Zeittafel
zu Leben und Werk
1749 - 1764
Dieses Symbol verweist jeweils auf weiterführende Texte Goethes, insbesondere auf seine autobiographischen Schriften "Dichtung und Wahrheit"
und "Italienische Reise" bzw. auf Eckermanns
"Gespräche mit Goethe".
Urworte,
orphisch
Dämon
Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt. [0]
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1749 |
Am 28. August wird Johann
Wolfgang Goethe in Frankfurt am Main geboren. In Dichtung
und Wahrheit heißt es dazu:
Goethes
Geburtshaus
am Großen Hirschgraben,
vor dem Umbau 1755
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Am 28. August 1749, mittags mit dem
Glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt am Main auf die Welt. Die Konstellation war glücklich; die Sonne
stand im Zeichen der Jungfrau, und kulminierte für den Tag; Jupiter und Venus blickten sie freundlich an,
Merkur nicht widerwärtig; Saturn und Mars verhielten sich gleichgültig: nur der Mond, der soeben voll
ward, übte die Kraft seines Gegenscheins um so mehr, als zugleich seine Planetenstunde eingetreten war. Er
widersetzte sich daher meiner Geburt, die nicht eher erfolgen konnte, als bis diese Stunde vorübergegangen.
Diese guten Aspekten, welche mir die Astrologen in der Folgezeit sehr hoch anzurechnen
wußten,
mögen wohl Ursache an meiner Erhaltung gewesen sein: denn durch Ungeschicklichkeit der Hebamme
kam ich für tot auf die Welt, und nur durch vielfache Bemühungen brachte man es dahin, daß ich das Licht
erblickte. Dieser Umstand, welcher die Meinigen in große Not versetzt hatte, gereichte jedoch meinen
Mitbürgern zum Vorteil, indem mein Großvater, der Schultheiß Johann Wolfgang
Textor, daher Anlaß
nahm, daß ein Geburtshelfer angestellt, und der Hebammenunterricht eingeführt oder erneuert wurde;
welches denn manchem der Nachgebornen mag zugute gekommen sein.
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Zu Goethes Herkunft siehe auch Goethe-Genealogie,
insbes. die Ahnentafel.
Goethes Vater
Aquarellminiatur von
Georg Friedrich Schmoll, 1774
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Goethes Mutter
Pastellbild von
Georg Oswald May, 1776
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Goethes Vater, Johann Caspar Goethe (*1710,
gest. 1782), ein Kaiserlicher Rat ohne Amtsausübung,
zeigte eine geradezu pedantische Ordnungsliebe, hatte eine
recht trockene Art und war sehr streng gegen sich und andere . Die Mutter,
Katharina Elisabeth Textor (*1731, gest. 1808),
die Tochter des Frankfurter Stadtschultheißen Johann
Wolfgang Textor, war über 20 Jahre jünger als
der Vater. Sie war die belebende Seele eines lebensfrohen
Kreises junger Menschen. In Anspielung auf die Mutter der
legendären Haimonskinder
wurde sie später von den Grafen
Stolberg liebevoll als Frau Aja bezeichnet.
Goethes Mutter war eine Nachfahrin des Grafen Wolfgang II.
von Weikersheim sowie Lucas
Cranachs des Älteren (Werke,
Abstammungslinie).
Der lebenslustige Graf Wolfgang II. hatte nämlich mit
der Zofe Anna eine Affäre gehabt. Anna, die man
noch zur rechten Zeit mit dem Kammerdiener des Grafen, Jörg
Weber, verheiratet hatte, gebar einen Knaben, der auf den
Namen Wolfgang getauft und auf Kosten des Grafen
erzogen wurde. Später wurde er Hohenloher Rat in
Neuenstein. Gebildet wie er war, lateinisierte er seinen Familiennamen Weber
in Textor. Es wurde schließlich Familientradition, dass alle männlichen
Erstgeborenen in seiner Familie seitdem stets den Vornamen
Wolfgang erhielten. Dieser Tradition der Familie Textor
folgte auch Goethes Vater, so dass der Knabe am 29. August
nach protestantischem Ritus auf den Namen Johann Wolfgang
getauft wurde.
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Lucas Cranach der Ältere,
Venus und Cupido, 1509
Hermitage, St. Petersburg
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Vom Vater hab ich die Statur,
Des Lebens ernstes Führen,
Vom Mütterchen die Frohnatur
Und Lust zu fabulieren.
Urahnherr war der Schönsten hold,
Das spukt so hin und wieder;
Urahnfrau liebte Schmuck und Gold,
Das zuckt wohl durch die Glieder.
Sind nun die Elemente nicht
Aus dem Komplex zu trennen,
Was ist denn an dem ganzen Wicht
Original zu nennen? [2] |
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Nun,
sein unvergleichliches Genie hat Goethe wohl ganz original
durch sich selbst und lässt sich aus der Reihe seiner
Vorfahren nicht einmal erahnen! Was nun seine Statur betrifft,
so war Goethe in späteren Jahren, als sein Organismus völlig
ausgereift war, ein sog. "Sitzriese":
Sein Oberkörper erschien, verglichen mit den etwas zu kurz
geratenen Beinen, unverhältnismäßig lang, wie uns auch sein
späterer Leibarzt
Dr. Carl Vogel berichtet:
Goethe war gross und von starkem, regelmässigem Knochenbau; nur die untern Gliedmassen
hätten, um eines schönen Verhältnisses zum Rumpfe willen, ein Geringes länger seyn
dürfen... Noch in den letzten Jahren hielt er sich mit etwas vorragendem Unterleibe und rückwärts gezogenen Schultern sehr gerade, ja etwas steif, und schob diess auf die von ihm, Behufs besserer Ausdehnung der Brust, frühzeitig angenommene und auch Andern zu gleichem Zwecke häufig empfohlene Gewohnheit, die Hände möglichst viel hinter dem Rücken vereinigt zu tragen. Seine Brust war breit und hoch gewölbt, der Athem meistens ruhig und kräftig, dann und wann mit Seufzern untermischt; der Puls weich, mässig voll, im Verhältniss zum Alter immer frequent, etwa wie bei einem Manne von vierzig Jahren. Dem langen Rumpf
und dem ruhigen kräftigen Atem entsprechend
dürfte seine Stimme von Natur her wohltönend voll und dunkel gewesen
sein.
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1750 |
Geburt von Goethes Schwester
Cornelia Friederike Christiane Goethe
(* 1750, gest. 1777), seit 1773 verheiratet
mit einem Jugendfreund ihres Bruders, dem Schriftsteller
Johann Georg Schlosser.
Siehe auch
Dieses
geliebte unbegreifliche Wesen -
Cornelia Goethe (1750 - 1777) zum 250.
Geburtstag
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1750-1765 |
Goethes Erziehung wird vom
Vater streng überwacht. Wie in vornehmen bürgerlichen
Verhältnissen üblich, wurde Goethe von Hauslehrern erzogen,
vorzüglich in den Schönen Wissenschaften (Rhetorik und
Poetik) und im Schönschreiben. Neben den alten
Sprachen lernt Goethe Französisch, Englisch und Italienisch,
später auch Hebräisch. Die Familie pflegt einen ausgedehnten
Umgang mit Frankfurter Künstlern. Theater und Puppenspiel gehören
zu den besonderen Interessen Goethes . Seine Phantasie wird
durch die Märchen der Mutter angeregt. Klopstock, der
durch seinen umstrittenen Messias bekannt geworden war,
wird für Goethe zu einem wesentlichen literarischen Vorbild,
obwohl in der Vater entschieden ablehnt. Das tägliche Lesen
der Bibel
sowie der regelmäßige Besuch des Gottesdienstes
sind selbstverständlicher Bestandteil der religiösen
lutherischen Erziehung.
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Cornelia Friederike Christiane
Goethe
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Der Zehnjährige liest die
Volksbücher vom Eulenspiegel und vom Doktor Faust,
Defoes Robinson Crusoe, Äsop, Homer, Vergil
und Ovid sowie Tausendundeine Nacht und schreibt
selbst erste, noch sehr unpersönlich Gedichte.
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1755 |
Goethes Elternhaus am
Großen Hirschgraben wird großzügig umgebaut .
1. November: großes Erdbeben in Lissabon
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Das Elternhaus J.W.
v.Goethes am Großen Hirschgraben in Frankfurt am Main.
Friedrich Wilhelm Delkeskamp, vor 1823
Goethe-Nationalmuseum
Quelle: biblint.de
Johann Wolfgang Goethe
1765
Ölgemälde von
Anton Johann Kern.
Das Original befand sich
in der Universität Leipzig, wo es 1943 verbrannte.
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1756 |
Bereits in
jungen Jahren hatte Goethe eine tieferlebte Verehrung für die
Natur; sie war die Gottheit, der schon der siebenjährige
Knabe ehrfurchtsvoll einen Altar errichtete:
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Der Gott, der mit der Natur in unmittelbarer Verbindung stehe, sie als sein Werk anerkenne und liebe, dieser schien ihm der eigentliche Gott, der jawohl auch mit dem Menschen wie mit allem übrigen in ein genaueres Verhältnis treten könne, und für denselben ebenso wie für die Bewegung der Sterne, für Tages- und Jahrszeiten, für Pflanzen und Tiere Sorge tragen werde. Einige Stellen des Evangeliums besagten dieses ausdrücklich. Eine Gestalt konnte der Knabe diesem Wesen nicht verleihen; er suchte ihn also in seinen Werken auf, und wollte ihm auf gut alttestamentliche Weise einen Altar errichten. Naturprodukte sollten die Welt im Gleichnis vorstellen, über diesen sollte eine Flamme brennen und das zu seinem Schöpfer sich aufsehnende Gemüt des Menschen bedeuten. Nun wurden aus der vorhandnen und zufällig vermehrten Naturaliensammlung die besten Stufen und Exemplare herausgesucht; allein wie solche zu schichten und aufzubauen sein möchten, das war nun die Schwierigkeit. Der Vater hatte einen schönen, rotlackierten, goldgeblümten Musikpult, in Gestalt einer vierseitigen Pyramide mit verschiedenen Abstufungen, den man zu Quartetten sehr bequem fand, ob er gleich in der letzten Zeit nur wenig gebraucht wurde. Dessen bemächtigte sich der Knabe, und baute nun stufenweise die Abgeordneten der Natur übereinander, so daß es recht heiter und zugleich bedeutend genug aussah. Nun sollte bei einem frühen Sonnenaufgang die erste Gottesverehrung angestellt werden; nur war der junge Priester nicht mit sich einig, auf welche Weise er eine Flamme hervorbringen sollte, die doch auch zu gleicher Zeit einen guten Geruch von sich geben müsse. Endlich gelang ihm ein Einfall, beides zu verbinden, indem er Räucherkerzchen besaß, welche, wo nicht flammend, doch glimmend den angenehmsten Geruch verbreiteten. Ja dieses gelinde Verbrennen und Verdampfen schien noch mehr das, was im Gemüt vorgeht, auszudrücken als eine offene Flamme. Die Sonne war schon längst aufgegangen, aber Nachbarhäuser verdeckten den Osten. Endlich erschien sie über den Dächern; sogleich ward ein Brennglas zur Hand genommen, und die in einer schönen Porzellanschale auf dem Gipfel stehenden Räucherkerzen angezündet.
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1757 |
An die Großeltern
Textor, bei dem erfreulichen Anbruche des 1757. Jahres
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Johann Wolfgang Textor
d.J.,
* Frankfurt 11. 12. 1693
† Frankfurt 6. 2. 1771
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Anna Margaretha
Lindheimer,
~ Wetzlar 23. 7. 1711
begr. Frankfurt 18. 4. 1783
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1758 |
Goethe
erkrankt an den Blattern (Pocken), deren Spuren noch im Alter
sichtbar waren.
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1759 |
Im Zuge des
Siebenjährigen Krieges (1756 -1763) wird Frankfurt von Januar bis Februar 1763
durch die Franzosen besetzt. Graf Thoranc
wird in Goethes Elternhaus einquartiert. Während
der Besatzung besucht der junge Goethe oft das Theater.
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1762 |
Beginn des Englisch- und Hebräischunterrichts.
Der Knabe verfertigt die erste handschriftliche Gedichtsammlung für den Vater.
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1763 |
Konfirmation
Goethes.
Goethe nimmt seinen erster
Klavierunterricht und hört im August, wenige Tage vor seinem
14. Geburtstag, in Frankfurt ein Konzert des siebenjährigen
Mozart,
was eine lebenslange Begeisterung für dessen Musik erwecken
sollte.
Erste, historisch allerdings nicht bezeugte Jugendliebe zu
einem gewissen Gretchen:
Die Gestalt dieses Mädchens verfolgte mich von dem Augenblick an auf allen Wegen und Stegen: es war der erste bleibende Eindruck, den ein weibliches Wesen auf mich gemacht hatte
...
Die ersten Liebesneigungen einer unverdorbenen Jugend nehmen durchaus eine geistige Wendung. Die Natur scheint zu wollen, daß ein Geschlecht in dem andern das Gute und Schöne sinnlich gewahr werde.
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Goethes Schwester
Cornelia
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1764 |
Am 3. April wird Joseph
II. in Frankfurt zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt,
was Goethe als Zuschauer miterlebt.
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[0] Goethe, Urworte, orphisch,
siehe http://gutenberg.spiegel.de/goethe/gedichte/urworte.htm
[1] Goethe, Dichtung und
Wahrheit, I. Teil, 1. Buch, siehe http://www.odysseetheater.com/goethe/duw/duw01.htm
[2] Goethe, Zahme Xenien,
siehe http://gutenberg.spiegel.de/goethe/gedichte/zxenien.htm
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