Von der verzauberten Helena aus Griechenland
Am weißen Sonntag kamen die Studenten, wie oft gemeldet,
unversehens in des Doktor Fausts Behausung zum Nachtessen Und da sie ihre Speise
und ihren Trank mitbrachten, waren sie angenehme Gäste.
Als nun der Wein herumging, wurde am Tisch geredet von
hübschen Weibsbildern. Da fing einer unter ihnen an, dass er kein Weibsbild
lieber sehen wollte, denn die schöne Helena aus Griechenland, deretwegen die
schöne Stadt Troja zugrundegegangen ist. Sie muss schön gewesen sein, sprach
er, weil sie ihrem Mann geraubt wurde und solche Empörung ihretwegen entstanden
ist.
Doktor Faustus antwortete: Dieweil ihr denn so begierig
seid, die schöne Gestalt der Königin Helena, Menelas Hausfrau, eine Tochter
des Tyndareos und der Leda, Castors und Polux Schwester, zu sehen, welche die
Schönste in Griechenland gewesen sein soll, habe ich daran gedacht, sie zu
erwecken. Ich will sie auch hereinbringen, damit ihr sie persönlich sehen
sollt, ihren Geist, und wie sie im Leben ausgesehen hat, wie ich dem Kaiser Karl
V. auch seine Begierde erfüllt habe mit Kaiser Alexander des Großen und seiner
Hausfrau Person.
Darauf verbot er dann, dass keiner nichts reden sollte,
noch vom Tisch aufstehen oder sich empfehlen, ging hierauf zur Stube hinaus, und
als er wieder hereingeht, folgt ihm am Fuß die Königin Helena nach, die so
wunderschön war, dass die Studenten nicht wussten, ob sie bei sich selbst
wären oder nicht, so verwirrt und brünstig wurden sie.
Denn sie erschien in einem köstlichen schwarzpurpurnen
Kleid. Ihr Haar, dessen Goldfarbe ganz herrlich schön schien, hatte sie
daselbst so lang herabhängen bis zur Kniebeuge. Sie hatte kohlschwarze Augen,
ein liebliches Angesicht mit einem runden Köpflein, ihre Lippen waren rot wie
die roten Kirschen, mit einem kleinen Mund und einem Hälslein wie ein weißer
Schwan, roten Backen, welche einer Rose zu vergleichen waren, mit einem überaus
schönen glänzenden Angesicht, und war eine lang aufgerichtete gerade Person -
in Summe war kein Tadel an ihr zu erachten.
Diese Helena sah sich allenthalben in der Stube um, und
mit gar bübischem Angesicht, dass die Studenten in Liebe für sie heftig
entzündet waren. Doch dieweil sie es für einen Geist erachteten, ward ihnen
solche Brunst leicht vergangen, als sie mit Doktor Faust wieder zur Stube
hinausging.
Hierauf, als die Studenten solches alles gesehen hatten,
baten sie Doktor Faust, er solle ihnen soviel zu Gefallen tun und solches Bild
noch einmal erscheinen lassen. Sie würden ihm dann morgens einen Maler ins Haus
schicken wollen, sie abzukonterfeien, welches ihnen Doktor Faust abschlug und
sprach, er könne ihren Geist nicht allezeit erwecken. Er wolle ihnen aber ein
Konterfei zustellen lassen, welches auch geschah, das dann die Studenten alle
abmalen ließen und welches die Maler hin und her schickten, denn es ward ihnen
eine schöne, herrliche Gestalt eines Weibsbildes. Wer aber solches Gemälde dem
Doktor Faust verfertigt hatte, das hat man nicht erfahren können.
Die Studenten aber anbelangend, konnten sie, als sie zu
Bett kamen, vor der Gestalt und Form, die sie sichtbarlich gesehen hatten, nicht
schlafen. Daraus ist abzunehmen, wie der Teufel die Menschen in Liebe verblendet.
Wie es denn oft geschieht, dass mancher so im Hurenleben wandelt,
dass er nicht mehr leicht herauszubringen ist.
Von der verzauberten Helena Auß Griechenlandt:
Am weyssen Sontag kamen die Studenten / so offt gemelt vnuersehens jnn dess Doctor Faustj Behaussung zum Nachtessen / Da Sie jre speiß vnnd Tranckh mit brachten Welliche angeneme Gäst waren/
Als nun der Wein eingieng ward am Tisch geredt Von hubschen weibsbildern / Da einer vnder jnen anfieng / Das Er kein weibsbildt lieber sehen wolte / Dann die schöne Helenam auß Kriechenlanndt / Das von jrentwegen die schon Statt Troia zugrundt ganngen / Sie mueß schön gewesen sein / sprach Er weil Sie jres Mans beraubt / vnnd solliche Embörung von jrentwegen entstanden ist /
Doctor Faustus Antwurt/ Dieweil jr Dann so begirlichen seind zusehen / Die Schöne gestalt der Königin Helenæ Menelaj hausfraw / ein Tochter Tyndarj vnnd Ledæ Castoris, vnnd Pollucis Schwester / Welche solt die Schönste in Græcia gewesen sein/ hab jch daran gedacht Sie zuerweckhen / will sie auch herein bringen/ Damit jr Sie personlichen sehen sollen jren geist / vnnd wie Sie jn Leben gesehen hat / Wie jch dem Kayser Carolo Quinto. auch sein begierdt erfult hab mit dess Kaysers Alexandrj Magnj vnnd seiner hausfrawen Person /
Darauff dann verbott Das keiner nichts reden solt/ noch vom Tisch aufstehn oder Sie empfahen / gieng hierauff zuer Stuben hinauß / vnnd als wider herein geet / Volgt jm von Fueß die Königin Helena nach / die so wunder schon ward / Das die Studenten nit wusten ob Sie bey jnen selbs weren oder nicht / so verwirrt vnnd brunstig wurden Sie /
Dann Sie erschin jnn Einem Costlichen schwartz Purpur Claydt / jr Haar das Goldfarb ganntz schon herrlich schin / hett Sie Dasselb so lanng herab hanngen biß jn Die kniebieg / So hatt Sie kholschwartze Euglein / ein Lieblich angesicht mit einem Runden köpfflein / jre Lefftzgen waren Rott / wie die Rotten kirschen mit einem kleinen Meulin vnnd helslein wie ein weissen Schwan / Rotte becklein / welliche einer Rosen zuuergleichen waren/ mit einem Vberauß schönen glitzigen Angesicht / ein langlecht aufgericht gerade person / jn Summa es ward kein vnthedelein an jr zuuerachten /
Dise Helena sahe sich allenthalben jnn der Stuben Vmb/ Vnnd mit gar Buebischem Angesicht / Das die Studenten jnn Lieb gegen jr hefftig entzündt waren / Doch dieweil Sie es fur ein Geist achteten / ward jnen solliche Brunst leichtlich verganngen / Sie gieng mit Doctor Fausto zuer Stuben wider hinauß.
Hierauff als die Studenten sollichs alles gesehen / Batten Sie Doctor Faustum Er soll jnen souil zue gefallen thuen / vnnd sollich bild noch ein mahl erscheinen lassen / Dann Sie jm zu Morgens jnn sein hauß ain Mahler schickhen wolten sie abzuconterfeien / wellichs jn Doctor Faustus abschlueg / vnnd sprach Er köndte jren Geyst nicht alzeit erweckhen / Er wolt jnen aber ein Conterfeit zuestehn lassen / wellichs auch geschach / vnd Dann die Studenten aller erst abreissen liessen / Welchs die Mahler sehr hin vnnd wider schicktñ / Dann es ward jnn schon herrlich gestalt eines weibsbildt / wer aber sollichs gemähl dem Doctor Fausto abgerissen/ Das hat man nicht erfahren können.
Die Studenten aber belangendt könndten Sie / als Sie zu betth kamen/ Vor der gestalt vnnd Form so Sie sichtbarlichen gesehen nicht schlaffen/ darauß abzunemen ist wie der Teuffel die Menschen jnn Lieb verblendet / wie dann offt geschicht / Das mancher also jm Huernleben wandelt/das Er nicht Leichtlichen mehr herauß zubringen ist.
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