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Johann Gottfried Herder

Johann Gottfried

Herder

aus

Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit

Fünfzehntes Buch

IV

Nach Gesetzen ihrer innern Natur muß mit der Zeitenfolge auch die Vernunft und Billigkeit unter den Menschen mehr Platz gewinnen und eine dauerndere Humanität befördern

Alle Zweifel und Klagen der Menschen über die  Verwirrung und den wenig merklichen Fortgang des  Guten in der Geschichte rühret daher, daß der traurige Wanderer auf eine zu kleine Strecke seines Weges  siehet. Erweiterte er seinen Blick und vergliche nur  die Zeitalter, die wir aus der Geschichte genauer kennen, unparteiisch miteinander, dränge er überdem in  die Natur des Menschen und erwägte, was Vernunft  und Wahrheit sei, so würde er am Fortgange derselben sowenig als an der gewissesten Naturwahrheit  zweifeln. Jahrtausende durch hielt man unsre Sonne  und alle Fixsterne für stillstehend; ein glückliches  Fernrohr läßt uns jetzt an ihrem Fortrücken nicht  mehr zweifeln. So wird einst eine genauere Zusammenhaltung der Perioden in der Geschichte unseres  Geschlechts uns diese hoffnungsvolle Wahrheit nicht  nur obenhin zeigen, sondern es werden sich auch,  trotz aller scheinbaren Unordnung, die Gesetze berechnen lassen, nach welchen kraft der Natur des  Menschen dieser Fortgang geschiehet. Am Rande der  alten Geschichte, auf dem ich jetzt wie in der Mitte  stehe, zeichne ich vorläufig nur einige allgemeine  Grundsätze aus, die uns im Verfolg unsres Weges zu  Leitsternen dienen werden.

Erstens. Die Zeiten ketten sich kraft ihrer Natur  aneinander; mithin auch das Kind der Zeiten, die  Menschenreihe, mit allen ihren Wirkungen und Produktionen.

Durch keinen Trugschluß können wir's leugnen,  daß unsre Erde in Jahrtausenden älter geworden sei  und daß diese Wandrerin um die Sonne seit ihrem Ursprunge sich sehr verändert habe. In ihren Eingeweiden sehen wir, wie sie einst beschaffen gewesen, und  dürfen nur um uns blicken, wie wir sie jetzt beschaffen finden. Der Ozean brauset nicht mehr; ruhig ist er  in sein Bette gesunken; die umherschweifenden Ströme haben ihre Ufer gefunden, und die Vegetation sowohl als die organischen Geschöpfe haben in ihren  Geschlechtern eine fortwirkende Reihe von Jahren zurückgelegt. Wie nun seit der Erschaffung unsrer Erde  kein Sonnenstrahl auf ihr verlorengegangen ist, so ist  auch kein abgefallenes Blatt eines Baums, kein verflogener Same eines Gewächses, kein Leichnam eines  modernden Tiers, noch weniger eine Handlung eines  lebendigen Wesens ohne Wirkung geblieben. Die Vegetation z.B. hat zugenommen und sich, soweit sie  konnte, verbreitet; jedes der lebendigen Geschlechter  ist in den Schranken, die ihm die Natur durch andre  Lebendige setzte, fortgewachsen, und sowohl der  Fleiß des Menschen als selbst der Unsinn seiner Verwüstungen ist ein regsames Werkzeug in den Händen  der Zeit worden. Auf dem Schutt seiner zerstörten  Städte blühen neue Gefilde; die Elemente streuten  den Staub der Vergessenheit darüber, und bald kamen neue Geschlechter, die von und über den alten Trümmern bauten. Die Allmacht selbst kann es nicht ändern, daß Folge nicht Folge sei; sie kann die Erde  nicht herstellen zu dem, was sie vor Jahrtausenden  war, so daß diese Jahrtausende mit allen ihren Wirkungen nicht dagewesen sein sollten.

Im Fortgange der Zeiten liegt also schon ein Fortgang des Menschengeschlechts, sofern dies auch in  die Reihe der Erde- und Zeitkinder gehöret. Erschiene jetzt der Vater der Menschen und sähe sein Geschlecht: wie würde er staunen! Sein Körper war für  eine junge Erde gebildet, und nach der damaligen Beschaffenheit der Elemente mußte sein Bau, seine Gedankenreihe und Lebensweise sein; mit sechs und  mehr Jahrtausenden hat sich gar manches hierin verändert. Amerika ist in vielen Strichen jetzt schon  nicht mehr, was es bei seiner Entdeckung war; in ein  paar Jahrtausenden wird man seine alte Geschichte  wie einen Roman lesen. So lesen wir die Geschichte  der Eroberung Trojas und suchen ihre Stelle, geschweige das Grab des Achilles oder den gottgleichen Helden selbst, vergebens. Es wäre zur Menschengeschichte ein schöner Beitrag, wenn man mit unterscheidender Genauigkeit alle Nachrichten der Alten  von ihrer Gestalt und Größe, von ihren Nahrungsmitteln und dem Maß ihrer Speisen, von ihren täglichen  Beschäftigungen und Arten des Vergnügens, von ihrer Denkart über Liebe und Ehe, über Leidenschaften und Tugend, über den Gebrauch des Lebens und das Dasein nach diesem Leben ort- und zeitgemäß sammelte. Gewiß würde auch schon in diesen kurzen Zeiträumen ein Fortgang des Geschlechts bemerkbar, der ebensowohl die Bestandheit der ewigjungen Natur als die  fortwirkenden Veränderungen unsrer alten Mutter  Erde zeigte. Diese pflegt der Menschheit nicht allein,  sie trägt alle ihre Kinder auf einem Schoß, in denselben Mutterarmen; wenn eins sich verändert, müssen  sie sich alle verändern.

Daß dieser Zeitenfortgang auch auf die Denkart des Menschengeschlechts Einfluß gehabt habe, ist unleugbar. Man erfinde, man singe jetzt eine Iliade; man  schreibe wie Äschylus, Sophokles und Plato: es ist  unmöglich. Der einfache Kindersinn, die unbefangene Art, die Welt anzusehen, kurz, die griechische Jugendzeit ist vorüber. Ein gleiches ist's mit Ebräern  und Römern; dagegen wissen und kennen wir eine  Reihe Dinge, die weder Ebräer noch Römer kannten.  Ein Tag hat den andern, ein Jahrhundert das andre gelehrt; die Tradition ist reicher worden; die Muse der  Zeiten, die Geschichte selbst spricht mit hundert  Stimmen, singt aus hundert Flöten. Möge in dem ungeheuren Schneeball, den uns die Zeiten zugewälzt  haben, soviel Unrat, soviel Verwirrung sein, als da  will; selbst diese Verwirrung ist ein Kind der Jahrhunderte, die nur aus dem unermüdlichen Fortwälzen  einer und derselben Sache entstehen konnte. Jede  Wiederkehr also in die alten Zeiten, selbst das berühmte Platonische Jahr, ist Dichtung; es ist dem Begriff der Welt und Zeit nach unmöglich. Wir schwimmen weiter, nie aber kehrt der Strom zu seiner Quelle  zurück, als ob er nie entronnen wäre.

Zweitens. Noch augenscheinlicher macht die  Wohnung der Menschen den Fortgang unsres Geschlechts kennbar.

Wo sind die Zeiten, da die Völker wie Troglodyten  hie und da in ihren Höhlen, hinter ihren Mauern saßen und jeder Fremdling ein Feind war? Da half, bloß und allein mit der Zeitenfolge, keine Höhle, keine Mauer;  die Menschen mußten sich einander kennenlernen;  denn sie sind allesamt nur ein Geschlecht auf einem  nicht großen Planeten. Traurig gnug, daß sie sich einander fast allenthalben zuerst als Feinde kennenlernten und einander wie Wölfe anstaunten; aber auch  dies war Naturordnung. Der Schwache fürchtete sich  vor dem Starkem, der Betrogne vor dem Betrüger, der Vertriebne vor dem, der ihn abermals vertreiben  könnte, das unerfahrne Kind endlich vor jedem Fremden. Diese jugendliche Furcht indes und alles, wozu  sie mißbraucht wurde, konnte den Gang der Natur  nicht ändern: das Band der Vereinigung zwischen  mehreren Nationen ward geknüpft, wenn gleich durch  die Roheit der Menschen zuerst auf harte Weise. Die  wachsende Vernunft kann den Knoten brechen; sie  kann aber das Band nicht lösen, noch weniger alle die Entdeckungen ungeschehen machen, die jetzt einmal  geschehen sind. Moses' und Orpheus', Homers und  Herodots, Strabo und Plinius' Erdgeschichte, was sind sie gegen die unsre? Was ist der Handel der Phönicier, Griechen und Römer gegen Europas Handel?  Und so ist uns mit dem, was bisher geschehen ist,  auch der Faden des Labyrinths in die Hand gegeben,  was künftig geschehen werde. Der Mensch, solange er Mensch ist, wird nicht ablassen, seinen Planeten zu  durchwandern, bis dieser ihm ganz bekannt sei; weder die Stürme des Meers noch Schiffbrüche, noch jene  ungeheure Eisberge und Gefahren der Nord- und Südwelt werden ihn davon abhalten, da sie ihn bisher von den schwersten ersten Versuchen selbst in Zeiten  einer sehr mangelhaften Schiffahrt nicht haben abhalten mögen. Der Funke zu allen diesen  Unternehmungen liegt in seiner Brust, in der Menschennatur. Neugierde und die unersättliche Begierde  nach Gewinn, nach Ruhm, nach Entdeckungen und  größerer Stärke, selbst neue Bedürfnisse und Unzufriedenheiten, die im Lauf der Dinge, wie sie jetzt  sind, unwidertreiblich liegen, werden ihn dazu aufmuntern, und die Gefahrenbesieger der vorigen Zeit,  berühmte glückliche Vorbilder, werden ihn noch mehr beflügeln. Der Wille der Vorsehung wird also durch  gute und böse Triebfedern befördert werden, bis der  Mensch sein ganzes Geschlecht kenne und darauf  wirke. Ihm ist die Erde gegeben, und er wird nicht  nachlassen, bis sie, wenigstens dem Verstande und  dem Nutzen nach, ganz sein sei. Schämen wir uns  nicht jetzt schon, daß uns der halbe Teil unsres Planeten, als ob er die abgekehrte Seite des Mondes wäre,  so lange unbekannt geblieben?

Drittens. Alle bisherige Tätigkeit des menschlichen Geistes ist kraft ihrer innern Natur auf nichts  anders als auf Mittel hinausgegangen, die Humanität und Kultur unsres Geschlechts tiefer zu gründen  und weiter zu verbreiten.

Welch ein ungeheurer Fortgang ist's von der ersten  Flöße, die das Wasser bedeckte, zu einem europäischen Schiff! Weder der Erfinder jener noch die zahlreichen Erfinder der mancherlei Künste und Wissenschaften, die zur Schiffahrt gehören, dachten daran,  was aus der Zusammensetzung ihrer Entdeckungen  werden würde; jeder folgte seinem Triebe der Not  oder der Neugierde, und nur in der Natur des menschlichen Verstandes, des Zusammenhanges aller Dinge  lag's, daß kein Versuch, keine Entdeckung vergebens  sein konnte. Wie das Wunder einer andern Welt  staunten jene Insulaner, die nie ein europäisches  Schiff gesehen hatten, dies Ungeheuer an und verwunderten sich noch mehr, da sie bemerkten, daß Menschen wie sie es nach Gefallen über die wilde Meerestiefe lenkten. Hätte ihr Anstaunen zu einer vernünftigen Überlegung jedes großen Zwecks und jedes kleinen Mittels in dieser schwimmenden Kunstwelt werden können: wie höher wäre ihre Bewunderung des  menschlichen Verstandes gestiegen. Wohin reichen  anjetzt nicht bloß durch dies eine Werkzeug die  Hände der Europäer? Wohin werden sie künftig nicht  reichen?

Und wie diese Kunst, so hat das Menschengeschlecht in wenigen Jahren ungeheuer viel Künste erfunden, die über Luft, Wasser, Himmel und Erde  seine Macht ausbreiten. Ja, wenn wir bedenken, daß  nur wenige Nationen in diesem Konflikt der Geistestätigkeit waren, indes der größeste Teil der andern  über alten Gewohnheiten schlummerte; wenn wir erwägen, daß fast alle Erfindungen unsres Geschlechts  in sehr junge Zeiten fallen und beinah keine Spur,  keine Trümmer eines alten Gebäudes oder einer alten  Einrichtung vorhanden ist, die nicht an unsre junge  Geschichte geknüpft sei: welche Aussicht gibt uns  diese historisch erwiesene Regsamkeit des menschlichen Geistes in das Unendliche künftiger Zeiten! In  den wenigen Jahrhunderten, in welchen Griechenland  blühete, in den wenigen Jahrhunderten unsrer neuen  Kultur, wie vieles ist in dem kleinsten Teil der Welt,  in Europa, und auch beinah in dessen kleinsten Teile  ausgedacht, erfunden, getan, geordnet und für künftige Zeiten aufbewahrt worden! Wie eine fruchtbare  Saat sproßten die Wissenschaften und Künste haufenweise hervor, und eine nährte, eine begeisterte und erweckte die andre. Wie, wenn eine Saite berührt wird,  nicht nur alles, was Ton hat, ihr zutönet, sondern auch bis ins Unvernehmbare hin alle ihre harmonischen  Töne dem angeklungenen Laut nachtönen, so erfand,  so schuf der menschliche Geist, wenn eine harmonische Stelle seines Innern berührt ward. Sobald er auf  eine neue Zusammenstimmung traf, konnten in einer  Schöpfung, wo alles zusammenhängt, nicht anders als zahlreiche neue Verbindungen ihr folgen.

Aber, wird man sagen, wie sind alle diese Künste  und Erfindungen angewandt worden? Hat sich dadurch die praktische Vernunft und Billigkeit, mithin  die wahre Kultur und Glückseligkeit des Menschengeschlechts, erhöhet? Ich berufe mich auf das, was ich kurz vorher über den Gang der Unordnungen im ganzen Reich der Schöpfung gesagt habe, daß es nach  einem innern Naturgesetz ohne Ordnung keine Dauer  erhalten könne, nach welcher doch alle Dinge wesentlich streben. Das scharfe Messer in der Hand des Kindes verletzt dasselbe; deshalb ist aber die Kunst, die  dies Messer erfand und schärfte, eine der unentbehrlichsten Künste. Nicht alle, die ein solches Werkzeug  brauchen, sind Kinder, und auch das Kind wird durch  seinen Schmerz den bessern Gebrauch lernen. Künstliche Übermacht in der Hand des Despoten, fremder  Luxus unter einem Volk ohne ordnende Gesetze sind  dergleichen tötende Werkzeuge; der Schade selbst  aber macht die Menschen klüger, und früh oder spät  muß die Kunst, die sowohl den Luxus als den Despotismus schuf, beide selbst zuerst in ihre Schranken  zwingen und sodann in ein wirkliches Gute verwandeln. Jede ungeschickte Pflugschar reibet sich durch  den langen Gebrauch selbst ab; unbehilfliche, neue  Räder und Triebwerke gewinnen bloß durch den Umlauf die bequemere, künstliche Epizykloide. So arbeitet sich auch in den Kräften des Menschen der übertreibende Mißbrauch mit der Zeit zum guten Gebrauch um; durch Extreme und Schwankungen zu beiden Seiten wird notwendig zuletzt die schöne Mitte  eines dauernden Wohlstandes in einer regelmäßigen  Bewegung. Nur, was im Menschenreiche geschehen  soll, muß durch Menschen bewirkt werden; wir leiden so lange unter unsrer eignen Schuld, bis wir, ohne  Wunder der Gottheit, den bessern Gebrauch unsrer  Kräfte selbst lernen.

Also haben wir auch nicht zu zweifeln, daß jede  gute Tätigkeit des menschlichen Verstandes notwendig einmal die Humanität befördern müsse und befördern werde. Seitdem der Ackerbau in Gang kam,  hörte das Menschen- und Eichelnfressen auf; der  Mensch fand, daß er von den süßen Gaben der Ceres  humaner, besser, anständiger leben könne als vom  Fleisch seiner Brüder oder von Eicheln, und ward  durch die Gesetze weiserer Menschen gezwungen,  also zu leben. Seitdem man Häuser und Städte bauen  lernte, wohnte man nicht mehr in Höhlen; unter Gesetzen eines Gemeinwesens schlug man den armen  Fremdling nicht mehr tot. So brachte der Handel die  Völker näher aneinander; und je mehr er in seinem  Vorteil allgemein verstanden wird, desto mehr müssen sich notwendig jene Mordtaten, Unterdrückungen  und Betrugsarten vermindern, die immer nur Zeichen  des Unverstandes im Handel waren. Durch jeden Zuwachs nützlicher Künste ist das Eigentum der Men- schen gesichert, ihre Mühe erleichtert, ihre Wirksamkeit verbreitet, mithin notwendig der Grund zu einer  weitem Kultur und Humanität gelegt worden. Welche  Mühe z.B. ward durch die einzige Erfindung der  Buchdruckerkunst abgetan, welch ein größerer Umlauf der menschlichen Gedanken, Künste und Wissenschaften durch sie befördert! Wage es jetzt ein europäischer Kang-Ti und wolle die Literatur dieses Weltteils ausrotten: es ist ihm schlechterdings nicht möglich. Hätten Phönicier und Karthaginenser, Griechen  und Römer diese Kunst gehabt, der Untergang ihrer  Literatur wäre ihren Verwüstern nicht so leicht, ja  beinahe unmöglich worden. Lasset wilde Völker auf  Europa stürmen: sie werden unsrer Kriegskunst nicht  bestehen, und kein Attila wird mehr vom Schwarzen  und Kaspischen Meer her bis an die Katalaunischen  Felder reichen. Lasset Pfaffen, Weichlinge, Schwärmer und Tyrannen aufstehn, soviel da wollen: die  Nacht der mittleren Jahrhunderte bringen sie nie mehr wieder. Wie nun kein größerer Nutze einer menschlichen und göttlichen Kunst denkbar ist, als wenn sie  uns Licht und Ordnung nicht nur gibt, sondern es  ihrer Natur nach auch verbreitet und sichert, so lasset  uns dem Schöpfer danken, daß er unserm Geschlecht  den Verstand und diesem die Kunst wesentlich gemacht hat. In ihnen besitzen wir das Geheimnis und  Mittel einer sichernden Weltordnung.

Auch darüber dürfen wir nicht sorgen, daß manche  trefflich ersonnene Theorie, die Moral selbst nicht  ausgenommen, in unserm Geschlecht so lange Zeit  nur Theorie bleibe. Das Kind lernt viel, was nur der  Mann anwenden kann; deswegen aber hat es solches  nicht umsonst gelernet. Unbedachtsam vergaß der  Jüngling, woran er sich einst mühsam erinnern wird,  oder er muß es gar zum zweitenmal lernen. Bei dem  immer erneueten Menschengeschlecht ist also keine  aufbewahrte, ja sogar keine erfundene Wahrheit ganz  vergeblich; spätere Zeitumstände machen nötig, was  man jetzt versäumt, und in der Unendlichkeit der  Dinge muß jeder Fall zum Vorschein kommen, der  auf irgendeine Weise das Menschengeschlecht übet.  Wie wir uns nun bei der Schöpfung die Macht, die  das Chaos schuf, zuerst und sodann in ihm ordnende  Weisheit und harmonische Gute gedenken, so entwickelt die Naturordnung des Menschengeschlechts  zuerst rohe Kräfte; die Unordnung selbst muß sie der  Bahn des Verstandes zuführen, und je mehr dieser  sein Werk ausarbeitet, desto mehr siehet er, daß Güte  allein dem Werk Dauer, Vollkommenheit und Schönheit gewähre.

 

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