Es nannten ihre Bücher
Die Alten sonst nach Göttern,
Nach Musen und nach Freunden,
Doch keiner nach der Liebsten;
Warum sollt ich, Annette,
Die du mir Gottheit, Muse
Und Freund mir bist und alles,
Dies Buch nicht auch nach deinem
Geliebten Namen nennen?
Eine
Erzählung
Mädchen, setzt euch
zu mir nieder,
Niemand stört hier unsre Ruh,
Seht, es kommt der Frühling wieder,
Weckt die Blumen und die Lieder,
Ihn zu ehren, hört mir zu.
Weise, strenge Mütter lehren:
»Mädchen, flieht der Männer List!«
Und doch laßt ihr euch betören!
Hört, ihr sollt ein Beispiel hören,
Wer am meisten furchtbar ist.
Ziblis, jung und schön, zur Liebe,
Zu der Zärtlichkeit gemacht,
Floh aus rauhem, wilden Triebe,
Nicht aus Tugend alle Liebe,
Ihre Freude war die Jagd.
Als sie einst tief im Gesträuche
Sorglos froh ein Liedchen sang,
Ward sie blaß wie eine Leiche,
Da aus einer alten Eiche
Ein gehörnter Waldgott sprang.
Zärtlich lacht das Ungeheuer,
Ziblis wendet ihr Gesicht,
Läuft, doch der gehörnte Freier
Springt ihr wie ein hüpfend Feuer
Nach und ruft: »O flieh mich nicht!«
Schrei'n kann niemals überwinden.
Sie lief schneller, er ihr nach.
Endlich kam sie zu den Gründen,
Da, wo unter jungen Linden
Emiren am Wasser lag.
»Hilf mir!« rief sie. Er, voll Freude,
Daß er so die Nymphe sah,
Stand bewaffnet zu dem Streite
Mit dem Ast der nächsten Weide,
Als der Waldgott kam, schon da.
Der trat näher, ihn zu höhnen,
Und ging schnell den Zweikampf ein.
Sie erbebt für Emirenen.
Immer wird das Herz der Schönen
Auf des Schönen Seite sein.
Seinen Feind im Sand zu höhnen,
Regt sich Fuß und Arm und Hand,
Bald mit Stoßen, bald mit Dehnen.
Liebe stärkt die Kraft der Sehnen,
Beide waren gleich entbrannt.
Endlich sinkt der Faun zur Erden,
Denn ihn traf ein harter Streich.
Gräßlich zerrt er die Gebärden;
Emiren, ihn loszuwerden,
Wirft ihn in den nächsten Teich.
Ziblis lag mit matten Blicken,
Da der Sieger kam, im Gras.
Wird's ihm, ihr zu helfen, glücken?
Leicht sind Mädchen zu erquicken,
Oft ist ihre Krankheit Spaß.
Sie erhebt sich. Neues Leben
Gibt ein heißer Kuß ihr gleich.
Doch, der einen schon gegeben,
Sollte nicht nach mehrern streben?
Das sieht einem Märchen gleich.
Wartet nur. Es folgten Küsse
Hundertweis; sie schmeckten ihr.
Ja, die Mäulchen schmecken süße.
Und bei Ziblis waren diese
Gar die ersten. Glaubt es mir.
Darum sog mit langen Zügen
Sie begierig immer mehr.
Endlich trunken von Vergnügen,
Ward dem Emiren das Siegen,
Wie ihr denken könnt, nicht schwer.
Mädchen, fürchtet rauher Leute
Buhlerische Wollust nie.
Die im ehrfurchtsvollen Kleide
Viel von unschuldsvoller Freude
Reden, Mädchen, fürchtet die.
Wacht, denn da ist nichts zu scherzen.
Seid viel lieber klug als kalt.
Zittert stets für eure Herzen.
Hat man einmal diese Herzen,
Ha, das andre hat man bald!
Eine
Erzählung
Euer Beifall macht
mich freier,
Mädchen, hört ein neues Lied.
Doch verzeiht, wenn meine Leier
Nicht von jenem heil'gen Feuer
Der geweihten Dichter glüht.
Hört von mir, was wenig wissen,
Hört's, und denket nach dabei:
Daß, wenn zwei sich zärtlich küssen,
Gern sich sehn und ungern missen,
Es nicht stets aus Liebe sei.
Lyde brannt von einem Blicke
Für Aminen, er für sie;
Doch ein widriges Geschicke
Hinderte noch beider Glücke,
Ihre Eltern schliefen nie.
Wachsamkeit wird euch nichts taugen,
Wenn die Töchter unser sind;
Eltern, habet hundert Augen,
Mädchen, wenn sie List gebrauchen,
Machen hundert Augen blind.
Listig hofft sie, eine Stunde
Ihre Wächter los zu sein.
Endlich kommt die Schäferstunde,
Und von ihrem heißen Munde
Saugt Amin die Wollust ein.
So genoß, entfernt vom Neide,
Er noch manchen süßen Kuß.
Doch er ward so vieler Beute
Überdrüssig. Jede Freude
Endigt sich mit dem Genuß.
Ist wohl bei des Blutes Wallen,
Denkt er, immer Liebe da?
Liebt sie mich denn wohl vor allen?
Oder hab ich ihr gefallen,
Weil sie mich am ersten sah?
Einst spricht er, dies auszuspüren:
»Ach, wie quält mein Vater mich!
Fern soll ich die Herde führen -
Himmel! Dich soll ich verlieren!
Ha, das Leben eh'r als dich!
Liebste, nein, ich komme wieder,
Doch der beste Freund von mir«
(Hier sah sie zur Erde nieder)
»Singet angenehme Lieder,
Diesen Freund, den laß ich dir.«
Lyde denkt an keine Tücke,
Weint und geht es weinend ein.
Ungern flieht Amin sein Glücke,
Listig bleibt der Freund zurücke,
Oft ist er mit ihr allein.
Viel singt er von Glut und Liebe,
Sie wird feurig, er wird kühn.
Sie empfindet neue Triebe,
Und Gelegenheit macht Diebe.
Endlich - Gute Nacht, Amin.
Kinder, seht, da müßt ihr wachen,
Euch vom Irrtum zu befrein.
Glaubet nie den Schein der Sachen,
Sucht euch ja gewiß zu machen,
Eh ihr glaubt, geliebt zu sein.
Erste
Erzählung
Verzweifelt nicht,
ihr Jünglinge, wenn eure Mäd-
chen spröde sind. Niemals hat noch die Kälte der
mütterlichen Lehren ein weibliches Herze so zu Eise
gehärtet, daß es der alles erwärmende Hauch der
Liebe nicht hätte zerschmelzen sollen.
Hört, was mir mein Freund erzählte, dem ich sonst
viel glaube:
Ich liebte ein Mädchen recht feurig, recht zärtlich;
aber sie floh die Jünglinge und die Liebe, weil ihr die
Mutter die Jünglinge und die Liebe sehr fürchterlich
gemalt hatte. Das schreckte mich nicht ab, es machte
mich nur behutsam.
Ich seh's, du kennst sie nicht, die Liebe, dacht ich,
Denn wer sie kennt, der flieht sie nicht.
Wie leicht wird's sein, dich zu entzünden,
Da du so unerfahren bist?
Die Liebe sollst du bald empfinden,
Und sollst nicht wissen, daß sie's ist.
Wenn ich sie im
Haine antraf, redete ich sie ganz
trocken an. Meine Kälte betrog sie, daß sie nicht floh
und mit sich reden ließ. Ich sagte ihr viel von erhab-
nen Empfindungen, die ich Freundschaft nannte;
leicht gewann ich da ihre Vertraulichkeit.
Dem Mädchen ward nebst andern Gaben
Viel feuriges Gefühl geschenkt,
Da meint's, es denke gleich erhaben,
Da es doch nichts als feurig denkt.
Ich ward ihr Freund, sie meine Freundin. Mein
Umgang fing an, ihr täglich weniger gleichgültig zu
werden. Sie freuete sich, wenn ich kam, und betrübte
sich, wenn ich ging.
Was bei des Jünglings Blicken
Ein jedes Mädchen fühlt,
War das, was mit Entzücken
Sie nur für Freundschaft hielt.
Ich war oft mit ihr alleine gewesen, doch hatte ich
es nicht wagen dürfen, die Lehren der Mutter mit Ge-
walt anzugreifen. Nach und nach suchte ich sie mit
List zu untergraben. Seit einiger Zeit war ich ihr Leh-
rer geworden, hatte sie viel Gutes gelehrt; und dem
Liebhaber glaubt ein Mädchen immer mehr als der
Mutter. Da fing sie an zu zweifeln, ob auch die Mut-
ter immer möchte wahr geredet haben. Das merkte
ich, und wußte ihre Zweifel zu nähren.
Einst saß sie, meinen Lehren
Aufmerksam zuzuhören;
Da sprach ich: »Du mußt wissen,
Daß auch die Freunde küssen,
Die Freunde so wie ich und du -«
Ich wagt es - und sie ließ es zu.
Da ich den ersten so leicht erhalten hatte, konnte
ich noch eher auf den zweeten hoffen.
Nie schmeckt ein Mädchen einen Kuß,
Die sich nicht nach dem zweeten sehnte.
Oft wiederholt ich meinen Kuß,
Daß sie sich bald daran gewöhnte.
Wenn ich sie sah und sie nicht küßte,
Sprach gleich ihr Blick, daß sie etwas vermißte.
Der glückliche Fortgang meiner Eroberungen
machte mich stolz, und wer stolz ist, ist kühn.
So schwer ist's nicht, wie ich geglaubt,
Dem Mädchen eine Gunst zu rauben;
Hat sie uns nur erst eins erlaubt,
Das andre wird sie schon erlauben.
Sobald ich sie wiedersah, redete ich feuriger, küßte
ich sie feuriger als sonst. Ich sah, daß sie bewegt
ward.
Da wagt's mein Arm, sie zu umschließen.
Sie ließ es zu.
Da wagt's mein Mund, die weiße Brust zu küssen.
Sie ließ es zu.
Doch eilends sprang sie auf. »Dich werd ich fliehen
müssen,
Gefährlicher!« rief sie und ließ nichts weiter zu
Und floh. Soweit gelang mir mein Bemühen.
Ich folg ihr langsam, da sie flieht;
Denn eher wird sie bei dem Fliehen
Als ich bei dem Verfolgen müd.
Zwote
Erzählung
Es ist kein Mädchen
so listig, so vorsichtig, das
nicht von einem listigen Jünglinge könnte gefangen
werden. Hört, wie es Charlotten erging. Charlotte, ein
weises Mädchen, die wohl wußte, warum die
Jünglinge zu fürchten waren, liebte mich recht zärt-
lich, aber mehr noch sich selbst. Drum war sie immer
zurückhaltend, immer streng gegen mich, wie es
meine Annette jetzt ist, wenn sie ihre Mutter beobach-
tet. Wäre sie ganz klug gewesen, so hätte sie mich
ganz gemieden; doch sie war zu dieser Tat zu sehr
Mädchen.
Oft führt ich sie zum Haine
Und war mit ihr alleine;
O wie war ich erfreut!
Ist je ein Paar alleine,
Ist Amor niemals weit.
Einst saßen wir unter dem Schatten einer überhan-
genden Myrte, ein Becher mit Weine und ein Körb-
chen mit Obst stand vor uns; wir redeten von Freund-
schaft. Schnell flog Amor aus einer jungen Rose her-
aus, die, halb aufgeblüht wie ein Mädchen von funf-
zehn Jahren, sich die Myrte hinaufgeschlungen hatte.
Ich sah ihn, das Mädchen nicht. Wie freuete ich mich,
da ich seinen Bogen gespannt und seinen Köcher ge-
füllt sah. Nun wird er mir helfen und einen Pfeil auf
ihre Brust schicken; er wird nicht abspringen, der
spitzige Pfeil!
Du brauchst nicht scharf zu zielen,
Die Brust ist ohnbewehrt.
Ich hab ihr, wie im Spielen,
Gar manches schon gelehrt,
Was, ohne sich zu fühlen,
Kein junges Mädchen hört.
Aber er bleibt doch immer ein Kind, Amor. Kaum
sah er die Trauben, als er schnell hinflog, eine Beere
nach der andern mit einem Pfeile aufstach und aussog,
wie die Bienen ihren Stachel in die Blumen stechen
und Honig saugen. Da er sich satt gesogen hatte, ward
er mutwillig, flog auf den Becher und schaukelte auf
dem Rande. Aber einmal versah er's, der gute Amor,
und fiel mit einem lauten Schrei in den Wein. Possier-
lich schwamm er auf dem goldnen Meere, plätscherte
mit den Flügeln, ruderte mit Händen und Füßen und
schrie immer. Da jammerte er mich, daß ich ihn her-
aushub. »Was machst du?« fragte das Mädchen. -
»Eine Biene war in den Wein gefallen«, sagt ich.
Freudig dankte mir Amor und hüpfte in den Sonnen-
schein, da schüttelte er seine Flügel und trocknete
sich. Ich sah ihm zu und bemerkte, daß sein Köcher
von Pfeilen leer war. Wo sind sie? dacht ich. - Indem
fielen meine Blicke auf den Becher; da zogen sich
Bläschen vom Boden herauf, wie sie der Wein aus
dem Zucker zieht. Amor hatte die Pfeile im Schwim-
men verloren, und nun sog der Wein das Gift aus den
Spitzen. »Ich habe deiner Hülfe nicht mehr nötig,
Amor!« jauchzete ich und reichte ihr den Becher und
sah starr auf sie. Sie trank und sah mich an und trank
mit starken Zügen. »Wie süße!« seufzete sie tief, da
sie den Becher niedersetzte. Ich beobachtete sie
genau; eine sanfte Mattigkeit schlich durch alle ihre
Glieder.
Und kraftlos sank ihr Haupt zurücke.
Erst irrten unbestimmt die Blicke
Umher, und fielen dann auf mich,
Und eilten weg, und kamen wieder.
Sie lächelte und schlug die Augen nieder,
Ihr fühlbar Herz empörte sich
Und schickte brennendes Verlangen
In ihren Busen, auf die Wangen,
Die Wangen glühten, und der Busen stieg.
Da rief ich: »Sieg! Sieg, Amor, Sieg!«
Und der kleine getrocknete Prahler, als wenn er
noch so viel bei der Sache getan hätte,
Rief, als er in die Lüfte stieg:
»Sieg! Sieg!«
Erste
Erzählung
Von stiller Wollust
eingeladen,
Drang in den Tempel der Dryaden
Mit seinem Mädchen Daphnis ein,
Um zärtlich ohnbemerkt zu sein.
Des Taxus Nacht umgab den Fuß der Eichen,
Nur Vögel hüpften auf den Zweigen,
Rings um sie her lag feierliches Schweigen,
Als wären sie auf dieser Welt allein.
Sie saßen tändelnd in dem Kühlen.
Allein, dem Herzen nah, das uns so zärtlich liebt -
Wem Amor solch ein Glücke gibt,
Wird der nicht mehr als sonsten fühlen?
Und unser Paar fing bald an, mehr zu fühlen.
Des Mädchens zärtlich Herz lag ganz in ihrem Blicke,
Halb lächelnd nennt sie ihn ihr bestes, größtes
Glücke.
Sein Herz, von heißem Blut erfüllt,
Drückt sich an ihrs, läßt nach, drückt wieder;
Und wenn das Blut einmal von Liebe schwillt,
Reißt es gar leicht der Ehrfurcht Grenzen nieder.
Konnt Daphnis wohl dem Reiz des Busens
widerstehn?
Bei jedem Kuß durchglüht' ihn neues Feuer,
Bei jedem Kusse ward er freier,
Und sie - und sie - ließ es geschehn.
Der Schäfer fühlt ein taumelndes Entzücken,
Und da sie schweigt, da jetzt in ihren Blicken
Anstatt der Munterkeit ein sanfter Kummer liegt,
Glaubt er sie auf dem Grad von feurigen Entzücken,
Wo man die Mädchen leicht besiegt.
Sie war an seine Brust gesunken,
Und er zuletzt, von Wollust trunken,
Erbat sich, Amor, Sieg von dir.
Doch schnell entriß sie sich den Armen,
Die sie umfaßten: »Aus Erbarmen«,
Rief sie, »komm, eile weg von hier.«
Bestürzt und zitternd folgt er ihr.
Da sprach sie zärtlich: »Laß nicht mehr
Dich die Gelegenheit verführen;
O Freund, ich liebe dich zu sehr,
Um dich unwürdig zu verlieren.«
Zwote
Erzählung
Ich fand mein Mädchen
einst allein
Am Abend so, wie ich sie selten finde.
Entkleidet sah ich sie; dem guten Kinde
Fiel es nicht ein,
Daß ich so nahe bei ihr sein,
Neugierig sie betrachten könnte.
Was sie mir nie zu sehn vergönnte,
Des Busens volle Blüten wies
Sie dem verschwiegnen, kalten Spiegel, ließ
Das Haar geteilt von ihrem Scheitel fallen,
Wie Rosenzweig' um Knospen, um den Busen wallen.
Ganz außer mir vom niegefundnen Glück
Sprang ich hervor. Jedoch wie schmollte
Sie, da ich sie umarmen wollte.
Zorn sprach ihr furchtsam wilder Blick,
Die eine Hand stieß mich zurück,
Die andre deckte das, was ich nicht sehen sollte.
»Geh!« rief sie, »soll ich deine Kühnheit dir
Verzeihen; eile weg von hier.«
Ich fliehn? Von heißer Glut durchdrungen -
Ohnmöglich - Diese schöne Zeit
Von sich zu stoßen! Die Gelegenheit
Kömmt nicht so leicht zurück. Voll Zärtlichkeit
Den Arm um ihren Hals gezwungen, stand
Ich neben ihrem Sessel, meine warme Hand
Auf ihrem heißen Busen, den zuvor
Sie nie berühret. Hoch empor
Stieg er und trug die Hand mit sich empor,
Dann sank mit einem tiefen Atemzug er wieder
Und zog die Hand mit sich hernieder.
So stand Dianens Jäger mutig da,
Triumph gen Himmel hauchend, als er sah,
Was ungestraft kein Sterblicher noch sah.
Mein Mädchen schwieg und sah mich an; ein Zeichen,
Die Grausamkeit fing' an, sich zu erweichen,
Geschmolzen durch die Fühlbarkeit.
O Mädchen, soll mit list'gen Streichen
Kein Jüngling seinen Zweck erreichen,
So müßt ihr niemals ruhig schweigen,
Wenn ihr mit ihm alleine seid.
Mein Arm umschlang mit angestrengten Sehnen
Die weiche Hüfte. Fast - fast - doch des Sieges Lauf
Hielt schnell ein glühnder Strom von Tränen
Unwiderstehlich auf.
Sie stürzt' mir um den Hals, rief schluchsend: »Rette
Mich Unglückselige, die niemand retten kann
Als du, Geliebter. Gott! ach hätte
Dir nie dies Herz gebrannt! Ich sah dich, da begann
Mein Elend; bald, bald ist's vollendet.
O Mutter, welchen Lohn
Gab ich den treuen Lehren, die du mir verschwendet,
Dies Herz zu bilden! Mußte sich dein Drohn
So fürchterlich erfüllen:
Würd ich eine Tat
Vor dir verhüllen,
Deinen Rat
Verachten, selbst mich weise dünken,
Würd ich versinken.
Ich sinke schon; o rette mich!-
Sei stark, mein Freund, o rette dich!
Wir beide sind verloren - Freund, Erbarmen!«
Noch hielt ich sie in meinen Armen.
Sie sah voll Angst rings um sich her.
Wie Wellen auf dem Meer,
Des Grund erbebte, schlug die Brust, dem Munde
Entrauscht' ein Sturm. Sie seufzte: »Unschuld - ach,
wie klang
Dies Wort so lieblich, wenn in mitternächt'ger Stunde
An meinem Haupt es mir mein Engel sang.
Jetzt rauscht's wie ein Gewitterton vorüber.«
Sie rief's. Es ward ihr Auge trüber,
Sah sternenan. Sie betet': »Sieh
Aus deiner Unschuldswohnung, Herr, auf mich
herüber,
Erbarme dich! Entzieh Der reißenden Gefahr mich.
Du
Vermagst's allein; der ist zu schwach dazu,
Der Mensch, zu dem ich vor dir betete.«
Naht euch, Verführer, deren Wange nie
Von heil'gem Graun errötete,
Wenn eure Hand gefühllos, wie
Die Schnitter Blumen, Unschuld tötete,
Und euer Siegerfuß, darüber tretend, sie
Durch Hohn zum zweiten Male tötete,
Naht euch. Betrachtet hie
Der Vielgeliebten Tränen rollen;
Hört ihre Seufzer, hört die feuervollen
Gebete. Wehe dem, der dann
Noch einen Wunsch zu ihrem Elend wollen,
Noch einen Schritt zum Raube wagen kann!
Es sank mein Arm, aus ihm zur Erd sie nieder,
Ich betet, weint und riß mich los und floh.
Den nächsten Tag fand ich sie wieder
Bei ihrer Mutter, als sie froh
Der freudbetränten Mutter Unschuldslieder
Mit Engelstimmen sang.
O Gott, wie drang ein Wonnestrahl durchs Herz mir!
Nieder
Zur Erde blickend stand
Ich da. Sie faßt' mich bei der Hand,
Führt' mich vertraulich auf die Seite
Und sprach: »Dank es dem harten Streite,
Daß du zur Sonn unschuldig blickst,
Beim Anblick jener Heil'gen nicht erschrickst,
Mich nicht verachtend von dir schickst.
Freund, dieses ist der Tugend Lohn;
O wärst du gestern tränend nicht entflohn,
Du sähst mich heute
Und ewig nie mit Freude.«
Im düstern Wald,
auf der gespaltnen Eiche,
Die einst der Donner hingestreckt,
Sing ich um deines Bruders Leiche,
Die fern von uns ein fremdes Grab bedeckt.
Nah schon dem Herbste seiner Jahre,
Hofft' er getrost der Taten Lohn;
Doch unaufhaltsam trug die
Bahre Ihn schnell davon.
Du weinest nicht? - Dir nahm ein langes Scheiden
Die Hoffnung, ihn hier noch einmal zu sehn.
Gott ließ vor dir ihn zu dem Himmel gehn;
Du sahst's und konntest nichts als ihn beneiden.
Doch horch - Welch eine Stimm voll Schmerz
Tönt in mein Ohr von seinem Grabe?
Ich eil, ich seh, sie ist's! Ihr Herz
Liegt mit in seinem Grabe.
Verlassen, ohne Trost liegt hie,
Mit ängstlicher Gebärde
Zu Gott gekehrt, als hoffte sie,
Das schönste Mädchen an der Erde.
Nie hat ein Herz so viel gelitten,
Herr, sieh herab auf ihre Not,
Und schenke gnädig ihren
Bitten Sein Leben oder ihren Tod.
O Gott, bestrafest du die Liebe,
Du Wesen voller Lieb und Huld?
Denn nichts als eine heil'ge Liebe
War dieser Unglücksel'gen Schuld.
Sie hofft' im hochzeitlichen Kleide
Bald mit ihm zum Altar zu ziehn;
Da riß sein Fürst von ihrer Seite
Tyrannisch ihn.
O Fürst, du kannst die Menschen zwingen,
Für dich allein ihr Leben zuzubringen,
Das wird man deinem Stolz verzeihn;
Doch willst du ihre Seelen binden,
Durch dich zu denken, zu empfinden,
Das muß zu Gott um Rache schrein.
Wie ward sein großes Herz durchstochen,
Als er, der nie sein Wort gebrochen,
Sein Wort zum ersten Male brach,
Zum ersten Mal es der Geliebten brach,
Der, eh es noch sein Mund versprach,
Sein Herz ein ewig Band versprochen.
»Als Bürger der bedrängten Erde«,
Sprach er, »kann ich nie deine sein;
Doch von der Furcht, daß ich dir untreu werde,
Soll dich mein Tod befrein.
Leb wohl, es wein bei meinem Grabe
Jed' zärtlich Herz, gerührt von meiner Treu,
Dann eil die stolze Tyrannei,
Der ich schon längst vergeben habe,
Daß sie des Grabes Ursach sei,
Unwillig fühlend, schnell vorbei.«
Schon wälzen
schnelle Räder rasselnd sich und tragen
Dich von dem unbedau'rten Ort,
Und angekettet fest an deinem Wagen
Die Freude mit dir fort.
Du bist uns kaum entwichen, und schwermütig ziehen
Aus dumpfen Höhlen (denn dahin
Flohn sie bei deiner Ankunft, wie fürm Glühen
Der Sonne Nebel fliehn)
Verdruß und Langeweile. Wie die Stymphaliden
Umschwärmen sie den Tisch und sprühn
Von ihren Fittichen Gift unserm Frieden
Auf alle Speisen hin.
Wo ist, sie zu verscheuchen, unser güt'ger Retter,
Der Venus vielgeliebter Sohn,
Apollos Liebling, Liebling aller Götter?
Bebt! Er ist uns entflohn.
O gäb er mir die Stärke, seine mächt'ge Leier
Zu schlagen, die Apoll ihm gab;
Ich rührte sie, dann flöhn die Ungeheuer
Erschröckt zur Höll hinab.
O leih mir, Sohn der Maja, deiner Ferse Schwingen,
Die du sonst Sterblichen geliehn;
Sie reißen mich aus diesem Elend, bringen
Mich nach der Ocker hin.
Dann folg ich ohnerwartet einstens ihm am Flusse;
Jedoch so wenig staunet er,
Als ging' ihm, angeheftet seinem Fuße,
Sein Schatten hinterher.
Von ihm dann unzertrennlich wärmt den jungen
Busen
Der Glanz, der glorreich ihn umgibt.
Er liebet mich, dann lieben mich die Musen,
Weil mich ihr Liebling liebt.
Der du mit deinem
Mohne
Selbst Götteraugen zwingst
Und Bettler oft zum Throne,
Zum Mädchen Schäfer bringst,
Vernimm: Kein Traumgespinste
Verlang ich heut von dir.
Den größten deiner Dienste,
Geliebter, leiste mir.
An meines Mädchens Seite
Sitz ich, ihr Aug spricht Lust,
Und unter neid'scher Seide
Steigt fühlbar ihre Brust;
Oft hatte meinen Küssen
Sie Amor zugebracht,
Dies Glück muß ich vermissen,
Die strenge Mutter wacht.
Am Abend triffst du wieder
Mich dort, o tritt herein,
Sprüh Mohn von dem Gefieder,
Da schlaf die Mutter ein:
Bei blassem Lichterscheinen,
Von Lieb Annette warm
Sink, wie Mama in deinen,
In meinen gier'gen Arm.
Eine
Romanze
Es war einmal ein
Hagenstolz,
Der hieß Pygmalion;
Er machte manches Bild von Holz.
Von Marmor und von Ton.
Und dieses war sein Zeitvertreib
Und alle seine Lust.
Kein junges, schönes, sanftes Weib
Erwärmte seine Brust.
Denn er war klug und furchte sehr
Der Hörner schwer Gewicht;
Denn schon seit vielen Jahren her Traut
Man den Weibern nicht.
Doch es sei einer noch so wild,
Gern wird er Mädchen sehn.
Drum macht' er sich gar manches Bild
Von Mädchen jung und schön.
Einst hatt er sich ein Bild gemacht,
Es staunte, wer es sah;
Es stand in aller Schönheit Pracht
Ein junges Mädchen da.
Sie schien belebt und weich und warm,
War nur von kaltem Stein;
Die hohe Brust, der weiße Arm
Lud zur Umarmung ein.
Das Auge war empor gewandt,
Halb auf zum Kuß der Mund.
Er sah das Werk von seiner Hand,
Und Amor schoß ihn wund.
Er war von Liebe ganz erfüllt,
Und was die Liebe tut!
Er geht, umarmt das kalte Bild,
Umarmet es mit Glut.
Da trat ein guter Freund herein
Und sah dem Narren zu,
Sprach: »Du umarmest harten Stein,
O welch ein Tor bist du!
Ich kauft ein schönes Mädchen mir,
Willst du, ich geb dir sie?
Und sie gefällt gewißlich dir
Weit besser als wie die.
Sag, ob du es zufrieden bist -«
Er sah es nun wohl ein,
Ein Mädchen, das lebendig ist,
Sei besser als von Stein.
Er spricht zu seinem Freunde: »Ja.«
Der geht und holt sie her.
Er glühte schon, eh er sie sah,
Jetzt glüht er zweimal mehr.
Er atmet tief, sein Herze schlug,
Er eilt, und ohne Trau
Nimmt er - man ist nicht immer klug -,
Nimmt er sie sich, zur Frau.
Flieht, Freunde, ja die Liebe nicht,
Denn niemand flieht ihr Reich:
Und wenn euch Amor einmal kriegt,
Dann ist es aus mit euch.
Wer wild ist, alle Mädchen flieht,
Sich unempfindlich glaubt,
Dem ist, wenn er ein Mädchen sieht,
Das Herze gleich geraubt.
Drum seht oft Mädchen, küsset sie,
Und liebt sie auch wohl gar,
Gewöhnt euch dran, und werdet nie
Ein Tor, wie jener war.
Nun, lieben Freunde, merkt euch dies
Und folget mir genau;
Sonst straft euch Amor ganz gewiß
Und gibt euch eine Frau.
Mein Mädchen im
Schatten der Laube,
Umhangen von purpurner Traube,
Bekränzte mit Rebenlaub sich
Und wartete schmachtend auf mich.
Da wallte der Herrscher der Träume
Durch zitternde Wipfel der Bäume,
Erblickte das liebliche Kind,
Sank nieder, umarmt' es geschwind.
Sie schlummert', er küßte die Wangen,
Sie glühten von heißem Verlangen,
Erhitzet, o Gottheit, von dir,
Nach sterblichen Küssen von mir.
Da saugte mit atmenden Zügen
Annette das größte Vergnügen
Der Träume, die Mädchen erfreun,
Vom Munde des Göttlichen ein.
Schnell war sie von Leuten umgeben,
Die schmachteten seufzend nach Leben
Und harreten zitternd aufs Glück
Von einem beseelenden Blick.
Da lag nun auf Knien die Menge,
Mein Mädchen erblickt' das Gedränge
Und hörte der Bittenden Schrei'n
Und dünkte sich Venus zu sein.
Erst sah sie den schrecklichen Sieger,
Da lag er gebückt, wie ein Krieger,
Den stärkerer Streitenden Macht
In schimpfliche Fesseln gebracht.
So sprach er: »Die mächtigen Waffen,
Den Ruhm zu erobern geschaffen,
Erheben, erwählest du mich,
Auf deine Befehle nur sich.
Da fürcht ich nicht Wäll, nicht Kanonen,
Nicht Tonnen, die Minen bewohnen,
Nicht Feinde, die scharenweis ziehn,
Du sprichst nur: 'Entflieht!' - sie entfliehn.
Doch mußt du für Eisen nicht beben,
Mein Arm, den jetzt Waffen umgeben,
Schließt sich in entwaffneter Ruh
Auch sanften Umarmungen zu.«
Der Kaufmann mit Putzwerk und Stoffen,
Was eitele Mädchen nur hoffen,
Trat näher und beugte sein Knie,
Verbreitet' es hoffend vor sie;
»Erhöre mich, werde die meine«,
So sprach er, »dies alles ist deine,
Dich kleid ich in herrlicher Pracht
Dann, wenn du mich glücklich gemacht.«
Der Stutzer im scheckigen Kleide
Von Samt und von Gold und von Seide
Kam summend wie Käfer im Mai
Mit künstlichen Sprüngen herbei:
»Du glänzest bei Ball und Konzerten,
Du herrschest beim Spiel und in Gärten,
Mein Dressenrock schimmert auf dich,
Geliebteste, wähle du mich.«
Noch andere kamen. Geschwinde
Wies da mich dem göttlichen Kinde
Der Traumgott. Sie schaute mich kaum:
»Den lieb ich!« so rief sie im Traum,
»Komm, eile! o komm, mich zu küssen!«
Ich eilte, sie fest zu umschließen;
Denn ich war ihr wachend schon nah,
Und küssend erwachte sie da.
Kein Pinsel malt unser Entzücken,
Da sank sie mit sterbenden Blicken,
O welche unsterbliche Lust!
An meine hochfliegende Brust.
So lag einst Vertumn' und Pomone,
Als er auf dem grünenden Throne
Das sprödeste Mädchen bekehrt,
Zuerst sie die Liebe gelehrt.
Ich sah, wie Doris
bei Damöten stand,
Er nahm sie zärtlich bei der Hand;
Lang sahen sie einander an,
Und sahn sich um, ob nicht die Eltern wachen,
Und da sie niemand sahn,
Geschwind - Genug, sie machten's, wie wir's machen.
Dir hat, wie du mir
selbst erzählt,
Es nie an Phillis' Gunst gefehlt.
Du sprichst, dir hab sie viel erlaubt
Und du ihr noch weit mehr geraubt.
Doch jetzt kommt sie, es wird sehr viel davon
gesprochen,
In wenig Tagen in die Wochen.
Was könnte nun vom Argwohn dich befrein,
Der Vater dieses Kinds zu sein?
Wärst du nicht gar zu klein!
Mein Mädchen sagte
mir: »Wie schön
Ist nicht Olind! ich hab ihn heut gesehn,
Lang sah ich ihn bewundernd an;
Wer hätt ihn nicht bewundern sollen?
Geliebter, du wirst doch nicht schmollen,
Daß ich's getan?«
Ich sprach: »Mein Herz fühlt nichts vom Neide,
Was auch dein Mund für Lob der Schönheit gibt;
Denn liebtest du die schönen Leute,
Sprich, hättest du mich je geliebt?«
Nach
dem Italienischen
Jüngst schlich ich
meinem Mädchen nach,
Und ohne Hindernis
Umfaßt ich sie im Hain; sie sprach:
»Laß mich, ich schrei gewiß.«
Da droht ich trotzig: »Ha, ich will
Den töten, der uns stört.«
»Still«, winkt sie lispelnd, »Liebster, still,
Damit dich niemand hört.«
Aus
dem Französischen
Climene lebt in
tausend Sorgen,
Daß heut den Schatz ihr Hymen mächtig raubt,
Den sie der Liebe lang verborgen.
O hätte sie längst meinem Rat geglaubt;
Sie hätte jetzt nichts mehr zu sorgen.
Aus
dem Französischen des Herrn von Voltaire
Auch in die allergröbste
Lügen
Mischt oft ein Schein von Wahrheit sich.
Ich war im Traum zum Königsrang gestiegen
Und liebte dich,
Erklärt es kühn zu deinen Füßen.
Doch mit dem Traum verließ nicht alles mich;
Nichts als mein Reich ward mir entrissen.
Seid, geliebte
kleine Lieder,
Zeugen meiner Fröhlichkeit;
Ach sie kömmt gewiß nicht wieder,
Dieser Tage Frühlingszeit.
Bald entflieht der Freund der Scherze,
Er, dem ich euch sang, mein Freund.
Ach, daß auch vielleicht dies Herze
Bald um meine Liebste weint!
Doch wenn nach der Trennung Leiden
Einst auf euch ihr Auge blickt,
Dann erinnert sie der Freuden,
Die uns sonst vereint erquickt.
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