ERSTER AUFZUG
ERSTER AUFTRITT
Frau Pernelle. Elmire. Marianne. Cléante. Damis. Dorine. Flipote.
Fr a u P e r n e l l e.
Wir gehn, Flipote! Ich mag mich nicht mehr streiten.
E l m i r e.
Kaum halt ich Schritt mit Ihnen.
F r a u P e r n e l l e.
Liebes Kind, erspar dir ruhig diese Förmlichkeiten, die doch nur
leere Flausen sind.
E l m i r e.
Man tut, was sich gehört. Doch darf ich fragen,
was Sie, Frau Mutter, plötzlich so verstimmt?
Fr a u P e r n e l l e.
Wie soll man denn dies Treiben hier ertragen, wo keiner die
geringste Rücksicht nimmt? Ich muß mich freilich ausgetrieben
fühlen, stoß ich auf Widerspruch allüberall, denn jeder will
sein Mütchen an mir kühlen -:
das schnattert wie in einem Gänsestall!
D o r i n e.
Doch...
F r a u P e r n e l l e.
Du, mein Herzensschatz, bist keck und unverschämt - und bist
doch hier nur Magd!
Du steckst dein Näschen frech in jeden Dreck ...
Damis.
Ich...
F r a u P e r n e l l e.
Du?! Du bist ein Dummkopf, kurz gesagt. Als Großmutter darf ich
dies Wort wohl wagen. Stets hab ich deinem Vater prophezeit, du
würdest ganz aus der Familie schlagen und ihm nur Schande
bringen, Schimpf und Leid!
M a r i a n n e.
Ich glaube...
F r a u P e r n e l l e.
Sieh mal an: das Schwesterlein! Vor Schüchternheit wird es
tagtäglich blasser -
Jedoch man kennt sie ja, die >stillen Wasser<:
ich fall auf dies Getue nicht herein.
E l m i r e.
Ich muß Sie bitten, Mutter.
F r a u P e r n e l l e.
Sprich dich ruhig aus, geliebte Schwiegertochter! Leider muß ich
sagen, nichts hat mich so geärgert hier im Haus wie dein Skandal
erregendes Betragen! Du solltest Vorbild sein in Zucht und Scham,
wie's deine sel'ge Mutter war. Statt dessen wirfst du das Geld
hinaus für Modekram und kleidest dich verschwendrisch wie
Prinzessen! Will eine Frau nur einem Mann gefallen, braucht sie
nicht so viel Schleifen, Rüschen, Schnallen.
C l é a n t e.
Nach alledem ...
Fr a u P e r n e l l e.
Der Schwager meldet sich! Sie wissen, Herr, wie sehr ich Sie
verehre.
Doch wenn ich meines Sohnes Gattin wäre, bät' ich Sie
himmelhoch und flehentlich, sich möglichst selten bei uns
einzufinden, denn was Sie oft als Lebensweisheit künden, ist
Gift für Menschen mit geradem Sinn. Verwundert Sie's, daß ich
so offen bin?
Ich mach nun mal - bringt's Sturm auch in die Stube - aus meinem
Herzen keine Mördergrube!
D a m i s.
Ihr Herr Tartuffe ist wirklich zu beneiden!
F r a u P e r n e l l e.
Ein guter Mensch! Jawohl, den mag ich leiden! Drum werd ich
wütend und bin tief verletzt, wenn sich ein Narr wie du ihm
widersetzt.
D a m i s.
Zum Teufel! Soll ich's diesem Mucker gönnen, daß er uns alle
hämisch kujoniert und wir nicht mehr vergnüglich leben können,
wenn's dieser Kerl nicht gnädigst konzediert?!
D o r i n e.
Wenn man ihm glaubte, wenn er tobend eifert, käm' man sich wie
ein Schwerverbrecher vor, denn es gibt nichts, was dieser
Nörgler nicht begeifert!
F r a u P e r n e l l e.
Er tadelt euch mit Recht. Denn hoch empor zu himmelnaher
Gottesfürchtigkeit weist er die Pfade euch aus niedren Sphären.
Und deshalb wird mein Sohn es euch schon lehren, daß ihr ihn
achtet und ihm dankbar seid!
D a m i s.
Nie wird das sein! Nichts in der Welt kann mich - und auch mein
Vater nicht - ihm näherbringen! Ich gäb' mich selber auf,
versuchte ich, mich zu bezwingen und sein Lob zu singen. Drum seh
ich schwarz, denn früher oder später kommt es zum Krach mit
diesem Leisetreter!
D o r i n e.
Das ist's ja, was am meisten uns entrüstet, daß sich ein
fremder Kerl hier eingenistet! Als Bettler kam er an, die Schuh'
zerrissen, in Fetzen hing vom Leib sein schäb'ger Flaus -: und
der will nun von alldem nichts mehr wissen und Herr und Meister
sein im Haus!
F r a u P e r n e l l e.
Weiß Gott, es stände besser um die Welt, wollte sich jeder
seinen frommen Wünschen fügen!
D o r i n e.
Sie sind's allein, die ihn für heilig hält:
der ganze Kerl besteht ja nur aus lauter Lügen!
F r a u P e r n e l l e.
Schweig, Lästermaul!
D o r i n e.
Er und das Diebsgesicht von Diener sind mir nicht geheuer.
F r a u P e r n e l l e.
Wer dieser Diener ist, berührt mich nicht, jedoch für ihn leg
ich die Hand ins Feuer. Kein Wunder, daß er euch nicht sehr
behagt, weil er euch rücksichtslos die Wahrheit sagt! Als Gottes
echter Streiter und Verkünder sieht er in euch mit Recht nur
arme Sünder.
D o r i n e.
Nun gut. Doch warum dürfen wir in letzter Zeit nicht mal den
harmlosesten Gast empfangen?
Muß er um unser Seelenheil so bangen, daß er sofort Alarm
schlägt, tobt und schreit -?
Warum wohl, meinen Sie, nimmt er das gar so wichtig? Mit scheint,
der gute Mann ist
(auf Elmire deutend) eifersüchtig -!
F r a u P e r n e l l e.
Halt deinen Mund! Erst denken und dann reden. Der wilde Trubel
hier verärgert jeden. So viel Besuche bringen Scherereien, es
drängen sich die Wagen vor dem Tor, trepp auf, trepp ab das
Lärmen der Lakaien - das kommt den Nachbarn arg verdächtig vor.
Und wenn auch keiner etwas Böses tut: man spricht darüber - und
das ist nicht gut.
C l é a n t e.
Sie wollen, gnäd'ge Frau, die bösen Zungen der lieben
Nachbarschaft zum Schweigen bringen? Das ist noch niemand auf der
Welt gelungen und wird auch Ihnen, fürcht ich, nicht gelingen.
Sonst müßte man, um kein Gerücht zu nähren, dem besten
Freunde kalt den Rücken kehren. Nichts gibt's, was gegen Neid
und Mißgunst schützt, und blöder Klatsch blüht auf in allen
Gassen, doch wenn man selbst ein reines Herz besitzt, kann man
die Leute ruhig reden lassen.
D o r i n e.
Die erste, die uns in den Mund der Leute brachte, war Daphne,
unsre gute Nachbarin. Weil jeder sie und ihren Mann verlachte,
ward sie aus Rachsucht zur Verleumderin. Und so was lauert nun
mit scheelen Augen auf jeden Ausdruck einer kleinen Zärtlichkeit
und jeden Blick, um daraus sprungbereit das Gift für ein
Skandälchen sich zu saugen! Denn durch dies unentwegte
Spötteln, Sticheln, Hetzen glaubt man sich selbst in bestes
Licht zu setzen; und kann man sich auch Achtung nicht
erschleichen, indem man andrer Ehrenschild zerbeult, so kann man
dadurch wenigstens erreichen, daß man den schlechten Ruf mit
andren teilt.
F r a u P e r n e l l e.
Sprach ich von Daphne? Also gut, dann laßt Orantes stilles,
gotterfülltes Leben euch Vorbild sein! Und der sind tief
verhaßt die Dinge, die sich hier im Haus begeben.
D o r i n e.
Ein wirklich gutes Beispiel! Diese Frau ist in der Tat ein
leibgewordner Psalter! Nur senkte leider erst das hohe Alter auf
ihre Seele diesen Himmelstau - - Man weiß, daß sie mit ihrer
Gunst nicht geizte, solang sie jung war und die Männer reizte:
doch als ihr Mündchen nicht mehr rund und rot war und auch die
Augen ihren Glanz verloren, entsagte sie - der Weisheit tief
verschworen - still einer Welt, für die sie längst schon tot
war. Das ist galanter Frauen Los auf Erden, daß die Verehrer
eines Tags entschwinden:
und sind sie dann allein mit ihren Sünden, bleibt ja den
Ärmsten nichts als fromm zu werden. Nun paukt man Sitte und
Moral nach Noten -nichts ist erlaubt, und alles ist verboten! Man
lästert, spioniert und spinnt Intrigen und sieht nur
Schlechtigkeit bei Frau und Mann, denn ungern gönnt man andren
ein Vergnügen, das man sich selber nicht mehr leisten kann.
Frau Pernelle. (zu Elmire).
Nur dir zuliebe redet sie das Blaue vom Himmel runter, Kind! Und
ich muß dazu schweigen. Doch wenn auch das schlaue mundfert'ge
Fräulein noch so meisterlich aufs Reden sich versteht, will ich
zum Schluß auch einmal sagen, was gesagt sein muß:
Das Klügste, schwör ich, was mein Sohn je tat, war, daß er
diesen frommen Menschen bat, bei uns zu bleiben -: ihn, den Gott
uns schickte, um euch verirrte Schäfchen zu bekehren! Und wenn
er tadelnd in den Staub euch drückte, sollt ihr nur um so
williger auf ihn hören, denn euere Empfänge, Bälle,
Plauderstunden hat sicherlich der Satan selbst erfunden. Wann
hörte man da je ein frommes Wort? Nur Singsang, Tändelei und
Schlüpfrigkeiten! Und ein vernünft'ger Mensch schleicht still
sich fort, denn langsam will ihm der Verstand entgleiten, nimmt
man das Große klein, das Kleine wichtig. Erst gestern sagte ein
Gelehrter mir sehr richtig:
»Hier geht's ja zu wie einst beim Turm zu Babel, denn jeder
wetzt nach Herzenslust den Schnabel!« Und die Bemerkung hat er
nur gemacht, weil ... (auf Cléante deutend)
seht mir doch den Herrn da an -: er lacht! Wenn ihr Hanswurste
braucht, laßt andre springen! (Zu Elmire.) Ich schweige jetzt
und gehe. Schluß und aus!
Das aber sag ich euch: mich bringen zehn Pferde nicht mehr hier
in dieses Haus!
(Gibt Flipote eine Ohrfeige.)
Was stehst du da und hältst Maulaffen feil?! Beim güt'gen Gott,
du kriegst heut noch dein Teil! Marsch, alte Schlampe, raus!!
(Alle ab außer Cléante und Dorine.)
ZWEITER AUFTRITT
Cléante. Dorine.
C l é a n t e.
Ich halte mich zurück, sonst fängt sie draußen nochmal damit
an, die gute alte Frau -
D o r i n e.
Sie haben Glück, daß sie die Worte nicht mehr hören kann,
sonst setzte sie sich wild zur Wehr und schrie: »Wie? Ich - ein
altes Weib?! Viel eher Sie!«
C l é a n t e.
Wie schade, daß sie gegen uns so bitter und so hart ist, nur
weil sie in Tartuffe wie blind vernarrt ist!
D o r i n e.
Und doch ist alles nur ein kleiner, dummer Spaß an ihrem Sohn
gemessen! Wenn Sie den erst sähen, Sie könnten diese Welt nicht
mehr verstehen. Ein Mann, der früher Mut und Stolz besaß, ist
plötzlich wie von wüstem Wahn umfangen, seit er dem Lumpenkerl
ins Garn gegangen:
er nennt ihn Bruderherz, möcht ihn am liebsten küssen, und
tanzt vor ihm wie ein verliebter Pfau - und über seinen
zärtlichen Ergüssen vergißt er Mutter, Tochter, Sohn und Frau!
Nur ihm vertraut er alle Heimlichkeiten und läßt sich wie ein
Schulbub von ihm leiten. Bei Tisch gehören ihm die besten
Bissen, und frißt er dann für sechse, freut er sich, schiebt in
den feisten Rücken ihm ein Kissen, und wenn er schließlich
rülpst, sagt er: »Gott schütze dich!« Er ist total verrückt
nach ihm, er betet ihn an und nimmt als höchste Seelennahrung,
was er an Albernheiten austrompetet, und was er tut, gilt ihm als
Offenbarung. Der aber weiß die Karten schlau zu mischen und ihm
sein Lügensüppchen aufzutischen. Und während er das Geld ihm
stiehlt, ergeht er sich gegen uns in Sittlichkeitsgezeter! Sogar
der Frechling, der bei ihm den Diener spielt, belästigt uns mit
seinen weisen Lehren und will, indes er tückisch nach uns
schielt, uns Schminke, Wangenrot und Pflästerchen verwehren.
Erst gestern hat der Lump ein neues Seidentuch mit frecher Hand
in Stücke mir gerissen, als er's in meinem kleinen Predigtbuch
als Lesezeichen fand -: ich müßte wissen, schrie er, man dürfe
derlei Satansschlingen mit Heiligem nicht in Berührung bringen!
DRITTER AUFTRITT
Elmire. Marianne. Damis. Cléante. Dorine.
E l m i r e. (mit Marianne und Damis zurückkommend zu
Cléante).
Sei froh, daß du nicht mitgingst, denn sie fing kurz vor der
Tür nochmal von vorne an. Dann aber sah ich meinen Mann aufs
Haus zukommen, als sie endlich ging. Und da er mich anscheinend
nicht gesehen, will ich, bis er mich ruft, nach oben gehen.
C l é a n t e.
Dann muß ich also deine Sünden büßen und ihn erwarten, um ihn
zu begrüßen -
(Elmire mit Marianne ab.)
D a m i s. (zu Cléante).
Benutzen Sie die günstige Minute, um ihm mal kräftig auf den
Zahn zu fühlen, wie es mit Mariannes Hochzeit steht -: der gute
Tartuffe scheint mir auch da zu hetzen und zu wühlen und meinem
Vater unentwegt im Ohr zu liegen, um diese Heirat wieder
abzubiegen!
Sie wissen ja, ich spreche auch für mich, denn wie Marianne und
Valère sich lieben,
so fühle zu des Freundes Schwester ich mit aller Herzensglut
mich hingetrieben.
D o r i n e.
Er kommt!
(Alle ab außer Cléante und Dorine.)
VIERTER AUFTRITT
Orgon. Cléante. Dorine.
O r g o n. (eintretend).
Mein lieber Schwager, welches Glück, Sie hier zu treffen!
C l é a n t e.
Ja, ich wollte grade gehen - Es freut mich sehr, vom Ausflug Sie
zurück und wohl und munter wieder hier zu sehen. War's draußen
nicht noch reichlich kühl im Freien?
O r g o n. (zu Dorine).
Dorine!
(Zu Cléante.)
Lieber Schwager, Sie verzeihen, daß ich als Hausvater zunächst
mal frage, was hier geschehn ist während der zwei Tage, die ich
verreist war ...
(Zu Dorine.)
Also sprich dich aus:
wie geht's - wie steht's? Ist alles wohl im Haus?
D o r i n e.
Die gnäd'ge Frau war leider ernstlich krank:
sie hatte ziemlich hohes Fieber und ...
O r g o n. (sie unterbrechend).
Und Herr Tartuffe?
D o r i n e.
Na, dem geht's Gott sei Dank vorzüglich. Dick und fett und
kerngesund!
O r g o n.
Der Gute!
Do r i n e.
Abends war es Ihrer Frau unmöglich, etwas zu essen, weil sie
schrecklich litt.
Ihr Kopfweh wurde schließlich unerträglich -
O r g o n.
Und Herr Tartuffe?
D o r i n e.
Der aß mit gutem Appetit zwei Rebhühner mit Kraut und drauf in
frommer Eile noch ein gewalt'ges Stück gehackter Hammelkeule.
O r g o n.
Der Gute!
D o r i n e.
Ihre Frau hat in der ganzen Nacht vor Schmerzen kaum ein Auge
zugemacht. Das Fieber stieg - wir waren sehr in Sorgen und
wachten bei ihr bis zum frühen Morgen.
O r g o n.
Und Herr Tartuffe?
D o r i n e.
Der fühlte nach dem Essen sich wohlig müde, kroch ins warme
Bettchen und schlief laut schnarchend fest und traumvergessen bis
in den hellen Morgen wie ein Frettchen.
O r g o n.
Der Gute!
D o r i n e.
Ganz zum Schluß hat Ihre Gattin doch unsrem Wunsch nach einem
Aderlaß entsprochen, und der hat dann des Fiebers Kraft
gebrochen -
O r g o n.
Und Herr Tartuffe?
D o r i n e.
Der süße Schlummer hat ihn erquickt. Jedoch um sich noch mehr
zu stählen zum harten Kampf um unsre armen Seelen und um das
Blut, das Ihre arme Frau verloren, rasch aufzufüllen, trank er
ganz allein zum ersten Frühstück schon zwei Flaschen Wein!
O r g o n.
Der Gute!
D o r i n e.
Beide fühlen sich wie neugeboren. Nun aber will ich Sie nicht
länger stören, denn Ihre Gattin wird es sicher gerne hören,
welch tiefen Eindruck es auf Sie gemacht hat daß sie die Nacht
so qualvoll zugebracht hat - (Rasch ab.)
FÜNFTER AUFTRITT
Orgon. Cléante.
C l é a n t e.
Das Mädchen macht sich lustig über Sie, lacht Ihnen einfach
offen ins Gesicht! Doch - nichts für ungut, lieber Schwager -
hat sie nicht im Grunde recht mit ihrer Ironie? Sie treiben
wirklich dieses Spiel zu weit. Wie kann man blindlings sein und
andrer Leben so in die Hände eines Fremden geben! Soll dieser
Mann, den Sie aus tiefster Not befreit, nun gar ...
O r g o n.
Nur sachte, Schwager, nicht den Mund verbrennen! Sie reden über
einen, den Sie gar nicht kennen.
C l é a n t e.
Persönlich kenne ich ihn freilich nicht. Indessen nehm ich, nach
allem, was ich hörte, an ...
O r g o n.
Mein lieber Schwager, kennten Sie den Mann, Sie würden auch die
Welt um sich vergessen!
Das ist ein Mensch! Ein Mensch!! Ein Mensch schlechthin! Wer an
ihn glaubt, hat ewigen Gewinn und findet hier schon seinen
Seelenfrieden, denn einen Pfifferling gilt ihm die Welt
hienieden. Ich bin, seit er in meinen Lebenskreis getreten, ein
andrer Mensch geworden - er hat mich gelehrt, die weltlichen
Gefühle abzutöten und alles, was den innren Frieden stört.
Heut könnt' ich Frau und Kinder sterben sehen und dazu lächeln,
als sei nichts geschehen!
C l é a n t e.
Das ist der Gipfel wahrer Menschlichkeit! -
O r g o n.
Sie hätten auch - wie ich - den Augenblick gesegnet, in dem Sie
diesem Gottesmann begegnet! Tagtäglich kam er, stets zur
gleichen Zeit, zum Gottesdienst und ließ sich still und bieder
mir gegenüber auf die Knie nieder.
Fast allen fiel es auf, mit welch inbrünst'ger Lust er Gnade und
Barmherzigkeit erflehte - er seufzte ächzend, schlug sich an die
Brust und warf sich hart zu Boden im Gebete! Und wenn ich ging,
stand er schon an der Tür und reichte still geweihtes Wasser
mir. Von seinem Knecht, der ihn in allem sich zum Vorbild nimmt,
erfuhr ich dann am Ende, daß sich sein Herr in großer Not
befände, und steckte ihm was zu gelegentlich. Er aber wies mit
demutvollem Blick bescheiden einen Teil des Gelds zurück:
»Zuviel!« rief er, »die Hälfte wär' zuviel! Womit verdien
ich denn Ihr Mitgefühl?!« Und gab vor meinen Augen
selig-heiter, was ich nicht nahm, an andre Arme weiter. Doch seit
ich ihn ins Haus genommen habe, lohnt mir der Himmel vielfach
jede Gabe, denn alles tadelt er geflissentlich und intressiert
sich selbst für meine Frau -:
wenn wer ihr schöne Augen macht, weiß er's genau und ist
beinahe eifersüchtiger als ich! Sie glauben nicht, wie
feinfühlig er ist, welch beinah lächerliche Kleinigkeiten dem
frommen Mann Gewissensqual bereiten! Erst gestern klagte er, er
sei ein schlechter Christ, weil er im Jähzorn einen Floh
zerdrückte, der während des Gebets ihn böse zwickte -!
C l é a n t e.
Zum Teufel, Schwager, sind Sie denn von Sinnen? Das kann doch
nicht Ihr Ernst sein -? Aber sei's, wies sei: wir müssen endlich
mal damit beginnen ...
O r g o n.
Sie sind ein Freigeist, Schwager. Ja, ich weiß, daß da bei
Ihnen manches nicht ganz stimmt. Und weil das meist ein böses
Ende nimmt, bat ich Sie oft schon, sich den Mund nicht zu
verbrennen.
C l é a n t e.
Wie traurig ist's, daß Menschen Ihrer Art nie ruhig-sachlich
debattieren können!
Blind muß man sein. Wer den Verstand sich wahrt und nicht auf
jeden faulen Zauber reinfällt, ist ein Freigeist oder gar der
Antichrist!
Ihr Drohen macht die Hölle mir nicht heiß. Ich weiß schon, was
ich rede. Und Gott weiß, wie ich es meine. Und so sage ich:
Es gibt viel falsche Frömmigkeit und falsches Heldentum, und wie
die echten Helden ihren Ruhm nicht ausposaunen, scheuen echte
Christen sich, mit ihrer Frömmigkeit zu paradieren und sie wie
Possenreißer vorzuführen. Sind denn Gottgläubigkeit und
Frömmlerei für einen Mann wie Sie nicht zweierlei?! Gilt Ihnen
die verlogne Maske mehr als eines ehrlichen Gesichtes Klarheit?
Lockt Sie ein abgefeimtes Spiel so sehr, daß Ihnen Lüge lieber
ist als Wahrheit? Ob nicht bei dem viel eher was nicht stimmt,
der falsches Geld für bare Münze nimmt? Gott, sind die Menschen
komisch! Keiner wagt sich so zu geben, wie er wirklich ist, und
jeder wird als Ketzer angeklagt, der diese Welt mit nüchternem
Verstande mißt!
Nichts darf in den gegebnen Grenzen bleiben - selbst wenn das
beßre Ich aus einem spricht, muß man's ins Ungemeßne
übertreiben, denn sonst genügt's der innren Hoffart nicht! -
Verzeihn Sie diese kleine Randbemerkung -
0 r g o n.
Sie war mir eine wahre Herzensstärkung, verehrter Schwager! Ja,
Sie sind ein Mann, von dem man tausend Dinge lernen kann!
Sie sind ein Cato unsrer Zeit! Sie lassen die tiefsten
Offenbarungen verblassen! Und Ihnen gegenüber müssen ja wir
kleinen, einfachen Menschen mehr als dumm erscheinen -
C l é a n t e.
Ich bin nicht weise, lieber Schwager, ich bin auch nicht stolz
auf meinen Doktorhut:
nur streng zu unterscheiden müh ich mich, was echt ist und was
falsch, was schlecht ist und was gut Kein Heros alter oder neuer
Zeit gilt mehr mir als ein wahrhaft frommer Mann, und höchster
Weltruhm reicht mir nicht heran an tiefdurchglühte echte
Gläubigkeit. Das aber sind für mich nicht leere Worte, und
darum ist mir nichts verhaßter als die Sorte frömmelnder
Scharlatane, die auf offner Gasse mit gotteslästerlich
verlogener Grimasse frech ihren Spott mit Dingen treiben, die uns
anderen das Heiligste bedeuten, denn es ist höchster
Diebstriumph für sie, den wahren Gottesglauben auszubeuten. Sie
würdigen die Frömmigkeit herab zur Handelsware, mit der man Amt
und Würden sich erschleicht:
mit triefend frommen Reden öffnet man sich leicht den Weg zum
Wohlstand, der für dieses sonderbare Gesindel ja der Weg zum
Himmel ist - er heißt: verdienen! Da fällt's nicht schwer, mit
gleisnerischen Mienen Gott anzuflehen und sich zu kastein, wenn
man sogar bei Hofe damit Gunst gewinnen kann! Falsch sind die
Frömmler, käuflich und mit allen Hunden gehetzt - und darum
leider auch gefährlich. Denn widersetzt sich einer ihnen
ehrlich, ist ein probates Mittel rasch gefunden, um diesen
Widersacher mit geweihten Waffen, die keine Gegenwehr erlauben,
aus dem Weg zu schaffen. Kaltblütig mordet man den bösen Feind,
indem man »Gott« sagt - und sich selber meint. Dies
Heuchlerpack macht überall sich breit, doch Gott sei Dank gibt's
auch in unsrer Zeit noch Menschen, die als Vorbild wahrhaft guten
Lebens uns allen durch ihr Tun und Lassen dienen können. Ich
brauche ihre Namen nicht zu nennen -:
Sie kennen Sie. Da wartet man vergebens auf eitler
Selbstverherrlichung Fanfaren und schwülstig aufgeblähte Reden!
Denn diese herzensfrommen Menschen sind und waren sich immer
selbst genug und lassen jeden nach seiner Art sein eignes Leben
führen, ohne zu tadeln und zu korrigieren, weil sie's als
Überheblichkeit empfinden, dem Nebenmenschen alle kleinen
Sünden hochmütig vorzuwerfen. Einzig durch ihr eignes Leben
versuchen sie, ein Beispiel uns zu geben. Nie halten einen andren
sie für schlecht, von dem man Schlechtes redet, denn ihr Denken
ist rein. Und weil sie duldsam sind und streng gerecht,
verschmähen sie es, bösem Klatsch Gehör zu schenken. Selbst
einwandfrei zu leben ist ihr höchstes Ziel. Sie sehn in allen
Menschen Gottes Kinder:
die Sünde hassen sie, doch nicht die Sünder, und sind erfüllt
von tiefem Mitgefühl. Drum fordern sie Gehorsam gegenüber
Gottes Willen nur insoweit, als sie ihn selbst erfüllen. Das
sind die Menschen, die ich liebe. Die uns allen Vorbild sind auch
ohne große Worte. Doch Ihr Tartuffe ist nicht von dieser Sorte.
Blindgläubiges Vertrauen nur verleitet Sie, dem Mann zu glauben.
Wie von Wahn umnebelt stehn Sie da!
0 r g o n.
Sind Sie nun endlich fertig, lieber Schwager?
C l é a n t e.
Ja.
0 r g o n. (sich zum Gehen wendend).
Auf Wiedersehn.
C l é an t e.
Halt! Laufen Sie nicht fort!
Wir wollen die Debatte unterbrechen und lieber jetzt von andren
Dingen sprechen -:
Valère erhielt Ihr väterliches Wort als Bräutigam und
künft'ger Schwiegersohn -?
O r g o n.
So ist's.
C l é a n t e.
Sie haben ja auch schon den Tag des Hochzeitsfestes festgesetzt -
O r g o n.
Gewiß.
C l é a n t e.
Warum verschiebt man diese Feier jetzt?
O r g o n.
Ich weiß nicht.
C l é a n t e.
Sollten's etwa neue Pläne sein -?
O r g o n.
Vielleicht.
C l é a n t e.
Sie brächten's über sich, Ihr Wort zu brechen?
O r g o n.
Das sag ich nicht.
C l é a n t e.
Dann lösen Sie doch Ihr Versprechen, das Sie Valère gegeben
haben, ein!
O r g o n.
Wenn es sich machen läßt ...
C l é a n t e.
Warum dies Hin und Her? Ein einz'ges klares Wort genügt mir,
denn Valère bat mich als Freund, Sie deshalb zu befragen.
O r g o n.
Das walte Gott!
C l é an t e.
Und was soll ich ihm sagen?
O r g o n.
Was Ihnen gut scheint.
C l é a n t e.
Nein, wir müssen nun eindeutig wissen, was Sie wollen!
O r g o n.
Immer das nur tun, was Gottes Wille ist. (Will gehen.)
C l é an t e.
Halt! Ehrlich ins Gesicht:
Sie gaben ihm Ihr Jawort - gilt es oder nicht?
O r g o n.
Auf Wiedersehn! (Geht rasch ab.)
C l é a n t e. (allein).
Verteufelte Geschichte!
Mir scheint es um das Glück Valères nicht gut zu stehen -
Jedoch, was hilft's? Ich muß nun zu ihm gehen,
daß ich ihm alles schonungslos berichte -
ZWEITER AUFZUG
ERSTER AUFTRITT
Orgon. Marianne.
O r g o n.
Marianne!
M a r i a n n e.
Vater -?
O r g o n.
Komm zu mir, mein Kind. Ich möchte mit dir reden - aber im
Vertrauen.
(Er öffnet vorsichtig die Tür zu einem kleinen Nebenzimmer im
Hintergrund, schaut hinein und schließt sie wieder.)
M a r i a n n e.
Was suchen Sie?
O r g o n.
Ich wollte nur mal schauen, ob wir hier ohne unliebsame Zeugen
sind, denn diese Kammer ist für Lauscher wie gemacht.
(Auf Marianne zugebend.)
Wir sind allein, Marianne. Gib gut acht, was ich dir sage. Immer
hab ich dich bis jetzt als gutes, folgsames und braves Kind
geschätzt.
M a r i a n n e.
Für Ihre Liebe, Vater, schuld ich Ihnen kindlichen Dank.
O r g o n.
Das ist sehr schön gesagt. Doch um die Liebe wirklich zu
verdienen, mußt du auch alles tun, was mir behagt.
M a r i a n n e.
Das scheint mir meiner Pflichten Inbegriff.
O r g o n.
Bravo, mein Kind! Was sagst du zu Tartuffe?
M a r i a n n e.
Wer? Ich?!
O r g o n.
Ja, du. Doch überleg es dir genau.
M a r i a n n e.
Ach Gott, ich sage, was Sie gerne hören -
ZWEITER AUFTRITT
Orgon. Marianne. Dorine.
D o r i n e. (tritt unbemerkt ein und verbirgt sich hinter
Orgon).
0 r g o n.
Ein kluges Wort, mein Kind. Dann sage mir, daß er ein Mann ist,
den man hoch verehren und lieben muß. Gesteh mir ruhig, daß du
dich in ihn verliebt hast und nichts brennender dir wünscht auf
Erden, als eines solchen Mannes Frau zu werden. Nun?
M a r i a n n e. (erschrocken zurückweichend).
Ich -?!
O r g o n.
So sprich dich aus!
M a r i a n n e.
Wie, bitte?
O r g o n.
Sprich!
M a r i a n n e.
Ich hab mich wohl verhört?
O r g o n.
Wieso?
M a r i a n n e.
Von wem soll ich gestehen, daß ich mir nichts so wünsche hier
auf Erden, als eines solchen Mannes Frau zu werden -?
O r g o n.
Nun - von Tartuffe!
M a r i a n n e.
Nie - nie wird das geschehen! Weiß Gott, die Lüge wäre zu
abscheulich!
O r g o n.
Und trotzdem wird sie bald schon Wahrheit sein:
ich will es - und mein Wille sei dir heilig.
M a r i a n n e.
Sie wollten wirklich, Vater?
O r g o n.
Diese Ehe ist mir ein willkommnes Mittel, um Tartuffe an uns zu
binden. Punkt. Streusand drauf. Das Weitre wird sich finden. Und
da du einverstanden bist ...
(Er bemerkt Dorine.) Wo kommst du her?
Dich kitzelt wohl die Neugier gar zu sehr, daß du hier
spionieren mußt, mein Schatz -?
D o r i n e.
Wahrhaftig, Neugier scheint mir hier am Platz, denn ganz durch
Zufall ist mir eben was von einem Heiratsplan zu Ohr gekommen.
Doch selbstverständlich habe ich den dummen Spaß auch nicht
für ein Minütchen ernst genommen.
O r g o n.
Warum? Was ist daran so unwahrscheinlich?
D o r i n e.
Der Spaß ist doch zu albern und zu peinlich.
Und sagten Sie es selbst mir ins Gesicht, ich lachte nur und
glaubte Ihnen nicht!
O r g o n.
Verlaß dich drauf, daß du es glauben lernst!
D o r i n e.
Sie wollen uns mit kleinen Scherzen necken -
O r g o n.
Du wirst den tiefren Sinn sehr bald entdecken.
D o r i n e.
Ach Unsinn!
O r g o n. (zu Marianne).
Kind, es ist mein voller Ernst!
D o r i n e.
Ihr Vater will mit uns sein Späßchen treiben!
O r g o n.
Ich sage dir...
D o r i n e.
Und wenn Sie noch so ernsthaft bleiben, ich glaube Ihnen nichts.
O r g o n. (wütend).
Du freches Frauenzimmer!
D o r i n e.
Nun gut, dann glauben wir's - für Sie nur um so schlimmer!
Ist es denn möglich, daß ein kluger Mann mit ausgewachsnem
Barte im Gesicht so kindische Ideen haben kann?!
O r g o n.
Nimm dich in acht! Denn länger duld ich's nicht, daß du dir
Frechheiten erlaubst, die mir und allen seit längrer Zeit schon
auf die Nerven fallen.
D o r i n e.
Nur ruhig, Herr Orgon, warum so böse Worte? Sie springen gern
den Menschen ins Gesicht. Doch Ihre Tochter paßt nun einmal
nicht zu einem Frömmler dieser Sorte! Sie hat an andre Pflichten
noch zu denken - Und was bezwecken Sie mit diesem Ehebund? Sie
sind doch reich - warum Ihr Kind verschenken an einen Bettler?!
0 r g o n.
Hältst du endlich deinen Mund? Nennt er auch heute gar nichts
mehr sein eigen, ist er grad deshalb doppelt zu verehren. Vor
seiner Armut muß man sich verneigen, sie macht den Weg ihm frei
zu höhren Sphären! Er hat sein Hab und Gut ja nur verloren,
weil er, der kleinen Erdendinge satt und ganz der Ewigkeit
verschworen, sich darum gar nicht mehr gekümmert hat. Nun soll's
mit meiner Hilfe ihm gelingen, die Adelsgüter, die er fordern
kann, den unberechtigten Besitzern abzuringen. Er ist - damit
ihr's wißt - ein Edelmann!
D o r i n e.
Das sagt er Ihnen so. Nur - ich verstehe nicht, wie dieser
Dünkel zu der Demut paßt, die er zur Schau trägt! Wer im
Himmelslicht sich glaubensselig sonnen möchte, haßt die
Eitelkeiten dieser Welt. Und unbekannt ist ihm der Stolz auf
Abstammung und Stand. Was soll auf einmal diese Hoffart? Schön,
ich weiß, Sie mögen das nicht gerne hören. Ob Adel oder nicht,
soll uns nicht stören, wir wollen lieber auf ihn selber sehn:
bedenken Sie doch bitte, ob zu diesem Manne ein Mädchen paßt
wie Ihre Marianne -? Ein Vater darf nicht einzig seinen Vorteil
wahren, er muß doch auch die Möglichkeiten von Gefahren
voraussehn. Und mir ist um Ihre Tochter bang, zwingt man ihr
einen Gatten auf, den sie nicht liebt. Denn ob ein Eheweibchen
ehrbar bleibt ihr Leben lang, hängt von dem Manne ab, den man
ihr gibt! Macht man bei manchen Ehemännern die gewisse Geste
(sie deutet das Gehörntsein an), so ist der Mann meist selber
schuld daran, denn es gibt Männer, denen auch die beste,
sittsamste Ehefrau nicht treu sein kann! Wer seine Tochter einem
Mann gibt, den sie haßt, ist Gott verantwortlich für ihre
Sünden -:
graut Ihnen nicht vor der Gewissenslast?
O r g o n. (zu Marianne).
Die Kleine will mir Lebensweisheiten verkünden!
D o r in e.
Gut wär's, Sie schlügen sie nicht in den Wind!
O r g o n. (zu Marianne).
Was kümmert uns der Unsinn, liebes Kind. Ich als dein Vater kann
allein ermessen, was gut für dich ist. Freilich hat Valère mein
Jawort. Doch ich hörte jetzt, er war von böser Sucht zum
Glücksspiel ganz besessen. Und davon abgesehn hab ich gefunden,
daß er im Grunde doch ein Freigeist ist, den man beim
Gottesdienst sehr oft vermißt.
D o r i n e.
Er soll sich wohl zu ganz bestimmten Stunden dort - wie gewisse
andre Leute - zeigen,
die einzig hingehn, um gesehn zu werden -?
O r g o n.
Ich rede nicht mit dir. Du wirst nun schweigen!
(Zu Marianne.) Er aber ist der beste Mensch auf Erden mit all dem
Reichtum einer reinen Seele! Und wenn ich dich, mein Kind, mit
ihm vermähle, weiß ich, er wird an nichts mehr andres denken,
als dich zu lieben und dir Glück zu schenken. Kein Streit wird
sein, weil du ihm alles giltst! So werdet ihr, kindlichem Glück
ergeben, still-zärtlich wie zwei Turteltauben leben - und du
kannst aus ihm machen, was du willst.
D o r i n e.
Dann wird sie einen Hahnrei aus ihm machen!
O r g o n.
Pfui, was für Worte!
D o r i n e.
Mir sieht's ganz so aus, als hätte er als Ehemann im Haus trotz
Mariannes Tugend nichts zu lachen.
O r g o n. (zu Dorine).
Hör endlich auf, mich ständig hier zu stören und dich in Dinge
einzumischen, die dich gar nichts angehn!
D o r i n e.
Ja, wenn Sie's nicht wären, Herr Orgon! Alles tu ich nur für
Sie!
O r g o n.
Zu freundlich. Doch jetzt, rat ich dir, sei still!
D o r i n e.
Ich liebe Sie!
O r g o n.
Und wenn ich das nicht will?
D o r i n e.
... muß ich Sie gegen Ihren Willen lieben.
O r g o n.
Das ist denn doch...
D o r i n e.
Ich gebe treulich acht, daß nicht ein Schelm Sie sich gefügig
macht, des Hauses fleckenlosen Ruf zu trüben.
O r g o n.
Wirst du nun schweigen?
Do r i n e.
Unverantwortlich wär's, ließe ich Sie blind ins Unglück
rennen.
O r g o n.
Du Schlangenbrut! Kein Wort mehr - oder ich ...
D o r i n e.
Ein guter Christ muß sich bezähmen können.
O r g o n.
Weiß Gott, jetzt läuft mir doch die Galle über! Darum zum
letzten Mal: halt deinen Mund!
Do r i n e.
Gut denn. Ich schweige. Und ich denk mir lieber mein Teil.
O r g o n.
Denk, was du magst. Doch noch ein Wörtchen - und...
(Wendet sich wieder zu Marianne.)
Als Mann von Welterfahrung, Marianne, überblicke ich alle Dinge
klarer.
D o r i n e. (für Sich).
Ich ersticke, wenn ich nicht reden kann -
(Sie verstummt rasch, als Orgon sich ihr zuwendet.)
O r g o n. (zu Marianne).
Tartuffe ist doch als Mann - wenn auch kein Weiberheld - so doch
...
D o r i n e. (für sich).
Ein Scharlatan!
O r g o n.
... so wertvoll, daß man ihn auch ohne heiße Liebesschwüre
allein des innren Reichtums wegen ...
(Er wendet sich Dorine zu und betrachtet sie herausfordernd mit
über die Brust gekreuzten Armen.)
D o r i n e.
Na, ich gratuliere! Doch machte man die Hölle mir so heiß und
gäb' mich einem ungeliebten Mann zu eigen, wollt' ich es dem
gleich nach der Hochzeit zeigen, daß eine Frau sich auch zu
rächen weiß!
O r g o n. (zu Dorine).
Dir kann, scheint's, mein Verbot nicht imponieren -?
D o r i n e.
Wieso? Ich rede nicht mit Ihnen.
O r g o n.
Na, was dann?
D o r i n e.
Kann ich nicht mit mir selbst Gespräche führen?
O r g o n.
Jetzt hat es zwölf geschlagen! Solcher Frechheit kann man nur
noch handgreiflich begegnen -
(Er bereitet sich vor, ihr eine Ohrfeige zu geben, aber jedesmal,
wenn er ihr während des folgenden Dialogs einen lauernden Blick
zuwirft, macht Dorine ein völlig unbeteiligtes Gesicht und
schweigt. Zu Marianne.)
Mein liebes Kind, du wirst den Tag noch segnen... an dem ich
dir... den Mann erwählt ... den du ... (Zu Dorine.) Du sagst ja
nichts -?
D o r i n e.
Ich hab mir nichts zu sagen.
O r g o n.
Ein Wörtchen nur -!
D o r i n e.
Ich wüßte nicht, wozu
O r g o n.
Ich gebe acht!
D o r i n e.
Der Teufel müßt' mich plagen.
O r g o n. (zu Marianne).
Nun denn, mein Kind, du wirst gehorsam sein und meine Wünsche
demütig erfüllen.
D o r i n e. (fortlaufend).
Wenn ich's wär', sagt' ich nein - und zehnmal nein!! (Ab.)
O r g o n. (hat Dorine eine Ohrfeige versetzen wollen, aber sein
Ziel verfehlt).
Was für ein Satansweib - um Gottes willen! -hast du da um dich,
Marianne! Ich versündigte mich noch an ihr, träf' ich sie
wieder. Wir reden später weiter, Kind. Zu sehr hat mich ihr
Widerspruch erregt - mir zittern alle Glieder! Ich muß mich erst
in frischer Luft ergehen und mich beruhigen. Auf Wiedersehen!
(Ab.)
DRITTER AUFTRITT
Marianne. Dorine.
Do r i n e. (wieder hereinkommend).
Hat's Ihnen denn die Sprache ganz verschlagen, daß ich hier Ihre
Rolle spielen muß? Sie hören sich den hirnverrückten Redefluß
geduldig an - und wissen nichts zu sagen?
M a r i a n n e.
Was soll ich tun, wenn mich mein Vater zwingt?
D o r i n e.
Alles, um der Gewalttat zu entgehen.
M a r i a n n e.
Das wäre-?
D o r i n e.
Geben Sie ihm zu verstehen, daß man zwar gern für seine Liebe
Opfer bringt, doch nicht um andrer Wünsche zu erfülln. Daß Sie
nur einen Mann um Ihretwillen heiraten wollen - und nicht
seinetwegen, und daß Sie drum den größten Wert drauf legen,
daß Ihnen dieser Mann - und nicht nur ihm - gefällt. Und daß -
ist er auf seinen Herrn Tartuffe so toll, daß er ihn für die
Krone aller Schöpfung hält - er ihn gefälligst selbst heiraten
soll!
M a r i a n n e.
Mich hinderten Respekt und Mädchenscham, mit meinem Vater derart
umzuspringen -
D o r i n e.
Jetzt aber ruhig Blut vor allen Dingen! Valère ist schließlich
doch Ihr Bräutigam es fragt sich also, lieben Sie ihn oder
nicht?
M a r i a n n e.
Wie schrecklich ungerecht bist du zu mir, daß du mit ernsthaft
zweifelndem Gesicht
so fragen kannst, Dorine! Hab ich dir nicht hundertmal in
restlosem Vertrauen gezeigt, wie tief mein armes Herz in Not ist?
Do r i n e.
Auf Worte kann man keine Häuser bauen. Was weiß ich, ob die
Glut nicht längst verloht ist -
M a r i a n n e.
Dorine - du kannst zweifeln? Nein, wie häßlich! Wie oft hab ich
bei dir um ihn geweint -
D o r i n e.
Dann lieben Sie ihn also?
M a r i a n n e.
Unermeßlich!
D o r i n e.
Und er liebt Sie doch gleichfalls, wie mir scheint -?
M a r i a n n e.
Ich glaube, ja.
D o r i n e.
Und alle beide brennen Sie nur darauf, sich Mann und Frau zu
nennen?
M a r i a n n e.
Ach ja, Dorine.
D o r i n e.
Doch wie stehen Sie dann, frage ich, zu Ihres Vaters neuem
Heiratsplan?
M a r i a n n e.
Will er mich dazu zwingen, töt' ich mich.
D o r i n e.
An diesen Ausweg hab ich nicht gedacht. Sieh an, dies höchst
probate Mittel finde ich famos:
man stirbt ein bißchen - und ist alle Sorgen los! Weiß Gott,
vor Wut zerspringen könnte ich bei dem Geschwätz!
M a r i a n n e.
Warum so ärgerlich, Dorine? Lieber solltest du dich doch
erbarmen und tiefes Mitleid haben mit mir Armen.
D o r i n e.
Nicht einen Funken Mitleid habe ich mit Leuten, die so leicht
mürbe werden und mit Albernheiten auftrumpfen!
M a r i a n n e.
Sag, was soll ich tun? Ich habe Angst.
D o r i n e.
Wer wahrhaft liebt, hält stand in allen Dingen.
M a r i a n n e.
Halt ich nicht zu Valère, wie du's verlangst? Muß er nicht
Vaters Einverständnis sich erzwingen?
Do r i n e.
Aha! Jetzt trägt Ihr Bräutigam die Schuld daran, daß Ihr Herr
Vater ein vernarrter Starrkopf ist, den sein Tartuffe so um den
Finger wickeln kann, daß er sein fest gegebnes Wort vergißt.
M a r i a n n e.
Versteh mich doch: wenn ich mich gar zu heftig wehre, sieht
jeder, wie verliebt ich in Valère bin. Soll ich für ihn denn
meine Mädchenehre - wenn ich auch meiner Sinne kaum noch Herr
bin - aufopfern und - von meiner Kindespflicht zu schweigen -mein
nacktes Herz den Leuten schamlos zeigen -?
D o r i n e.
Sie haben recht: das geht nicht. Offenbar lockt Sie es doch ein
wenig, Frau Tartuffe zu werden - Wie unverantwortlich wär' es
von mir, das seh ich klar, wollt' ich durch Widerspruch den
schönen Plan gefährden. Mit welchem Recht behindere ich Sie?
Sie machen eine glänzende Partie! Der Herr Tartuffe - oho! - das
ist doch wer!
Ja, Herr Tartuffe ist, wenn man's recht betrachtet, kein Mann,
von dem man nicht recht weiß, woher -nein, er Ist überall
beliebt und hochgeachtet! Und seine Frau zu werden ist kein
kleines Glück. In seiner Heimatstadt kennt jeder ihn
persönlich. Auch äußerlich ist er nicht unansehnlich:
die Haut ist prall, das Öhrchen rot und dick! Mit einem Mann von
solchen Qualitäten wird jede gerne in die Ehe treten.
M a r i a n n e.
0 Gott!
D o r i n e.
Wie werden Sie sich zärtlich zeigen, ist dieser hübsche Mann
erst ganz Ihr eigen!
M a r i a n n e.
Hör bitte auf mit deinen bösen Witzen und hilf mir lieber, mich
zu schützen!
Ich tue alles, was du willst und was ich kann.
D o r i n e.
O nein, ein braves Kind muß folgsam sich bescheiden, und gäb'
der Vater einen Affen ihm zum Mann. Was wollen Sie? Sie sind doch
zu beneiden! Mit einer Postkutsche geht's rasch in seine
Heimatstadt, wo er viel liebe Tanten, Onkelchen und Vettern hat,
die sich schon lang auf Ihre Ankunft freun, denn alle wollen gern
von Ihnen unterhalten sein. Nun geht es in die große Welt: im
Sonntagsstaat machen Sie artig Ihre Pflichtvisiten, dann sind Sie
überall auch wohl gelitten bei Frau Finanzinspektor und Frau
Rechnungsrat, die Ihnen gnädigst einen Stuhl anbieten! Und
schließlich treibt der Karneval die tollsten Blüten:
da gibt es einen Ball mit Dudelsackmusik und manchmal gar ein
Marionettenstück! Und wenn dann auch Ihr Mann ...
M a r i a n n e.
Hör auf - du tötest mich! So hilf mir doch, dem Unglück zu
entgehen.
D o r i n e.
Auf Wiedersehn!
M a r i a n n e.
Dorine! Sieh, ich bitte dich
D o r i n e.
Sie haben's so gewollt - und drum wird's so geschehen.
M a r i a n n e.
Mein liebes Mädchen -
D o r i n e.
Nein.
M a r i a n n e.
Du weißt, mein Inbegriff...
D o r i n e.
Nichts da: Sie werden in den sauren Apfel beißen müssen.
M a r i a n n e.
Dich ließ ich immer alle meine Schmerzen wissen -
D o r i n e.
Hilft alles nichts: Sie werden Frau Tartuffe.
M a r i a n n e.
Nun gut. Läßt dich mein Schicksal völlig kalt, laß mich auch
hoffnungslos verzweifelt sein, denn die Verzweiflung gibt mir
schon ein Mittel ein, wie ich mich retten kann aus aller Welt
Gewalt! (Sie will gehen.)
D o r i n e.
Halt! Nicht so rasch! Ich bin schon wieder gut. Mit Ihnen muß
man trotzdem Mitleid haben.
M a r i a n n e.
Du weißt es nun: quält man mich bis aufs Blut, könnt ihr mich
vor der Hochzeit schon begraben.
D o r i n e.
Sie nehmen alles gleich so furchtbar schwer. Kommt Zeit, kommt
Rat! Doch sieh: da ist Valère!
VIERTER AUFTRITT
Valère. Marianne. Dorine.
V a l è r e.
Es wird da eine Neuigkeit herumgeschwätzt, die mich, mein
gnäd'ges Fräulein, staunen läßt -
M a r i a n n e.
Was ist's?
V a l è r e.
Daß Sie Tartuffe heiraten -
M a r i a n n e.
Eins steht fest: mein Vater hat sich's in den Kopf gesetzt.
V a l è r e.
Ihr Vater-?!
M a r i a n n e.
... hat sich's anders überlegt und schlug mir eben diese Heirat
vor.
V a l è r e.
Doch nicht im Ernst?
M a r i a n n e.
In vollem Ernst. Und er beschwor mich flehentlich, den Plänen,
die er hegt, mich nicht zu widersetzen.
V a l è r e.
Darf ich wissen, ob Sie bereits Entscheidungen getroffen -?
M a r i a n n e.
Ich weiß nicht recht-
V a l è r e.
Sie sprechen wirklich offen! Sie wissen nicht . .
M a r i a n n e.
Nein.
V a l è r e.
Nein?!
M a r i a n n e.
Sie müssen mir ehrlich raten -!
V a l è r e.
Gut. Heiraten Sie den Mann.
M a r i a n n e.
Das raten Sie mir?
V a l è r e.
Ja.
M a r i a n n e.
Und ehrlich?
V a l è r e.
Ehrlich. Denn etwas Beßres finden Sie wohl schwerlich - -
M a r i a n n e.
Nun gut: ich nehme Ihren Ratschlag an.
V a l è r e.
Und offenbar fällt Ihnen das nicht schwer -?
M a r i a n n e.
Nicht schwerer, als es Ihnen fiel, mir diesen Rat zu geben.
V a l è r e.
Ich glaubte, daß er Ihnen sehr willkommen war -
M a r i a n n e.
Und ich befolg ihn nur, um Ihnen nicht zu widerstreben.
D o r i n e. (für sich, indem sie sich in den Hintergrund
zurückzieht).
Ich bin gespannt, wie weit die das noch treiben -!
V a l è r e.
So soll von all den heißen Liebesschwüren nur diese kleine
Lüge übrigbleiben?
M a r i a n n e.
Wir wollen das Gespräch nicht weiterführen. Sie sagten frei,
ich solle den Mann nehmen, den mir mein Vater zugedacht hat.
Und ich - ich muß mich wohl dazu bequemen, da mir Ihr Rat die
Wahl so leicht gemacht hat - -
V a l è r e.
Verdrehn Sie mir das Wort doch nicht im Mund! Sie wußten längst
schon, was wir jetzt erst wissen, und suchen nun frivol nach
einem Grund, den Treuebruch nicht eingestehn zu müssen!
M a r i a n n e.
Sie haben recht: so ist's.
V a l è r e.
Nie haben Sie aus tiefstem Herzen mich geliebt: nie - nie!
M a r i a n n e.
Ich kann es Ihnen nicht verbieten, so zu denken.
V a l è r e.
Das können Sie - weiß Gott! - nicht. Ja, das stimmt.
Drum will auch ich mein armes Herz verschenken:
ich weiß schon eine, die mich freudig nimmt.
M a r i a n n e.
Das glaub ich gern. Ein so verdienter Mann weiß, wieviel Liebe
er verlangen kann!
V a l è r e.
Was heißt Verdienst? Ich bilde mir nicht ein, ein allseits
vielbegehrter Mann zu sein. Doch kenn ich eine stille, schöne
Seele, die mich mit ihrer Güte trösten wird, wenn sie erfährt,
wie bös ich mich geirrt, und ihr mein ganzes Herzeleid erzähle.
M a r i a n n e.
Ihr Herzeleid ist wohl nicht allzu schwer - Sie werden sich sehr
rasch zu trösten wissen!
V a l è r e.
Versuchen will ich's. Fühlt man, von Verrat zerrissen, im
tiefsten Herzen sich so trostlos leer, erwacht der Stolz, die
Wunden nicht zu zeigen und zu vergessen, was man heiß geliebt.
Bringt man den Schmerz auch dadurch nicht zum Schweigen, genügt
es, daß man sich den Anschein gibt. Nur eins läßt sich mit
Manneswürde nicht vereinen: der treulosen Geliebten
nachzuweinen!
M a r i a n n e.
Das ist sehr edel und sehr groß gedacht.
V a l è r e.
Ich glaube, jeder Mensch wird mich verstehen.
Sie würden es wahrscheinlich lieber sehen, wenn ich die Glut,
die Sie in mir entfacht, in meinem Leben nicht mehr löschen
könnte, bis ich in namenloser Qual verbrennte, säh' ich Sie,
sehnsuchtskrank nach Zärtlichkeiten, in eines andren Arm
hinübergleiten!
M a r i a n n e.
Im Gegenteil. Nichts wär' für mich so schön, wie Sie in Ihrem
neuen Glück zu sehn.
V a l è r e.
Das freute Sie?
M a r i a n n e.
Gewiß.
V a l è r e.
Genug der Quälereien. Mein sehr verehrtes Fräulein, Sie
verzeihen, wenn ich nun eile, Ihre Wünsche zu erfüllen - (Er
wendet sich zum Gehen.)
M a r i a n n e.
Oh, bitte sehr!
V a l è r e. (wieder auf sie zu gehend).
Nur um der Wahrheit willen sei festgestellt, daß Sie zu diesem
Schritt letzter Verzweiflung mich getrieben haben.
M a r i a n n e.
Mag sein.
V a l è r e. (geht einen Schritt zur Tür und bleibt stehen).
Wenn ich ihn tue, sind wir beide quitt, weil Sie zu dem
Entschluß das Beispiel gaben.
M a r i a n n e.
Ich gab das Beispiel? Gut.
V a l è r e. (kehrt noch einmal zurück).
Sie werden sehen, wie rasch all Ihre Wünsche in Erfüllung
gehen!
(Geht zur Tür.)
M a r i a n n e.
Wie es beliebt.
V a l è r e. (macht halt und wendet sich um).
Auf Nimmerwiedersehen gehe ich -
M a r i a n n e.
Glück auf den Weg!
V a l è r e. (ist zur Tür gegangen und dreht sich um).
Wie bitte?
M a r i a n n e.
Nun-?
V a l è r e.
Sie riefen mich -?
M a r i a n n e.
Ich?! Träumen Sie?
V a l è r e.
Dann ist es Zeit zu gehen. Auf Wiedersehen, Gnädigste!
M a r i a n n e.
Auf Wiedersehen.
V a l è r e. (geht langsam zur Tür).
D o r i n e. (zu Marianne).
Sie haben wohl den letzten Rest Verstand verloren?
Ich habe mich gezwungen, still zu bleiben,
um mal zu sehn, wie weit es zwei Verrückte treiben.
Halt, Herr Valère!
(Sie packt ihn am Arm und hält ihn fest.)
V a l è r e. (tut so, als ob er sich freimachen wollte).
Laß du mich ungeschoren!
D o r i n e.
Hierher, sag ich!
V a l è r e.
So laß mich doch! Ich platze vor Wut. Nie wird es dir gelingen,
mich von dem Plan, den sie mir eingab, abzubringen.
D o r i n e.
Sie bleiben!
V a l è r e.
Was du sagst, ist für die Katze.
D o r i n e.
Sieh an!
M a r i a n n e. (für sich).
Er leidet unter meiner Gegenwart und fühlt von mir sich
fortgetrieben -
Nun gut. Das Letzte bleibe mir und ihm erspart - (Sie will
gehen.)
D o r i n e. (läßt Valère los und läuft Marianne nach).
Nun die! Wohin?
M a r i a n n e.
Nein, laß mich.
D o r i n e.
Hiergeblieben!
M a r i a n n e.
Bemüh dich nicht, es hat ja keinen Sinn.
V a l è r e. (für sich).
Es quält sie, daß ich nicht gegangen bin -
Drum ist's das beste, wenn ich still-verstohlen ...
(Will sich davonschleichen.)
D o r i n e. (läßt Marianne los und läuft Valère nach).
Jetzt wieder der! Euch soll der Teufel holen!
Schluß mit den Späßen. Beide seid ihr still!
(Sie nimmt Valère und Marianne bei der Hand und führt sie
zusammen.)
V a l è r e. (zu Dorine).
Was soll das nur?
M a r i a n n e. (zu Dorine).
Was willst du denn?
D o r in e.
Ich will, daß ihr euch aussöhnt und nur daran denkt, wie man
die Sache noch zum Guten lenkt.
(Zu Valère).
Sind Sie denn toll, sich derart aufzuführen ~
V a l è r e.
Du hast ja selbst gehört, was sie mir sagte.
D o r i n e. (zu Marianne).
Und Sie - so ganz die Fassung zu verlieren!
M a r i a n n e.
Du weißt doch, was er mir zu raten wagte!
Do r i n e.
Wie töricht sind Sie alle beide! (Zu Valère.) Sie hat doch
nichts anderes im Sinn, als Ihnen zu gehören! (Zu Marianne.) Und
er liebt Sie allein und möchte heute noch Ihr Gatte sein -: das
kann ich wohl beschwören.
M a r i a n n e. (zu Valère).
Und trotzdem haben Sie mir diesen Rat gegeben?
V a l è r e. (zu Marianne).
Und trotzdem wünschten Sie mir Glück zum neuen Leben?
D o r in e.
Närrische Liebesleute! Gebt die Hände her! (Zu Valère.) Rasch
her damit!
V a l è r e. (gibt Dorine die Hand).
Wozu?
D o r i n e. (zu Marianne).
Die Ihre bitte!
M a r i a n n e. (gibt ihr zögernd die Hand).
Was soll das nur?
D o r i n e. (führt sie zusammen).
Hierher! Ab in die Mitte!
(Sie fügt beider Hände zusammen. Valère und Marianne
stehen eine Weile Hand in Hand, ohne sich anzusehen.)
Sie lieben sich ja beide viel - viel mehr, als sie es wissen.
V a l è r e. (sich Marianne zuwendend).
Wollen wir die Dinge nicht mal ohne Vorurteil betrachten, die uns
beinahe auseinanderbrachten?
M a r i a n n e. (wendet den Kopf und lächelt Valère zu).
D o r i n e.
Die Liebe macht verrückt - das sieht man hier.
V a l è r e. (zu Marianne).
Hab ich nicht Grund, mich bitter zu beklagen, daß Sie imstande
waren - ja, das sag ich klipp und klar -, so häßlich böse
Worte mir zu sagen?
M a r i a n n e.
Und Sie? Sie waren lieblos-undankbar!
D o r i n e.
Es eilt wohl nicht, das gründlichst abzuschätzen. Jetzt gilt's,
die Heirat zu verhindern!
M a r i a n n e.
Nun, so sag uns doch: was sollen wir denn tun?
D o r i n e.
Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen.
(Zu Marianne.) Ihr Vater ist ein Starrkopf.
(Zu Valère.) Doch was will das heißen?
(Zu Marianne.) Sie aber müssen gegenüber seinen vernarrten
Plänen ganz willfährig scheinen, damit er - wenn mal alle
Stricke reißen - nicht unerbittlich auf die Trauung dringt, denn
Zeit gewinnen, ist hier alles. Plötzlich quält eine
rätselhafte Krankheit Sie entsetzlich und fordert Aufschub. Oder
es gelingt der alte Schwindel mit der üblen Vorbedeutung:
Sie stoßen unterwegs auf ein Begräbnis - ein Spiegel löst sich
von der Wand und bricht - ein Traumerlebnis erschreckt Sie mitten
in der Hochzeitsvorbereitung Und schließlich kann das Schlimmste
nicht geschehen, verweigern Sie Ihr Jawort vorm Altar.
Doch wenn das glücken soll - das ist wohl klar -, darf man Sie
nie mehr beieinander sehen! (Zu Valère.) Sie machen unterdessen
Ihre Freunde mobil, die Ihnen ihre Hilfe zugesagt.
(Zu Marianne.)
Ihr Bruder ist ja auch dabei, wird seinem Feinde Tartuffe das
Bräutchen wieder abgejagt. Nun gilt's noch, Ihre Mutter zu
gewinnen. (Zu Valère.) Auf Wiedersehen!
V a l è r e. (zu Marianne).
Was wir auch ersinnen an Abwehrplänen -: meine Hoffnung sind nur
Sie!
M a r i a n n e. (zu Valère).
Die väterliche Macht bedrückt mich schwer, jedoch mein ganzes
Herz gehört Valère!
V a l è r e.
Sie machen mich so froh! Ich werde nie ...
D o r i n e.
Daß doch Verliebte endlos schwätzen müssen! (Zu Valère.)
Gehn Sie jetzt endlich Ihrer Wege! Schluß und aus!
V a l è r e. (hat sich zum Gehen gewendet und kommt zurück).
Für Sie riskier ich ...
D o r i n e.
Schluß mit den Ergüssen! (Sie packt sie an der Schulter und
treibt sie auseinander.) Sie gehen dort - und Sie, mein
Fräulein, dort hinaus!
DRITTER AUFZUG
ERSTER AUFTRITT
Damis. Dorine.
D a m i s.
Der Teufel breche gleich mir das Genick - ihr dürft mich alle
einen Prahlhans nennen, hält der Respekt vor Vater länger mich
zurück, dem Lump nach meiner Art eins aufzubrennen!
D o r i n e.
Nur ruhig Blut! Warum so exaltiert? Ihr Vater sprach davon - man
spricht so viel - Nicht alles, was man plant, wird ausgeführt:
mit vielen Wünschen kommt man nicht zum Ziel.
D a m i s.
Dem üblen Burschen lege ich sein Handwerk schnell;
ich fordere ihn einfach zum Duell!
D o r i n e.
Das ist ja heller Wahnsinn! Überlassen Sie Ihrer Mutter alles
Weitre jetzt. Nur sie weiß Ihren Vater richtig anzufassen und
wird auch von Tartuffe sehr hochgeschätzt. Vielleicht ist er
sogar in sie verliebt, denn was sie sagt, erweckt ihm
Lustgefühle -:
das wär' ein Wässerchen auf unsre Mühle! Und nur in unserem
Intresse gibt sie eben jetzt ihm hier ein Stelldichein, um ihm
der Heirat wegen, die Sie quält, scharf auf den Zahn zu fühlen
und gewiß zu sein, was ihm zu seinem vollen Glück noch fehlt.
Zugleich will sie ganz offen ihm erklären, welch böser Aufruhr
gegen ihn entsteht, will er nur die geringste Hoffnung nähren,
daß dieser Wunsch ihm in Erfüllung geht. Zwar habe ich ihm
Ihrer Mutter Auftrag nicht persönlich sagen können, denn das
Diebsgesicht von Diener ließ mich nicht zu ihm herein, dieweil
sein Herr grad sein Gebet verrichte - er meinte nur, er werde
gleich zur Stelle sein. Und all das machen Sie uns nun zunichte,
wenn Sie nicht gehn!
D a m i s.
Warum soll ich nicht hören, was man bespricht? Ich werde niemand
stören.
D o r i n e.
Die beiden müssen ganz allein und ohne Zeugen sich unterhalten
können.
D a m i s.
Ich verspreche dir zu schweigen.
D o r i n e.
Sie grade, der Sie immer aus dem Häuschen geraten, wären wohl
der Rechte, dem's gelingt, daß er uns alles durcheinanderbringt!
Sie gehen jetzt!
D a m i s.
Ich spiele still das Mäuschen und hör nur zu.
D o r i n e.
Gott, sind Sie unausstehlich! Er kommt! Hinaus mit Ihnen! Wird's
allmählich?!
D a m i s. (schlüpft in das kleine Nebenzimmer im Hintergrund
der Bühne).
ZWEITER AUFTRITT
Tartuffe. Dorine.
T a r t u f f e. (erscheint in der Tür und sagt, sobald er
Dorine bemerkt, zu seinem hinter ihm stehenden Diener, der jedoch
unsichtbar bleiben kann).
Verschließ mein Büßerhemd und meine Geißel gut, mein lieber
Laurent, und erflehe alle Tage, daß Gott an dir ein Gnadenwunder
tut! Kommt jemand, der mich sprechen will, so sage, ich wäre im
Gefängnis, um den armen Sündern durch Almosen ihr hartes Los zu
lindern.
D o r i n e. (für sich).
Der ganze Kerl nur Heuchelei und Prüderie!
T a r t u f f e.
Was wünschen Sie?
D o r i n e.
Ich soll...
T a r t u f f e. (zieht ein Taschentuch hervor und reicht es
Dorine mit abgewandtem Gesicht).
0 Gott! Ich bitte Sie, sich dieses Taschentuch erst vorzustecken,
wenn Sie mir etwas auszurichten haben!
D o r i n e.
Wozu?
T a r t u f f e.
Um Ihres Busens Blöße zu bedecken, denn solche Teufelsdinge
untergraben die Sittlichkeit und wecken sündige Gedanken.
D o r i n e.
Sie sind wohl vor Versuchung schlecht geschützt, bringt Sie das
bißchen Fleisch schon innerlich ins Wanken -? Wahrhaftig, ich
begreife nicht, daß Sie das so erhitzt, denn ich gerate nicht so
leicht in Brand. Ich könnte Sie - das darf ich ruhig eingestehen
- hier splitternackend vor mir sehen und würde nicht von Lüsten
übermannt!
T a r t u f f e.
Wenn Sie sich nicht gebührend auszudrücken wissen, werd ich
mich augenblicks zurückziehn müssen!
Do r i n e.
Nicht doch! Ich wollte Sie gewiß nicht kränken. Die Gnädigste
- sie wird sogleich erscheinen - befahl mir, Sie zu bitten, ihr
doch einen ganz kleinen Augenblick Gehör zu schenken.
T a r t u f f e.
Gewiß. Sehr gern!
D o r i n e. (für sich).
Was er für Augen macht! Die Sache ist schon so, wie ich's
gedacht -
T a r tu f f e.
Kommt Sie jetzt gleich?
D o r i n e.
Ich glaube sie zuhören - Entschuldigen Sie mich, ich will nicht
länger stören. (Ab.)
DRITTER AUFTRITT
Tartuffe. Elmire.
T a r t u f f e. (ihr entgegen gehend).
Möge der gnadenreiche Himmel Ihnen der Seele und des Leibs
Gesundheit schenken und alles, was Sie tun, zum Guten lenken:
das wünscht der Ärmste aller, die im Staub dem Höchsten
dienen!
E l m i r e.
Ihr frommer Wunsch verpflichtet mich zu Dank.
Doch warum stehen? Setzen wir uns lieber.
T a r tu f f e.
Wie geht es Ihnen, Gnädigste? Sie waren krank -?
E l m i r e.
Ein bißchen Fieber - das ging rasch vorüber.
T a r t u f f e.
Ich bilde mir nicht ein, daß meine Bitten, die ich zum Höchsten
sandte, dazu mitgeholfen hätten, hab ich auch im Gebete tief um
Sie gelitten, um Sie aus Ihren Nöten zu erretten.
E l m i r e.
Wie rührend sind Sie und wie hilfsbereit!
T a r t u f f e.
Um Sie zu retten, würde ich das Letzte geben, und - wenn's drauf
ankäm' - auch das eigne Leben!
E l m i r e.
Sie treiben's mit der Christenpflicht zu weit. Ich weiß nicht,
wie ich Ihnen danken soll -?
T a r t u f f e.
Es ist an mir, mich meines Dankes Zoll ...
E l m i r e.
Ich bat Sie her, um mich ganz im Vertrauen mit Ihnen
auszusprechen, und bin froh, daß hier nicht hundert Augen auf
uns schauen -
T a r t u f f e.
Oh, Gnädigste, mir geht es ebenso! Ich bin entzückt, daß wir
allein sind: Sie und ich!
Um diese Stunde hab ich Gott so oft gebeten, doch leider blieb er
taub vor meinen Herzensnöten.
E l m i r e.
Bei dieser Unterredung handelt's sich für mich darum, daß Sie
ganz offen reden und mich wirklich einmal in ihr Herz sehn
lassen.
(Man sieht, daß die Tür zum Nebenzimmer, in dem Damis
sich versteckt hat, um einen Spalt geöffnet wird.)
T a r t u f f e.
Auch ich will die Gelegenheit beim Schopfe fassen und Ihnen
beichten, wie's auf meines Herzens Grund in Wahrheit aussieht.
Lassen Sie mich eingestehen, daß mich nicht böse Schmähsucht
trieb, wenn ich empört war, daß so viel Besucher sich
einfanden, nur um Sie, die schönste Frau, zu sehen! Ich weiß,
mein Eifer wurde bald zur Sucht - Doch wollt' ich nur ...
E l m i r e.
So hab ich mir's auch ausgelegt:
Sie haben als Beschützer mich umhegt -
T a r t u f f e. (faßt Elmires Hand und preßt sie inbrünstig).
So ist es, Gnädigste! Hat man sein Herz nicht mehr in Zucht ...
E l m i r e. (entzieht ihm ihre Hand).
Sie tun mir weh -!
T a r t u f f e.
In reinem Überschwang! Denn - ach! - nichts liegt mir ferner ...
Und es wird sich erweisen, daß ich lieber (Er legt seine Hand
auf Elmires Knie.)
E l m i r e.
Ihre Hand verirrt sich!
T a r t u f f e. (tut so, als habe er nur den Stoff ihres Kleides
befühlen wollen).
Ein wundervoller Stoff -: weich wie Ihr Gang!
E l m i r e.
Ich bin so kitzlig, lassen Sie das bitte! (Sie rückt mit ihrem
Sessel von ihm weg, er rückt ihr nach.)
T a r t u f f e. (betastet ihr Busentuch).
Auch das ein Meisterwerk der Weberei!
Ja, heutzutage macht man solcherlei Gewebe wirklich kunstvoll!
E l m i r e.
Töricht, wer's bestritte. Doch nun zur Sache, wenn's beliebt.
Mein Mann - so heißt es - will Valère sein Jawort brechen und
Ihnen seine Tochter geben -: kann das wahr sein? Aber bitte
sprechen Sie offen!
T a r t u f f e.
Nun, er sprach davon gelegentlich - Jedoch, verehrte gnäd'ge
Frau, ich muß gestehen, das wäre nicht das höchste Glück für
mich, nach dem ich fiebre in geheimem Flehen -:
ich sehe doch begehrenswertre Seligkeiten, die meiner Sehnsucht
letztes Ziel bedeuten
E l m i r e.
Ich weiß, wie fern Sie aller Erdenlust...
T a r t u f f e.
Hab ich ein Herz von Stein in meiner Brust?
E l m i r e.
Und trotzdem bin ich überzeugt, daß Sie nur himmlisch-hohe
Freuden locken können -
T a r tu f f e.
Wenn auch die heil'gen Feuer in uns brennen nach Himmelsreinheit,
löschen sie doch nie die Glut der Liebe, die uns an die Erde
bindet, und unsre Sinne sind so leicht entzündet, erschuf der
Höchste eine Frau vollendet schön. Sie aber hat er dazu
ausersehn, - sooft er sich auch spiegelte in Ihresgleichen -sein
Ideal der Schönheit zu erreichen! An Ihr Gesicht hat Gott sich
so verschwendet, daß es das Herz entzückt, das Auge blendet,
und wenn es leuchtend mir entgegenstrahlt, muß ich in Ihnen auch
den Schöpfer ehren und mich in tiefer Liebesglut verzehren, denn
hier hat Gott sein eignes Bild gemalt! Als ich zuerst die süße
Qual verspürte, argwöhnte ich, daß mich der Böse in
Versuchung führte, und ich versuchte, Ihren Anblick ganz zu
meiden, um nicht an meiner Seele Schaden zu erleiden. Dann aber,
schönste aller Frauen, sah ich ein, so tiefe Leidenschaft kann
keine Sünde sein und hebt die irdischen Moralgesetze auf -:
drum ließ ich meiner Liebe freien Lauf. Ich weiß, es ist ein
tollkühn-dreistes Unternehmen, bekenn ich offen meine
Leidenschaft - und ich vertraue nicht auf meine schwache Kraft:
nur Ihre Güte kann mich schön beschämen. All meine Hoffnung,
ja, mein ganzes Sein leg ich mit diesem Wort in Ihre Hände:
Lust oder Leid - und beides ohne Ende - entscheiden Sie, verehrte
Frau, allein! Nun harr ich Ihres Urteilsspruchs vertrauensvoll,
ob ich beglückt - ob ich verdammt sein soll -!
E l m i r e.
Oh, Sie verstehn es, einer Frau sich zu erklären! Ich aber - ich
bin in der Tat wie vor den Kopf geschlagen, von Ihnen grade solch
ein Wort zu hören! Ich meine auch, Sie müßten Sorge tragen,
daß Ihr Gelüst nicht so mit Ihnen durchgehn kann, und daß Sie
überlegen müßten, was Sie reden! - Ein frommer Mann wie Sie,
der jeden ...
T a r t u f f e.
Bin ich auch fromm, so bleib ich doch ein Mann!
Wenn Sie in Ihrer Schönheit Glanz sich zeigen, spricht nur das
Herz - und der Verstand muß schweigen. In meinem Munde zwar -
das weiß ich selbst genau - mag seltsam klingen, was ich Ihnen
sagte, doch - Sie verzeihn! - ich bin kein Engel, gnäd'ge Frau,
und steh ich nun vor Ihnen als der Angeklagte, den man verdammt,
so müssen Sie sich selbst verdammen, denn Ihrer Anmut
zauberhafter Reiz setzte mein Herz so lichterloh in Flammen und
ist der Urgrund meines Herzeleids! Vergeblich die Gebete, Fasten,
Tränen -:
Ihr Anblick schürte meines Herzens Qual. Mit Blicken und mit
Seufzern sagte ich es tausendmal, drum mußte einmal ich mein
innres Sehnen in Worte fassen. Wenn Sie nun mit güt'gem Herzen
Verständnis für die Leiden Ihres ärmsten Sklaven zeigen, wenn
Sie es nicht verschmähn, gerührt von seinen Schmerzen, zu mir
Unwürdigem herabzusteigen -:
dann will ich Ihnen, holdeste der Frauen, ein in alle Ewigkeit
ergebner Diener sein! Ich werde Ihre Ehre nie gefährden, bei mir
sind Sie vor Überraschungen geschützt. Ich sehe doch, wie sich
die Herrn vom Hof gebärden, nach denen jede Frau ihr Mündchen
spitzt:
die müssen überall sich prahlerisch mit den Erfolgen ihrer
Liebeshändel brüsten, und wenn sie eine ihrer Liebsten
küßten, erzählen sie es kurz nachher bei Tisch! Mit diesen
eitlen Schwätzerein entehren sie alle Fraun, die ihnen ihre
Gunst gewähren. Jedoch ein Mann wie ich nimmt sich in acht und
weiß sein heimlich Stilles Glück zu wahren:
er ist auf seinen eignen guten Ruf bedacht und schützt drum auch
die Liebste vor Gefahren.
Drum wird - wenn Sie mein heißes Flehn erhören, nie jemand das
Vergnügen unsrer Liebe stören -!
E l m i r e.
Ich weiß um Ihre Wünsche nun Bescheid - Sie sprachen ja in
aller Deutlichkeit. Doch meinen Sie nicht auch, daß, wenn ich
meinem Mann berichte, was Ihr Herz für mich empfindet, die tiefe
Freundschaft, die ihn an Sie bindet, darunter recht erheblich
leiden kann -?
T a r t u f f e.
Ich baue fest auf Ihre Güte, gnäd'ge Frau, und weiß, Sie
lassen mich die Kühnheit nicht bereuen. Sie kennen aller
Menschen Schwächen zu genau, um sie nicht zu verstehn und zu
verzeihen. Befragen Sie nur Ihren Spiegel: dann verstehn Sie gut,
warum auch ich nicht blind sein kann als Mensch von Fleisch und
Blut.
E l m i r e.
Die meisten Frauen wüßten, was sie täten - Doch ich will
diesmal noch verschwiegen sein, um den Skandal nicht unnütz
breitzutreten -:
vorausgesetzt, Sie willigen in die Bedingung ein, daß Sie sich
nun mit aller Kraft bemühn, die Heirat Mariannes mit Valère
zustandzubringen, und jeden bösen Trieb in sich bezwingen, die
Macht, die Ihnen meines Manns Leichtgläubigkeit verliehn, noch
weiter zu mißbrauchen, um im stillen mit fremdem Gut die Taschen
sich zu füllen! Und außerdem ...
VIERTER AUFTRITT
Elmire. Damis. Tartuffe.
D a m i s. (tritt rasch aus dem Nebenzimmer).
Nein, liebe Mutter, nein!
Was hier geschah, soll kein Geheimnis sein
Dem Himmel dank ich's, der mich hergeführt:
da drinnen habe ich gelauscht und jedes Wort verstanden. Nun mach
ich dieses Schurken Übermut zuschanden, der mich und alle schon
zu lange kujoniert!
Die Stunde will ich hochwillkommen heißen, wo ich mich rächen
kann für seine Hinterlist, um ihm die Heuchlermaske vom Gesicht
zu reißen, damit mein Vater einsieht, wer er wirklich ist:
ein Schuft, der ihm die Frau verführen will!
E l m i r e.
Nein, nein, Damis, ich bitte dich, schweig still!
Viel besser ist's, er sieht sein Unrecht ein und müht sich, die
Verzeihung zu verdienen, die ich ihm zugesagt -: drum rede mir
nicht drein! Ich mache immer gerne gute Mienen zum bösen Spiel -
und lächle über solche Narreteien, statt meinem Mann die Ohren
vollzuschreien.
D a m i s.
Sie mögen Ihre guten Gründe haben, dies alles still in
Schweigen zu begraben, doch ich hab gleichfalls Gründe, welche
mich zu rücksichtslosem Handeln zwingen. Ihn jetzt noch schonen,
wäre lächerlich! Zu lange mußte ich die Wut hinunterschlingen
über des unverschämten Heuchlers Dreistigkeit, der alles hier
im Hause durcheinanderbrachte. Nun währte es gottlob die
längste Zeit, daß er auch meinen Vater sich zum Narren machte.
Und daß er meine Liebe, wie auch die Valères, zu hintertreiben
suchte. Dumm und feige wär's, den Vater diesen Lump nicht offen
sehn zu lassen, wie er in Wahrheit ist - jetzt, wo der Himmel mir
die Möglichkeit gab, endlich ihn zu fassen. Auf meinen Knien
dank ich Gott dafür! Und wenn ich die Gelegenheit nicht nützte,
die er in seiner Gnade mir beschert, wär' ich's wahrhaftig nicht
mehr wert, daß er uns fernerhin beschützte -
E l m i r e.
Damis
D a m i s.
Nein, Mutter, hindern Sie mich nicht daran. Wie lange - ohne
Hoffnung - quälten wir uns beide! Mir tobt das Herz in wilder
Freude, daß ich mich endlich - endlich rächen kann! Und darum
nutz ich die Gelegenheit. Sieh an: da kommt der rechte Mann zur
rechten Zeit!
FÜNFTER AUFTRITT
Orgon. Elmire. Damis. Tartuffe.
D a m i s.
Herr Vater, zur Begrüßung muß ich Ihnen jetzt ein kleines
Zwischenfällchen unterbreiten, das Sie wahrscheinlich in
Erstaunen setzt. Verschwendrisch lohnt man Ihnen Ihre
Freundlichkeiten, mit Zinseszins zahlt dieser Herr zurück den
Preis für Ihren opferwill'gen Glauben:
sein Eifer geht so weit, daß er Ihr Eheglück antasten will und
Ihnen Ihre Gattenehre rauben. Ich überraschte ihn, wie meiner
Mutter er ganz offen die verruchte Leidenschaft erklärte! Sie
freilich nahm in Ihrer Güte alles nicht so schwer:
sie wollte schweigen und verzeihen. Und verwehrte auch mir, davon
zu sprechen. Aber ich kann diese dreiste Freveltat nicht dulden
und glaube, daß wir Ihnen Wahrheit schulden.
E l m i r e.
Verirrungen so primitiver Art berühren mich nicht so, daß ich
des Gatten Ruhe stören möchte. Und wenn sich eine Frau dem
ehrbar widersetzt, wird auch des Gatten Ehre nicht verletzt. So
denke ich - so scheint's mir auch das Rechte.
(Zu Damis.)
Und könntest du je meinem Wunsch dich fügen, Damis, so hättest
du geschwiegen! (Ab.)
SECHSTER AUFTRITT
Orgon. Damis. Tartuffe.
O r g o n.
0 Gott! Kann's wahr sein, was ich da vernahm?
T a r t u f f e.
Ja, Bruderherz, ich bin ein Bösewicht, ein armer gottvergeßner
Sünder ohne Scham, ein Lump, auf Diebstahl, Raub und Mord
erpicht! Es gibt nicht einen Tag in meinem Leben, den keine böse
Missetat befleckt.
Nie wieder wird es einen Menschen geben, der so wie ich in
Schimpf und Schande steckt! Und nun hat Gott mir diesen Tag
bestimmt, daß er mich hart in Zucht und Strafe nimmt. Drum mag
man mich verdammen und beleidigen, ich neige mich und will mich
nicht verteidigen. Oh, glauben Sie nur alles, was man sagt, und
wappnen Sie sich mit dem Zorne des Gerechten:
selbst wenn man mich nun aus dem Hause jagt wie einen Dieb, wag
ich's nicht anzufechten. Die strengste Strafe, die all meine
Sünden sühnte, wär' noch viel milder, als ich sie verdiente!
O r g o n. (zu Damis).
Gottloser Bube, wagst du es, mit frechen Lügen die Reinheit
seines Wesens anzuzweifeln?
D a m i s.
Soll sein verlognes Winseln denn - bei allen Teufeln! - über die
klar erwiesne Wahrheit siegen?
O r g o n.
Schweig, Galgenstrick!
T a r t u f f e.
Verbieten Sie ihm nicht den Mund. Sie tun ihm Unrecht,
Bruderherz, wenn Sie ihn schelten:
bei mir gilt's, Böses streng mit Bösem zu vergelten. Ich bin
ja, wie Sie hörten, ein Verbrecher. Und Sie dürfen sich nicht
durch mein Äußres täuschen lassen, geliebter Seelenbruder!
Immer trügt der Schein. Warum soll ich denn besser als die
andren sein? Man muß die Dinge klar ins Auge fassen:
ich bin nur der, für den man mich hier hält. Und gelte ich auch
sonst für alle Welt als wahrhaft tugendhafter Gottesstreiter:
ich bin ein Lump in Wahrheit - und nichts weiter.
(Zu Damis.) Ja, sprechen Sie sich aus, mein lieber Sohn,
behandeln Sie mich nur getrost als Missetäter! Nennen Sie Schuft
mich, Mörder, Dieb, Verräter, ich nehm es schweigend hin als
meiner Taten Lohn. Wenn Sie mit wüsten Schimpfworten mich
überschütten, will ich in Demut still vor Ihnen knien, denn hab
ich hier für meine Sünden schwer gelitten, wird mir im Himmel
gnädiger verziehen.
(Er kniet vor Damis nieder.)
O r g o n. (zu Tartuffe).
Zu viel, verehrter Bruder!
(Zu Damis). Kann dich gar nichts rühren, du Taugenichts?
D a m i s.
Sie lassen sich verführen durch dies Geschwätz?!
O r g o n.
Halt deinen Mund, du Luder!
(Er will Tartuffe helfen, sich zu erheben.)
Erheben Sie sich bitte, lieber Seelenbruder.
(Zu Damis.) Abscheulicher!
D a m i s.
Wär's möglich, daß ...
O r g o n.
Schweig still!
D a m i s.
Ich kenne mich nicht mehr vor Wut. Ich will ...
O r g o n.
Ein Wort noch - und ich brech dir das Genick!
T a r t u f f e.
Um Gottes willen. Bruder, mäßigen Sie sich! Viel eher treffe
mich das ärgste Mißgeschick, als daß er Unrecht leiden soll um
mich.
O r g o n. (zu Damis.)
Du Undankbarer!
T a r t u f f e.
Lassen Sie ihn doch in Ruhe.
Ich flehe kniend Sie um Gnade für ihn an! (Kniet nieder.)
O r g o n. (wirft sich vor Tartuffe nieder und umarmt ihn).
Ist das ein Mann! 0 Gott, ist das ein Mann!
(Zu Damis.) Sieh seine Güte!
D a m i s.
Güte?!
O r g o n.
Schweig!
D a m i s.
Dies alberne Getue ...
O r g o n.
Du schweigst! Ich weiß, warum du mich so auf ihn hetzt:
ihr alle haßt ihn - und ich sehe jetzt Frau, Kinder und Gesinde
gegen ihn verbündet, und daß ihr jedes Mittel recht und billig
findet, daß ihr mir diesen frommen Mann entzieht. Jedoch, je
mehr ihr euch darum bemüht, bin ich bestrebt, ihn fester noch an
mich zu binden. Und ärgert sich das ganze Haus auch grün und
blau:
ich gebe meine Tochter ihm zur Frau! Und damit wird der Streit
sein Ende finden.
D a m i s.
Sie wollen meine arme Schwester zwingen ...
O r g o n.
Gewiß. Und um euch alle recht in Wut zu bringen, findet die
Hochzeit noch heut abend statt! Euch allen biet ich Trotz. Ihr
sollt begreifen, daß ich hier Herr im Hause bin. Ich hab es
satt, zu tanzen, wie die andren pfeifen!
Schnell wirf dich ihm zu Füßen! Auf den Knien wird dir
vielleicht, du Bösewicht, verziehn.
D a m i s.
Wie? Ich?! Vor diesem Hundsfott, diesem abgefeimten ...
O r g o n.
Du bockst, du Lump? Du willst ihn neu verleumden -?
(Zu Tartuffe.) Rasch einen Stock her! Keine Milde mehr!
(Zu Damis.)
Hinaus! Du zeigst dich nie mehr hier im Haus!
Ich rate dir im guten: trau dich niemals mehr hierher!
D a m i s.
Ich gehe schon. Jedoch...
O r g o n.
Mit uns ist es endgültig aus. Du bist enterbt. Jetzt geht's auf
Hieb und Stich:
mein väterlicher Fluch begleitet dich!
(Damis ab.)
SIEBENTER AUFTRITT
Orgon. Tartuffe.
O r g o n.
Daß ich auch diese Blasphemie erlebe -!
T a r t u f f e.
Vergebe Gott ihm, wie ich ihm vergebe.
(Zu Orgon.)
Verstehen Sie es, Bruderherz, wie es mich schmerzt, daß man mich
grad bei Ihnen angeschwärzt -?
O r g o n.
Ach, Gott!
T a r t u f f e.
Schon der Gedanke quält mich ganz unsäglich, vor Ihnen als ein
Undankbarer dazustehen. Mich schaudert's! Der Verdacht ist mir so
unerträglich, daß ich dran sterben werde und vor Schmerz
vergehen!
O r g o n. (läuft, in Tränen ausbrechend, zu der Tür, durch
die Damis gegangen ist).
Du Schurke! Warum hab ich dich nicht umgebracht und dadurch deine
Schandtat gutgemacht!?
(Zu Tartuffe.)
Erholen Sie sich, Bruder, grämen Sie sich nicht!
T a r t u f f e.
Wozu sich länger über diesen Fall verbreiten? Ich sehe, wieviel
Unzuträglichkeiten
durch mich entstehn: drum ist es meine Pflicht, Sie zu verlassen,
Bruder.
O r g o n.
Spotten Sie auch noch -?
T a r t u f f e.
Man haßt mich hier im Haus. Sie sehen doch, wie alle sich
bemühen, das Vertraun zu untergraben, das Sie mir in so reichem
Maß erwiesen haben.
O r g o n.
Was tut's? Schenk ich denn irgendwem Gehör?
T a r t u f f e.
Man wird nicht rasten und nicht ruhn, mich anzuklagen! Wird Ihnen
morgen wieder etwas zugetragen, wirkt die Verdächtigung
vielleicht schon mehr - -
O r g o n.
Nein, nie, mein Freund!
T a r t u f f e.
Oh, Bruder, eine Frau kennt jeden Weg zum Herzen ihres Mannes zu
genau!
O r g o n.
Ich schwöre Ihnen...
T a r t u f f e.
Bitte, lassen Sie mich ziehn! Ich möchte keinen Anlaß zu
Verdächtigungen geben.
O r g o n.
Sie bleiben, Freund! Hier geht es um mein Leben.
T a r t u f f e.
Nun denn: so opfre ich mich auf für IHN!
Doch wenn Sie wollen ...
O r g o n.
Gott sei Dank!
T a r t u f f e.
Kein Wort mehr drüber. Dann aber wollen wir von jetzt an lieber
auf unsrer Hut sein, denn des Gatten Ehre ist leicht verletzlich.
Und die Freundespflicht gebietet mir, daß ich mit Ihrer Gattin
nicht ein Wort mehr rede -: so, als ob sie nicht vorhanden wäre;
damit wir auch den bösen Schein vermeiden, um jeden Argwohn an
der Wurzel zu beschneiden.
O r g o n.
Im Gegenteil! Um allen Trotz zu bieten, sollen Sie stets und
ständig um sie sein! Nichts wird mich inniger erfreun, als wenn
sie alle toben, schreien, wüten! Und mehr noch: um sie alle
tödlich zu verletzen, bin ich entschlossen, Sie zu meinem Erben
einzusetzen. Drum gehe ich jetzt auf der Stelle zum Notar, um
Ihnen all mein Hab und Gut zu übereignen! Gern will ich alles,
was mir früh'r das Liebste war, gern will ich Sohn und Frau und
Kindeskind verleugnen, um einen wahren Herzensfreund, der
obendrein mein Schwiegersohn wird, ganz an mich zu binden! Nun,
lieber Bruder? Willigen Sie ein?
T a r t u f f e.
Gott wird mich stets bereit zu allem finden.
O r g o n.
Der Gute! Warum also Zeit verlieren?
So sei es -: mögen alle auch vor Neid krepieren!
VIERTER AUFZUG
ERSTER AUFTRITT
Cléante. Tartuffe.
C l é a n t e.
Man spricht schon in der ganzen Stadt darüber, und der Skandal,
der jedermann erregt, wird nicht zu Ihren Gunsten ausgelegt. Und
darum war mir's um so lieber, daß ich Sie hier noch traf und
Ihnen Mann zu Mann ganz offen meine Meinung sagen kann. Ich will
mich nicht mit all dem auseinandersetzen, was man sich überall
erzählt -:
ich hör kaum hin und laß die Leute schwätzen. Doch hätte sich
Damis auch schwer verfehlt und Ihnen diese Schandtat fälschlich
zugeschoben, wär's dann nicht Christenpflicht, ihm zu verzeihn,
statt sich in böser Rachlust auszutoben? Kann es denn ernstlich
Ihre Absicht sein, daß hier ein Sohn - mag er auch Ihren Groll
verdienen - seines Vaters Haus verlassen soll? Ich sag es Ihnen
unverblümt und frei:
es nehmen alle gegen Sie Partei! Und könnten meine Worte Sie
bewegen, so rat ich Ihnen, treiben Sie es nicht zu weit und seien
Sie bemüht, den Streitfall beizulegen. Legen Sie alle Rachsucht
und Gehässigkeit auf den Altar der Nächstenliebe nieder, und
geben Sie den Sohn dem Vater wieder!
T a r t u f f e.
0 Gott, wie herzlich gerne tät, ich das! Ich hege gegen ihn
nicht den geringsten Groll:
ihm ist verziehn - mein Herz ist frei von Haß. Gern machte ich
das Maß der Gnade voll, dann aber würde Gottes Wille nicht
geschehen, denn wenn er wiederkäme, war's an mir zu gehen. Nach
seinem unerhörten Angriff gegen mich kann ich unmöglich noch
mit ihm zusammenleben. Das würde dem Geschwätz nur neue Nahrung
geben, denn alle Leute dächten sicherlich, ich trieb' ein
abgefeimtes Gaukelspiel! Natürlich fühlt der Kerl sich
schuldig, sagte man sich, und nur darum heuchelt er nun
Mitgefühl mit seinem Widersacher, denn im tiefsten Grund hat er
ja Angst vor ihm -: er läßt ihn jetzt nur laufen, um dadurch
sich sein Schweigen zu erkaufen - -
C l é a n t e.
Nein, diese Gründe leuchten mir nicht ein, die sind wohl an den
Haaren nur herbeigezogen. Und was, verehrter Herr, hat Sie
bewogen, in dieser Sache Gottes Staatsanwalt zu sein? Hat Gott um
Ihren Beistand Sie gebeten, um einen Schuldigen zur Rechenschaft
zu ziehn? Sie sollten sich um besseres bemühn, als hier des
Himmels Interessen zu vertreten! Statt dessen aber immer daran
denken, daß Gott uns vorschreibt, unsren Schuld'gern zu
vergeben, denn wenn Sie nur nach Gottes Willen leben, kann
Menschenurteil Sie nicht treffen oder kränken. Sie wollen also
eine gute Tat nicht wagen aus Angst, was andre Leute dazu sagen?
Nein, keine Sorge, Herr! Tun wir, was Gott gefällt, sind wir
erhaben über jedes Urteil dieser Welt!
T a r t u f f e.
Ich sagte Ihnen doch, daß ich ihm gern vergebe -:
und das ist's, was der Himmel mir befiehlt. Jedoch er fordert
nicht, daß ich mit dem zusammenlebe, der mir - wie er es tat -
die Ehre stiehlt.
C l é a n t e.
Das aber nehmen Sie ganz seelenruhig-still als Gottes
unanzweifelbaren Ratschluß hin, daß Ihnen nun sein Vater in
verbohrtem Eigensinn sein ganzes Hab und Gut verschreiben will,
obwohl es Recht und Anstandspflicht verböten, dies unverdiente
Erbe anzutreten?
T a r t u f f e.
Nie käme einer, der mich kennt, auf den Gedanken, ich wollte
dadurch nur mich selbst bereichern! Mir liegt es ferne, Güter
dieser Erde aufzuspeichern - nie brachte mich ihr trügerischer
Glanz ins Wanken! Und wenn ich mich trotzdem entschlossen habe,
die Schenkung seines Vaters anzunehmen, so brauche ich mich
meiner Gründe nicht zu schämen. Denn es geschah aus Angst, daß
diese Gottesgabe sonst in die Hände unwürdiger Menschen fiele,
die damit in gottslästerlichem Spiele den bösesten und ärgsten
Mißbrauch trieben, statt sie - wie mir's vom Himmel
vorgeschrieben - zu Almosen und wohltätigen Spenden nach Gottes
gütigen Geboten zu verwenden.
C l é a n t e.
Ich glaube, diese Angst, mein Herr, ist unbegründet, zumal sie
darin ihren Ausdruck findet, daß man den rechtmäßigen Erben um
sein Gut betrügt! Wenn Ihnen selbst an Geldeswert nichts liegt,
wäre es besser, diese Sorgen dem zu überlassen, der das
Vermögen seines Vaters erben soll. Und triebe er es später noch
so toll -ja, sollte er es würdelos verprassen, wär' das noch
immer besser, meine ich, als daß man glaubt, Sie hätten's ihm
mit Lug und Trug geraubt! Ich meine, Ihr Gewissen müßte Sie
schon hindern, den Vorschlag seines Vaters zu erwägen:
wie kann ein frommer Mann nur den Gedanken hegen, den vom Gesetz
bestimmten Erben auszuplündern? Und können Sie nun mit Damis
nicht mehr zusammenleben, weil Sie ihn so in tiefster Seele
hassen, kann es für Sie doch nur den einen Ausweg geben, selbst
dieses Haus hier schleunigst zu verlassen. Sie werden doch nicht
wollen, daß zum Schluß der Sohn des Hauses Ihnen weichen muß?!
Nur so, mein Herr, beweisen Sie es mir, daß Sie ein Ehrenmann
sind -
T a r t u f f e.
Schon halb vier!
Da muß ich leider - denn mich rufen fromme Pflichten - auf eine
Weiterführung des Gesprächs verzichten - (Ab.)
C l é a n t e. (allein).
Den Teufel auch ...
ZWEITER AUFTRITT
Elmire. Marianne. Cléante. Dorine.
D o r i n e. (zu Cléante).
Ach, helfen Sie uns doch!
(Auf Marianne deutend.)
Die Ärmste will vor Todesangst vergehen und ist verzweifelt,
denn ihr Vater will heut abend noch den Ehepakt mit diesem Schuft
besiegelt sehen. Kommt er nicht schon -? Wir müssen unbedingt
nun alle Willenskraft zusammenfassen und dürfen - was auch kommt
- nicht lockerlassen, bis uns es - sei's mit List, sei's mit
Gewalt - gelingt, die Wahnsinnstat an Mutter, Frau und Kindern in
letzter Stunde zu verhindern!
DRITTER AUFTRITT
Orgon. Elmire. Marianne. Cléante. Dorine.
0 r g o n.
Ich freue mich, daß ihr so schön beisammen seid.
(Zu Marianne.)
Für dich, mein Kind, hab ich ein Schriftstück hier bereit, das
dir erwünscht sein wird -: du weißt, was es enthält -
M a r i a n n e. (wirft sieh ihm zu Füßen).
Im Namen Gottes flehe ich Sie an, der sieht, welch wilder Schmerz
mein Innerstes zerreißt - bei allem, was Ihr Herz bewegen kann,
Herr Vater: Pochen Sie dies eine Mal nicht mitleidlos auf Ihre
Vaterrechte! Erlösen Sie mich von der bittren Qual des Kindes,
das so gern gehorchen möchte -
Oh, lassen Sie nicht zu, daß ich auf meines Lebens Schwelle die
schönste Kindespflicht wie einen Fluch erdulde, und machen Sie
mir dieses Leben, das ich Ihnen schulde, durch Ihre Herzenshärte
nicht zur Hölle!
Darf ich die süße Hoffnung nicht mehr nähren, die ich so lange
treu im Herzen trug, dem einen, den ich liebe, zu gehören, so
sei es damit auch des Leids genug. Auf meinen Knien appelliere
ich an Ihre Güte, Herr Vater: zwingen Sie mir diesen Mann nicht
auf, den ich im innersten Gemüte verabscheun muß und niemals
lieben kann! Und wenn Sie taub und unerbittlich bleiben, wird die
Gewalt mich zur Verzweiflung treiben.
O r g o n. (der sich weich werden fühlt, für sich).
Bleib hart, mein Herz, nur keine menschlich-dumme Schwäche!
M a r i a n n e.
Ich weiß, Sie schätzen ihn sehr hoch. Dem widerspreche ich
nicht und achte Ihre Überzeugung. Verschwenden Sie an ihn nur
alle Liebe, alle Neigung -ja, schenken Sie ihm ruhig Ihr
Vermögen und meines noch dazu, wenn's nicht genügt. All das
verstehe ich, das kann mich nicht erregen, solange man nicht
herrisch über mich verfügt. Drum lassen Sie mich lieber hinter
Klostermauern in strenger Einsamkeit und Zucht den trüben Rest
des Daseins, das mir noch gegönnt ist, still vertrauern -
O r g o n.
Da sieht man ja, wie du dich gehenläßt! Sagt mal der Vater nein
zum ersten besten Freier, spricht schnurstracks so ein dummes
Ding von Kranz und Schleier.
Steh auf! Willst du dein Leben ganz dem Himmel weihen, gibt diese
Ehe dir die schönste Möglichkeit dazu:
je wen'ger du ihn magst, je mehr kannst du das Fleisch kasteien.
Nun aber laß gefälligst mich in Ruh!
D o r i n e.
Das wäre...
0 r g o n.
Schweig und rede nicht dazwischen. Du hast kein Recht, dich frech
hier einzumischen.
C l é a n t e.
Ob dann in dieser Angelegenheit mein Ratschlag offenere Ohren
findet -?
O r g o n.
Ihr Ratschlag ist mir lieb und wert zu jeder Zeit,
Herr Schwager, er ist immer wohl begründet.
Ich gebe viel darauf. Jedoch - wenn Sie erlauben -
ich möchte heute nur mir selber glauben.
E l m i r e.
Ich steh wie vor den Kopf geschlagen da und kann nur über deine
Blindheit staunen. Wie kannst du nur - trotz aller deiner Launen
- verleugnen wollen, was tatsächlich hier geschah?
0 r g o n.
Ich weiß, was man mich glauben machen will, doch weiß ich auch,
wie blind du diesem ungeratnen Sohn in Affenliebe zugetan bist -:
darum schwiegst du still und gingst - aus Angst, daß der
gerechte Lohn dem schändlichen Verrate folgen sollte, den er an
diesem guten Mann begehen wollte.
Nur deshalb warst du auch so ruhig, als ich kam, denn hätte er
in Wahrheit das gewagt, weswegen dieser Galgenstrick ihn
angeklagt, so hättest du dich nicht gekannt vor Wut und Scham!
E l m i r e.
Muß man denn immer, wenn ein dumm-verliebter Mann in seiner
Leidenschaft den Mund nicht halten kann, gleich eine große Szene
daraus machen mit Augenrollen, Tränen, Schimpftiraden? Ich zieh
es vor, darüber still zu lachen, statt alle Welt zum Zuschaun
einzuladen. Man kann sich seiner Ehre ohne Wutausbrüche wehren:
ich liebe jene wilden Weiber nicht, die, wenn sie ein gewagtes
Wort nur hören, spornstreichs bereit sind, jedem ins Gesicht zu
springen, um mit Zähnen und mit scharfen Tatzen ihm mindestens
die Augen auszukratzen. Behüt' mich Gott vor dem verlogenen
Getue, das eine Frau zum Drachen ihrer Tugend macht! Gibt man nur
sorgsam auf sich selber acht, kann man mit überlegen-kühler
Ruhe, und ohne häusliche Skandale einzuschalten, sich jeden
Störenfried vom Halse halten.
0 r g o n.
Ich weiß Bescheid! Mir macht man hier nichts weis.
E l m i r e.
Das ist ein Starrsinn, den ich nicht mehr fasse! Sag mir, mein
Lieber, gäbst du ihn auch dann nicht preis, wenn ich es dich mit
eignen Augen sehen lasse?
O r g o n.
Mit eignen Augen -?
E l m i r e.
Ja.
O r g o n.
Phantastereien!
E l m i r e.
Nehmen wir mal an, ich zeigte alles dir in mehr als klarem Licht
-?
0 r g o n.
Papperlapapp!
E l m i r e.
Was ist das für ein Mann!
Antworte mir doch wenigstens. Ich rede nicht, um dich von meiner
Ehrlichkeit zu überzeugen. Doch setzen wir den Fall, du
könntest am gegebnen Ort den ganzen Vorfall selbst mitansehn und
ihn Wort für Wort verfolgen -: würdest du dann auch noch zu der
Ansicht neigen, dein Schützling sei ein reiner Gottesstreiter?
O r g o n.
Dann sagte ich ... Ach, was! Geschwätz - nichts weiter! Denn das
ist einfach gar nicht menschenmöglich.
E l m i r e.
Nun wird es Zeit, daß man von deinem Irrwahn dich befreit! Und
außerdem ist es mir unerträglich, daß man mich hier vor aller
Welt der Lüge zeiht. Drum muß ich jetzt ein Schauspiel
inszenieren, um ihn im wahren Licht dir vorzuführen.
O r g o n.
Ich nehme dich beim Wort. Tu, was du willst. Man wird ja sehen,
ob du dein Versprechen auch erfüllst!
E l m i r e. (zu Dorine).
Ruf ihn hierher.
D o r i n e.
Der Kerl ist arg gewitzt und wird sich nicht so leicht ertappen
lassen -
E l m i r e. (zu Dorine).
Nur keine Angst! Denn wenn ein Mann verliebt ist, nützt ihm
keine Schlauheit - weiß man ihn nur anzufassen. Und dem da dreht
die Eigenliebe einen Strick! Geh, hol ihn mir. (Zu Cléante und
Marianne.) Und ihr zieht euch zurück. (Dorine, Cléante und
Marianne ab.)
VIERTER AUFTRITT
Elmire. Orgon.
E l m i r e.
Rück diesen Tisch her und versteck dich drunter.
O r g o n.
Ich sollte...
E l m i r e.
Selbstverständlich mußt du dich verstecken.
O r g o n.
Warum denn grade unterm Tisch?
E l m i r e.
Nur munter - munter!
Wie das gemeint ist, wirst du bald entdecken. Das eine merk dir:
alles kommt jetzt darauf an, daß er dich weder sehn noch hören
kann!
O r g o n.
Das scheint mir eigentlich zu weit zu führen - Trotzdem, ich
will jetzt wissen, was du planst.
E l m i r e.
Du wirst dich besser amüsieren, als du ahnst.
(Nachdem Orgon sich unterm Tisch versteckt hat.)
Ich werde im Gespräch manch heiklen Punkt berühren, du wirst
auch sehr gewagte Worte von mir hören, doch all das darf dich
nicht empören.
Um ihm die Maske vom Gesicht zu reißen und dir den Kerl im
wahren Licht zu zeigen, muß ich ihn süß-verführerisch
willkommen heißen und tun, als wäre ich ihm ganz leibeigen.
Doch da ich die Komödie nur deinetwegen in Szene setze und mich
seinem Wunsch nur scheinbar füge, kann ich dies kleine Spiel der
Liebeslüge beendigen, sobald es zweifelsfrei dir klar ist, wie
sehr du dich von ihm hast täuschen lassen und daß, was dir
Damis erzählte, wahr ist. Du magst ermessen, wann es Zeit ist,
zuzufassen, um mich nicht allzulange der verliebten Gier des
schamlos-üblen Wüstlings auszusetzen, die ich für dich
erdulden muß, um dir das Trugbild deines Irrwahns zu zerfetzen.
Du leitest dieses Spiel - du hältst Gericht. Und wenn ...
Er kommt! Sei still und rühr dich nicht.
FÜNFTER AUFTRITT
Tartuffe. Elmire. Orgon (unter dem Tisch).
T a r t u f f e.
Sie riefen mich hierher, berichtete man mir -
E l m i r e.
So ist's: ich möchte Ihnen etwas anvertrauen.
Doch möchte ich Sie bitten, erst die Tür fest zu verriegeln und
recht sorgsam nachzuschauen, ob diesmal niemand da ist, der uns
stört.
T a r t u f f e. (geht zur Tür, schließt sie ab und kehrt
zurück).
E l m i r e.
Wir beide haben schließlich andre Sorgen, als Szenen zu erleben
wie heut morgen, denn dieser Auftritt war ja unerhört! Vor Angst
um Sie war ich zu Anfang wie gelähmt. Und wenn ich mich auch -
wie Sie sahen - mühte, Damis im Zaum zu halten und in Güte die
Sache beizulegen, war ich doch zu tief beschämt, um alles
abzuleugnen. Gott sei Dank ist schließlich doch noch alles
gutgegangen, und wir sind sicherer, als wir es je verlangen und
träumen konnten! Weil mein Mann ja blind und krank vor Ehrfurcht
Ihnen gegenüber ist, ging das Gewitter an uns vorüber, und kein
Blitz schlug ein -:
im Gegenteil - um diese Tugendritter zu ärgern, sollen Sie jetzt
immer um mich sein! So guckt uns keiner mehr in unsre Karten -
wir können ruhig jetzt die Tür verriegeln, und ich darf Ihnen
auch mein Herz entsiegeln, wenn Sie das auch vielleicht nicht
mehr erwarten -
T a r t u f f e.
Ja, ich gestehe, Gnädigste, ich bin erstaunt,
denn heute morgen waren Sie nicht halb so gut gelaunt -
E l m i r e.
Wie wenig müssen Sie uns Frauen kennen, hat mein geringer
Widerstand Sie schon beleidigt! Sie ahnen nicht, worauf wir vor
Verlangen brennen wenn eine Frau so schwächlich sich verteidigt.
Die Scham verhindert uns in solchen Augenblicken, uns dem
Geliebten ganz zu offenbaren, und lodert unser Herz auch vor
Entzücken, will man die Haltung wenigstens bewahren. Man sagt
entrüstet: nein! Jedoch am Ton, in dem man's sagt, erkennt der
andre schon, daß es ein Ja bedeutet, dem nur unser Mund sich
eine Weile schamvoll noch verschließt. Und dieser Widerstand,
den man geheim genießt, verspricht schon alles und tut alles
kund. Ich weiß: nun müßte ich mich selber hassen, da ich Sie
in mein Herz hab blicken lassen!
Zu spät - nun habe ich das Wort schon ausgesprochen - Glauben
Sie denn, ich hätte, um Damis zu zügeln, mir die Zunge fast
zerbrochen, ich hätte, ohne wütend aufzufahren, Sie geduldig
angehört, als Sie mit unbeschwerten, glühenden Worten Ihre
Liebe mir erklärten - kurzum: ich hätte Ihnen nicht sofort das
Wort verwehrt, hätt' ich dies alles insgeheim nicht gern
gehört? Was trieb mich denn dazu, mit aller Kraft Sie von der
Heirat mit Marianne abzubringen, wenn nicht die eigne, nur
geheimgehaltne Leidenschaft? Und darum will es mir auch nicht
gelingen, gleichmütig zuzusehn, wie man durch diese Ehe, die nun
beschlossen ist, mir meine ältren Rechte auf Liebe raubt und
mich aus eines Mannes Nähe vertreibt, den ich allein besitzen
möchte!
T a r t u f f e.
Oh, Gnädigste, welch tiefe Seligkeit birgt dies Geständnis aus
geliebtem Munde! All meine Sinne segnen diese Stunde in nie
gekannter, süßer Trunkenheit! Mein ganzes Herz in Ihre Hand zu
legen, bedeutet mir das höchste Erdenglück - Doch plötzlich
taumle ich in irrer Angst zurück, weil sich - verzeihen Sie! -
gelinde Zweifel regen:
es könnte sein, daß Sie mich nur mit kleinen Lügen blenden, um
Mariannes Heirat abzuwenden -?
Ich kann - darf ich die Angst in Worte kleiden - die kaum
erhoffte Wirklichkeit nicht fassen, eh' Sie mich nicht die ersten
süßen Freuden der langersehnten Liebe kosten lassen und mich
durch diese Gunst verpflichten, auf diese andre Ehe zu verzichten
-
E l m i r e. (hustet, um Orgon zum Eingreifen zu veranlassen).
Mein Gott, verlangen Sie, daß auf den ersten Streich die Festung
sich bedingungslos ergibt? Man ringt sich das Geständnis ab,
daß man Sie liebt - und hat noch nicht genug getan?! Muß ich
denn gleich, um Ihr Vertrauen wieder zu erringen, das allerletzte
Liebesopfer bringen -?
T a r t u f f e.
Wenn man sich eines Glücks so wenig würdig fühlt, wagt man
auch kaum, es wirklich zu erhoffen, und kann's nicht glauben -
das bekenn ich offen - eh' man nicht mit den Engeln Harfe spielt
- So wenig glaub ich, Ihre Güte zu verdienen und das verwegen
angestrebte Ziel je zu erreichen, daß nur ein handgreifliches
Zeichen, verehrte gnäd'ge Frau, von Ihnen mich von der Wahrheit
überzeugen kann.
E l m i r e.
Sie sind ein unerbittlicher Tyrann in Ihrer Liebe! Und mein Herz
ergreift Verwirrung und Bedrängnis, wenn Sie so gewaltsam in
einem Siegeszug und unaufhaltsam erobern wollen, was sonst
langsam reift. Gibt es denn keinen Schutz vor Ihrem Drängen,
daß man nicht einmal Atem holen kann? Ich fühl mich wie in
eines Tigers Fängen! Sie legen es ja mit Gewalt drauf an, die
Schwachheit meines Herzens auszubeuten, um mich zum Letzten zu
verleiten!
T a r t u f f e.
Ist Ihnen wirklich auch ums Herz so heiß:
warum verweigern Sie mir den Beweis?
E l m i r e.
Und wie verantworte ich das vor Gott, dem Herrn, dessen Gebote
Sie uns ständig lehren?
T a r t u f f e.
Ist das der einz'ge Grund, weshalb Sie sich noch wehren, erlös
ich Sie von diesen Skrupeln gern: die sollen unser Glück nicht
länger hindern!
E l m i r e.
Droht Gottes Strafe nicht auch Liebessündern?
T a r t u f f e.
Von diesen lächerlichen Ängsten, schönste Frau, kann ich Sie
spielend-leicht befreien. Der liebe Gott verbietet - nimmt man es
genau - uns zwar gewisse Dinge, die das Herz erfreuen, doch
läßt er selbstverständlich auch gelegentlich in ganz besondren
Fällen mit sich handeln:
man kann - und das ist eine Wissenschaft für sich - die Sünde
selbst in eine gute Tat verwandeln, indem man reinen Herzens sie
begeht und beim Begehen Gottes Huld erfleht. Sie werden diese
höhre Weisheit bald erfassen, wenn Sie sich gläubig von mir
führen lassen. Vergessen Sie die dumme Angst! Sind Sie erst
mein, soll alles andre meine Sorge sein.
(Elmire hustet heftig.)
Sie sind erkältet, Gnädigste?
E l m i r e.
Ich leide ganz unsäglich.
T a r tu f f e.
Wie wär's mit einem Stück Lakritze?
E l m i r e.
Danke. Für diesen bösen Husten, dran ich kranke, ist scheinbar
eine Heilung sehr schwer möglich -
T a r t u f f e.
Wie traurig!
E l m i r e.
Trauriger, als Sie es ahnen -
T a r t u f f e.
Um Ihnen einen Weg aus Ihren Hemmungen zu bahnen, darf ich
beteuern, daß ich streng verschwiegen bin. Und schließlich
sündigt man im tiefsten Sinn nur dann, wenn es die böse Welt
erfährt:
geheime Sünde ist nicht tadelnswert.
E l m i r e.
(nachdem sie nochmal laut gehustet und heftig auf den Tisch
geschlagen hat).
Ich sehe ein, ich kann nicht länger widerstreben und muß mich
Ihren Wünschen fügen, denn anders werden Sie sich nicht
zufriedengeben und vom Verdacht befrein, ich wollte Sie belügen.
Zwar kommt mir das - weiß Gott! - sehr bitter an, denn so war es
wahrhaftig nicht gemeint. Doch da Sie's fordern, da man, wie es
scheint, mit Worten Sie nicht überzeugen kann und Sie auf diesem
Unterpfand bestehen -:
nun gut, so muß es denn geschehen.
Wenn ich mich dadurch einer Sünde schuldig mache, fällt sie auf
den zurück, der sie erzwang, und alles andre ist nun Ihre Sache!
T a r t u f f e.
Ja, Gnädigste, so soll es sein mein Leben lang.
E l m i r e.
Schnell, öffnen Sie die Tür, und sehen Sie sich um, ob sich
nicht draußen auf dem Flur mein Mann herumtreibt -?
T a r t u f f e.
Gar nicht nötig, denn er ist so dumm, daß man ihm sorglos auf
der Nase tanzen kann! Ich habe ihn gottlob so weit gebracht, daß
er nichts glaubt, mag er auch alles sehen. Und daß man ihn dabei
zum Narren macht, wird unsren heimlichen Genuß erhöhen.
E l m i r e.
Ich bitte Sie trotzdem, gehn Sie geschwind, und sehen Sie, ob wir
hier sicher sind!
(Tartuffe ab.)
SECHSTER AUFTRITT
Orgon. Elmire.
O r g o n. (unterm Tisch hervorkommend).
Ist das ein fürchterlicher Mensch! Ein wüstes Vieh! Das
überleb ich nicht - das bricht mir noch das Herz.
E l m i r e.
Du zeigst dich schon? Das ist doch nur ein Scherz -?
Rasch wieder ins Versteck - es ist noch viel zu früh!
So harmlose Gespräche bringen dich schon aus dem Gleise?
Nein, warte noch: dann hast du die Beweise -
O r g o n.
Der Kerl ist eine Ausgeburt der Hölle!
E l m i r e.
Wie leicht bereut man später derart schnelle.
Urteile! Übereile nichts und lerne schweigen,
bis dich die Tatsachen endgültig überzeugen.
(Sie hört Tartuffe kommen und verbirgt Orgon hinter sich.)
SIEBENTER AUFTRITT
Tartuffe. Elmire. Orgon.
T a r t u f f e. (ohne Orgon zu bemerken).
Ich gratuliere, Gnädigste, die Sache glückt! Ich habe überall
mich umgesehen:
kein Menschenwesen weit und breit. Ich bin entzückt ...
(Während er mit ausgebreiteten Armen auf Elmire zugeht, um sie
an sich zu ziehen, tritt Elmire rasch beiseite, so daß er sich
Orgon gegenübersieht.)
O r g o n. (tritt ihm entgegen).
Nur sachte - sachte! Nicht so wild aufs Ganze gehen mit Ihren
leidenschaftlichen Gelüsten!
O Gott -: das also ist der fromme Mann, der sich nicht schämt,
sich frech damit zu brüsten, daß er mir auf der Nase tanzen
kann! Wie leicht Sie doch Ihr Gleichgewicht verlieren:
mein Kind will er zur Frau - und meine Frau verführen! Ich
Dummkopf trottete da blind im Kreise und ließ die Warner seine
Sünden büßen.
Doch nach dem Schauspiel, das Sie mich hier hören ließen,
verzichte ich auf weitere Beweise.
E l m i r e. (zu Tartuffe).
Was hier geschah, war nicht nach meinem Willen:
Sie zwangen mich, Ihr Treiben zu enthüllen.
T a r t u f f e. (zu Orgon).
Sie könnten glauben ...?
O r g o n.
Schluß! Das Spiel ist aus! Kein Wort mehr, Herr. Verlassen Sie
mein Haus!
T a r t u f f e.
Ich wollte doch nur...
O r g o n.
Reden hat hier keinen Zweck. Marsch, sag ich. Scheren Sie sich
weg!
T a r t u f f e.
Wenn einer von uns beiden dieses Haus verläßt, so werden Sie es
sein, Herr, das steht fest. Dies Haus hier ist mein Eigentum.
Vergebliches Bemühen, rasch einen Streit vom Zaun zu brechen und
meine Ehre in den Schmutz zu ziehen -:
ich habe Mittel, mich für diesen Schimpf zu rächen, den man mit
diesem frech-frivolen Streich mir - und damit auch Gott zugleich
- hier angetan hat! Sie bereuen es noch, daß Sie wagen, wie
einen Dieb mich aus dem Haus zu jagen! (Ab.)
ACHTER AUFTRITT
Elmire. Orgon.
E l m i r e.
Was untersteht sich dieser Kerl? Was sagt er da?
O r g o n.
Verflucht! Da gibt es wirklich nichts zu lachen!
E l m i r e.
Warum?
O r g o n.
Ich war ein Tor! 0 Gott, was soll ich machen? Die Schenkung
quält mich - und was noch geschah -
E l m i r e.
Die Schenkung?
O r g o n.
Das ist ein für allemal geschehen. Und doch ist das das
Schlimmste nicht, was an mir frißt -
E l m i r e.
Was dann?
O r g o n.
Ich sag dir's später. Laß mich erst mal sehen, ob die Kassette
meines Freundes nicht verschwunden ist....
FÜNFTER AUFZUG
ERSTER AUFTRITT
Orgon. Cléante.
C l é a n t e.
Wo wollen Sie denn hin?
O r g o n.
Weiß ich's?
C l é a n t e.
Mir scheint, es wäre an der Zeit, daß wir vereint
berieten, was man jetzt noch machen kann.
O r g o n.
Ich bin verzweifelt. Alles ist verloren. Hätte ich wenigstens
noch die Kassette!
C l é a n t e.
Und was für ein Geheimnis hängt daran?
O r g o n.
Argas, mein armer Freund, gab sie mir in Verwahr, als er aus
unsrem Lande flüchten mußte:
mich wählte er aus seiner Freundesschar als den Verläßlichsten
sich, weil er wußte, von diesen Dokumenten, die er mir gegeben,
hing alles für ihn ab - sogar sein Leben!
C l é a n t e.
Und dies Vertrauen haben Sie betrogen?
O r g o n.
Weil ich Gewissensbisse spürte, hab ich den Schandkerl ins
Vertraun gezogen, der mich mit schlauen Reden rasch dazu
verführte, zu treuen Händen die Kassette ihm zu übergeben, um
selber nicht mehr in Gefahr zu schweben. Er meinte, käm' die
Sache vor Gericht, könnte ich ruhig den Besitz bestreiten und es
belaste auch mein Gewissen nicht, mit einem Eid der Strafe zu
entgleiten.
C l é an t e.
0 weh, das sind mir freilich böse Dinge:
jetzt haben Sie den Kopf fest in der Schlinge! Wer so viel
Trümpfe in den Händen hat, kann schon ein recht riskiertes
Spielchen wagen. Von Ihnen aber war es doppelt dumm, ihn
wegzujagen, da Sie doch wußten, daß das Blatt für Sie
verteufelt schlecht stand. Und Sie hätten versuchen müssen,
alles gütlich beizulegen, um wenigstens den letzten Rest zu
retten!
O r g o n.
Mit diesem Schuft, der nur des Geldes wegen vor mir den
gottergebnen Büßer spielte, auch noch verhandeln? Bettelarm hab
ich ihn aufgenommen! Jetzt soll mir nochmal so ein frommer Bruder
kommen:
ich will verdammt sein, wenn ich Mitleid fühlte! Ich werde
grausam wie ein Teufel zu ihm sein.
C l é a n t e.
Warum nur immer alles übertreiben? Nein, Sie müssen endlich
lernen, Maß zu halten, statt von der einen Torheit in die andre
zu verfallen. Vernunft nur kann die Welt uns schön gestalten.
Sie mußten einsehn, daß Sie in die Krallen eines verruchten
Scharlatans geraten waren -:
muß man darum das Kind gleich mit dem Bad ausschütten, um nun
mit jedem wahrhaft Frommen zu verfahren, als wär' er schuld
dran, daß Sie Schaden litten? Nur weil ein frecher Gauner Sie
mit seinen verwegnen Gaukeleien hinters Licht geführt, wollen
Sie echte Gottesgläubigkeit verneinen und den verdammen, dem Ihr
Dank gebührt? Nein, derart dumme Konsequenzen mag irgendein
vernarrter Freigeist ziehen:
Sie aber sollten sich fortan erst recht bemühen,
Scheinheiligkeit von wahrer Tugend abzugrenzen. Nie darf man sein
Vertrauen wahllos-blind verschenken, wer von der graden Straße
abweicht, hat sich bald verirrt. Man muß auf seiner Hut sein,
wenn ein Heuchler uns umgirrt, und doch des wahren Frommen gern
gedenken. Statt einen Unschuldigen zu verletzen, soll man viel
eher mal auf eine falsche Karte setzen.
ZWEITER AUFTRITT
Orgon. Cléante. Damis.
D a m i s.
Herr Vater, ist es wirklich wahr, daß dieser Schuft es wagt, Sie
zu bedrohen? Will er wahrhaftig jedes Anstands bar in
frevelhaftem Übermut mit rohen Gewaltmaßnahmen Ihre Wohltaten
vergelten?
0 r g o n.
Ja, lieber Sohn. Ich muß mich selber schelten -
D a m i s.
Ich werde ihn gottsjämmerlich verbläuen!
Ihm gegenüber weich zu werden, wäre dumm. Doch um Sie rasch von
diesem Hundsfott zu befreien, gibt's noch ein beßres Mittelchen:
ich bring ihn um!
C l é a n t e.
So tobt sich Jugend immer maßlos aus! Nein, junger Freund,
mäßigen Sie sich bitte, denn übers Faustrecht sind wir längst
hinaus. So was ist heutzutage nicht mehr Sitte, und es ist auch
gefährlich, selbst zu richten!
DRITTER AUFTRITT
Frau Pernelle. Orgon. Elmire. Cléante. Marianne. Damis. Dorine.
F r a u P e r n e l l e.
Was hör ich da für schreckliche Geschichten?
0 r g o n.
Ich muß es diesmal leider selbst bezeugen, was mir der Kerl als
Dank für meine Güte bot. Voll Mitleid half ich ihm aus seiner
Not, ich nahm ihn auf, und was ich hatte, war sein eigen.
Er durfte wie mein Bruder mit mir leben, ich tat, was man für
seinen besten Freund kaum tut - ich wollte ihm mein Kind zur Ehe
geben und übertrug ihm all mein Hab und Gut -:
und nun sah ich den Gauner danach gieren, mir meine Frau
heimtückisch zu verführen! Doch damit nicht genug: frech nutzt
er mein Vertrauen und meine hirnverbrannte Güte aus, um darauf
seine dunklen Pläne aufzubauen. Vertreiben will er mich aus
meinem eignen Haus. Ich soll so arm sein, wie er selbst gewesen,
als ich ihn von der Straße aufgelesen -
D o r i n e.
Der Gute!
F r a u P e r n e l l e.
Nein, ich kann's nicht glauben, lieber Sohn, daß er so
schändlichen Vergehens fähig wäre.
O r g o n.
Oho!
F r a u P e r n e l l e.
Auf den Gerechten lauern Neid und Hohn!
O r g o n.
Was soll das heißen? Kommen Sie mir auch noch in die Quere, Frau
Mutter?
F r a u P e r n e l l e.
Das soll heißen, daß man hier im Haus kein
gottgefällig-frommes Leben führt und daß man ihn deshalb
verfolgt mit neidgebornem Haß.
O r g o n.
Und wenn's so wäre - löscht das etwa aus, was hier geschehen
ist?
F r a u P e r n e l l e.
In deiner frühsten Jugend war meiner Lehren stete
Kehrreimmelodie:
nichts in der Welt ist so verhaßt wie wahre Tugend, die Neider
sterben, doch der Neid stirbt nie!
O r g o n.
Was soll mir das? Geschehen ist geschehen.
F r a u P e r n e l l e.
Man ließ wahrscheinlich alle bösen Zungen auf dich los -
O r g o n.
Ich sagte doch: ich hab es selbst gesehen!
F r a u P e r n e l l e.
Die Bosheit der Verleumder ist erschrecklich groß.
O r g o n.
Sie quälen mich, Frau Mutter. Lassen Sie sich sagen, daß ich -
ich selber - Zeuge dieser Schandtat war!
F r a u P e r n e l l e.
Das Gift, das Lästerzungen zu uns tragen, bringt auch den
Stärksten in Gefahr.
O r g o n.
Das ist doch heller Wahnsinn! Nein, ich hab's gesehen!
Mit eignen Augen hab ich es gesehen, sag ich doch.
Gesehen!! Muß ich Ihnen das denn noch und noch
in Ihre Ohren schreien, daß Sie es verstehen?
F r a u P e r n e l l e.
Du lieber Gott! Wer danach urteilt, was er sieht, der täuscht
sich oft: das ist ein altes Lied.
O r g o n.
Ich platze!
F r a u P e r n e l l e.
Argwohn ist dem Menschen angeboren, und Gottes Wille ist oft
rätselvoll.
O r g o n.
So hat ihn Gott vielleicht dazu erkoren, daß er mir meine Frau
verführen soll?!
F r a u P e r n e l l e.
Wer seinen Nächsten einer Schandtat zeihen will, muß dafür
seine guten Gründe haben. Und darum hättest du ergeben-still
abwarten müssen, bis sie sich ganz klar ergaben.
O r g o n.
Ei, gottsverdammt! Verlangen Sie noch bessere Beweise?
Abwarten sollte ich es wohl, bis er vor meinen Augen meine Frau
... Was rede ich daher? Sie bringen mich noch völlig aus dem
Gleise!
F r a u P e r n e l l e.
Ach was, er ist ein wahrhaft frommer Mann. Drum will ich es nicht
glauben und nicht hören, daß man ihm etwas vorwirft, was nicht
wahr sein kann.
O r g o n.
0 Gott! Wenn Sie nicht meine Mutter wären, ich wüßte nicht,
was ich in meiner Wut jetzt täte ...
D o r i n e. (zu Orgon).
Ja, so rächt sich alles, was man tut. Heut morgen wollten Sie
uns um die Welt nicht glauben, und jetzt - jetzt glaubt man Ihnen
nicht.
C l é a n t e.
Mit diesem unsinnigen Wortgeplänkel rauben wir uns die letzte
Möglichkeit, dem Bösewicht die dunklen Pläne zu durchkreuzen.
D a m i s.
Wie? Sie nehmen an, daß er in seiner Perfidie es wirklich wagen
könnte ...
E l m i r e.
Nein, das kann nicht sein. Sein Undank wäre allzu
offensichtlich.
C l é an t e. (zu Orgon).
Verlassen Sie sich nicht darauf, denn er wird kein noch so
gemeines Mittel scheuen, um sogar gerichtlich mit tausend
heimtückischen Winkelzügen zu seinem Raub zu kommen und uns
kleinzukriegen. Vorhin schon sagte ich es Ihnen ehrlich:
da Sie die Waffen ihm geliefert haben, war es sehr töricht und
auch leider sehr gefährlich, daß Sie dem Lump so brüsk den
Laufpaß gaben.
O r g o n.
Das seh ich ein. Was sollen wir nun unternehmen?
Als mir der Schuft so frech entgegentrat, konnte ich die
Empörung über den Verrat beim besten Willen nicht bezähmen.
C l é a n t e.
Am besten wär's, geläng' es uns, zur Not Sie beide wieder
halbwegs auszusöhnen -
E l m i r e.
Ich hätte wissen sollen, was uns droht, dann hätt ich es nie zu
diesen Szenen je kommen lassen und wär' nicht so weit gegangen.
Viel eher noch ...
O r g o n. (zu Dorine, als er Herrn Loyal eintreten sieht).
Was will der Herr? Geh hin und frag ihn, was er wünscht. Ich bin
nicht in der Laune, jetzt Besuche zu empfangen.
VIERTER AUFTRITT
Orgon. Frau Pernelle. Elmire. Marianne. Cléante.
Damis. Dorine. Loyal.
L o y a l. (im Hintergrund der Bühne zu Dorine).
Gott grüße Sie, mein tugendsames Fräulein! Bitte führen Sie
gütigst mich zum Hausherrn.
D o r i n e.
Leider hat er grad Besuch. Ich kann nicht garantieren, ob er zu
sprechen ist -
L o y a l.
Es wär mir in der Tat höchst peinlich, käme ich hier
ungelegen! Jedoch ich werde ihn nicht lange stören und hoffe
auch, sein Wohlgefallen zu erregen.
D o r i n e.
Ihr Name bitte?
L o y a l.
Es genügt dem Herrn vielleicht, zu hören, daß Herr Tartuffe
mich schickt in seiner Angelegenheit -
D o r i n e. (zu Orgon).
Da ist ein Mann, der höflich und gesittet im Auftrag Herrn
Tartuffes um eine Unterredung bittet, von der er annimmt, daß
sie Sie erfreut.
C l é a n t e. (zu Orgon).
Sie müssen unbedingt mit ihm verhandeln, um zu erfahren, wer er
ist und was er bringt.
O r g o n. (zu Cléante).
Er kommt vielleicht, um wieder anzubandeln -? Wie soll ich mich
verhalten, daß uns das gelingt?
C l é a n t e.
Bezähmen Sie vor allem Ihre Wut, und heißen Sie
Versöhnungsangebote unbesehen gut.
L o y a l. (zu Orgon).
Ich grüße Sie, verehrter Herr! Der güt'ge Gott vernichte all
Ihre Feinde und sei Ihnen stets so zugeneigt, wie ich es Ihnen
wünsche!
O r g o n. (leise zu Cléante).
Dieses Süßholzraspeln zeigt, daß er zu Kreuze kriecht und die
Geschichte in Ordnung bringen will!
L o y a l.
Mein Herr, Ihr Haus war mir von jeher ganz besonders lieb und
teuer:
schon Ihr Herr Vater schickte mich zu manchem Auftrag aus.
O r g o n.
Verzeihen Sie, mein Herr, es tut mir ungeheuer leid, daß ich
mich nicht mehr erinnern kann, wer Sie ...
L o y a l.
Ich heiße Loyal und stamme aus der Normandie. Ich bin - wenn
mich auch schlechte Menschen darum hassen - hier als
Gerichtsvollzieher angestellt und muß seit vierzig Jahren mich
damit befassen - mit Gottes Hilfe und als Ehrenmann vor aller
Welt! -, Gerechtigkeit zu üben. Und so komm ich auch zu Ihnen,
wertet Herr, um hier nach Recht und Brauch in Anbetracht
vorausgegangner Streitigkeiten auftragsgemäß zur Exekution zu
schreiten.
O r g o n.
Sie kommen...?
L o y a l.
Wollen Sie doch gütigst nicht erschrecken! Ich komme, um ein
Urteil zu vollstrecken:
Sie müssen dieses Haus hier ohne Säumen mit allem Hausrat nebst
den werten Anverwandten räumen.
O r g o n.
Ich soll dies Haus...?
L o y a l.
Ja, ich muß darum bitten.
Sie wissen doch, dies Haus gehört nun unbestritten dem guten
Herrn Tartuffe. Und außerdem ist auch Ihr ganzes Hab und Gut
sein eigen. Ich hin bereit, sofern es Ihnen angenehm, den
rechtlich gültigen Vertrag der Schenkung vorzuzeigen, an dem
jedweder Widerspruch zerbricht.
D a m i s. (zu Loyal).
Die Frechheit ist ja einfach beispiellos!
L o y a l. (zu Damis).
Mit Ihnen, junger Mann, verhandle ich hier nicht. (Auf Orgon
deutend.)
Mit diesem Herrn da rede ich. Er denkt zu groß und gütig, und
er ist als frommer Christ der Letzte, der sich den Anordnungen
des Gerichtes widersetzte!
0 r g o n.
Erlauben Sie ...
L o y a l.
Und wenn man Ihnen Millionen böte, Sie wagten nicht, den Gang
des Rechtes aufzuhalten. Als Ehrenmann ertragen Sie ergeben alle
Nöte und lassen mich hier meines Amtes walten.
D a m i s.
Von mir kann dieser Kerl im schwarzen Kittel sich gern eine gut
gemessene Tracht Prügel holen!
L o y a l. (zu Orgon).
Es sei dem jungen Herrn doch angelegentlichst empfohlen, zu
schweigen oder fortzugehen, denn ansonst wär' ich gezwungen,
werter Herr, der Ordnung wegen protokollarisch seine Drohung
festzulegen!
Das merke er sich ein für allemal.
D o r i n e. (für sich).
Herr Loyal benimmt sich wenig loyal -
L o y a l.
Ich liebe alle guten Menschen herzlich und habe diesen Auftrag,
lieber Herr, nur übernommen, weil ich mir dachte, Ihnen wäre es
willkommen und Sie empfänden es vielleicht besonders
schmerzlich, hätt' man an meiner Stelle einen Mann gewählt, dem
Takt und Höflichkeit des Herzens fehlt.
O r g o n.
Was kann man einem Menschen Schlimmres antun, als Hals über Kopf
ihn aus dem Haus zu jagen?
L o y a l.
Wir lassen Ihnen gerne Zeit, Herr. Jedenfalls kann ich die
Exekution bis morgen früh vertagen. Damit die Sache auch formell
in Ordnung geht, erscheine ich heut abend mit zehn Mann bei Ihnen
- völlig unauffällig und diskret! Und Sie vertrauen mir die
Schlüssel Ihres Hauses an, eh' Sie zu Bett gehn. Niemand wird
Sie stören, und was geschehen muß, geschieht in allen Ehren. Am
nächsten Morgen halten Sie sich bitte früh bereit, das Haus bis
auf das kleinste Möbelstück zu räumen, und meine Leute werden
Ihnen jederzeit behilflich sein, damit Sie nicht die Frist
versäumen. Ich werde alles streng vermeiden, was den Akt
erschwert, doch dafür darf ich auch verlangen, daß Sie morgen
nach besten Kräften dafür sorgen, daß niemand mich bei meiner
Arbeit stört!
O r g o n. (für sich).
Die letzten hundert Louisdor, die mir verbleiben, gäb' ich mit
innigem Vergnügen hin, könnt' ich dem Kerl dafür so recht nach
meinem Sinn eins kräftig unter seine freche Nase reiben!
C l é a n t e. (leise zu Orgon).
Jetzt kommt's drauf an, die Ruhe zu bewahren.
D a m i s.
Kaum halt ich's aus - ich fühl die Hand mich jucken, dem
Burschen für sein unverfrorenes Gebaren ...
D o r i n e.
Ich finde auch, Herr Loyal, Ihr feister Rücken böt' reichlich
Platz für einen derben Stock!
L o y a l.
Ich könnte Ihre losen Reden bitter sühnen, mein süßes Kind,
so wie Sie es verdienen:
vor Strafe schützt bekanntlich auch kein Weiberrock.
C l é a n t e. (zu Loyal).
Es ist wohl Zeit, den Wortstreit zu beendigen. Ich bitte Sie, uns
Ihren Auftrag auszuhändigen und dann gefälligst Ihres Wegs zu
gehen.
L o y a l. (überreicht ihm den Räumungsbefehl).
Sehr gern, mein Herr. Auf frohes Wiedersehen! Gott segne Sie, so
wie er Sie bisher beglückt hat! (Ab.)
0 r g o n.
Der Teufel hole dich und den, der dich geschickt hat!
FÜNFTER AUFTRITT
Orgon. Frau Pernelle. Elmire. Cléante. Marianne. Damis. Dorine.
O r g o n.
Und nun, Frau Mutter? Hatte ich nicht recht? Läßt auch dies
Schriftstück Sie noch nicht verstehen, trotzdem Sie alles selbst
mit angesehen, daß er ein Lump ist und von Grund auf schlecht -?
F r a u P e r n e l l e.
Ich bin - weiß Gott - wie vor den Kopf geschlagen - aus allen
Wolken falle ich -!
D o r i n e.
Ich weiß nicht recht, warum Sie sich beklagen? Der fromme Plan
des Gottesmanns verwirklicht sich, den er aus purer
Nächstenliebe sich ersann:
er weiß, wie leicht das Heil der Menschen, die zu viel besitzen,
an Hab und Gut und Geld gefährdet werden kann, und um uns davor
zu beschützen, hat er uns - reinweg aus Barmherzigkeit - von
diesem goldnen Überfluß befreit -
0 r g o n.
Halt deinen Mund! Wie oft muß ich das sagen?
C l é a n t e. (zu Orgon).
Erwägen wir doch lieber alle Möglichkeiten, die uns noch
bleiben.
E l m i r e.
Allen Leuten muß man sein undankbares, schändliches Betragen
ins Ohr posaunen -: das macht den Vertrag zunichte. Erscheint der
Kerl mit seinem heimtückischen Spiel vor aller Welt im rechten
Lichte, erreicht er sicher nicht sein Ziel!
SECHSTER AUFTRITT
Valère. Orgon. Frau Pernelle. Elmire. Cléante. Marianne. Damis. Dorine.
V a l è r e.
Verzeihen Sie, mein Herr, daß ich Sie ganz und gar unangemeldet
überfalle! Doch es eilt, denn jeder Augenblick des Zögerns
bringt Gefahr. Ein Freund, der Freud und Leid mit mir getreulich
teilt und weiß, wie sehr Ihr Schicksal mich berührt in allen
Dingen, hat mir zuliebe seine Schweigepflicht verletzt, die er
dem Staate schuldet, und mir eben jetzt Nachrichten übermittelt,
die Sie zwingen, sofort aus unsrem Land zu flüchten! Der Lump,
der Sie am Narrenseil geführt, hat Sie aus Rachbegier beim
König denunziert. Er hat - so wußte man mir zu berichten - ihm
die Kassette eines Staatsverbrechers ausgehändigt mit höchst
verräterischen Protokollen, die Sie, obwohl vom Inhalt ganz
genau verständigt, entgegen Ihrer Bürgerpflicht verborgen haben
sollen. Noch kenn ich nicht die nähren Einzelheiten, doch ist
bereits ein Haftbefehl ergangen -:
und er, der Schuft, soll den Beamten selbst begleiten, um so
sicherer Sie einzufangen!
C l é an t e.
Der Plan ist klar: nur so kann's ihm gelingen, die Beute
ungestraft in Sicherheit zu bringen.
O r g o n.
Ein böses Tier ist dieser Mensch fürwahr!
V a l è r e.
Auch das geringste Zögern bringt Sie in Gefahr! Mein Wagen steht
schon vor der Tür zur Flucht bereit, und hier sind tausend
Louisdor für Ihren Unterhalt. Verlieren Sie um Gottes willen
keine Zeit, denn dieses Streiches tödlicher Gewalt kann man sich
nur durch rasche Flucht entziehen. Ich führe Sie und werde Sie
begleiten, bis Sie vor der Gefahr und allen Widrigkeiten
geschützt sind.
0 r g o n.
Es ist rührend, wie Sie sich bemühen!
So bleibt mir nur der fromme Wunsch: Gott gebe, daß ich den
heiß erflehten Tag erlebe, an dem ich Ihnen alles das vergelten
kann, was Sie als treuer Freund an mir getan! Lebt wohl, ihr
alle! Und seid immer treu bemüht
C l é a n t e.
Nur fort! Was hier zu tuen ist, geschieht. (Er drängt Orgon
hinaus.)
SIEBENTER AUFTRITT
Tartuffe. Ein Polizeibeamter. Frau Pernelle. Orgon. Elmire.
Cléante. Marianne. Valère. Damis. Dorine.
T a r t u f f e. (tritt Orgon entgegen und hält ihn auf).
Nur sachte - sachte, Herr, warum so eilig?
Es ist nicht weit zu dem Quartier, das für Sie offensteht.
Im Namen Seiner Gnädigen Majestät:
Sie sind verhaftet!
O r g o n.
Ist dir gar nichts heilig, du niederträchtiger Verräter? Dieser
Schlag, mit dem du mich zugrunde richtest, mag für dich die
Krone deiner Schurkereien sein -
T a r t u f f e.
Ich bin erhaben über solche Schimpferein,
die mich im Innren nicht berühren:
ich bin gewohnt, für Gott das Ärgste zu ertragen.
C l é a n t e.
Sie halten sich im Zaum - das muß man sagen!
D a m i s.
Und so ein Schuft wagt, Gott im Mund zu führen!
T a r t u f f e.
Ihr wütendes Gekläff erregt mich nicht:
ich stehe hier und tue meine Pflicht.
M a r i a n n e.
Sie haben allen Grund, sich hier im Haus mit diesem Auftrag auch
noch aufzuspielen -
T a r t u f f e.
Geht solch ein Auftrag von so hoher Stelle aus, hat man das
Recht, sich hochgeehrt zu fühlen.
0 r g o n.
Daß ich dir half aus tiefer - tiefer Not, das hast du
Undankbarer - scheint's - vergessen?!
T a r t u f f e.
0 nein. Ich weiß, daß man mir manches bot. Doch meines Königs
und des Staates Interessen stehen mir höher als private
Dankbarkeit:
sie sind mir heilig! Darum bin ich stets bereit, für sie das
Allerletzte hinzugeben:
Freund, Frau und Anverwandte selbst das eigne Leben!
E l m i r e.
Verlogner Lump!
D a m i s.
Wie das dem Schandkerl immer glückt, daß er aus allem sich, was
wir verehren, ein Lügenmäntelchen zusammenflickt!
C l é a n t e.
Wenn es so ist, wie Sie es uns erklären, daß Sie hier nur im
Staatsintresse handeln, warum hat Ihr Gewissen sich erst dann
geregt, als es ans Licht kam, daß Sie es drauf angelegt,
heimtückisch mit der Frau des Hausherrn anzubandeln? Und warum
haben Sie ihn jetzt erst denunziert, als er gezwungen war, Sie
aus dem Haus zu jagen? Stand Ihr Entschluß schon fest, ihn
anzuklagen, wie konnten Sie sich trotzdem ungeniert von ihm sein
Haus und sein Vermögen übereignen lassen?
T a r t u f f e. (zum Polizeibeamten).
Mein Herr, ich bitte Sie, jetzt zuzufassen, um mich von diesem
Schwätzer zu befrein!
P o l i z e i b e a m t e r.
Sie haben recht. Auch mir scheint's an der Zeit zu sein.
Und da Sie mich drum bitten, fasse ich nun endlich zu: Sie sind
verhaftet! Und Sie folgen mir jetzt ins Gefängnis, wo schon ein
Quartier für Sie bereitsteht.
T a r t u f f e.
Wie?! Sie meinen mich?
P o l i z e i b e a m t e r.
Ja, freilich.
T a r t u f f e.
Ins Gefängnis - ich?! Wer unterstände ...
P o l i z e i b e a m t e r.
Nicht Ihnen hab ich dies Geheimnis zu entdecken. (Zu Organ.)
Erholen Sie sich nun von Ihrem Schrecken, verehrter Herr, das
Spiel ist nun zu Ende! Denn uns regiert ein König, der ein Feind
der Lüge ist, ein Herrscher, der ins Herz der Menschen blickt
und sich nicht täuschen läßt durch Trug und Hinterlist,
betreibt man auch das Spiel noch so geschickt! Er läßt nicht
das Geringste sich entgleiten, er übereilt nichts, und mit
unbeirrbarem Verstand prüft er die kleinsten Kleinigkeiten und
hält die Zügel fest in seiner Hand. Die wahrhaft Frommen stehen
hoch bei ihm in Ehren, und doch macht diese Liebe ihn nicht
blind:
grad weil ihm echte Christen lieb und teuer sind, weiß er sich
aller Heuchler zu erwehren. Auch dieser da vermochte nicht, ihn
einzufangen viel feinren Netzen ist er schon entgangen! Sofort
hat Seine Majestät erkannt, daß hier ein abgefeimter Gauner vor
ihm stand. Doch als er Sie verriet, hat er sich selbst verraten
und - Gottes Mühlen mahlen langsam, aber fein! - sich vor dem
höchsten Herrn entpuppt als ein Verbrecher, der unzählig viele
Missetaten getarnt mit falschem Namen schon begangen hat! Und
wollte man sein Schuldregister ganz enthüllen, so könnte man
damit leicht Blatt für Blatt ein paar gewichtig-dicke Bände
füllen. Kurzum: als Seine Majestät erkannte, welch schnöden
Mißbrauch er mit Ihrer Güte trieb, schrieb er's zum andren. Und
wenn ich so ruhig blieb, geschah's nur, um zu sehn, wie weit er
sich verrannte in seiner bodenlosen Frechheit, um ihn dann der
Strafe zuzuführen, der er nicht entrinnen kann. Der König gab
mir den Befehl, ich soll ihm jedes Schriftstück nehmen, das Sie
je ihm gaben, auch den Vertrag, mit dem Sie ihm vertrauensvoll
Ihr Haus und all Ihr Hab und Gut verschrieben haben. Doch damit
nicht genug, vergibt er Ihnen, daß Sie, um einem alten Freund zu
dienen, dessen Papiere bei sich aufbewahrten:
das ist der Dank dafür, daß Sie in vorbildlicher Treue sich
einstmals schützend um ihn scharten, als er um seine
Königsrechte rang. Aufs neue will er beweisen, daß er keine
gute Tat vergißt und treuen Untertanen dankbar ist. Wo er nur
kann, vergibt er seinen Feinden, die guten Menschen aber macht er
sich zu Freunden.
D o r i n e.
Gott sei gelobt!
F r a u P e r n e l l e.
Ich atme auf!
E l m i r e.
Wir sind gerettet!
0 r g o n. (zu Tartuffe, der von dem Beamten abgeführt wird).
Du Schandkerl, du - jetzt kriegst du deinen Lohn!
(Polizeibeamter mit Tartuffe ab.)
ACHTER AUFTRITT
Frau Pernelle. Organ. Elmire. Marianne. Cléante. Valère. Damis. Dorine.
C l é a n t e.
Halt, lieber Schwager, nicht in diesem Ton! Da uns der König
aller Qual entkettet, ist's doppelt unsre Pflicht, die Würde zu
bewahren. Der Elende geht der verdienten Strafe nun entgegen, und
sollte sein Gewissen sich noch regen, wär's häßlich, ihn mit
harten Worten anzufahren. Wir wollen lieber hoffen, daß er seine
Tat bereut und sich bekehrt zu tugendhaftem Leben, so daß
vielleicht nach seiner Strafe Prüfungszeit der König sich
herbeiläßt, seine Schuld ihm zu vergeben. Sie aber eilen jetzt,
um ihm auf Ihren Knien zu danken, daß er Ihnen gnädigst seine
Hold geliehen!
0 r g o n.
Das ist das rechte Wort zur rechten Zeit. Mit Freuden werfe ich
mich ihm zu Füßen, um Seiner Majestät in tiefer Dankbarkeit zu
huldigen. Dann will ich den in meine Arme schließen und durch
die Tat ihm meinen Dank beteuern, der treu für seine Liebe litt
und Stritt - und wir beschließen diesen Tag damit, daß wir
Valères und Mariannes Hochzeit feiern!
Wolfgang
Peter, Ketzergasse 261/3,
A-2380 Perchtoldsdorf, Austria Tel/Fax: +43-1- 86 59 103 Mobil: 0676 9
414 616 |
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