für sich): Der könnte mir für Friederike passen.

7. Auftritt

VORIGE  BERNHARDY

BERNHARDY: Der Sekt ist schon prächtig eingekühlt, also bitte — ah, Pardon, Sie sind in schöner Gesellschaft, da will ich nicht stören.

AMALIE: Ah, Herr Bernhardy, den Herrn Klapproth dürfen Sie mir noch nicht entführen, wir unterhalten uns grade so gut.

BERNHARDY: SO grausam bin ich nicht. (Klapproth beiseite nehmend) Nur ein Wort, verehrte Frau, (schnell, leise zu Klapproth) Bleiben Sie aber nicht zu lange, wir haben noch viel zu besprechen. (heiter) Sie unterhalten sich gewiß mit Frau Pfeiffer übers Heiraten?

KLAPPROTH (erstaunt): Woher wissen Sie das?

BERNHARDY (leise): Frau Pfeiffer spricht überhaupt von nichts anderem als vom Heiraten und von ihrer Tochter. Das ist eine fixe Idee von ihr.

KLAPPROTH (für sich): Also auch verrückt!?

BERNHARDY (leise): Lassen Sie sich um Himmelswillen auf keine Diskussion mit ihr ein, geben Sie ihr in allem recht, sonst sitzen Sie übermorgen noch auf diesem Fleck. (laut) Bis nachher also!(ab links hinten)

KLAPPROTH (für sich): Merkwürdig, wo es bei den andern fehlt, das wissen solche Kranken ganz genau.

AMALIE: Wie liebenswürdig von Ihnen, mir noch ein wenig das Vergnügen Ihrer Gesellschaft zu gewähren. Ich darf mir wohl schmeicheln, daß das Thema unserer Unterhaltung, welches ich zufällig anschlug, Sie so interessierte.

KLAPPROTH: Ich kann's nicht leugnen, (beiseite) Sie reitet wieder ihr Steckenpferd.

AMALIE: Meiner Tochter sind Sie wohl noch nicht vorgestellt?

KLAPPROTH: Ist die denn auch hier?

AMALIE: Seit zirka acht Tagen. Mein Schwager bestand darauf. Er meinte, sie sei hier weit besser aufgehoben wie in der Pension, in der sie sich befand.

KLAPPROTH (beiseite): Wahrscheinlich auch verrückt, die Tochter.

AMALIE: Ich bin aber auch so glücklich, daß das Kind bei mir ist, Sie glauben es gar nicht. Ich wäre außer mir, wenn das Mädchen mich verlassen, wenn es am Ende gar heiraten wollte. Wie viele Bewerber um ihre Hand habe ich schon abgewiesen!

KLAPPROTH (beiseite): Was mir daran liegt.

AMALIE: Ich würde doch nie einem so leichtsinnigen, jungen Springinsfeld meine einzige Tochter anvertrauen, denn meine Friederike ist geradezu eine Perle, das kann ich ruhig behaupten, wenn ich auch die Mutter bin. Freilich, wenn ein reiferer und würdiger Mann käme, zu dem ich Vertrauen haben könnte, das wäre etwas anderes. Ja, der kann sich gratulieren, der einmal solche Frau bekommt. Ich sage Ihnen, sie kann kochen, überhaupt eine Erziehung hat das Mädchen genossen, geradezu einzig. Es hat ein Heidengeld gekostet, aber ich sage immer, eine gediegene Erziehung ist die beste Mitgift für ein junges Mädchen. Darin habe ich doch recht, Herr Klapproth?

KLAPPROTH: Aber vollkommen, gnädige Frau.

AMALIE: Ach, wie freut es mich, endlich einmal wieder einem so vernünftigen Mann zu begegnen, wie Sie es sind.

KLAPPROTH (beiseite): Wie richtig sie ihre Umgebung taxiert.

AMALIE: Wir zwei verstehen uns, nicht wahr?

KLAPPROTH: Das will ich meinen.

AMALIE: Nachher stelle ich Ihnen Friederike vor.

KLAPPROTH: ES wird mir ein Vergnügen sein.

BERNHARDY (von links hinten): Aber mein lieber Herr Klapproth, wo bleiben Sie denn? Ich kann doch den Champagner nicht allein trinken.

KLAPPROTH: Gleich, gleich.

BERNHARDY: SO kommen Sie doch, Sie wissen ja, um was es sich handelt, (wieder ab)

AMALIE: Ich will Sie nicht länger zurückhalten, mein lieber Herr Klapproth, Herr Bernhardy wird sonst ungeduldig. Wir sprechen uns ja nachher doch noch.

KLAPPROTH: Auf alle Fälle!

AMALIE (für sich): Ich glaube, ich habe für Friederike einen passenden Mann gefunden. Den lasse ich aber auch jetzt nicht mehr aus den Augen, (nickt Klapproth freundlich zu, geht ab durch die Mitte)

KLAPPROTH: Na, die wäre ich ja endlich, Gott sei Dank, los.

BERNHARDY (kommt wieder): Nun, Herr Klapproth.

KLAPPROTH: Ich komme schon!

BERNHARDY: Herr Klapproth, Sie müssen erlauben, daß ich meiner Freude, Sie nunmehr zum Reisegefährten zu haben, Ausdruck gebe und Ihnen ein würdiges Geschenk mache.

KLAPPROTH (beiseite): Da bin ich aber gespannt, (laut) Sie wollen mir etwas schenken?

BERNHARDY: Ein Paar prächtige, junge Leoparden, die ich aus Afrika mitgebracht habe und eigentlich dem Zoologischen Garten stiften wollte.

KLAPPROTH (mit Grimasse): Ein paar junge Leoparden?

BERNHARDY: Sie nehmen doch an?

KLAPPROTH: Na, natürlich, die haben mir schon lange in meinem Haushalt gefehlt. (für sich) Ich kann mir nicht helfen — 's ist ein großartiger Kerl! (beide links hinten ab)

8. Auftritt

KISSLING  ALFRED (von hinten rechts)

 

KISSLING: Aber Alfred, Mensch, was ist dir denn? Ich kenne dich ja gar nicht mehr.

ALFRED: Kissling, Herzensfreund, gib mir einen Kuß.

KISSLING: Unsinn! Rappelt's bei dir, oder bist du betrunken?

ALFRED: Errätst du es denn nicht? Ich bin verliebt!

KISSLING (ruhig): Ah so! Dann ist dir freilich manches zu verzeihen. Aber sage mir nur, wie ist denn das so schnell gekommen?

ALFRED: Ich will mich kurz fassen. — Es war im Mai vorigen Jahres —

KISSLING (will gehen): Und jetzt haben wir September?! Adieu!

ALFRED (hält ihn zurück): Wo willst du hin?

KISSLING: In eine unterhaltendere Gesellschaft.

ALFRED: Hier bleibst du!

KISSLING (mit Galgenhumor): Es rast der See und will sein Opfer haben. Na meinetwegen, ich bin auf alles gefaßt.

ALFRED: ES war also im Mai vorigen Jahres, als ich sie zum ersten Male sah.

KISSLING: Überspringen wir die Zwischenzeit und —

ALFRED: Sie sehen und lieben war eins.

KISSLING: So ist's recht! Das Tempo gefällt mir.

ALFRED: Kurz darauf mußte ich auf Befehl meines damaligen Prinzipals eine wichtige Geschäftsreise ganz plötzlich antreten. Als ich nach acht Wochen zurückkam, war sie verschwunden, und so viel Mühe ich mir auch gab, sie war und blieb verschwunden.

KISSLING: Bitte, tu mir den einzigen Gefallen und finde sie jetzt.

ALFRED: Ich habe sie ja gefunden, hier habe ich sie wiedergefunden.

KISSLING: Hier? Gratuliere, mein Junge. (Klavierspiel im Salon) Aha, man beginnt jetzt drin zu musizieren, da bleibe ich lieber hier. (schlendert nach links hinten)

ALFRED (für sich): Famos! Während der musikalischen Vorträge versprach sie, mich hier zu treffen.

KISSLING (hat in das Zimmer links hinten gesehen): Alfred, dort sitzt ja dein vortrefflicher Onkel und kneipt mit Herrn Bernhardy lebhaft Champagner. Sieh nur, wie fidel der alte Herr ist.

ALFRED: Über was mag er sich nur so königlich amüsieren?

KISSLING: Bernhardy wird ihm die Reise-Erlebnisse und Abenteuer erzählen. Lassen wir also den Onkel in dieser Gesellschaft, da ist er sicher gut aufgehoben und hat keine Gelegenheit, Unheil anzurichten.

9. Auftritt

VORIGE  FRIEDERIKE

 

ALFRED (bei Friederikes Eintreten leise zu Kissling): Bitte, verdufte!

KISSLING: Das ist sie also?

ALFRED: Frage nicht! Verschwinde!

KISSLING (mit Verbeugung): Dir zuliebe wil] ich in den sauren Apfel beißen, (ab hinten)

FRIEDERIKE: Ich habe Sie doch hoffentlich nicht gestört und Ihren Freund vertrieben?

ALFRED: Aber ich bitte Sie, Kissling ist ein leidenschaftlicher Musikfreund, sobald er nur ein Klavier hört, ist er nicht mehr zu halten, (kleine Pause. Für sich) Wenn ich nur wüßte, wo ich anfangen soll.

FRIEDERIKE: Sagten Sie mir nicht vorhin, Sie hätten mir eine wichtige Mitteilung zu machen?

ALFRED: Das ist auch der Fall. Apropos, Fräulein Friederike, habe ich Ihnen denn schon gesagt, wie sehr ich mich gefreut habe. Sie nach so langer Zeit hier wieder zu sehen?

FRIEDERIKE: Sie waren so freundlich, sich meiner noch zu erinnern?

ALFRED: Hatten Sie .denn auch mich nicht vergessen?

FRIEDERIKE: Ich habe Sie doch sofort trotz des Bartes wiedererkannt und begrüßt.

ALFRED: Ja. das ist wahr. Aber mein Fräulein, ich — habe ich Ihnen schon gesagt, daß ich im Begriff stehe, mich selbständig zu machen, mir ein Geschäft zu gründen?

FRIEDERIKE: Da gratuliere ich Ihnen aber von Herzen.

ALFRED: Ein großes Detail-Geschäft für Küchengerätschaften und Haushaltungsgegenstände aller Art vom größten bis zum kleinsten, nur reelle Prima-Ware zu den billigsten Preisen, unter Zusicherung promptester und kulantester Bedienung. Und deshalb, mein Fräulein, darf ich wohl auch die Frage an Sie richten, ob Sie sich vielleicht entschließen könnten, — Sie lachen? —

FRIEDERIKE: Weil Sie so viel Worte machen. Warum fassen Sie sich denn nicht kürzer?

ALFRED (verblüfft): Ich soll mich kürzer fassen? (freudig) Ja, haben Sie denn erraten, um was ich Sie bitten wollte?

FRIEDERIKE: Wir sollen Ihnen unsere Kundschaft zuwenden und Sie in unseren Bekanntenkreisen empfehlen. Ist's nicht so?

ALFRED: Nicht so ganz, ich hätte eigentlich eine andere Bitte an Sie.

FRIEDERIKE: Und die wäre?

ALFRED: Habe ich Ihnen schon gesagt? — Aber nein, das weiß ich ja selbst, daß ich es Ihnen noch nicht gesagt habe — also bitte, zürnen Sie mir nicht, einmal muß ich es Ihnen ja doch sagen, seien Sie so freundlich und machen Sie die Augen zu, dann habe ich mehr Courage.

FRIEDERIKE: Sie sind ein drolliger Mensch, (schließt die Augen)

ALFRED: Sind sie auch ganz fest zu?

FRIEDERIKE: Ganz fest!

ALFRED (zieht schnell aus der Tasche einen Zettel und liest mit wachsender Erregung und Wärme): Ja, mein Fräulein, lassen Sie es mich Ihnen gestehen, was ich seit den anderthalb Jahren, seit ich Sie zum ersten Male sah, einzig und allein gefühlt und gedacht habe.

FRIEDERIKE (mäßig erregt): Das ist ja eine Liebeserklärung, wenn ich das gewußt hätte, hätte ich die Augen schon früher zugemacht.

ALFRED (für sich): Sie hat die Augen noch zu, das ist ein gutes Zeichen, (lesend, mit Begeisterung) Unablässig, im Wachen wie im Traume, begleitete mich Ihr liebes, holdes Bild, und heitere Zukunftspläne von Liebe und Glück umgaukelten mich. (hat eine ihrer Hände ergriffen)

FRIEDERIKE (mühsam atmend): O mein Gott!

ALFRED: Ja, Fräulein Friederike, lassen Sie es mich Ihnen gestehen, was ich schon solange in tiefster Herzensfalte verborgen trage, lassen Sie es mich hinausjauchzen in alle Welt, mein sü ßes Geheimnis — Friederike, Herzensschatz — süßes Mädchen, ich liebe dich! — Ausrufungszeichen, Gedankenstrich! —

FRIEDERIKE (rasch die Augen öffnend): Wie?

ALFRED (seinen Fehler erkennend): Gerechter Himmel, ich bin blamiert!

FRIEDERIKE (hat sich losgerissen und ist nach der Tür im Hintergrund gelaufen, lachend für sich): Er hat's abgelesen!

ALFRED: Sie spotten jetzt wohl meiner?

FRIEDERIKE (schüttelt lächelnd den Kopf)

ALFRED: Und Ihre Antwort auf meine Frage, meine Bitte?

FRIEDERIKE (neckisch): Die will ich mir jetzt rasch aufschreiben, (eilt ab hinten rechts)

ALFRED (glücklich): O, du süßer Schelm! Die will ich mündlich haben! (eilt ihr nach, ab)

10. Auftritt

KLAPPROTH

 

KLAPPROTH (von links, ein wenig animiert): Ein großartiger Kerl! Ein ganz großartiger Kerl! Jetzt hat er mir schon vier Leoparden geschenkt und ein Rhinozeros in Aussicht gestellt. Wie er nur die fremden Namen alle behalten kann, das ist mir ein Rätsel. — Bis nach Hinterindien hat er bereits unser Rundreisebillet kombiniert. Es fehlt nur noch, daß er einen kleinen Abstecher auf den Mond in das Programm aufnimmt. (lacht vergnügt)

 

11. Auftritt

VORIGE  GRÖBER

GRÖBER (von hinten rechts, wütend vor sich hinbrummend und gestikulierend, sieht plötzlich Klapproth lachen): Herr, lachen Sie über mich?

KLAPPROTH: Wo denken Sie hin. Herr Major? Ich werde doch so einen verdienten Militär wie Sie nicht beleidigen wollen.

GRÖBER (zusammenzuckend): Verdienter Militär? Ha! Soll das vielleicht eine Anspielung sein, daß ich —

KLAPPROTH (ängstlich): Um Gotteswillen, Herr Major, ich weiß ja, Sie hören nicht gern darüber sprechen und machen kurzen Prozeß mit denen —

GRÖBER: Prozeß? Ich sehe, Sie legen es darauf an, mich zu beleidigen. Schön! Sie werden von mir hören, (wütend ab hinten rechts)

KLAPPROTH: Sapperment, so einer ist imstande, einem in seinem Wutanfall den Hals abzuschneiden; das ist hier nicht geheuer, ich mache, daß ich fortkomme! (will ab)

12. Auftritt

KLAPPROTH  EUGEN

EUGEN (wütend und erregt durch die Mitte, ruft in seiner theatralischen Manier): Ha! Ihr wonnt mich nicht hören? Ihr wonnt nicht, daß ich Euch etwas vordeknamiere?! Aber Ihr sonnt noch von mir hören, das schwöre ich Euch, Ihr bnöden Naffen. (lacht gellend vor sich hin)

KLAPPROTH (für sich): Was ist denn das wieder für eine sonderbare Pflanze?

EUGEN (auf und ab gehend): Ich aber schüttne den Staub von meinen Füßen und vernasse die ungastnichen Hannen, in denen man die Kunst nicht ehrt.

KLAPPROTH (für sich): Wo fehlt es denn dem eigentlich? Der scheint ja fürchterlich aufgeregt.

EUGEN (ihn erblickend): Da ist ja wer! — Entschundigen Sie, mein Herr, wenn ich mich in Ihrer Gegenwart hinreißen nieß, meiner gerechten Entrüstung zu sehr die Zügen schießen zu nassen.

KLAPPROTH (beiseite, ängstlich): Der hat ja eine merkwürdige Sprechweise!

EUGEN: Aber Sie werden es begrelfnich finden, wenn ich Ihnen sage, daß mein Vormund Schönner mir verboten hat, der Gesennschaft etwas vorzudeknamieren.

KLAPPROTH: Aber so was! (beiseite) Ist das ein Kamel! Nennt den Direktor seinen Vormund und will mit aller Gewalt deklamieren.

EUGEN: Ist das nicht eine Grausamkeit?

KLAPPROTH: Versteht sich. Ich hätte mit größtem Vergnügen zugehört.

EUGEN: Ich sehe, sie sind ein Kunstkenner.

KLAPPROTH: Ich? Na und ob!

EUGEN (mit Pose): Dann finden Sie gewiß auch, daß ich Friedrich Haase sehr ähnnich sehe?

KLAPPROTH: Wie ein Ei dem andern.

EUGEN: Sie sind ein famoser Mann! Mit wem habe ich eigentnich die Ehre?

KLAPPROTH: Klapproth, Rentier Klapproth.

EUGEN: Ah, Sie sind der Herr Knapproth?

KLAPPROTH: Klapproth.

EUGEN: Nun ja, ich sage ja Knapproth.

KLAPPROTH: Klapproth mit 'nem L! La la la la la!

EUGEN (mit großer Anstrengung): Ich sage ja, na na na na! Sie müssen nämnich wissen, der schreckniche Buchstabe "n" macht mir noch immer einige Schwierigkeiten.

KLAPPROTH (beiseite): Ja, das weiß der Himmel!

EUGEN: Deswegen winn mein Vormund Schönner mir auch seine Einwinnigung nicht geben, daß ich mich der Bühne widme.

KLAPPROTH (platzt in Lachen aus. erschrocken sich fassend): Entschuldigen Sie!

EUGEN (erfreut): Sie finden diese Ausrede meines Vormundes auch nächernich?

KLAPPROTH: Furchtbar komisch!

EUGEN: Ans ob sich eine sonche Schwierigkeit nicht überwinden nieße! Ich nehme den Kampf mit diesem widerspenstigen Buchstaben auf und ruhe nicht eher, bis ich ihn besiegt habe.

KLAPPROTH (beiseite, bedauernd): Das ist gewiß einer von den Unheilbaren. Er hat auch einen Wasserkopf.

EUGEN: Hat nicht Demosthenes, der einen ähnnichen Fehner hatte, Kiesensteine in den Mund genommen und ist am Meeresufer, wo die Brandung am meisten toste, herumgenaufen, um seine Stimme zu stärken!

KLAPPROTH (beiseite): Aha! Das scheint gerade so ein verrückter Kerl gewesen zu sein.

EUGEN (hat sich inzwischen mit der Tischdecke drapiert mit plötzlich anderer Miene theatralisch): Geh' in ein Knoster, Ophenia!

KLAPPROTH: Wie meinen Sie?

EUGEN: Ich möchte Ihnen nur rasch einige kneine Charakterstudien meines Repertoires vorführen.

KLAPPROTH: Ach so!

EUGEN: ES ist Ihnen doch recht?

KLAPPROTH: O, ich bin entzückt! (beiseite) Na, so ein Zauber ist mir ja in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen.

EUGEN (hat eine andere Stellung eingenommen und schreit plötzlich auf): Ha!

KLAPPROTH (erschrocken): Herrjeh! Was fehlt Ihnen denn?

EUGEN: Aber ich bitte Sie, reißen Sie mich nicht aus der Stimmung. Ich bin jetzt König Near. Sie kennen doch Near?

KLAPPROTH: Na natürlich! — Oswald — ungegipst — aux caves de France.

EUGEN (mit veränderter Miene): „Nacht muß es sein, wo Friednands Sterne strahnen!" (erklärend) Wannenstein!

KLAPPROTH: Von wem? Wannenstein? Ach so — richtig — von Schinner. Bravo! Bravo!

EUGEN (sich geschmeichelt verbeugend): Sie sehen, ich fasse diese Ronne anders auf wie Nudwig Barnay.

KLAPPROTH: Ganz anders, das muß Ihnen der Neid lassen.

EUGEN (plötzlich mit rollenden Augen): Wer schneicht dort hinter mir?

KLAPPROTH (flüchtet ängstlich zum Sofa): Wer schneicht denn?

EUGEN (ebenfalls zum Sofa gehend, Klapproth das Kissen entreißend, das dieser vom Sofa genommen und vor sich hinhält): „Nicht tot, noch nicht ganz tot!" —

KLAPPROTH (entsetzt): Jetzt wird's aber beunruhigend!

EUGEN (fortfahrend): Ich bin zwar grausam —

KLAPPROTH: Da haben wir's!

EUGEN: Aber doch barmherzig, (natürlich) Eine gute Ronne von mir, der Othenno. Was meinen Sie, das war doch Naturtreue?

KLAPPROTH: Teufel auch! Ich verlange es nicht natürlicher!

EUGEN: Sonn ich Ihnen noch einige Proben —

KLAPPROTH (schnell): Nein, nein, ich danke herzlichst!

EUGEN: Sie finden anso, daß ich Tanent habe?

KLAPPROTH: Kolossales Talent!

EUGEN (ihm die Hand schüttelnd): Ich danke Ihnen. Sie haben durch Ihr gerechtes Urtein mir wieder Mut eingefnößt. Neben Sie wohn! (ab links vorn)

KLAPPROTH (erschöpft): Leben Sie wohl! Ach! Jetzt mache ich aber auch, daß ich fortkomme! Wie es in einer solchen Anstalt zugeht—

 

(Hinter der Szene lautes Schreien und Rufen: Gäste, Herren und Damen, kommen lebhaft miteinander sprechend auf die Bühne, indem sie sich ängstlich umblicken, hinter ihnen Bernhardy mit zwei jungen Leoparden[1], die er, in jeder Hand einen, im Genick hält)

 

BERNHARDY: Herr Klapproth, hier sind die versprochenen Leoparden.

KLAPPROTH (laut aufschreiend, retiriert entsetzt auf das Pianino. Unter allgemeinem Lachen fällt der Vorhang)


Dritter Aufzug

(Behaglich eingerichtetes Wohnzimmer auf dem Landgut Klapproths. Rechts und links je zwei Seitentüren. Haupteingang durch die Mitte)

1. Auftritt

IDA  FRANZISKA (durch die Mitte)  (dann) ULRIKE

 

FRANZISKA: Und du wirst sehen, Ida, wir beide bleiben gewiß und wahrhaftig sitzen, ohne Gnade und Barmherzigkeit bleiben wir sitzen.

IDA: Ja, das ist leicht möglich!

FRANZISKA: Ein anderer Fall ist gar nicht denkbar, wenn wir immer und ewig uns auf diesem einsamen Landgut aufhalten müs sen und höchstens alle paar Wochen einmal auf einen Sprung nach Wien fahren, um Einkäufe zu machen.

ULRIKE (durch die Mitte): Worüber bist du denn so erzürnt, Fränzchen?

FRANZISKA: Ach, über die alte leidige Geschichte, daß wir hier versauern und vertrauern müssen. Aber das sage ich Euch, noch heute, ja gleich auf der Stelle gehe ich zum Onkel und bitte ihn, dies langweilige Gut zu verkaufen und mit uns in eine große Stadt zu ziehen.

ULRIKE: Um des Himmels willen, liebes Kind, dazu wäre der Zeitpunkt so schlecht wie möglich gewählt. Alles, nur jetzt den Onkel in Ruhe lassen.

FRANZISKA: Warum denn?

ULRIKE: Ja, ist Euch denn gar nicht das sonderbare Benehmen des Onkels aufgefallen, seitdem er von Wien zurück ist? Habt Ihr nicht bemerkt, wie furchtbar zerstreut er seit dieser Zeit ist?

FRANZISKA: Freilich! Es scheint ihm etwas außerordentlich Wichtiges Im Kopf herumzugehen. Eine Unterhaltung ist fast gar nicht mehr möglich mit Ihm, denn man sieht Ihm an, daß er auf das. was man spricht, gar nicht acht gibt, dann lächelt er ohne sichtbaren Grund vor sich hin und murmelt etwas Unverständliches in seinen Bart.

ULRIKE: Ja, 's ist merkwürdig. Mich hat er nun schon einige Male „Unrike" genannt und ist jedesmal darauf in ein so schallendes Gelächter ausgebrochen, daß ich wahrhaft erschrocken bin.

IDA: Und wißt Ihr, was er gestern zu mir sagte, als ich ihm klagte, ich hätte mich erkältet und sei so heiser, daß ich gar nicht laut sprechen könne?

ULRIKE, FRANZISKA: Nun?

IDA: Nimm Kieselsteine in den Mund und gehe am Meeresufer spazieren, das stärkt die Stimme, meinte er, und lachte unbändig, als hätte er den besten Witz gemacht.

ULRIKE: Ist das eine Idee!

2. Auftritt

VORIGE  KLAPPROTH

KLAPPROTH (ist schon früher von rechts vorn aufgetreten und hat sich hinter Ulrike geschlichen, sagt plötzlich): Guten Morgen! (die Damen fahren erschreckt auseinander) Sind die Zeitungen schon da?

IDA: Jawohl, lieber Onkel.

ULRIKE: Hier liegen sie.

KLAPPROTH: Danke. Sapperment, da habe ich ja doch wieder verges sen, an meinen Bankier betreffs Alfreds zu schreiben, (zu Ulrike) Du hättest mich auch einmal daran erinnern können.

ULRIKE: DU magst es ja nicht leiden, wenn man sich in deine Privatangelegenheiten mischt.

KLAPPROTH (lacht plötzlich laut auf. Die Damen fahren erschrocken zusammen und wechseln erstaunte Bliche, für sich): Da muß ich wieder an den verrückten Major denken, an den Gröber, den man auch nicht erinnern darf, (laut) Langt mir mal meine Pfeife her. — Merci! So! Und jetzt laßt Euch nicht abhalten, wenn Ihr im Haushalt etwas zu besorgen habt. (zündet die Pfeife an, setzt sich bequem in den Lehnstuhl und nimmt die Zeitung)

ULRIKE: Kommt Kinder! (alle drei Damen Mitte ab)

KLAPPROTH: An den Bankier werde ich nachher schreiben, vorerst will ich in aller Gemütsruhe meine Zeitung lesen! — Eigentlich könnte ich auch einmal einen Artikel über meine Beobachtungen und Erlebnisse von neulich in der Heilanstalt schreiben. Es war doch höllisch interessant, aber, offen gestanden, noch einmal möchte ich doch mit den Hausgenossen der „Pension", wie Schöller seine Anstalt schmeichelhafter Weise nennt, nicht zusammenkommen. Der Verkehr mit solchen Menschen ist und bleibt gefährlich, 's ist nur ein Glück, daß solche Patienten so streng beaufsichtigt und fest verwahrt sind, denn sonst —

ULRIKE (durch die Mitte): Philipp, es ist ein Herr gekommen, der dich zu sprechen wünscht. Er scheint's sehr eilig zu haben.

KLAPPROTH: Ich lasse bitten.

ULRIKE (ab)

KLAPPROTH: Wer mag denn das sein?

3. Auftritt

KLAPPROTH  BERNHARDY

 

BERNHARDT (sehr vergnügt durch die Mitte in Reisekleidung, Tropenhut mit Schleier, Feldstecher, etc., Reisetäschchen etc. etc., schlägt Klapproth auf die Schulter): Guten Morgen, alter Schwede, da bin ich!

KLAPPROTH (ist entsetzt aufgesprungen und starrt, sich die Augen reibend, als sähe er ein Trugbild, sprachlos Bernhardy an)

BERNHARDY: Sie erlauben doch, dajß ich ablege? (legt, ohne die Antwort abzuwarten, im Hintergrund Mantel Hut etc. ab)

KLAPPROTH (entsetzt): Allbarmherziger! Der Kerl ist aus der Anstalt entsprungen! Oder sollte er als geheilt entlassen sein? — Jetzt gilt's vor allen Dingen, sich nichts merken lassen. (rafft sich mühsam zusammen, um unbefangen zu scheinen)

BERNHARDY: Sie haben mich gewiß bereits mit Ungeduld erwartet?

KLAPPROTH: Ich? — Sie? Na natürlich!

BERNHARDY: Das ist ja prächtig! Da können wir also heute noch unsere Reise antreten.

KLAPPROTH (beiseite): Er ist richtig noch immer verrückt.

BERNHARDY: Also wie verabredet, heute abend mit dem Schnellzug 8 Uhr 30 geht es fort nach Hamburg. Sie freuen sich doch auch auf unsere gemeinschaftliche Reise?

KLAPPROTH: Oh, wie ein Kind. Aber wissen Sie, heute wird es beim besten Willen nicht möglich sein.

BERNHARDY: Halt, halt, Freundchen, keine Ausflüchte, heute müssen wir fort, sonst erreichen wir den transatlantischen Steamer nicht mehr, und unser Reiseplan leidet unter dieser Verzögerung. Nein, es bleibt bei dem, was wir verabredet haben, und wenn ich Sie mit Gewalt mitschleppen müßte.

KLAPPROTH (beiseite): Der wäre es imstande! Das sind schöne Aussichten. Was fang' ich nur mit dem Kerl an?

BERNHARDY: Künftigen Mittwoch sind wir bereits auf hoher See, und drei Wochen später durchkreisen wir bereits mit einem mir befreundeten Cowboy zu Pferd die Prärie.

KLAPPROTH: Ich kann ja gar nicht reiten.

BERNHARDY: Das lernt sich rasch. Wenn Sie erst so einige dutzendmal heruntergefallen sind, werden Sie es schon können.

KLAPPROTH: Das beruhigt mich.

BERNHARDY: In Hamburg müssen Sie sich übrigens auch noch Ihre Reiseausrüstung besorgen.

KLAPPROTH: Verlassen Sie sich darauf. (beiseite) Er bildet sich wahrhaftig ein, ich fahre mit.

BERNHARDT: Einen gediegenen Revolver müssen Sie sich auch verschaffen.

KLAPPROTH: Einen Revolver?

BERNHARDY: Gewiß. Man weiß ja nie, ob man ihn unterwegs nötig hat, und wäre es auch nur, um seinen Worten den gehörigen Nachdruck zu verleihen. Was glauben Sie, wie wirksam das ist, wenn man so einem widerspenstigen Patron einen solchen Puffer so unter die Nase hält, (hat seinen Revolver aus der Tasche gezogen und hält ihn Klapproth dicht unter die Nase) Ich sage Ihnen, die größten Flegel werden dadurch lammfromm.

KLAPPROTH (erschrocken): Ich glaube es ja und bin mit allem einverstanden, aber bitte, tun Sie das Ding weg!

BERNHARDY: Seien Sie doch nicht so ängstlich, (steckt lachend den Revolver ein) Also heute abend 8 Uhr 30 dampfen wir ab.

KLAPPROTH (ganz geknickt): Wir dampfen ab!

BERNHARDY: Treffen Sie inzwischen Ihre Vorbereitungen, nehmen Sie Abschied von Ihren Angehörigen.

KLAPPROTH: Die haben noch keine Ahnung davon. Wenn die es aber nun vielleicht nicht leiden?

BERNHARDY: Bah! Dann machen Sie es, wie ich es mit dem guten Schöller gemacht habe, der hat auch noch keine Ahnung davon, daß ich nicht mehr bei ihm bin, denn da ich seine Ei genheit kenne, habe ich eine kurze Abwesenheit von ihm benutzt und bin abgereist, er hätte sonst sicher in seinem Eigennutz sich bemüht, mich zurückzuhalten.

KLAPPROTH (beiseite): Also richtig entsprungen! O meine Ahnung!

BERNHARDY: Sie erlauben also wohl, daß ich ihm von hier aus noch rasch einige Abschiedsworte schreibe.

KLAPPROTH: Bitte, hier ist mein Zimmer.

BERNHARDY: Ich bin so frei.

KLAPPROTH: Machen Sie es sich bequem, ruhen Sie, schreiben Sie, lesen Sie, rauchen Sie, bis — bis ich nachher zu Ihnen komme.

BERNHARDY: Auf Wiedersehen also, lieber Reisegefährte, (ab vorn rechts)

KLAPPROTH (dreht rasch und vorsichtig den Schlüssel um, rückt einen Tisch vor die Tür, auf den er sich verzweifelt und erschöpft setzt): Da haben wir den Salat! Brennt der Racker in der Anstalt durch und kommt in seiner Verrücktheit zu mir. Was fang ich nur mit dem Kerl an? Widerspreche ich ihm nur im geringsten, dann ist er imstande und hält mir seinen Revolver unter die Nase. Du lieber Gott, was ist für solch einen Geisteskranken ein Menschenleben? Mir klappern die Zähne, wenn ich nur daran denke. Mit Gewalt ist also da nichts auszurichten, sondern es gilt, ihn mit List und Versprechungen hinzuhalten, bis Hilfe kommt. Ich werde sofort an Schöller telegraphieren, (reißt ein Blatt aus seinem Notizbuch und schreibt auf den Knien, vor sich hinsprechend) „Direktor Schöller, Privatheilanstalt, Wien, Chausseestraße 198 ½. Kommen Sie so schnell wie möglich, Gefahr im Verzug, bringen Sie Zwangsjacke mit. Gruß, Klapproth." Aber wie diese Depesche befördern? Meine Angehörigen dürfen doch um alles in der Welt nicht ahnen, in welcher Gefahr wir schweben. Wenn die wüßten, daß wir es mit einem Geisteskranken zu tun haben, die würden sich in ihrer Herzensangst verraten und die Lage noch verschlimmern. Ich muß also die Depesche selbst besorgen, und dabei kann ich nicht fort von diesem Posten.

4. Auftritt

KLAPPROTH  ULRIKE

 

ULRIKE: Bitte, lieber Philipp, den Schlüssel zum Weinkeller. Aber mein Gott, was machst du denn da? Du sitzest ja auf dem Tisch.

KLAPPROTH: Wahrhaftig, ich sitze auf dem Tisch. Aber weißt du, recht bequem, ich hätt's nicht geglaubt. Probier’s einmal.

ULRIKE: (hat sich umgesehen) Ja, wo ist denn der Herr hingekommen?

KLAPPROTH: Ach so, du meinst der Herr von vorhin? Der, der sitzt da drin in meinem Zimmer. Er hat nämlich einen wichtigen Brief zu schreiben, ja siehst du, da habe ich mich denn hierher gesetzt, damit — damit er nicht gestört wird. Er ist nämlich ein bißchen sehr nervös.

ULRIKE: So, so! (kopfschüttelnd ab Mitte)

KLAPPROTH: Ich glaube, ich habe mich sehr fein aus der Affäre gezo gen, Ulrike ist wenigstens vollkommen beruhigt, (auf die Tür deutend) Der verhält sich auch sehr anständig und ruhig da drin, er muckst sich nicht. Pah, man darf nicht gleich so ängstlich sein. Schöller kommt hoffentlich bald, und da wird der gute Bernhardy zurücktransportiert. Es ist also gar nicht so schlimm, wie es aussieht. — Ob er wohl schläft? (versucht durchs Schlüsselloch zu sehen)

(Man hört draußen Ulrike sprechen: „Sie wünschen meinen Bruder zu sprechen? Wollen Sie sich, bitte, hier herein bemühen.")

KLAPPROTH: Was gibt's denn da schon wieder?

5. Auftritt

KLAPPROTH  GRÖBER

 

GRÖBER (in der Mitteltür): Verbindlichen Dank, gnädige Frau.

KLAPPROTH (für sich, entsetzt): Allbarmherziger! Der verrückte Major! Der auch? Mir stehen die Haare zu Berge.

GRÖBER: Also hier finde ich Sie wieder?

KLAPPROTH (für sich): Leider! — Aber Fassung! Philipp, Fassung! (außerordentlich freundlich) Was verschafft mir das Vergnügen, Herr Major?

GRÖBER: Von Vergnügen ist gar keine Rede, mein Herr. Sie haben mich bei Schöller beleidigt. Wir müssen uns schlagen, das sehen Sie wohl hoffentlich ein?

KLAPPROTH (mit Galgenhumor): Vollkommen!

GROBER: Und zwar auf Pistolen.

KLAPPROTH: Wie Sie wollen, mir ist's ganz einerlei.

GRÖBER: Hm, so gefallen Sie mir.

KLAPPROTH: Bitte, bitte!

GRÖBER: Aber wie ist's denn mit dem Sekundanten, ich kenne hier niemand?

KLAPPROTH: O, dafür werde ich sorgen, überlassen Sie mir nu das ganz ruhig.

GRÖBER: Einverstanden.

KLAPPROTH: Ich darf Sie wohl bitten, sich so lange hier in diesem Zimmer gedulden zu wollen, (links vorn öffnend)

GRÖBER (zögernd): Ich weiß nicht, ob —

KLAPPROTH (dringend): Es ist ja nur, damit meine Familie nichts von unserem Vorhaben merkt.

GRÖBER: Ich verstehe. Aber bitte, lassen Sie mich nicht zu lange warten.

KLAPPROTH: Unbesorgt, ich eile.

GRÖBER (in der Tür links): Mein Herr! (Verbeugung, ab)

KLAPPROTH (ebenso): Herr Major! (schließt rasch und vorsichtig hinter ihm ab und schiebt einen Tisch davor, worauf er sich setzt, wie oben) Numero zwei! Wenn das so fortgeht, dann habe ich die ganze Heilanstalt im Hause. Und nun auch noch so einen gefährlichen, schwer zu behandelnden Patienten wie diesen Major. Den muß ich nun noch hinzuhalten suchen, bis Schöller angekommen ist.

6. Auftritt

KLAPPROTH  ULRIKE

 

ULRIKE: Hier sind die Schlü— (die Hände zusammenschlagend) Philipp!

KLAPPROTH (verlegen): Ach, du wunderst dich, daß — daß ich jetzt hier sitze? Ja, siehst du, das ist eine ganz merkwürdige Ge schichte. Denke dir —

ULRIKE (sieht suchend umher): Der andere Herr ist ja auch nicht mehr hier?

KLAPPROTH: Der ist hier im Zimmer! Deshalb sitze ich ja auch hier. Er hat — er hat nämlich plötzlich so furchtbare Zahnschmerzen bekommen, und da gebe ich acht. daj3 er nicht gestört wird.

ULRIKE: So, so? (kopfschüttelnd) Das geht über meinen Horizont, (ab)

KLAPPROTH: ES ist eigentlich ganz unnötig, diesen Major so ängstlich zu bewachen, er hat ja versprochen, zu warten, bis ich die Sekundanten zusammengetrommelt hätte. Wissen möchte ich aber denn doch, was mein Weltumsegler treibt, (sieht rechts durch das Schlüsselloch) Kein Laut zu hören, scheint wahrhaftig zu schlafen.

7. Auftritt

KLAPPROTH  BERNHARDY

 

BERNHARDY (rasch durch die Mitte, freudig erregt): Herr Klapproth, Herr Klapproth! (Klapproth starrt ihn entsetzt an) Sie wundern sich wohl, mich hier zu sehen, aber das kommt einfach daher, daß ich im Garten ein reizendes junges Mädchen sah und, um keinen Umweg machen zu müssen, aus Bequemlichkeit gleich zum Fenster hinaussprang.

KLAPPROTH (beiseite): Aus Bequemlichkeit durchs Fenster, während ich hier sitze wie ein berittener Schutzmann! Das sieht ihm ähnlich!

BERNHARDY (geht erregt auf und ab. Klapproth benutzt verstohlen die Gelegenheit und rückt den Tisch wieder an seinen Platz, schließt die Tür auf): Herr Klapproth, in meinem ganzen Denken, Fühlen, Sinnen und Trachten ist eine vollständige Revolution vorgegangen.

KLAPPROTH (beiseite): Weiter hat dem nichts gefehlt.

BERNHARDY: Herr Klapproth, Sie müssen allein reisen. So leid es mir auch tut, ich glaube kaum, daß ich Sie begleiten werde. Verzeihen Sie mir diese überraschend plötzliche Sinnesänderung.

KLAPPROTH (erfreut): Ja, wie kommt denn das, Freundchen?

BERNHARDY: Ahnen Sie es denn nicht, Sie kurzsichtiger Onkel? Verliebt bin ich, verliebt wie noch nie, verliebt zum ersten Mal in meinem Leben, verliebt bis zum Rasendwerden, verliebt in Ihre Nichte Franziska. Ja, ja, das entzückende Fränzchen, das ist der Magnet, der mich ruhelosen Gesellen mit Allgewalt angezogen und festhält.

KLAPPROTH (leise): Ha, ein Hoffnungsstrahl!

BERNHARDY: Begreifen Sie es nun, daß alle Reisepläne wie Spreu vor dem Winde zerstoben sind? (erregt) Begreifen Sie es?

KLAPPROTH (eingeschüchtert): Jawohl, jawohl!

BERNHARDY: Wir reisen also heute nicht.

KLAPPROTH (beiseite): Mir fällt ein Stein vom Herzen.

BERNHARDY: Sie nämlich auch nicht, denn Ihre Anwesenheit wird für die nächste Zeit dringend nötig sein, denn wenn das himmlische Fränzchen einwilligt, meine Frau zu werden, so dürfen Sie doch als Onkel bei der Verlobung und der Hochzeit nicht fehlen. Das sehen Sie doch ein?

KLAPPROTH (ihn beruhigend): Vollkommen!

BERNHARDY: Sie sind doch ein prächtiger alter Herr. Ar» mein Herz, Onkelchen! (umarmt ihn)

KLAPPROTH: Au! Sie drücken mir ja die Rippen entzwei!

BERNHARDY: Jetzt muß ich aber nach Wien schreiben, mir meine Sachen kommen lassen, allerhand Aufträge geben, Buketts bestellen etc. Ach, was bin ich glücklich! (ab hinten Mitte)

KLAPPROTH: 's ist die Menschenmöglichkeit! Springt der verrückte Satanskerl aus dem Fenster, und statt wie jeder andere vernüftige Mensch das Genick zu brechen, verliebt er sich im Handumdrehen in unser Fränzchen. (händereibend) Aber das paßt mir brillant in den Kram, da ist er wenigstens gefügig, und ich habe ihn an der Strippe, bis Schöller kommt. Herrgott, ich muß ja die Depesche besorgen, (ab durch die Mitte)

8. Auftritt

ULRIKE (von rechts hinten)

 

ULRIKE (sieht den sich unbefangen anstellenden Klapproth durch die Mitte abgehen, nachdenklich): Je mehr ich über das sonderbare Benehmen meines Bruders nachdenke, desto rätselhafter wird er mir. Was mag er nur wieder vorhaben? Etwas Vernünftiges auf keinen Fall, denn sonst könnte er mir, seiner Schwester, doch wenigstens eine Andeutung darüber machen.

 

9. Auftritt

ULRIKE  IDA (durch die Mitte)

 

IDA (erregt): Mama! Mama! Weißt du, was ich eben gesehen habe?

ULRIKE: Nun?

IDA: Fränzchen, unser Fränzchen, Arm in Arm mit dem netten, jungen Mann, der vorhin zu Onkel gekommen ist.

ULRIKE: Arm in Arm?

IDA (bejahend): Auf dem Weg zum Garten, Fränzchen muß mein verblüfftes Gesicht gesehen haben, — (sinnend) Mama, sollte Onkel am Ende gar diesen jungen Mann als Fränzchens Bräutigam bestimmt haben?

ULRIKE: Hinter meinem Rücken, ohne mir auch nur eine Silbe davon gesagt zu haben. Freilich, das sähe ihm ähnlich. Aber wenn diese Vermutung richtig ist, dann sitzt auch bereits dort einer für dich. (zeigt auf die Tür links vorn)

IDA: Ein Bräutigam für mich? — Da drin?

ULRIKE: Ja, er hat ihn auch eingesperrt, wahrscheinlich, damit er nicht durchbrennt.

IDA (sieht durchs Schlüsselloch): Ich danke! Das ist ja ein ganz alter! Den nehme ich nicht, das sage ich dir im voraus.

ULRIKE: Ich mute es dir ja auch gar nicht zu. (es klopft)

IDA: Hat es da nicht angeklopft?

ULRIKE: Noch mehr Besuch? — Herein!

10. Auftritt

VORIGE  JOSEPHINE

 

JOSEPHINE (durch die Mitte): Sie entschuldigen, kann ich das Vergnügen haben, Herrn Klapproth zu sprechen?

IDA: Der Onkel ist augenblicklich nicht da.

ULRIKE: Aber bitte, nehmen Sie einstweilen Platz, er kommt gewiß gleich zurück.

JOSEPHINE: Ich bin so frei. Gestatten Sie mir, mich vorzustellen. Josephine Krüger —

ULRIKE: Frau Sprosser — meine Tochter Ida. (setzen sich)

JOSEPHINE: Ich freue mich wirklich außerordentlich. Sie persönlich kennenzulernen, nachdem ich schon so viel Schönes von Ihnen gehört habe.

ULRIKE: Sie sind zu gütig.

JOSEPHINE: Sie entschuldigen, gnädige Frau, eine vielleicht unbescheiden klingende Frage, die mich jedoch sehr interessiert: Sind Sie auch Portugiesin?

ULRIKE (verblüfft): Portugiesin? Ich?

IDA (erstaunt): Portugiesin?

JOSEPHINE: Nun ja, ich meine, ob Sie zufällig auch in Portugal geboren sind?

ULRIKE (etwas pikiert): Bedaure, nein, (beiseite) Merkwürdige Idee!

JOSEPHINE (für sich): Meine direkte Frage scheint ihr unangenehm zu sein! — Eine interessante Familie!

ULRIKE (bemüht, ein anderes Thema anzuschlagen): Sie haben meinen Bruder wohl in Wien kennengelernt?

JOSEPHINE: Ganz richtig. Es gewährte mir ein großes Vergnügen, in ihm einen Mann kennenzulernen, der eine an merkwürdigen und romantischen Vorgängen und Ereignissen so reiche Vergangenheit hinter sich hat.

ULRIKE, IDA: Mein Bruder? — der Onkel?

ULRIKE: Ich bitte Sie, was soll denn mein Bruder besonderes erlebt haben?

JOSEPHINE: Freilich, im Vergleich zu Ihnen, hochverehrte gnädige Frau, ist ja sein Leben ein friedliches, geradezu idyllisches zu nennen.

ULRIKE: Nun ja, schon dadurch, daß ich verheiratet war, meinen Mann früh verlor, Witwe wurde, und —

JOSEPHINE: Das war Ihr erster Mann, den Sie so früh verloren?

ULRIKE: Mein erster Mann?

IDA (erschrocken): Mama!

ULRIKE: Wie kommen Sie denn darauf?

JOSEPHINE: Nun ja, Sie heißen doch jetzt Sprosser, während Sie, wie mir Ihr Herr Bruder erzählte, zuerst mit einem russischen Gutsbesitzer, dessen Namen ich wieder vergessen habe, vermählt waren.

IDA: Wie?

ULRIKE: Das hat Ihnen mein Bruder erzählt?

JOSEPHINE: Und zwar mit allen Details. Urteilen Sie selbst, ich habe mir alles genau aufgezeichnet, und werde es Ihnen vorlesen. (blättert in ihrem Notizbuch. Ulrike und Ida sehen sich starr an!) Aha, da ist es. — Als Ihr Bruder Sie nach langen Irrfahrten endlich gefunden und Sie als seine Schwester erkannt hatte, waren Sie bereits an einen Russen Ivan Ivanowitsch verheiratet.

IDA: Mit einem Russen?

ULRIKE: Ivan Ivanowitsch? Verheiratet?

JOSEPHINE: Dieser hatte Sie mit Gefahr seines eigenen Lebens aus dem Harem eines türkischen Würdenträgers befreit, an den Sie auf Veranlassung Ihrer mächtigen Verwandten, die Sie mit ihrem unerbittlichen Haß verfolgten, als Sklavin verkauft worden waren, (triumphierend) Sie sehen, ich weiß alles.

IDA (sich ängstlich an Ulrike schmiegend): Als Sklavin verkauft?

11. Auftritt

VORIGE  KLAPPROTH

 

KLAPPROTH (der schon beim letzten Satz Josephinens durch die Mitte eintrat, bleibt von den andern unbemerkt starr und entsetzt stehen, verzweifelt für sich): Sie hat sich wahrhaftig den gan zen Unsinn aufgeschrieben, die macht mir noch die ganze Familie rebellisch. Da soll doch gleich ein Donnerwetter dreinschlagen! (schlagt mit der Faust auf den Tisch. Alle drehen sich erschreckt nach ihm um)

JOSEPHINE: Ah, der Herr Klapproth!

ULRIKE: Philipp!

IDA: Da ist ja der Onkel!

KLAPPROTH (bemüht, ein unbefangenes Gesicht zu machen): Ja, da bin ich!

JOSEPHINE: Wie freue ich mich, Sie wiederzusehen!

KLAPPROTH: Na und ich erst! Aber was verschafft mir das Vergnügen?

JOSEPHINE: Sie böser Mann sind mir Ja noch den Schluß Ihrer Geschichte schuldig, und so machte ich mich denn auf, Sie zu besuchen. Ich komme doch nicht ungelegen?

KLAPPROTH: Bewahre!

JOSEPHINE (freudig): Ach, da können wir wohl gleich beginnen?

KLAPPROTH (hastig): Nein, nein, nein, das geht nicht!

JOSEPHINE: Warum denn nicht?

KLAPPROTH: Ich — ich — eh, ich muß mich erst sammeln, eh — und Sie haben gewiß die Güte, es sich einstweilen hier bequem zu machen, bis — (öffnet links hinten die Tür)

JOSEPHINE: Aber ich bitte Sie, so viel Umstände um mich, das ist ja gar nicht nötig. Lassen Sie mich doch hier bei Ihrer Familie.

KLAPPROTH (sich vergessend): Ich werde mich hüten — eh, ich wollte sagen, ich weiß, was sich gegen so liebe Gäste schickt. Also bitte! (er komplimentiert sie nach dem Zimmer)

JOSEPHINE: Nun denn, ich bin so frei, bis nachher also.

KLAPPROTH: Bis nachher!

(Josephine ab. Klapproth schließt rasch hinter ihr die Tür ab und atmet tief auf)

IDA (leise zu Ulrike): Sieh nur, er schließt zu.

ULRIKE: Aber Philipp, um des Himmels willen, was bedeutet denn das nur alles?

IDA: Lieber, guter Onkel, erkläre uns doch nur —

KLAPPROTH: Ja, ja doch! Aber schreit nur nicht so! (für sich) Das ist ja eine verfluchte Geschichte, (laut) Ja, seht Kinder, wie ich neulich in Wien war —

12. Auftritt

VORIGE  EUGEN

 

EUGEN (durch die Mitte): Sie entschundigen, ist Herr Knapproth zu Hause?

ULRIKE (leise zu Ida): Schon wieder einer.

IDA (ebenso): Das wird ja unheimlich!

KLAPPROTH (entsetzt für sich): Himmlischer Vater, der auch noch! Jetzt habe ich fast die ganze Gesellschaft auf dem Halse. Aber jetzt heißt es, den Kopf nicht verlieren! (tut als ob er etwas am Boden sucht) Mein Knopf! Donnerwetter, wo ist denn mein Knopf? (Eugen kniet sich ebenfalls am Boden hin und will suchen helfen, Klapproth tut, als ob er ihn erst jetzt bemerkt) Ach, willkommen, junger Freund! Außerordentlich erfreut. Ulrike, Wein und Gläser herbei, aber rasch, wenn ich bitten darf.

EUGEN: Aber, Herr Knapproth, ich —

KLAPPROTH: Keinen Widerspruch, edler Othello!

ULRIKE, IDA (verblüfft)- Othello?

KLAPPROTH: Und du, Ida, holst aus dem Wohnzimmer drüben die Zigarren.

EUGEN: Ich rauche ja gar —

KLAPPROTH: Betrüben Sie mich nicht, hochverehrter Hamlet.

ULRIKE (leise zu Ida): Onkel will uns weg haben.

IDA (leise): Dann bin ich wie der Blitz zurück.

ULRIKE: Ich auch!

KLAPPROTH: Also tummelt Euch. Kinderchen!

(Ulrike, Ida rechts hinten ab)

EUGEN: Ich habe nämnich eine neue Ronne studiert und bin gekommen —

KLAPPROTH: Um sie vorzuspielen? Wie nett von Ihnen! (beiseite) Das hat mir gerade noch gefehlt!

EUGEN: Mein Vormund weiß natürnich nichts davon.

KLAPPROTH: Das kann ich mir lebhaft denken, (verstört um sich blickend) Oh weh! Für den habe ich ja jetzt gar keine Isolierzelle frei.

EUGEN: Und ich hoffe auch, daß Sie es ihm nicht sagen werden.

KLAPPROTH: Bewahre! (für sich) Ha, ein rettender Gedanke!

EUGEN: Warum sehen Sie sich denn so ängstnich um?

KLAPPROTH: Ich? Ängstlich? Nicht im geringsten! Aber Ihr Vormund ist ebenfalls bei mir zu Besuch.

EUGEN: Schönner?! O weh! Er darf mich nicht sehen!

KLAPPROTH (für sich)- Das wirkt, ich wußte es ja!

EUGEN (ängstlich herumlaufend): Wo verberge ich mich nur vor ihm? (will vorn rechts ab)

KLAPPROTH: Um Gotteswillen, da sitzt ja schon einer!

EUGEN (verdutzt): Sitzt schon einer? (will nach links)

KLAPPROTH (ihm nach): Wollen Sie wohl, das ist ja auch bereits be setzt.

EUGEN: Das ist ja entsetznich!

KLAPPROTH: Meinen Sie vielleicht, mir wäre es angenehm? — Aber hier ist noch frei, (öffitet die Schranktür)

EUGEN: Das Ist ja ein Kneiderschrank.

KLAPPROTH: Einen anderen Salon kann ich Ihnen momentan nicht zur Verfügung stellen. Also zaudern Sie nicht. Schöller kommt!

EUGEN: Das riecht ja so stark nach Insektenpunverl

KLAPPROTH: Da bekommen Sie auch keine Motten in den Kopf. Schnell, schnell! Ihr Vormund kommt!

EUGEN: Da bneibt mir freinich nichts anderes übrig! (steigt in den Schrank) Aber nicht wahr, wenn mein Vormund wieder fort ist —

KLAPPROTH: Ja, ja, ja! (schiebt ihn in den Schrank und schließt den selben ab. Man hört Eugen gedämpft reden und an die Schranktür klopfen. Klapproth öffnet nochmals) Was wollen Sie denn noch?

EUGEN: Ein Gnas Wasser! Das hant ich nicht aus!

KLAPPROTH (ihn wieder hineinspedierend): Wollen Sie nicht auch noch ein Pilsener haben?! (erschöpft) So! wieder einer unschädlich gemacht! Wenn das aber so fortgeht, werde ich selbst noch blödsinnig.

IDA (mit Kiste Zigarren von rechts): Hier sind die Ziga— (sieht sich suchend und verblüfft um)

ULRIKE (mit Wein und Gläsern): Ja, der junge Mann ist ja auch wieder verschwunden!

KLAPPROTH (flüsternd): Pst? Schreit nicht so! (mit erhobener Stimme) Gewiß, mein lieber Herr Schöller, warum soll denn das nicht gehen? Bitte, nehmen Sie nur hier an meinem Schreibtisch —

ULRIKE (sich umblickend): Mit wem spricht er denn eigentlich?

IDA (ebenso): Ich sehe ja niemand.

KLAPPROTH (fortfahrend): Wie? Anderthalb Stunden werden Sie wahr scheinlich zu schreiben haben? Schön, lieber Schöller, Sie sollen gewiß nicht gestört werden. (mit dem Daumen verstohlen nach dem Schrank deutend) Der muckst sich jetzt gewiß nicht!

ULRIKE (kopfschüttelnd): So was ist mir aber in meinem Leben noch nicht vorgekommen. (man hört kräftig niesen)

ALLE DREI (unisono): Prosit! (sehen sich erstaunt an)

IDA: Ja, wer hat denn da eigentlich geniest? (lautes Niesen)

ULRIKE: Das kommt ja aus dem Schrank her!

KLAPPROTH: Naja, da sitzt ja auch einer drin.

IDA: In dem Schrank?

ULRIKE: Aber so laß ihn doch heraus! (will öffnen)

KLAPPROTH (sie zurückhaltend): Du willst uns wohl alle ins Unglück rennen? (sie beide geheimnisvoll auf die Seite nehmend) Ihr müßt nämlich wissen, daß sowohl der Kerl in dem Schrank wie auch —

13. Auftritt

VORIGE  AMALIE

 

AMALIE (hastig und freudig durch die Mitte auf Klapproth stürmend): Da ist er ja! Schwiegersohn, in meine Arme!

KLAPPROTH, ULRIKE, IDA: Schwiegersohn?!

AMALIE (sprudelnd): O, ich weiß alles! Friederike hat mir gebeichtet, sie liebt Sie, und Sie lieben sie. O, ich habe es ja kommen sehen, ich habe es geahnt, und als Friederike mir nur den Namen Klapproth nannte, da wußte ich schon alles. Meinen Segen, nehmen Sie meinen Segen, lieber Sohn, und machen Sie Friederike glücklich. Sie sorgt für unser Gepäck, und ich bin nur vorausgeeilt, Ihnen unsere Ankunft zu melden. Aber jetzt hole ich Friederike, und dann besprechen wir alles an dere. Auf Wiedersehen, Schwiegersöhnchen, in zwei Minuten sind wir da! (ab Mitte)

IDA: Du hast dich also verlobt, Onkel?

ULRIKE: In deinem Alter noch solche Streiche zu machen! O, o, o! Du willst also wirklich in deinen alten Tagen noch heiraten? Aber so antworte doch! (rüttelt Klapproth, der ganz geknickt in einen Sessel gesunken ist)

KLAPPROTH (springt plötzlich auf): Unsinn! Ich bleibe ledig!

ULRIKE: Ja, aber diese Frau!? —

IDA: Sie sagte doch —

KLAPPROTH: Ist verrückt!

ULRIKE: Verrückt?

IDA: Nicht möglich!

KLAPPROTH: Aber ja. Und die andern sind auch verrückt. Der Bernhardy ist verrückt, der Major dort in seinem Zimmer und die Schriftstellerin, die ich dort eingesperrt habe, der tolle Wenzel dort ohne L, und die Frau, die mich als Schwiegersohn umarmt hat, kurz, die ganze Bande ist verrückt. Alle sind sie aus einer Heilanstalt entsprungen, deren Direktor ich kenne, da habt Ihr das ganze Geheimnis.

ULRIKE: Das ganze Haus voller Geisteskranker!?

IDA: Entsetzlich! Wir sind verloren!

KLAPPROTH: Ach was, nur nicht ängstlich. Ich habe sofort an den Direktor Schöller telegraphiert, der muß jede Minute eintreffen, der transportiert dann seine Patienten wieder heim, und alle Gefahr ist beseitigt.

ULRIKE: Aber Philipp, erkläre mir doch nur um des Himmels willen, wie es kommt, daß diese Menschen nun auf einmal alle —

KLAPPROTH: Dazu habe ich jetzt keine Zeit, ich muß doch erst die ver rückte alte Schraube nebst ihrer Tochter unterbringen. Die darf man doch nicht frei herumlaufen lassen. Ich schaffe sie in den ersten Stock oder sperre sie in den Kartoffelkeller. Mir ist jetzt alles egal! (schnell ab Mitte)

ULRIKE: Was sagst du Jetzt?

IDA: Ich vergehe fast vor Angst! (schmiegt sich an Ulrike)

ULRIKE: Ach, und unser armes Fränzchen, das ahnungslos mit einem so gefährlichen Menschen im Garten promeniert. Wie können wir sie nur warnen?

IDA: Wie wäre es denn — (man hört links vorn an der Tür donnern)

ULRIKE (entsetzt): Was ist denn das?

IDA: Der verrückte Major wird wahrscheinlich seinen kleinen Wutanfall haben.

ULRIKE: Wenn er die Tür eintritt, ist es um uns geschehen.

IDA: ES wird wieder still, er scheint sich zu beruhigen.

ULRIKE: Na, diesen Tag vergesse ich nicht, und wenn ich tausend Jahre alt würde.

14. Auftritt

VORIGE  SCHÖLLER

 

SCHÖLLER (durch die Mitte): Sie entschuldigen, meine Herrschaften, sind nicht zwei Damen, eine ältere und eine jüngere, soeben bei Ihnen eingetroffen?

ULRIKE: Ganz richtig.

IDA (beiseite): Ob das auch einer ist?

SCHÖLLER: Sie müssen nämlich wissen, aber pardon, daß ich mich noch nicht vorgestellt habe — mein Name ist Schöller und ich — (Ida und Ulrike springen freudig auf ihn zu und schüt teln ihm die Hände)

ULRIKE: Gott sei Lob und Dank! Endlich sind Sie da!

IDA: Mit welcher Sehnsucht haben wir Ihrer Ankunft entgegengesehen.

ULRIKE: Welch ein Glück, daß Sie gekommen sind, wir sind Ja fast veraweifelt.

SCHÖLLER (verlegen): O meine Damen, ich bin ganz gerührt — dieser schmeichelhafte Empfang — meine geringe Persönlichkeit — ich weiß gar nicht —

IDA: Na, Sie werden Augen machen, 's ist noch einmal glücklich abgelaufen.

ULRIKE: Wir haben aber auch fast kein Zimmer im ganzen Hause mehr frei. Überall sitzt einer oder eine.

SCHÖLLER (verdutzt): Sitzt eine? — Wollen Sie mir nicht bitte erklären, was —

IDA: Ja, haben Sie denn nicht die Depesche meines Onkels Klapproth erhalten?

SCHÖLLER: Nein. Ich bin —

ULRIKE: Dann haben Sie auch wohl keine Zwangsjacke mitgebracht?

IDA: Und ein paar kräftige Wärter?

SCHÖLLER (perplex): Zwangsjacken? Wärter? (für sich) Wo bin ich denn hingeraten? (retiriert ängstlich)

ULRIKE: Da können Sie ja gar nicht die Gesellschaft zurücktranspor tieren.

SCHÖLLER: Gesellschaft? Zurücktransportieren? Ja, von wem reden Sie denn eigentlich?

IDA: Nun von diesem Monsieur "Bernhardy" zum Beispiel.

SCHÖLLER: Wie, der ist hier bei Ihnen?

ULRIKE: Ja. Und außerdem ein alter wütender Major.

IDA: Und die übergeschnappte Schriftstellerin.

ULRIKE: Und ein junger Mensch, der kein „L" aussprechen kann.

SCHÖLLER: Der Schlingel auch?

ULRIKE: Und eine Frau mit der fixen Idee, mein Bruder wolle ihr Schwiegersohn werden.

SCHÖLLER: Heiliges Donnerwetter, habe ich nicht so was geahnt?

IDA: Geht Ihnen jetzt ein Licht auf? Aber beruhigen Sie sich, sie sind alle fest hinter Schloß und Riegel. Onkel hat alle eingesperrt.

SCHÖLLER: Eingesperrt? Ja, aber warum denn?

ULRIKE: DU liebe Zeit, passen Sie doch in Zukunft besser auf, Sie können doch nicht andern Leuten zumuten, die geisteskran ken Patienten, die aus Ihrer Anstalt entsprungen sind, auch noch frei herumlaufen zu lassen.

SCHÖLLER (wütend): Jetzt reißt mir aber die Geduld! Wollen Sie mich zum Narren haben? Wofür halten Sie mich denn eigentlich?

IDA: Aber lieber Herr Direktor!

ULRIKE: Sie haben doch eine Heilanstalt für Geisteskranke.

SCHÖLLER: Wie können Sie sich erlauben, meine Familienpension eine Heilanstalt zu nennen?

IDA: Sie haben eine Familienpension?

ULRIKE: Ja, aber die Patienten, die bei Ihnen entsprungen und nun bei uns eingesperrt sind?

SCHÖLLER: Sind harmlose Leute und wenigstens so vernünftig wie wir, wenn auch der eine oder der andere seine kleinen Sonderlichkeiten hat. Wie in aller Welt sind Sie denn nur auf eine so haarsträubende Idee gekommen?

ULRIKE: Mein Bruder behauptet es.

IDA: Ja ja, der Onkel Klapproth, der hat sie auch alle eingesperrt.

SCHÖLLER: Dann ist er selbst verrückt, so gewiß, wie zweimal zwei vier ist!

IDA: Wie können Sie sich unterstehen, mein Herr —

ULRIKE: Laß nur Ida. Herr Schöller hat nur ausgesprochen, was ich so halb und halb geahnt habe.

IDA: Mama, das wäre ja entsetzlich! Der gute, liebe Onkel!

SCHÖLLER: ES täte mir selbst leid um ihn, 's ist sonst so ein netter, fideler, alter Herr.

IDA: Was soll nun daraus werden?

ULRIKE: Ich bin ratlos!

SCHÖLLER: Fürchten Sie nichts, meine Damen, ich rede mit den ver meintlichen Geisteskranken, setze ihnen die Sache ausein ander und bewege sie mit mir zur Abreise, so daß Herr Klapproth meint, sie würden nach der Anstalt zurück transportiert. Sie jedoch suchen in jeder Weise beruhigend auf seinen Seelenzustand zu wirken, bis ein tüchtiger Arzt Gelegenheit hat, ihn zu untersuchen und zu beobachten.

ULRIKE: Ja, ja, so wird's am besten sein.

IDA: Aber bitte, dann gehen Sie zuerst zu dem Major, der fing vorhin schon an, ungeduldig zu werden.

SCHÖLLER: Na, das kann gut werden!

 

(Ida räumt den Tisch Links fort, und Schöller geht links vorn ab)

15. Auftritt

VORIGE  ALFRED  KISSLING (durch die Mitte)

 

ALFRED: Da bin ich, Tantchen, und hier ist mein Freund Kissling, der so liebenswürdig war, mich zu begleiten. (Begrüßung)

ULRIKE: Seien Sie uns willkommen.

ALFRED: Ich habe nämlich mit Onkel etwas Wichtiges zu besprechen. Wo ist er denn?

ULRIKE (leise): Alfred, dein Onkel ist krank.

ALFRED: Krank?

ULRIKE: Sehr krank!

ALFRED: Ja, was fehlt ihm denn?

ULRIKE (auf die Stirn deutend): Hier!

ALFRED (bestürzt): Wie? Was? Der Onkel?

ULRIKE: Im höchsten Grade.

ALFRED: Aber sage mir doch —

16. Auftritt

VORIGE  KLAPPROTH

 

KLAPPROTH (erschöpft durch die Mitte): Die wären auch untergebracht. Das war ein Stück Arbeit mit dieser alten Schraube. Was tausend, Alfred, du? Und Sie, Herr Kissling? Wissen Sie denn auch, was hier vorgeht?

ALFRED: Nun?

KLAPPROTH: Denkt Euch, die ganze verrückte Blase, die ich neulich in der Heilanstalt von Schöller kennenlernte, ist demselben durchgebrannt und sind mir heute alle zusammen, als hätten sie sich verabredet, auf die Bude gerückt. Nicht wahr, jetzt sind Sie baff, meine Herren?

ALFRED (entsetzt, beiseite): Da haben wir die Bescherung!

KISSLING (beiseite): Sapperment, das ist ein Strich durch die Rechnung!

ULRIKE (leise zu Alfred): Na, siehst du's jetzt?

KLAPPROTH: Aber nur nicht ängstlich! Ich habe sie alle eingesperrt!

ALFRED: Eingesperrt.

KISSLING (für sich): Das ist ja kostbar! (lacht vor sich hin)

ALFRED: Aber Onkel, um des Himmels willen, was hast du da angerichtet? Deine Gäste sind samt und sonders so vernünftig wie du und ich.

KLAPPROTH: Jetzt aber höre auf mit deinem Unsinn! Sonst sperre ich dich auch noch ein. Mein Haus Ist ja jetzt doch die reine Heilanstalt, und da kommt es mir auf einen mehr oder weniger nicht an.

ALFRED: Du hast recht, Onkel, ich bin verrückt, oder vielmehr, ich war verrückt, daß ich den leichtsinnigen Ratschlägen eines sogenannten guten Freundes Gehör geschenkt.

KLAPPROTH: Was? Wieso denn?

KISSLING: Na, da es nicht anders sein kann, also heraus mit der Wahrheit. Sie wünschten neulich eine Irrenanstalt kennenzulernen, ich aber führte Sie statt dessen zu Schöller.

KLAPPROTH: Wie, was, Schöller.

KISSLING: Nun ja, in die Pension Schöller.

KLAPPROTH (perplex): Ihr habt mich in eine Familienpension geführt, und ich Schafskopf habe mich düpieren lassen.

KISSLING: Mein lieber Herr Klapproth, das wäre jedem so gegangen. Übrigens bin ich jetzt in der Lage, Sie in den nächsten Tagen in eine wirkliche Heilanstalt zu führen.

KLAPPROTH: Nein, nein, ich danke, ich bin vollständig kuriert. Aber was wird Schöller sagen, dem ich telegraphiert habe, er soll Zwangsjacken mitbringen, und was soll ich mit dem jungen Mädchen anfangen, das ich heiraten soll?

ALFRED: Onkel, ich heirate sie!

ULRIKE: Du, Alfred?

IDA: Sieh mal an!

KLAPPROTH (gerührt): Alfred, du bist ein prächtiger Junge. Aber, Bombenelement, was sage ich denn nur den andern?

EUGEN (im Schrank): Hinfe, Hinfe! Ich ersticke!

KLAPPROTH:  Herrjeh, die Herrschaften haben wir ganz vergessen. (schließt den Schrank auf)

IDA: Ich hole die andern. (Alfred öffnet links hinten. Ida ab hinten)

17. Auftritt

VORIGE  EUGEN  JOSEPHINE  (dann) SCHÖLLER

 

EUGEN (geknickt aus dem Schrank): Ich kann es nicht mehr aushanten!

JOSEPHINE (von links hinten): Ich glaube gar, ich war eingeschlossen!

ALFRED: Ein Versehen, gnädige Frau.

SCHÖLLER (von links vorne): Er hat sich beruhigt, der Major.

KLAPPROTH: Ei, sieh' da, Herr Schöller! Famos, daß Sie hier sind! Da kann ich gleich um die Hand Ihrer Nichte bitten.

SCHÖLLER: Die Hand meiner Nichte? (für sich, mit der Gebärde nach der Stirn) Ja, so. (beruhigend zu Klapproth) Ja, ja, die sollen Sie haben, nächstens reden wir —

KLAPPROTH: Unsinn, ich bitte ja für meinen Neffen darum.

SCHÖLLER: Mir auch recht!

18. Auftritt

DIE VORIGEN  BERNHARDY  FRANZISKA  (dann) AMALIE  FRIEDERIKE  IDA

 

BERNHARDY (ZU Ulrike): Gnädige Frau, ich bitte Sie um die Hand Ihrer Tochter Franziska.

KLAPPROTH (für sich): Er ist vernünftig und heiratet trotzdem? Unbegreiflich!

AMALIE (ZU Friederike, auf Alfred deutend): Also der ist's?

FRIEDERIKE: Natürlich ist’s der Neffe und nicht der Onkel!

KLAPPROTH: Somit haben wir also zwei Liebespaare?

SCHÖLLER (verblüfft): Ja, zum Donnerwetter, Sie scheinen ja doch ganz vernünftig zu sein.

KLAPPROTH: Sie haben mich für verrückt gehalten? Na, da sind wir ja quitt. Aber jetzt zu Tisch, meine Herrschaften, dort werde ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, die mir passiert ist.

ALLE: Wo denn?

KLAPPROTH: In der Pension Schöller!



[1] Ausgestopften natürlich.

 

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