Ach! unaufhaltsam
strebet das Schiff mit jedem
Momente
Durch die schäumende Flut weiter und weiter hinaus!
Langhin furcht sich die Geleise des Kiels, worin die
Delphine
Springend folgen, als flöh ihnen die Beute davon.
Alles deutet auf glückliche Fahrt: der ruhige
Bootsmann
Ruckt am Segel gelind, das sich für alle bemüht;
Vorwärts dringt der Schiffenden Geist, wie Flaggen
und Wimpel;
Einer nur steht rückwärts traurig gewendet am Mast,
Sieht die Berge schon blau, die scheidenden, sieht in
das Meer sie
Niedersinken, es sinkt jegliche Freude vor ihm.
Auch dir ist es verschwunden, das Schiff, das deinen
Alexis,
Dir, o Dora, den Freund, ach! dir den Bräutigam
raubt.
Auch du blickest vergebens nach mir. Noch schlagen
die Herzen
Für einander, doch ach! nun an einander nicht mehr.
Einziger Augenblick, in welchem ich lebte! du
wiegest
Alle Tage, die sonst kalt mir verschwindenden, auf.
Ach, nur im Augenblick, im letzten, stieg mir ein
Leben
Unvermutet in dir, wie von den Göttern, herab.
Nur umsonst verklärst du mit deinem Lichte den
Äther;
Dein alleuchtender Tag, Phöbus, mir ist er verhaßt.
In mich selber kehr ich zurück; da will ich im stillen
Wiederholen die Zeit, als sie mir täglich erschien.
War es möglich, die Schönheit zu sehn und nicht zu
empfinden?
Wirkte der himmlische Reiz nicht auf dein stumpfes
Gemüt?
Klage dich, Armer, nicht an! - So legt der Dichter ein
Rätsel,
Künstlich mit Worten verschränkt, oft der
Versammlung ins Ohr.
Jeden freuet die seltne, der zierlichen Bilder
Verknüpfung,
Aber noch fehlet das Wort, das die Bedeutung
verwahrt.
Ist es endlich entdeckt, dann heitert sich jedes Gemüt
auf
Und erblickt im Gedicht doppelt erfreulichen Sinn.
Ach, warum so spät, o Amor, nahmst du die Binde,
Die du ums Aug mir geknüpft, nahmst sie zu spät mir
hinweg!
Lange schon harrte befrachtet das Schiff auf günstige
Lüfte;
Endlich strebte der Wind glücklich vom Ufer ins
Meer.
Leere Zeiten der Jugend! und leere Träume der
Zukunft!
Ihr verschwindet, es bleibt einzig die Stunde mir nur.
Ja, sie bleibt, es bleibt mir das Glück! ich halte dich,
Dora!
Und die Hoffnung zeigt, Dora, dein Bild mir allein.
Öfter sah ich zum Tempel dich gehn, geschmückt und
gesittet,
Und das Mütterchen ging feierlich neben dir her.
Eilig warst du und frisch, zu Markte die Früchte zu
tragen;
Und vom Brunnen, wie kühn! wiegte dein Haupt das
Gefäß.
Da erschien dein Hals, erschien dein Nacken vor
allen,
Und vor allen erschien deiner Bewegungen Maß.
Oftmals hab ich gesorgt, es möchte der Krug dir
entstürzen;
Doch er hielt sich stet auf dem geringelten Tuch.
Schöne Nachbarin, ja, so war ich gewohnt, dich zu
sehen,
Wie man die Sterne sieht, wie man den Mond sich
beschaut,
Sich an ihnen erfreut und innen im ruhigen Busen
Nicht der entfernteste Wunsch, sie zu besitzen, sich
regt.
Jahre, so gingt ihr dahin! Nur zwanzig Schritte
getrennet
Waren die Häuser, und nie hab ich die Schwelle
berührt.
Und nun trennt uns die gräßliche Flut! Du lügst nur
den Himmel,
Welle! dein herrliches Blau ist mir die Farbe der
Nacht.
Alles rührte sich schon; da kam ein Knabe gelaufen
An mein väterlich Haus, rief mich zum Strande hinab.
»Schon erhebt sich das Segel, es flattert im Winde«,
so sprach er;
»Und gelichtet mit Kraft, trenne sich der Anker vom
Sand.
Komm, Alexis, o komm !« Da drückte der wackere
VatEr
Würdig die segnende Hand mir auf das lockige
Haupt;
Sorglich reichte die Mutter ein nachbereitetes Bündel:
»Glücklich kehre zurück!« riefen sie, »glücklich und
reich!«
Und so sprang ich hinweg, das Bündelchen unter dem
Arme,
An der Mauer hinab, fand an der Türe dich stehn
Deines Gartens. Du lächeltest mir und sagtest:
»Alexis
Sind die Lärmenden dort deine Gesellen der Fahrt?
Fremde Küsten besuchest du nun, und köstliche
Waren
Handelst du ein, und Schmuck reichen Matronen der
Stadt.
Aber bringe mir auch ein leichtes Kettchen; ich will
es
Dankbar zahlen: so oft hab ich die Zierde
gewünscht!«
Stehen war ich geblieben und fragte, nach Weise des
Kaufmanns,
Erst nach Form und Gewicht deiner Bestellung genau.
Gar bescheiden erwogst du den Preis! da blickt ich
indessen
Nach dem Halse, des Schmucks unserer Königin
wert.
Heftiger tönte vom Schiff das Geschrei; da sagtest du
freundlich:
»Nimm aus dem arten noch einige Früchte mit dir!
Nimm die reifsten Orangen, die weißen Feigen; das
Meer bringt
Keine Früchte, sie bringt jegliches Land nicht
hervor.«
Und so trat ich herein. Du brachst nun die Früchte
geschäftig,
Und die goldene Last zog das geschürzte Gewand.
Öfters bat ich: es sei nun genug! und immer noch eine
Schönere Frucht fiel dir, leise berührt, in die Hand.
Endlich kamst du zur Laube hinan; da fand sich ein
Körbchen,
Und die Myrte bog blühend sich über uns hin.
Schweigend begannest du nun geschickt die Früchte
zu ordnen:
Erst die Orange, die schwer ruht als ein goldener Ball,
Dann die weichliche Feige, die jeder Druck schon
entstellet;
Und mit Myrte bedeckt ward und geziert das
Geschenk.
Aber ich hob es nicht auf; ich stand. Wir sahen
einandEr
In die Augen, und mir ward vor dem Auge so trüb.
Deinen Busen fühlt ich an meinem! Den herrlichen
Nacken,
Ihn umschlang nun mein Arm; tausendmal küßt ich
den Hals;
Mir sank über die Schulter dein Haupt; nun knüpften
auch deine
Lieblichen Arme das Band um den Beglückten herum.
Amors Hände fühlt ich: er drückt uns gewaltig
zusammen,
Und aus heiterer Luft donnert' es dreimal. Da floß
Häufig die Träne vom Aug mir herab, du weintest, ich
weinte,
Und vor Jammer und Glück schien uns die Welt zu
vergehn.
Immer heftiger rief es am Strand; da wollten die Füße
Mich nicht tragen, ich rief: »Dora! und bist du nicht
mein?«
»Ewig!«« sagtest du leise. Da schienen unsere
Tränen,
Wie durch göttliche Luft, leise vom Auge gehaucht.
Näher rief es: »Alexis!« Da blickte der suchende
Knabe
Durch die Türe herein. Wie er das Körbchen empfing!
Wie er mich trieb! Wie ich dir die Hand noch
drückte! - Zu Schiffe
Wie ich gekommen? Ich weiß daß ich ein Trunkener
schien.
Und so hielten mich auch die Gesellen, schonten den
Kranken;
Und schon deckte der Hauch trüber Entfernung die
Stadt.
»Ewig!« Dora, lispeltest du; mir schallt es im Ohre
Mit dem Donner des Zeus! Stand sie doch neben dem
Thron,
Seine Tochter, die Göttin der Liebe; die Grazien
standen
Ihr zur Seiten! Er ist götterbekräftigt, der Bund!
O so eile denn, Schiff, mit allen günstigen Winden!
Strebe, mächtiger Kiel, trenne die schäumende Flut!
Bringe dem fremden Hafen mich zu, damit mir der
Goldschmied
In der Werkstatt gleich ordne das himmlische Pfand.
Wahrlich! zur Kette soll das Kettchen werden, o
Dora!
Neunmal umgebe sie dir, locker gewunden, den Hals!
Ferner schaff ich noch Schmuck, den
mannigfaltigsten; goldne
Spangen sollen dir auch reichlich verzieren die Hand:
Da wetteifre Rubin und Smaragd, der liebliche Saphir
Stelle dem Hyazinth sich gegenüber, und Gold
Halte das Edelgestein in schöner Verbindung
zusammen.
Oh, wie den Bräutigam freut, einzig zu schmücken
die Braut!
Seh ich Perlen, so denk ich an dich; bei jeglichem
Ringe
Kommt mir der länglichen Hand schönes Gebild in
den Sinn.
Tauschen will ich und kaufen; du sollst das Schönste
von allem
Wählen; ich widmete gern alle die Ladung nur dir.
Doch nicht Schmuck und Juwelen allein verschafft
dein Geliebter:
Was ein häusliches Weib freuet, das bringt er dir
auch.
Feine wollene Decken mit Purpursäumen, ein LagEr
Zu bereiten, das uns traulich und weichlich empfängt;
Köstlicher Leinwand Stücke. Du sitzest und nähest
und kleidest
Mich und dich und auch wohl noch ein Drittes darein.
Bilder der Hoffnung, täuschet mein Herz! O mäßiget,
Götter,
Diesen gewaltigen Brand, der mir den Busen
durchtobt!
Aber auch sie verlang ich zurück, die schmerzliche
Freude,
Wenn die Sorge sich kalt, gräßlich gelassen, mir naht.
Nicht der Erinnyen Fackel, das Bellen der höllischen
Hunde
Schreckt den Verbrecher so in der Verzweiflung
Gefild,
Als das gelaßne Gespenst mich schreckt, das die
Schöne von fern mir
Zeiget: die Türe steht wirklich des Gartens noch auf!
Und ein anderer kommt! Für ihn auch fallen die
Früchte!
Und die Feige gewährt stärkenden Honig auch ihm!
Lockt sie auch ihn nach der Laube? und folgt er? O
macht mich, ihr Götter,
Blind, verwischet das Bild jeder Erinnrung in mir!
Ja, ein Mädchen ist siel und die sich geschwinde dem
einen
Gibt, sie kehret sich auch schnell zu dem andern
herum.
Lache nicht diesmal, Zeus, der frech gebrochenen
Schwüre!
Donnere schrecklicher! Triff! - Halte die Blitze
zurück!
Sende die schwankenden Wolken mir nach! Im
nächtlichen Dunkel
Treffe dein leuchtender Blitz diesen unglücklichen
Mast!
Streue die Planken umher, und gib der tobenden
Welle
Diese Waren, und mich gib den Delphinen zum
Raub! -
Nun, ihr Musen, genug! Vergebens strebt ihr zu
schildern,
Wie sich Jammer und Glück wechseln in liebender
Brust.
Heilen könnet die Wunden ihr nicht, die Amor
geschlagen;
Aber Linderung kommt einzig, ihr Guten, von euch.
Pausias von Sicyon,
der Maler, war als Jüngling in
Glyceren, seine Mitbürgerin, verliebt, welche Blu-
menkränze zu winden einen, sehr erfinderischen Geist
hatte. Sie wetteiferten miteinander, und er brachte die
Nachahmung der Blumen zur größten Mannigfaltig-
keit. Endlich malte er seine Geliebte, sitzend, mit
einem Kranze beschäftigt. Dieses Bild wurde für eins
seiner besten gehalten und die Kranzwinderin oder
Kranzhändlerin genannt, weil Glycere sich auf diese
Weise als ein armes Mädchen ernährt hatte. Lucius
Lucullus kaufte eine Kopie in Athen für zwei Talente.
(Plinius. B. XXXV. K. XL)
Sie
Schütte die Blumen nur her, zu meinen Füßen und
deinen!
Welch ein chaotisches Bild holder Verwirrung du
streust!
Er
Du erscheinest als Liebe, die Elemente zu knüpfen;
Wie du sie bindest, so wird nun erst ein Leben
daraus.
Sie
Sanft berühre die Rose, sie bleib im Körbchen
verborgen;
Wo ich dich finde, mein Freund, öffentlich reich ich
sie dir.
Er
Und ich tu, als kennt ich dich nicht, und danke dir
freundlich;
Aber dem Gegengeschenk weichet die Geberin aus.
Sie
Reiche die Hyazinthe mir nun und reiche die Nelke,
Daß die frühe zugleich neben der späteren sei.
Er
Laß im blumigen Kreise zu deinen Füßen mich sitzen,
Und ich fülle den Schoß dir mit der lieblichen Schar.
Sie
Reichte den Faden mir erst; dann sollen die
Gartenverwandten
Die sich von ferne nur sahn, nebeneinander sich freun.
Er
Was bewundr' ich zuerst? was zuletzt? die herrlichen
Blumen?
Oder der Finger Geschick? oder der Wählerin Geist?
Sie
Gib auch Blätter, den Glanz der blendenden Blumen
zu mildern;
Auch das Leben verlangt ruhige Blätter im Kranz.
Er
Sage, was wählst du so lange bei diesem Strauße?
Gewiß ist
Dieser jemand geweiht, den du besonders bedenkst.
Sie
Hundert Sträuße verteil ich des Tags und Kränze die
Menge;
Aber den schönsten doch bring ich am Abende dir.
Er
Acht wie wäre der Maler beglückt, der diese Gewinde
Malte, das blumige Feld, ach! und die Göttin zuerst!
Sie
Aber doch mäßig beglückt ist der, mich dünkt, der am
Boden
Hier sitzt, dem ich den Kuß reichend noch glücklichEr
bin.
Er
Ach, Geliebte, noch einen! Die neidischen Lüfte des
Morgens
Nahmen den ersten sogleich mir von den Lippen
hinweg.
Sie
Wie der Frühling die Blumen mir gibt, so geb ich die
Küsse
Gern dem Geliebten; und hier sei mit dem Kusse der
Kranz!
Er
Hätt ich das hohe Talent des Pausias glücklich
empfangen:
Nachzubilden den Kranz wär ein Geschäfte des Tags!
Sie
Schön ist er wirklich. Sieh ihn nur an! Es wechseln
die schönstEr
Kinder Florens um ihn, bunt und gefällig, den Tanz.
Er
In die Kelche versenkt ich mich dann und erschöpfte
den süßen
Zauber, den die Natur über die Kronen ergoß.
Sie
Und so fänd ich am Abend noch frisch den
gebundenen Kranz hier;
Unverwelklich spräch uns von der Tafel er an.
Er
Ach, wie fühl ich mich arm und unvermögend! wie
wünscht ich
Festzuhalten das Glück, das mir die Augen versengt!
Sie
Unzufriedener Mann! Du bist ein Dichter und neidest
Jenes Alten Talent? Brauche das deinige doch!
Er
Und erreicht wohl der Dichter den Schmelz der
farbigen Blumen?
Neben deiner Gestalt bleibt nur ein Schatten sein
Wort!
Sie
Aber vermag der Maler wohl auszudrücken: ich liebe!
Nur dich lieb ich, mein Freund! lebe für dich nur
allein!
Er
Ach, und der Dichter selbst vermag nicht zu sagen:
ich liebe!
Wie du, himmlisches Kind, süß mir es schmeichelst
ins Ohr.
Sie
Viel vermögen sie beide; doch bleibt die Sprache des
Kusses,
Mit der Sprache des Blicks, nur den Verliebten
geschenkt.
Er
Du vereinigest alles; du dichtest und malest mit
Blumen:
Florens Kinder sind dir Farben und Worte zugleich
Sie
Nur ein vergängliches Werk entwindet der Hand sich
des Mädchens
Jeden Morgen; die Pracht welkt vor dem Abende
schon.
Er
Auch so geben die Götter vergängliche Gaben und
locken
Mit erneutem Geschenk immer die Sterblichen an.
Sie
Hat dir doch kein Strauß, kein Kranz des Tages
gefehlet
Seit dem ersten, der dich mir so von Herzen verband.
Er
Ja, noch hängt er zu Hause, der erste Kranz, in der
Kammer,
Welchen du mir, den Schmaus lieblich umwandelnd,
gereicht.
Sie
Da ich den Becher dir kränzte, die Rosenknospe
hineinfiel,
Und du trankest und riefst: »Mädchen, die Blumen
sind Gift«
Er
Und dagegen du sagtest: »Sie sind voll Honig, die
Blumen;
Aber die Biene nur findet die Süßigkeit aus.«
Sie
Und der rohe Timanth ergriff mich und sagte: »Die
Hummeln
Forschen des herrlichen Kelchs süße Geheimnisse
wohl?«
Er
Und du wandtest dich weg und wolltest fliehen; es
stürzten
Vor dem täppischen Mann Körbchen und Blumen
hinab.
Sie
Und du riefst ihm gebietend: »Das Mädchen laß nur!
die Sträuße,
So wie das Mädchen selbst, sind für den feineren
Sinn.«
Er
Aber fester hielt er dich nur; es grinste der Lacher,
Und dein Kleid zerriß oben vom Nacken herab.
Sie
Und du warfst in begeisterter Wut den Becher
hinüber,
Daß er am Schädel ihm, häßlich vergossen, erklang.
Er
Wein und Zorn verblendeten mich; doch sah ich den
weißen
Nacken, die herrliche Brust, die du bedecktest, im
Blick.
Sie
Welch ein Getümmel ward und ein Aufstand! Purpurn
das Blut lief,
Mit dem Weine vermischt, greulich dem Gegner vom
Haupt.
Er
Dich nur sah ich, nur dich am Boden kniend,
verdrießlich;
Mit der einen Hand hieltst das Gewand du hinauf.
Sie
Ach, da flogen die Teller nach dir! Ich sorgte, den
edeln
Fremdling träfe der Wurf kreisend geschwungnen
Metalls.
Er
Und doch sah ich nur dich, wie rasch mit der anderen
Hand du
Körbchen, Blumen und Kranz sammeltest unter dem
Stuhl.
Sie
Schützend tratest du vor, daß nicht mich verletzte der
Zufall,
Oder der zornige Wirt, weil ich das Mahl ihm gestört.
Er
Ja, ich erinnre mich noch; ich nahm den Teppich wie
einer,
Der auf dem linken Arm gegen den Stier ihn bewegt.
Sie
Ruhe gebot der Wirt und sinnige Freunde. Da
schlüpft ich
Sachte hinaus; nach dir wendet ich immer den Blick.
Er
Ach, du warst mir verschwunden ! Vergebens sucht
ich in allen
Winkeln des Hauses herum, so wie auf Straßen und
Markt.
Sie
Schamhaft blieb ich verborgen. Das unbescholtene
Mädchen,
Sonst von den Bürgern geliebt, war nun das Märchen
des Tags.
Er
Blumen sah ich genug und Sträuße, Kränze die
Menge;
Aber du fehltest mir, aber du fehltest der Stadt.
Sie
Stille saß ich zu Hause. Da blätterte los sich vom
Zweige
Manche Rose, so auch dorrte die Nelke dahin.
Er
Mancher Jüngling sprach auf dem Platz: »Da liegen
die Blumen!
Aber die Liebliche fehlt, die sie verbände zum
Kranz.«
Sie
Kränze band ich indessen zu Haus, und ließ sie
verwelken.
Siehst du? da hangen sie noch, neben dem Herde, für
dich.
Er
Auch so welkte der Kranz, dein erstes Geschenk! Ich
vergaß nicht
Ihn im Getümmel, ich hing neben dem Bett mir ihn
auf.
Sie
Abends betrachtet ich mir die welkenden, saß noch
und weinte,
Bis in der dunkelen Nacht Farbe nach Farbe verlosch.
Er
Irrend ging ich umher und fragte nach deiner
Behausung;
Keiner der Eitelsten selbst konnte mir geben
Bescheid.
Sie
Keiner hat je mich besucht, und keiner weiß die
entlegne
Wohnung; die Größe der Stadt birget die Ärmere
leicht.
Er
Irrend lief ich umher und flehte zur spähenden Sonne:
Zeige mir, mächtiger Gott, wo du im Winkel ihr
scheinst!
Sie
Große Götter hörten dich nicht; doch Penia hört' es.
Endlich trieb die Not nach dem Gewerbe mich aus.
Er
Trieb nicht noch dich ein anderer Gott, den
Beschützer zu suchen?
Hatte nicht Amor für uns wechselnde Pfeile
getauscht?
Sie
Spähend sucht ich dich auf bei vollem Markt, und ich
sah dicht
Er
Und es hielt das Gedräng keines der Liebenden auf.
Sie
Schnell wir teilten das Volk, wir kamen zusammen,
du standest,
Er
Und du standest vor mir, ja ! und wir waren allein.
Sie
Mitten unter den Menschen! sie schienen nur
Sträucher und Bäume,
Er
Und mir schien ihr Getös nur ein Geriesel des Quells.
Sie
Immer allein sind Liebende sich in der größten
Versammlung;
Aber sind sie zu zwein, stellt auch der dritte sich ein.
Er
Amor, ja! er schmückt sich mit diesen herrlichen
Kränzen.
Schütte die Blumen nun doch fort, aus dem Schoße
den Rest!
Sie
Nun, ich schüttle sie weg, die schönen. In deiner
Umarmung,
Lieber, geht mir auch heut wieder die Sonne nur auf.
Auch von des höchsten
Gebirgs beeisten, zackigen
Gipfeln
Schwindet Purpur und Glanz scheidender Sonne
hinweg.
Lange verhüllt schon Nacht das Tal und die Pfade des
Wandrers
Der am tosenden Strom auf zu der Hütte sich sehnt,
Zu dem Ziele des Tags, der stillen hirtlichen
Wohnung;
Und der göttliche Schlaf eilet gefällig voraus,
Dieser holde Geselle des Reisenden. Daß er auch
heute
Segnend kränze das Haupt mir mit dem heiligen
Mohn!
Aber was leuchtet mir dort vom Felsen glänzend
herüber
Und erhellet den Duft schäumender Ströme so hold?
Strahlt die Sonne vielleicht durch heimliche Spalten
und Klüfte.
Denn kein irdischer Glanz ist es, der wandelnde, dort.
Näher wälzt sich die Wolke, sie glüht. Ich staune dem
Wunder!
Wird der rosige Strahl nicht ein bewegtes Gebild?
Welche Göttin nahet sich mir? und welche der Musen
Suchet den treuen Freund selbst in dem grausen
Geklüft?
Schöne Göttin, enthülle dich mir, und täusche,
verschwindend,
Nicht den begeisterten Sinn, nicht das gerührte
Gemüt.
Nenne, wenn du es darfst vor einem Sterblichen,
deinen
Göttlichen Namen, wo nicht: rege bedeutend mich
auf,
Daß ich fühle, welche du seist von den ewigen
Töchtern
Zeus', und der Dichter sogleich preise dich würdig im
Lied.
»Kennst du mich, Guter, nicht mehr? und käme diese
Gestalt dir,
Die du doch sonst geliebt, schon als ein fremdes
Gebild?
Zwar der Erde gehör ich nicht mehr, und trauernd
entschwang sich
Schon der schaudernde Geist jugendlich frohem
Genuß;
Aber ich hoffte mein Bild noch fest in des Freundes
Erinnrung
Eingeschrieben und noch schön durch die Liebe
verklärt.
Ja, schon sagt mir gerührt dein Blick, mir sagt es die
Träne:
Euphrosyne, sie ist noch von dem Freunde gekannt.
Sieh, die Scheidende zieht durch Wald und grauses
Gebirge,
Sucht den wandernden Mann, ach! in der Ferne noch
auf;
Sucht den Lehrer, den Freund, den Vater, blicket noch
einmal
Nach dem leichten Gerüst irdischer Freuden zurück.
Laß mich der Tage gedenken, da mich, das Kind, du
dem Spiele
Jener täuschenden Kunst reizender Musen geweiht.
Laß mich der Stunde gedenken und jedes kleineren
Umstands.
Ach, wer ruft nicht so gern Unwiederbringliches an!
Jenes süße Gedränge der leichtesten irdischen Tage,
Ach, wer schätzt ihn genug, diesen vereilenden Wert!
Klein erscheinet es nun, doch acht nicht kleinlich dem
Herzen;
Macht die Liebe, die Kunst jegliches Kleine doch
groß.
Denkst du der Stunde noch wohl, wie auf dem
Brettergerüste
Du mich der höheren Kunst ernstere Stufen geführt?
Knabe schien ich, ein rührendes Kind, du nanntest
mich Arthur
Und belebtest in mir britisches Dichtergebild,
Drohtest mit grimmiger Glut den armen Augen und
wandtest
Selbst den tränenden Blick, innig getäuschet, hinweg.
Ach! da warst du so hold und schütztest ein trauriges
Leben,
Das die verwegene Flucht endlich dem Knaben entriß.
Freundlich faßtest du mich, den Zerschmetterten,
trugst mich von dannen,
Und ich heuchelte lang, dir an dem Busen, den Tod.
Endlich schlug die Augen ich auf und sah dich, in
ernste,
Stille Betrachtung versenkt, Über den Liebling
geneigt.
Kindlich strebt ich empor und küßte die Hände dir
dankbar,
Reichte zum reinen Kuß dir den gefälligen Mund.
Fragte: 'Warum, mein Vater, so ernst? Und hab ich
gefehlet,
Oh! so zeige mir an, wie mir das Beßre gelingt.
Keine Mühe verdrießt mich bei dir, und alles und
jedes
Wiederhol ich so gern, wenn du mich leitest und
lehrst.'
Aber du faßtest mich stark und drücktest mich fester
im Arme,
Und es schauderte mir tief in dem Busen das Herz.
'Nein! mein liebliches Kind', so riefst du, 'alles und
jedes,
Wie du es heute gezeigt, zeig es auch morgen der
Stadt.
Rühre sie alle, wie mich du gerührt, und es fließen
zum Beifall
Dir von dem trockensten Aug herrliche Tränen herab.
Aber am tiefsten trafst du doch mich, den Freund, der
im Arm dich
Hält, den selber der Schein früherer Leiche
geschreckt.
Ach, Natur, wie sicher und groß in allem erscheinst
du!
Himmel und Erde befolgt ewiges, festes Gesetz,
Jahre folgen auf Jahre, dem Frühlinge reichet der
Sommer,
Und dem reichlichen Herbst traulich der Winter die
Hand.
Felsen stehen gegründet, es stürzt sich das ewige
WassEr
Aus der bewölkten Kluft schäumend und brausend
hinab.
Fichten grünen so fort, und selbst die entlaubten
Gebüsche
Hegen, im Winter schon, heimliche Knospen am
Zweig.
Alles entsteht und vergeht nach Gesetz; doch über des
Menschen
Leben, dem köstlichen Schatz, herrschet ein
schwankendes Los.
Nicht dem blühenden nickt der willig scheidende
Vater,
Seinem trefflichen Sohn, freundlich vom Rande der
Gruft;
Nicht der Jüngere schließt dem Älteren immer das
Auge,
Das sich willig gesenkt, kräftig dem Schwächeren zu.
Öfter, ach verkehrt das Geschick die Ordnung der
Tage;
Hülflos klaget ein Greis Kinder und Enkel umsonst,
Steht, ein beschädigter Stamm, dem rings
zerschmetterte Zweige
Um die Seiten umher strömende Schloßen gestreckt.
Und so, liebliches Kind, durchdrang mich die tiefe
Betrachtung,
Als du, zur Leiche verstellt, über die Arme mir hingst;
Aber freudig seh ich dich mir in dem Glanze der
Jugend,
Vielgeliebtes Geschöpf, wieder am Herzen belebt.
Springe fröhlich dahin, verstellter Knabe! Das
Mädchen
Wächst zur Freude der Welt, mir zum Entzücken
heran.
Immer strebe so fort, und deine natürlichen Gaben
Bilde, bei jeglichem Schritt steigenden Lebens, die
Kunst.
Sei mir lange zur Lust, und eh mein Auge sich
schließet,
Wünsch ich dein schönes Talent glücklich vollendet
zu sehn.'-
Also sprachst du, und nie vergaß ich der wichtigen
Stunde!
Deutend entwickelt ich mich an dem erhabenen Wort.
O wie sprach ich so gerne zum Volk die rührenden
Reden,
Die du, voller Gehalt, kindlichen Lippen vertraut!
O wie bildet ich mich an deinen Augen und suchte
Dich im tiefen Gedräng staunender Hörer heraus!
Doch dort wirst du nun sein und stehn, und nimmer
bewegt sich
Euphrosyne hervor, dir zu erheitern den Blick.
Du vernimmst sie nicht mehr, die Töne des
wachsenden Zöglings,
Die du zu liebendem Schmerz frühe, so frühe!
gestimmt.
Andere kommen und gehn; es werden dir andre
gefallen,
Selbst dem großen Talent drängt sich ein größeres
nach.
Aber du, vergesse mich nicht! Wenn eine dir jemals
Sich im verworrnen Geschäft heiter entgegenbewegt,
Deinem Winke sich fügt, an deinem Lächeln sich
freuet
Und am Platze sich nur, den du bestimmtest, gefällt,
Wenn sie Mühe nicht spart noch Fleiß, wenn tätig dEr
Kräfte,
Selbst bis zur Pforte des Grabs, freudiges Opfer sie
bringt
Guter! dann gedenkest du mein und rufest auch spät
noch:
'Euphrosyne, sie ist wieder erstanden vor mir!'
Vieles sagt ich noch gern; doch ach! die Scheidende
weilt nicht,
Wie sie wollte; mich führt streng ein gebietender
Gott.
Lebe wohl schon zieht mich's dahin in schwankendem
Eilen.
Einen Wunsch nur vernimm, freundlich gewähre mir
ihn:
Laß nicht ungerühmt mich zu den Schatten
hinabgehn!
Nur die Muse gewährt einiges Leben dem Tod.
Denn gestaltlos schweben umher in Persephoneias
Reiche, massenweis, Schatten, vom Namen getrennt;
Wen der Dichter aber gerühmt, der wandelt, gestaltet,
Einzeln, gesellet dem Chor aller Heroen sich zu.
Freudig tret ich einher, von deinem Liede verkündet,
Und der Göttin Blick weilet gefällig auf mir.
Mild empfängt sie mich dann und nennt mich; es
winken die hohen
Göttlichen Frauen mich an, immer die nächsten am
Thron.
Penelopeia redet zu mir, die treuste der Weiber,
Auch Euadne, gelehnt auf den geliebten Gemahl.
Jüngere nahen sich dann, zu früh Heruntergesandte,
Und beklagen mit mir unser gemeines Geschick.
Wenn Antigone kommt, die schwesterlichste der
Seelen,
Und Polyxena, trüb noch von dem bräutlichen Tod,
Seh ich als Schwestern sie an und trete würdig zu
ihnen;
Denn der tragischen Kunst holde Geschöpfe sind sie.
Bildete doch ein Dichter auch mich; und seine
Gesänge,
Ja, sie vollenden an mir, was mir das Leben versagt.«
Also sprach sie, und noch bewegte der liebliche Mund
sich,
Weiter zu reden; allein schwirrend versagte der Ton.
Denn aus dem Purpurgewölk, dem schwebenden,
immer bewegten,
Trat der herrliche Gott Hermes gelassen hervor,
Mild erhob er den Stab und deutete; wallend
verschlangen
Wachsende Wolken im Zug beide Gestalten vor mir.
Tiefer liegt die Nacht um mich her; die stürzenden
WassEr
Brausen gewaltiger nun neben dem schlüpfrigen Pfad.
Unbezwingliche Trauer befällt mich, entkräftender
Jammer,
Und ein moosiger Fels stützet den Sinkenden nur.
Wehmut reißt durch die Saiten der Brust; die
nächtlichen Tränen
Fließen, und über dem Wald kündet der Morgen sich
an.
Er
Süße Freundin, noch einen, nur einen Kuß noch
gewähre
Diesen Lippen! Warum bist du mir heute so karg?
Gestern blühte wie heute der Baum; wir wechselten
Küsse
Tausendfältig; dem Schwarm Bienen verglichst du Sie
ja,
Wie sie den Blüten sich nahn und saugen, schweben
und wieder
Saugen, und lieblicher Ton süßen Genusses erschallt.
Alle noch üben das holde Geschäft. Und wäre der
Frühling
Uns vorübergeflohn, eh sich die Blüte zerstreut?
Sie
Träume, lieblicher Freund, nur immer! rede von
gestern
Gerne hör ich dich an, drücke dich redlich ans Herz.
Gestern, sagst du? - Es war, ich weiß, ein köstliches
Gestern;
Worte verklangen im Wort, Küsse verdrängten den
Kuß.
Schmerzlich war's, zu scheiden am Abende, traurig
die lange
Nacht von gestern auf heut, die den Getrennten gebot.
Doch der Morgen kehret zurück. Ach! daß mir
indessen
Zehnmal, leider! der Baum Blüten und Früchte
gebracht!
Nikias, trefflicher
Mann, du Arzt des Leibs und der
Seele!
Krank, ich bin es fürwahr; aber dein Mittel ist hart.
Ach, mir schwanden die Kräfte dahin, dem Rate zu
folgen;
Ja, und es scheinet der Freund schon mir ein Gegner
zu sein.
Widerlegen kann ich dich nicht; ich sage mir alles,
Sage das härtere Wort, das du verschweigest, mir
auch.
Aber, ach! das Wasser entstürzt der Steile des Felsens
Rasch, und die Welle des Bachs halten Gesänge nicht
auf.
Rast nicht unaufhaltsam der Sturm? und wälzet die
Sonne
Sich, von dem Gipfel des Tags, nicht in die Wellen
hinab?
Und so spricht mir rings die Natur: »Auch du bist,
Amyntas,
Unter das strenge Gesetz ehrner Gewalten gebeugt.«
Runzle die Stirne nicht tiefer, mein Freund, und höre
gefällig,
Was mich gestern ein Baum dort an dem Bache
gelehrt.
Wenig Äpfel trägt er mir nur, der sonst so beladne;
Sieh, der Efeu ist schuld, der ihn gewaltig umgibt.
Und ich faßte das Messer, das krummgebogene,
scharfe,
Trennte schneidend und riß Ranke nach Ranken
herab;
Aber ich schauderte gleich, als tief erseufzend und
kläglich
Aus den Wipfeln zu mir lispelnde Klage sich goß:
»O verletze mich nicht! den treuen Gartengenossen,
Dem du, als Knabe, so früh, manche Genüsse
verdankt.
O verletze mich nicht! du reißest mit diesem
Geflechte,
Das du gewaltig zerstörst, grausam das Leben mir
aus.
Hab ich nicht selbst sie genährt und sanft sie herauf
mir erzogen?
Ist wie mein eigenes Laub nicht mir das ihre
verwandt?
Soll ich nicht lieben die Pflanze, die, meiner einzig
bedürftig,
Still mit begieriger Kraft mir um die Seite sich
schlingt?
Tausend Ranken wurzelten an, mit tausend und
tausend
Fasern senket sie fest mir in das Leben sich ein.
Nahrung nimmt sie von mir; was ich bedürftig,
genießt sie,
Und so saug sie das Mark, sauget die Seele mir aus.
Nur vergebens nähr ich mich noch; die gewaltige
Wurzel
Sendet lebendigen Safts, ach ! nur die Hälfte hinauf.
Denn der gefährliche Gast, der geliebteste, maßet
behende
Unterweges die Kraft herbstlicher Früchte sich an.
Nichts gelangt zur Krone hinauf, die äußersten Wipfel
Dorren, es dorret der Ast über dem Bache schon hin.
Ja, die Verräterin ist's! sie schmeichelt mir Leben und
Güter,
Schmeichelt die strebende Kraft, schmeichelt die
Hoffnung mir ab.
Sie nur fühl ich, nur sie, die umschlingende, freue der
Fesseln,
Freue des tötenden Schmucks, fremder Umlaubung
mich nur.«
Halte das Messer zurück! o Nikias, schone den
Armen,
Der sich in liebender Lust, willig gezwungen,
verzehrt!
Süß ist jede Verschwendung; o laß mich der
schönsten genießen!
Wer sich der Liebe vertraut, hält er sein Leben zu
Rat?
Dich verwirret,
Geliebte, die tausendfältige Mischung
Dieses Blumengewühls über dem Garten umher;
Viele Namen hörest du an, und immer verdränget
Mit barbarischem Klang einer den andern im Ohr.
Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet der
andern,
Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz,
Auf ein heiliges Rätsel. O könnt ich dir, liebliche
Freundin,
Überliefern sogleich glücklich das lösende Wort !
Werdend betrachte sie nun, wie nach und nach sich
die Pflanze,
Stufenweise geführt, bildet zu Blüten und Frucht.
Aus dem Samen entwickelt sie sich, sobald ihn der
Erde
Stille befruchtender Schoß hold in das Leben entläßt
Und dem Reize des Lichts, des heiligen, ewig
bewegten,
Gleich den zärtesten Lau keimender Blätter empfiehlt.
Einfach schlief in dem Samen die Kraft; ein
beginnendes Vorbild
Lag, verschlossen in sich, unter die Hülle gebeugt,
Blatt und Wurzel und Keim, nur halb geformet und
farblos;
Trocken erhält so der Kern ruhiges Leben bewahrt,
Quillet strebend empor, sich milder Feuchte
vertrauend,
Und erhebt sich sogleich aus der umgebenden Nacht.
Aber einfach bleibt die Gestalt der ersten
Erscheinung;
Und so bezeichnet sich auch unter den Pflanzen das
Kind.
Gleich darauf ein folgender Trieb, sich erhebend,
erneuet,
Knoten auf Knoten getürmt, immer das erste Gebild.
Zwar nicht immer das gleiche; denn mannigfaltig
erzeugt sich,
Ausgebildet, du siehst's, immer das folgende Blatt,
Ausgedehnter, gekerbter, getrennter in Spitzen und
Teile,
Die verwachsen vorher ruhten im untern Organ.
Und so erreicht es zuerst die höchst bestimmte
Vollendung,
Die bei manchem Geschlecht dich zum Erstaunen
bewegt.
Viel gerippt und gezackt, auf mastig strotzender
Fläche,
Scheinet die Fülle des Triebs frei und unendlich zu
sein.
Doch hier hält die Natur, mit mächtigen Händen, die
Bildung
An und lenket sie sanft in das Vollkommnere hin.
Mäßiger leitet sie nun den Saft, verengt die Gefäße,
Und gleich zeigt die Gestalt zärtere Wirkungen an.
Stille zieht sich der Trieb der strebenden Ränder
zurücke,
Und die Rippe des Stiels bildet sich völliger aus.
Blattlos aber und schnell erhebt sich der zärtere
Stengel,
Und ein Wundergebild zieht den Betrachtenden an.
Rings im Kreise stellet sich nun, gezählet und ohne
Zahl, das kleinere Blatt neben dem ähnlichen hin.
Um die Achse gedrängt, entscheidet der bergende
Kelch sich,
Der zur höchsten Gestalt farbige Kronen entläßt.
Also prangt die Natur in hoher, voller Erscheinung,
Und sie zeiget, gereiht, Glieder an Glieder gestuft.
Immer staunst du aufs neue, sobald sich am Stengel
die Blume
Über dem schlanken Gerüst wechselnder Blätter
bewegt.
Aber die Herrlichkeit wird des neuen Schaffens
Verkündung.
Ja, das farbige Blatt fühlet die göttliche Hand.
Und zusammen zieht es sich schnell; die zärtesten
Formen,
Zwiefach streben sie vor, sich zu vereinen bestimmt.
Traulich stehen sie nun, die holden Paare, beisammen,
Zahlreich ordnen sie sich um den geweihten Altar.
Hymen schwebet herbei, und herrliche Düfte,
gewaltig,
Strömen süßen Geruch, alles belebend, umher.
Nun vereinzelt schwellen sogleich unzählige Keime,
Hold in den Mutterschoß schwellender Früchte
gehüllt.
Und hier schließt die Natur den Ring der ewigen
Kräfte;
Doch ein neuer sogleich fasset den vorigen an,
Daß die Kette sich fort durch alle Zeiten verlänge
Und das Ganze belebt, so wie das Einzelne, sei.
Wende nun, o Geliebte, den Blick zum bunten
Gewimmel,
Das verwirrend nicht mehr sich vor dem Geiste
bewegt.
Jede Pflanze verkündet dir nun die ew'gen Gesetze,
Jede Blume, sie spricht lauter und lauter mit dir.
Aber entzifferst du hier der Göttin heilige Lettern,
Überall siehst du sie dann, auch in verändertem Zug.
Kriechend zaudre die Raupe, der Schmetterling eile
geschäftig,
Bildsam ändre der Mensch selbst die bestimmte
Gestalt.
O gedenke denn auch, wie aus dem Keim der
Bekanntschaft
Nach und nach in uns holde Gewohnheit entsproß,
Freundschaft sich mit Macht aus unserm Innern
enthüllte,
Und wie Amor zuletzt Blüten und Früchte gezeugt.
Denke, wie mannigfach bald die, bald jene Gestalten,
Still entfaltend, Natur unsern Gefühlen geliehn!
Freue dich auch des heutigen Tags! Die heilige Liebe
Strebt zu der höchsten Frucht gleicher Gesinnungen
auf,
Gleicher Ansicht der Dinge, damit in harmonischem
Anschaun
Sich verbinde das Paar, finde die höhere Welt.
Also das wäre
Verbrechen, daß einst Properz mich
begeistert,
Daß Martial sich zu mir auch, der verwegne, gesellt?
Daß ich die Alten nicht hinter mir ließ, die Schule zu
hüten,
Daß sie nach Latium gern mir in das Leben gefolgt?
Daß ich Natur und Kunst zu schaun mich treulich
bestrebe,
Daß kein Name mich täuscht, daß mich kein Dogma
beschränkt?
Daß nicht des Lebens bedingender Drang mich, den
Menschen, verändert,
Daß ich der Heuchelei dürftige Maske verschmäht?
Solcher Fehler, die du, o Muse, so emsig gepfleget,
Zeihet der Pöbel mich; Pöbel nur sieht er in mir.
Ja, sogar der Bessere selbst, gutmütig und bieder,
Will mich anders; doch du, Muse, befiehlst mir allein.
Denn du bist es allein, die noch mir die innere Jugend
Frisch erneuest und sie mir bis zu Ende versprichst.
Aber verdopple nunmehr, o Göttin, die heilige
Sorgfalt!
Ach! die Scheitel umwallt reichlich die Locke nicht
mehr:
Da bedarf man der Kränze, sich selbst und andre zu
täuschen;
Kränzte doch Cäsar selbst nur aus Bedürfnis das
Haupt.
Hast du ein Lorbeerreis mir bestimmt, so laß es am
Zweige
Weiter grünen, und gib einst es dem Würdigern hin;
Aber Rosen winde genug zum häuslichen Kranze;
Bald als Lilie schlingt silberne Locke sich durch.
Schüre die Gattin das Feuer, auf reinlichem Herde zu
kochen!
Werfe der Knabe das Reis, spielend, geschäftig dazu!
Laß im Becher nicht fehlen den Wein! Gesprächige
Freunde,
Gleichgesinnte, herein! Kränze, sie warten auf euch.
Erst die Gesundheit des Mannes, der, endlich vom
Namen Homeros
Kühn uns befreiend, uns auch ruft in die vollere Bahn.
Denn wer wagte mit Göttern den Kampf? und wer mit
dem Einen?
Doch Homeride zu sein, auch nur als letzter, ist
schön.
Darum höret das neuste Gedicht! Noch einmal
getrunken!
Euch besteche der Wein, Freundschaft und Liebe das
Ohr.
Deutschen selber führ ich euch zu, in die stillere
Wohnung,
Wo sich, nah der Natur, menschlich der Mensch noch
erzieht.
Uns begleite des Dichters Geist, der seine Luise
Rasch dem würdigen Freund, uns zu entzücken,
verband.
Auch die traurigen Bilder der Zeit, sie führ ich
vorüber;
Aber es siege der Mut in dem gesunden Geschlecht.
Hab ich euch Tränen ins Auge gelockt und Lust in die
Seele
Singend geflößt, so kommt, drücket mich herzlich ans
Herz!
Weise denn sei das Gespräch ! Uns lehret Weisheit
am Ende
Das Jahrhundert; wen hat das Geschick nicht geprüft?
Blicket heiterer nun auf jene Schmerzen zurücke,
Wenn euch ein fröhlicher Sinn manches entbehrlich
erklärt.
Menschen lernten wir kennen und Nationen; so laßt
uns,
Unser eigenes Herz kennend, uns dessen erfreun.
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