Dich ergriff mit
Gewalt der alte Herrscher des
Flusses,
Hält dich und teilet mit dir ewig sein strömendes
Reich.
Ruhig schlummerst du nun beim stilleren Rauschen
der Urne,
Bis dich stürmende Flut wieder zu Taten erweckt.
Hülfreich werde dem Volke! so wie du, ein
Sterblicher, wolltest,
Und vollend als ein Gott, was dir als Menschen
mißlang.
Flach bedecket und
leicht den goldenen Samen die
Furche,
Guter! die tiefere deckt endlich dein ruhend Gebein.
Fröhlich gepflügt und gesät! Hier keimet lebendige
Nahrung,
Und die Hoffnung entfernt selbst von dem Grabe sich
nicht.
Wo die Rose hier blüht,
wo Reben um Lorbeer sich
schlingen,
Wo das Turtelchen lockt, wo sich das Grillchen
ergetzt,
Welch ein Grab ist hier, das alle Götter mit Leben
Schön bepflanzt und geziert? Es ist Anakreons Ruh.
Frühling, Sommer und Herbst genoß der glückliche
Dichter;
Vor dem Winter hat ihn endlich der Hügel geschützt.
Schlummer und
Schlaf, zwei Brüder, zum Dienste der
Götter berufen,
Bat sich Prometheus herab seinem Geschlechte zum
Trost;
Aber den Göttern so leicht, doch schwer zu ertragen
den Menschen,
Ward nun ihr Schlummer uns Schlaf, ward nun ihr
Schlaf uns zum Tod.
Eros, wie seh ich
dich hier! In jeglichem Händchen
die Sanduhr!
Wie? Leichtsinniger Gott, missest du doppelt die
Zeit?
»Langsam rinnen aus einer die Stunden entfernter
Geliebten;
Gegenwärtigen fließt eilig die zweite herab.«
Wecke den Amor nicht
auf I Noch schläft der
liebliche Knabe;
Geh, vollbring dein Geschäft, wie es der Tag dir
gebeut!
So der Zeit bedienet sich klug die sorgliche Mutter,
Wenn ihr Knäbchen entschläft, denn es erwacht nur
zu bald.
Die ihr Felsen und Bäume
bewohnt, o heilsame
Nymphen,
Gebet jeglichem gern, was er im stillen begehrt!
Schaffet dem Traurigen Trost, dem Zweifelhaften
Belehrung,
Und dem Liebenden gönnt, daß ihm begegne sein
Glück.
Denn euch gaben die Götter, was sie den Menschen
versagten:
Jeglichem, der euch vertraut, tröstlich und hülfreich
zu sein.
Was bedächtlich
Natur sonst unter viele verteilet,
Gab sie mit reichlicher Hand alles der Einzigen, ihr.
Und die so herrlich Begabte, von vielen so innig
Verehrte,
Gab ein liebend Geschick freundlich dem
Glücklichen, mir.
Hier im stillen
gedachte der Liebende seiner
Geliebten;
Heiter sprach er zu mir: »Werde mir Zeuge, du Stein!
Doch erhebe dich nicht, du hast noch viele Gesellen;
Jedem Felsen der Flur, die mich, den Glücklichen,
nährt,
Jedem Baume des Walds, um den ich wandernd mich
schlinge:
'Denkmal bleibe des Glücks!' ruf ich ihm weihend
und froh.
Doch die Stimme verleih ich nur dir, wie unter der
Menge
Einen die Muse sich wählt, freundlich die Lippen ihm
küßt.«
Seid, o Geister des
Hains, o seid, ihr Nymphen des
Flusses,
Eurer Entfernten gedenk, eueren Nahen zur Lust!
Weihend feierten sie im stillen die ländlichen Feste;
Wir, dem gebahnten Pfad folgend, beschleichen das
Glück.
Amor wohne mit uns, es macht der himmlische Knabe
Gegenwärtige lieb und die Entfernten euch nah.
Dich hat Amor gewiß,
o Sängerin, fütternd erzogen;
Kindisch reichte der Gott dir mit dem Pfeile die Kost.
So, durchdrungen von Gift die harmlos atmende
Kehle,
Trifft mit der Liebe Gewalt nun Philomele das Herz.
Wenn zu den Reihen
der Nymphen, versammelt in
heiliger Mondnacht,
Sich die Grazien heimlich herab vom Olympus
gesellen:
Hier belauscht sie der Dichter und hört die schönen
Gesänge,
Sieht verschwiegener Tänze geheimnisvolle
Bewegung.
Was der Himmel nur Herrliches hat, was glücklich
die Erde
Reizendes immer gebar, das erscheint dem wachenden
Träumer.
Alles erzählt er den Musen, und daß die Götter nicht
zürnen,
Lehren die Musen ihn gleich bescheiden Geheimnisse
sprechen.
Welch ein
himmlischer Garten entspringt aus Öd und
aus Wüste,
Wird und lebet und glänzt herrlich im Lichte vor mir.
Wohl den Schöpfer ahmet ihr nach, ihr Götter der
Erde,
Fels und See und Gebüsch, Vögel und Fisch und
Gewild!
Nur, daß euere Stätte sich ganz zum Eden vollende,
Fehlet ein Glücklicher hier, fehlt euch am Sabbat die
Ruh.
Als Diogenes still
in seiner Tonne sich sonnte
Und Calanus mit Lust stieg in das flammende Grab,
Welche herrliche Lehre dem raschen Sohn des
Philippus,
Wäre der Herrscher der Welt nicht auch der Lehre zu
groß.
Reichte die schädliche
Frucht einst Mutter Eva dem
Gatten,
Acht vom törichten Biß kränkelt das ganze
Geschlecht.
Nun vom heiligen Leibe, der Seelen speiset und
heilet,
Kostest du, Lydia, fromm, liebliches büßendes Kind!
Darum schick ich dir eilig die Frucht voll irdischer
Süße,
Daß der Himmel dich nicht deinem Geliebten entzieh.
Selbst ein so
himmlisches Paar fand nach der
Verbindung sich ungleich:
Psyche ward älter und klug, Amor ist immer noch
Kind.
O des süßen Kindes
und o der glücklichen Mutter,
Wie sie sich einzig in ihm, wie es in ihr sich ergetzt!
Welche Wonne gewährte der Blick auf dies herrliche
Bild mir,
Stünd ich Armer nicht so heilig, wie Joseph, dabei!
Du verklagest das
Weib, sie schwanke von einem
zum andern!
Tadle sie nicht; sie sucht einen beständigen Mann.
Einen Chinesen sah
ich in Rom; die gesamten
Gebäude
Alter und neuerer Zeit schienen ihm lästig und
schwer.
»Ach!« so seufzt' er, »die Armen! ich hoffe, sie sollen
begreifen,
Wie erst Säulchen von Holz tragen des Daches
Gezelt,
Daß an Latten und Pappen, Geschnitz und bunter
Vergoldung
Sich des gebildeten Augs feinerer Sinn nur erfreut.«
Siehe, da glaubt ich, im Bilde so manchen Schwärmer
zu schauen,
Der sein luftig Gespinst mit der soliden Natur
Ewigem Teppich vergleicht, den echten, reinen
Gesunden
Krank nennt, daß ja nur er heiße, der Kranke, gesund.
Sich zu schmücken
begierig, verfolgte den rinnenden
Bach einst
Früh die Muse hinab, sie suchte die ruhigste Stelle.
Eilend und rauschend indes verzog die schwankende
Fläche
Stets das bewegliche Bild; die Göttin wandte sich
zürnend;
Doch der Bach rief hinter ihr drein und höhnte sie:
»Freilich
Magst du die Wahrheit nicht sehn, wie rein dir mein
Spiegel sie zeiget!«
Aber indessen stand sie schon fern, am Winkel des
Sees,
Ihrer Gestalt sich erfreuend, und rückte den Kranz
sich zurechte.
Delos' ernster
Beherrscher und Majas Sohn, der
gewandte,
Rechteten heftig, es wünscht' jeder den herrlichen
Preis.
Hermes verlangte die Leier, die Leier verlangt' auch
Apollon,
Doch vergeblich erfüllt Hoffnung den beiden das
Herz;
Denn rasch dränget sich Ares heran, gewaltsam
entscheidend,
Schlägt das goldene Spiel wild mit dem Eisen
entzwei.
Hermes lacht unmäßig, der schadenfrohe; doch
Phöbos
Und den Musen ergreift' inniger Schmerz das Gemüt.
Amor, nicht das
Kind, der Jüngling, der Psychen
verführte,
Sah im Olympus sich um, frech und der Siege
gewohnt;
Eine Göttin erblickt' er, vor allen die herrlichste
Schöne,
Venus Urania war's, und er entbrannte für sie.
Ach, die Heilige selbst, sie widerstand nicht dem
Werben,
Und der Verwegene hielt fest sie im Arme bestrickt.
Da entstand aus ihnen ein neuer lieblicher Amor,
Der dem Vater den Sinn, Sitte der Mutter verdankt.
Immer findest du ihn in holder Musen Gesellschaft,
Und sein reizender Pfeil stiftet die Liebe der Kunst.
Klopstock will uns
vom Pindus entfernen; wir sollen
nach Lorbeer
Nicht mehr geizen, uns soll inländische Eiche
genügen;
Und doch führet er selbst den überepischen Kreuzzug
Hin auf Golgathas Gipfel, ausländische Götter zu
ehren!
Doch auf welchen Hügel er wolle, versamml' er die
Engel,
Lasse beim Grabe des Guten verlassene Redliche
weinen:
Wo ein Held und Heiliger starb, wo ein Dichter
gesungen,
Uns im Leben und Tod ein Beispiel trefflichen Mutes,
Hohen Menschenwertes zu hinterlassen, da knien
Billig alle Völker in Andachtswonne, verehren
Dorn- und Lorbeerkranz, und was ihn geschmückt
und gepeinigt.
War doch gestern
dein Haupt noch so braun wie die
Locke der Lieben,
Deren holdes Gebild still aus der Ferne mir winkt;
Silbergrau bezeichnet dir früh der Schnee nun die
Gipfel,
Der sich in stürmender Nacht dir um den Scheitel
ergoß.
Jugend, ach! ist dem Alter so nah, durchs Leben
verbunden,
Wie ein beweglicher Traum Gestern und Heute
verband.
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