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Johann Gottfried
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IIUnsre Erde ist einer der mittleren PlanetenDie Erde hat zwei Planeten, den Merkur und die Venus, unter sich, den Mars (und wenn vielleicht über ihm noch einer versteckt ist), den Jupiter, Saturn, Uranus über sich, und was für andre noch da sein mögen, bis sich der regelmäßige Wirkungskreis der Sonne verliert und die exzentrische Bahn des letzten Planeten in die wilde Ellipse der Kometenbahnen hinüberspringet. Sie ist also ein Mittelgeschöpf, so wie der Stelle nach, so auch an Größe, an Verhältnis und Dauer ihres Umschwungs um sich und ihres Umlaufs um die Sonne; jedes Äußerste, das Größeste und Kleinste, das Schnellste und Langsamste, ist zu beiden Seiten von ihr entfernt. So wie nun unsre Erde zur astronomischen Übersicht des Ganzen vor andern Planeten eine bequeme Stelle hat [2], so wäre es schön, wenn wir nur einige Glieder dieses erhabnen Sternenverhältnisses näher kennten. Eine Reise in den Jupiter, die Venus oder auch nur in unsern Mond würde uns über die Bildung unsrer Erde, die doch mit ihnen nach einerlei Gesetzen entstanden ist, über das Verhältnis unsrer Erdegeschlechter zu den Organisationen andrer Weltkörper von einer höhern oder von einer tiefern Art, vielleicht gar über unsere zukünftige Bestimmung so manchen Aufschluß geben, daß wir nun kühner aus der Beschaffenheit von zwei oder drei Gliedern auf den Fortgang der ganzen Kette schließen könnten. Die einschränkende, festbestimmende Natur hat uns diese Aussicht versaget. Wir sehen den Mond an, betrachten seine ungeheuren Klüfte und Berge; den Jupiter und bemerken seine wilden Revolutionen und Streifen; wir sehen den Ring des Saturns, das rötliche Licht des Mars, das sanftere Licht der Venus und rätseln daraus, was wir glücklich oder unglücklich daraus zu ersehen meinen. In den Entfernungen der Planeten herrscht Proportion; auch auf die Dichtigkeit ihrer Masse hat man wahrscheinliche Schlüsse gefolgert und damit ihren Schwung, ihren Umlauf in Verbindung zu bringen gesucht: alles aber nur mathematisch, nicht physisch, weil uns außer unsrer Erde ein zweites Glied der Vergleichung fehlet. Das Verhältnis ihrer Größe, ihres Schwunges, ihres Umlaufs z.B. zu ihrem Sonnenwinkel hat noch keine Formel gefunden, die auch hier alles aus einem und demselben kosmogonischen Gesetz erkläre. Noch weniger ist uns bekannt, wie weit ein jeder Planet in seiner Bildung fortgerückt sei, und am wenigsten wissen wir von der Organisation und dem Schicksal seiner Bewohner. Was Kircher und Swedenborg davon geträumt, was Fontenelle darüber gescherzt, was Huygens, Lambert und Kant davon, jeder auf seine Weise, gemutmaßt haben, sind Erweise, daß wir davon nichts wissen können, nichts wissen sollen. Wir mögen mit unsrer Schätzung herauf- oder herabsteigen, wir mögen die vollkommenern Geschöpfe der Sonne nah oder ihr fern setzen, so bleibt alles ein Traum, der durch den Mangel der Fortschreitung in der Verschiedenheit der Planeten beinah Schritt vor Schritt gestört wird und uns zuletzt nur das Resultat gibt, daß überall wie hier Einheit und Mannigfaltigkeit herrsche, daß aber unser Maß des Verstandes sowie, unser Winkel des Anblicks uns zur Schätzung des Fort- oder Zurückganges durchaus keinen Maßstab gebe. Wir sind nicht im Mittelpunkt, sondern im Gedränge; wir schiffen wie andre Erden im Strom umher und haben kein Maß der Vorgleichung. Dürfen und sollen wir indes aus unserm Standpunkt zur Sonne, dem Quell alles Lichts und Lebens in unserer Schöpfung, vor- und rückwärts schließen, so ist unsrer Erde das zweideutige goldne Los der Mittelmäßigkeit zuteil worden, die wir wenigstens zu unserm Trost als eine glückliche Mitte träumen mögen. Wenn Merkur den Schwung um seine Achse, mithin seine Tag- und Nachtrevolution, vielleicht in 6 Stunden, sein Jahr in 88 Tagen vollbringt und sechsmal stärker von der Sonne erleuchtet wird als wir; wenn Jupiter dagegen seine weite Bahn um die Sonne in 11 Jahren und 313 Tagen vollendet und dennoch seine Tag- und Nachtzeit in weniger als 10 Stunden zurücklegt; wenn der alte Saturn, dem das Licht der Sonne hundertmal schwächer scheinet, kaum in 30 Jahren um die Sonne kommt und abermals sich vielleicht in 7 Stunden um seine Achse drehet: so sind wir mittlere Planeten, Erde, Mars und Venus, von mittlerer Natur. Unser Tag ist wenig voneinander, von den Tagen der andern aber so sehr verschieden als umgekehrt unsre Jahre. Auch der Tag der Venus ist beinah 24 Stunden, des Mars nicht 25 lang. Das Jahr der ersten ist von 224, des letzten von 1 Jahr und 322 Tagen, ob er gleich 3 1/2 mal kleiner als die Erde und um mehr als die Hälfte von der Sonne entfernt ist. Weiterhin gehen die Verhältnisse der Größe, des Umschwungs, der Entfernung kühn auseinander. Auf einen der drei Mittelplaneten hat uns also die Natur gesetzt, auf denen auch ein mittleres Verhältnis und eine abgewogenere Proportion so wie der Zeiten und Räume, so vielleicht auch der Bildung ihrer Geschöpfe zu herrschen scheinet. Das Verhältnis unsrer Materie zu unserm Geist ist vielleicht so aufwiegend gegeneinander als die Länge unsrer Tage und Nächte. Unsre Gedankenschnelligkeit ist vielleicht im Maß des Umschwunges unsres Planeten um sich selbst und um die Sonne zu der Schnelligkeit oder Langsamkeit andrer Sterne, so wie unsre Sinne offenbar im Verhältnis der Feinheit von Organisation stehen, die auf unsrer Erde fortkommen konnte und sollte. Zu beiden Seiten hinaus gibt es wahrscheinlich die größesten Divergenzen. Lasset uns also, solange wir hier leben, auf nichts als auf den mittelmäßigen Erdeverstand und auf die noch viel zweideutigere Menschentugend rechnen. Wenn wir mit Augen des Merkurs in die Sonne sehen und auf seinen Flügeln um sie fliegen könnten; wenn uns mit der Raschheit des Saturns und Jupiters um sich selbst zugleich ihre Langsamkeit, ihr weiter, großer Umfang gegeben wäre oder wenn wir auf dem Haar der Kometen, der größesten Wärme und Kälte gleich empfängig, durch die weiten Regionen des Himmels schiffen könnten: denn dürften wir von einem andern, weitern oder engern, als dem proportionierten Mittelgleise menschlicher Gedanken und Kräfte reden. Nun aber, wo und wie wir sind, wollen wir diesem milde proportionierten Gleise treu bleiben; er ist unserer Lebensdauer wahrscheinlich gerade recht. Es ist eine Aussicht, die auch die Seele des trägsten Menschen erwecken kann, wenn wir uns einst auf irgendeine Weise im allgemeinen Genuß dieser uns jetzt versagten Reichtümer der bildenden Natur gedenken, wenn wir uns vorstellen, daß vielleicht, nachdem wir zur Summe der Organisation unsres Planeten gelangt sind, ein Wandelgang auf mehr als einem andern Stern das Los und der Fortschritt unsres Schicksals sein könnte oder daß es endlich vielleicht gar unsre Bestimmung wäre, mit allen zur Reife gelangten Geschöpfen so vieler und verschiedener Schwesterwelten Umgang zu pflegen. Wie bei uns unsere Gedanken und Kräfte offenbar nur aus unsrer Erdorganisation Leimen und sich so lange zu verändern und zu verwandeln streben, bis sie etwa zu der Reinigkeit und Feinheit gediehen sind, die diese unsre Schöpfung gewähren kann, so wird's, wenn die Analogie unsre Führerin sein darf, auf andern Sternen nicht anders sein: und welche reiche Harmonie lässet sich gedenken, wenn so verschieden gebildete Wesen alle zu einem Ziel wallen [3] und sich einander ihre Empfindungen und Erfahrungen mitteilen. Unser Verstand ist nur ein Verstand der Erde, aus Sinnlichkeiten, die uns hier umgeben, allmählich gebildet; so ist's auch mit den Trieben und Neigungen unsres Herzens; eine andre Welt kennet ihre äußerlichen Hülfsmittel und Hindernisse wahrscheinlich nicht. Aber die letzten Resultate derselben sollte sie nicht kennen? Gewiß! alle Radien streben auch hier zum Mittelpunkt des Kreises. Der reine Verstand kann überall nur Verstand sein, von welchen Sinnlichkeiten er auch abgezogen worden; die Energie des Herzens wird überall dieselbe Tüchtigkeit, d. i. Tugend, sein, an welchen Gegenständen sie sich auch geübet habe. Also ringet wahrscheinlich auch hier die größeste Mannigfaltigkeit zur Einheit, und die allumfassende Natur wird ein Ziel haben, wo sie die edelste Bestrebungen so vielartiger Geschöpfe vereinige und die Blüten aller Welt gleichsam in einen Garten sammle. Was physisch vereinigt ist, warum sollte es nicht auch geistig und moralisch vereinigt sein, da Geist und Moralität auch Physik sind und denselben Gesetzen, die doch zuletzt alle vom Sonnensystem abhangen, nur in einer höhern Ordnung, dienen? Wäre es mir also erlaubt, die allgemeine Beschaffenheit der mancherlei Planeten auch in der Organisation und im Leben ihrer Bewohner mit den verschiednen Farben eines Sonnenstrahls oder mit den verschiednen Tönen einer Tonleiter zu vergleichen, so würde ich sagen, daß sich vielleicht das Licht der einen Sonne des Wahren und Guten auch auf jeden Planeten verschieden breche, so daß sich noch keiner derselben ihres ganzen Genusses rühmen könnte. Nur weil eine Sonne sie alle erleuchtet und sie alle auf einem Plan der Bildung schweben, so ist zu hoffen, sie kommen alle, jeder auf seinem Wege, der Vollkommenheit näher und vereinigen sich einst vielleicht, nach mancherlei Wandelgängen, in einer Schule des Guten und Schönen. Jetzt wollen wir nur Menschen sein, d. i. ein Ton, eine Farbe in der Harmonie unsrer Sterne. Wenn das Licht, das wir genießen, auch der milden grünen Farbe zu vergleichen wäre, so lasset sie uns nicht für das reine Sonnenlicht, unsern Verstand und Willen nicht für die Handhaben des Universum halten; denn wir sind offenbar mit unsrer ganzen Erde nur ein kleiner Bruch des Ganzen.
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Wolfgang
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