Saget, Steine, mir
an, o sprecht, ihr hohen Paläste!
Straßen, redet ein Wort! Genius, regst du dich nicht?
Ja, es ist alles beseelt in deinen heiligen Mauern,
Ewige Roma; nur mir schweiget noch alles so still.
O wer flüstert mir zu, an welchem Fenster erblick ich
Einst das holde Geschöpf, das mich versengend
erquickt?
Ahn ich die Wege noch nicht, durch die ich immer
und immer,
Zu ihr und von ihr zu gehn, opfre die köstliche Zeit?
Noch betracht ich Kirch und Palast, Ruinen und
Säulen,
Wie ein bedächtiger Mann schicklich die Reise
benutzt.
Doch bald ist es vorbei; dann wird ein einziger
Tempel,
Amors Tempel, nur sein, der den Geweihten
empfängt.
Eine Welt zwar bist du, o Rom; doch ohne die Liebe
Wäre die Welt nicht die Welt, wäre denn Rom auch
nicht Rom.
Ehret, wen ihr auch
wollt! Nun bin ich endlich
geborgen!
Schöne Damen und ihr, Herren der feineren Welt,
Fraget nach Oheim und Vetter und alten Muhmen und
Tanten;
Und dem gebundnen Gespräch folge das traurige
Spiel.
Auch ihr übrigen fahret mir wohl, in großen und
kleinen
Zirkeln, die ihr mich oft nah der Verzweiflung
gebracht.
Wiederholet, politisch und zwecklos, jegliche
Meinung,
Die den Wandrer mit Wut über Europa verfolgt.
So verfolgte das Liedchen »Malbrough« den
reisenden Briten
Einst von Paris nach Livorn, dann von Livorno nach
Rom,
Weiter nach Napel hinunter; und wär er nach Smyrna
gesegelt,
»Malbrough!« empfing ihn auch dort, »Malbrough!«
im Hafen das Lied.
Und so mußt ich bis jetzt auf allen Tritten und
Schritten
Schelten hören das Volk, schelten der Könige Rat.
Nun entdeckt ihr mich nicht so bald in meinem Asyle,
Das mir Amor, der Fürst, königlich schützend,
verlieh.
Hier bedecket er mich mit seinem Fittich; die Liebste
Fürchtet, römisch gesinnt, wütende Gallier nicht;
Sie erkundigt sich nie nach neuer Märe, sie spähet
Sorglich den Wünschen des Manns, dem sie sich
eignete, nach.
Sie ergetzt sich an ihm, dem freien, rüstigen Fremden,
Der von Bergen und Schnee, hölzernen Häusern
erzählt;
Teilt die Flammen, die sie in seinem Busen entzündet,
Freut sich, daß er das Gold nicht wie der Römer
bedenkt.
Besser ist ihr Tisch nun bestellt; es fehlet an Kleidern,
Fehlet am Wagen ihr nicht, der nach der Oper sie
bringt.
Mutter und Tochter erfreun sich ihres nordischen
Gastes,
Und der Barbare beherrscht römischen Busen und
Leib.
Laß dich, Geliebte,
nicht reun, daß du mir so schnell
dich ergeben!
Glaub es, ich denke nicht frech, denke nicht niedrig
von dir.
Vielfach wirken die Pfeile des Amor: einige ritzen,
Und vom schleichenden Gift kranket auf Jahre das
Herz.
Aber mächtig befiedert, mit frisch geschliffener
Schärfe,
Dringen die andern ins Mark, zünden behende das
Blut.
In der heroischen Zeit, da Götter und Göttinnen
liebten,
Folgte Begierde dem Blick, folgte Genuß der Begier.
Glaubst du, es habe sich lange die Göttin der Liebe
besonnen,
Als im Idäischen Hain einst ihr Anchises gefiel?
Hätte Luna gesäumt, den schönen Schläfer zu küssen,
O so hätt ihn geschwind, neidend, Aurora geweckt.
Hero erblickte Leandern am lauten Fest, und behende
Stürzte der Liebende sich heiß in die nächtliche Flut.
Rhea Silvia wandelt, die fürstliche Jungfrau, der
Tiber
Wasser zu schöpfen, hinab, und sie ergreifet der Gott.
So erzeugte die Söhne sich Mars! - Die Zwillinge
tränket
Eine Wölfin, und Rom nennt sich die Fürstin der
Welt.
Fromm sind wir
Liebende, still verehren wir alle
Dämonen,
Wünschen uns jeglichen Gott, jegliche Göttin geneigt.
Und so gleichen wir euch, o römische Sieger! Den
Göttern
Aller Völker der Welt bietet ihr Wohnungen an,
Habe sie schwarz und streng aus altem Basalt der
Ägypter
Oder ein Grieche sie weiß, reizend, aus Marmor
geformt.
Doch verdrießet es nicht die Ewigen, wenn wir
besonders
Weihrauch köstlicher Art einer der Göttlichen streun.
Ja, wir bekennen euch gern, es bleiben unsre Gebete,
Unser täglicher Dienst einer besonders geweiht.
Schalkhaft munter und ernst begehen wir heimliche
Feste,
Und das Schweigen geziemt allen Geweihten genau.
Eh' an die Ferse lockten wir selbst, durch gräßliche
Taten,
Uns die Erinnyen her, wagten es eher, des Zeus
Hartes Gericht am rollenden Rad und am Felsen zu
dulden,
Als dem reizenden Dienst unser Gemüt zu entziehn.
Diese Göttin, sie heißt Gelegenheit; lernet sie
kennen!
Sie erscheinet euch oft, immer in andrer Gestalt.
Tochter des Proteus möchte sie sein, mit Thetis
gezeuget,
Deren verwandelte List manchen Heroen betrog.
So betriegt nun die Tochter den Unerfahrnen, den
Blöden;
Schlummernde necket sie stets, Wachende fliegt sie
vorbei;
Gern ergibt sie sich nur dem raschen, tätigen Manne;
Dieser findet sie zahm, spielend und zärtlich und
hold.
Einst erschien sie auch mir, ein bräunliches Mädchen,
die Haare
Fielen ihr dunkel und reich über die Stirne herab,
Kurze Locken ringelten sich ums zierliche Hälschen,
Ungeflochtenes Haar krauste vom Scheitel sich auf.
Und ich verkannte sie nicht, ergriff die Eilende,
lieblich
Gab sie Umarmung und Kuß bald mir gelehrig
zurück.
O wie war ich beglückt! - Doch stille, die Zeit ist
vorüber,
Und umwunden bin ich, römische Flechten, von euch.
Froh empfind ich
mich nun auf klassischem Boden
begeistert;
Vor- und Mitwelt spricht lauter und reizender mir.
Hier befolg ich den Rat, durchblättre die Werke der
Alten
Mit geschäftiger Hand, täglich mit neuem Genuß.
Aber die Nächte hindurch hält Amor mich anders
beschäftigt;
Werd ich auch halb nur gelehrt, bin ich doch doppelt
beglückt.
Und belehr ich mich nicht, indem ich des lieblichen
Busens
Formen spähe, die Hand leite die Hüften hinab?
Dann versteh ich den Marmor erst recht; ich denk und
vergleiche,
Sehe mit fühlendem Aug, fühle mit sehender Hand.
Raubt die Liebste denn gleich mir einige Stunden des
Tages,
Gibt sie Stunden der Nacht mir zur Entschädigung
hin.
Wird doch nicht immer geküßt, es wird vernünftig
gesprochen;
Überfällt sie der Schlaf, lieg ich und denke mir viel.
Oftmals hab ich auch schon in ihren Armen gedichtet
Und des Hexameters Maß leise mit fingernder Hand
Ihr auf den Rücken gezählt. Sie atmet in lieblichem
Schlummer,
Und es durchglühet ihr Hauch mir bis ins Tiefste die
Brust.
Amor schüret die Lamp indes und denket der Zeiten,
Da er den nämlichen Dienst seinen Triumvirn getan.
»Kannst du, o
Grausamer! mich in solchen Worten
betrüben?
Reden so bitter und hart liebende Männer bei euch?
Wenn das Volk mich verklagt, ich muß es dulden!
und bin ich
Etwa nicht schuldig? Doch, ach! schuldig nur bin ich
mit dir!
Diese Kleider, sie sind der neidischen Nachbarin
Zeugen,
Daß die Witwe nicht mehr einsam den Gatten
beweint.
Bist du ohne Bedacht nicht oft bei Mondschein
gekommen,
Grau, im dunkeln Surtout, hinten gerundet das Haar?
Hast du dir scherzend nicht selbst die geistliche
Maske gewählet?
Soll's ein Prälate denn sein: gut, der Prälate bist du.
In dem geistlichen Rom, kaum scheint es zu glauben,
doch schwör ich:
Nie hat ein Geistlicher sich meiner Umarmung
gefreut.
Arm war ich leider! und jung, und wohl bekannt den
Verführern.
Falconieri hat mir oft in die Augen gegafft
Und ein Kuppler Albanis mich mit gewichtigen
Zetteln
Bald nach Ostia, bald nach den Vier Brunnen gelockt.
Aber wer nicht kam, war das Mädchen. So hab ich
von Herzen
Rotstrumpf immer gehaßt und Violettstrumpf dazu.
Denn: 'Ihr Mädchen bleibt am Ende doch die
Betrognen',
Sagte der Vater, wenn auch leichter die Mutter es
nahm.
Und so bin ich denn auch am Ende betrogen! Du
zürnest
Nur zum Scheine mit mir, weil du zu fliehen
gedenkst.
Geh! Ihr seid der Frauen nicht wert! Wir tragen die
Kinder
Unter dem Herzen, und so tragen die Treue wir auch;
Aber ihr Männer, ihr schüttet mit eurer Kraft und
Begierde
Auch die Liebe zugleich in den Umarmungen aus!«
Also sprach die Geliebte und nahm den Kleinen vom
Stuhle,
Drückt' ihn küssend ans Herz, Tränen entquollen dem
Blick.
Und wie saß ich beschämt, daß Reden feindlicher
Menschen
Dieses liebliche Bild mir zu beflecken vermocht!
Dunkel brennt das Feuer nur augenblicklich und
dampfet,
Wenn das Wasser die Glut stürzend und jählings
verhüllt;
Aber sie reinigt sich schnell, verjagt die trübenden
Dämpfe,
Neuer und mächtiger dringt leuchtende Flamme
hinauf.
O wie fühl ich in
Rom mich so froh! gedenk ich der
Zeiten,
Da mich ein graulicher Tag hinten im Norden umfing,
Trübe der Himmel und schwer auf meine Scheitel sich
senkte,
Farb- und gestaltlos die Welt um den Ermatteten lag
Und ich über mein Ich, des unbefriedigten Geistes
Düstre Wege zu spähn, still in Betrachtung versank.
Nun umleuchtet der Glanz des helleren Äthers die
Stirne;
Phöbus rufet, der Gott, Formen und Farben hervor.
Sternhell glänzet die Nacht, sie klingt von weichen
Gesängen,
Und mir leuchtet der Mond heller als nordischer Tag.
Welche Seligkeit ward mir Sterblichem! Träum ich?
Empfänget
Dein ambrosisches Haus, Jupiter Vater, den Gast?
Ach! hier lieg ich und strecke nach deinen Knien die
Hände
Flehend aus. O vernimm, Jupiter Xenius, mich
Wie ich hereingekommen, ich kann's nicht sagen; es
faßte
Hebe den Wandrer und zog mich in die Hallen heran.
Hast du ihr einen Heroen herauf zu führen geboten?
Irrte die Schöne? Vergib! Laß mir des Irrtums
Gewinn!
Deine Tochter Fortuna, sie auch! die herrlichsten
Gaben
Teilt als ein Mädchen sie aus, wie es die Laune
gebeut.
Bist du der wirtliche Gott? O dann so verstoße den
Gastfreund
Nicht von deinem Olymp wieder zur Erde hinab! -
»Dichter! wohin versteigest du dich?« - Vergib mir;
der hohe
Kapitolinische Berg ist dir ein zweiter Olymp.
Dulde mich, Jupiter, hier, und Hermes führe mich
später,
Cestius' Mal vorbei, leise zum Orkus hinab.
Wenn du mir sagst,
du habest als Kind, Geliebte, den
Menschen
Nicht gefallen und dich habe die Mutter verschmäht,
Bis du größer geworden und still dich entwickelt -
ich glaub es:
Gerne denk ich mir dich als ein besonderes Kind.
Fehlet Bildung und Farbe doch auch der Blüte des
Weinstocks,
Wenn die Beere, gereift, Menschen und Götter
entzückt.
Herbstlich leuchtet
die Flamme vom ländlich
geselligen Herde,
Knistert und glänzet, wie rasch! sausend vom Reisig
empor.
Diesen Abend erfreut sie mich mehr; denn eh noch zur
Kohle
Sich das Bündel verzehrt, unter die Asche sich neigt,
Kommt mein liebliches Mädchen. Dann flammen
Reisig und Scheite,
Und die erwärmete Nacht wird uns ein glänzendes
Fest.
Morgen frühe geschäftig verläßt sie das Lager der
Liebe,
Weckt aus der Asche behend Flammen aufs neue
hervor.
Denn vor andern verlieh der Schmeichlerin Amor die
Gabe,
Freude zu wecken, die kaum still wie zu Asche
versank.
Alexander und Cäsar
und Heinrich und Friedrich, die
Großen,
Gäben die Hälfte mir gern ihres erworbenen Ruhms,
Könnt ich auf eine Nacht dies Lager jedem
vergönnen;
Aber die Armen, sie hält strenge des Orkus Gewalt.
Freue dich also, Lebend'ger, der lieberwärmeten
Stätte,
Ehe den fliehenden Fuß schauerlich Lethe dir netzt.
Euch, o Grazien,
legt die wenigen Blätter ein Dichter
Auf den reinen Altar, Knospen der Rose dazu,
Und er tut es getrost. Der Künstler freuet sich seiner
Werkstatt, wenn sie um ihn immer ein Pantheon
scheint.
Jupiter senket die göttliche Stirn, und Juno erhebt sie;
Phöbus schreitet hervor, schüttelt das lockige Haupt;
Trocken schauet Minerva herab, und Hermes, der
leichte,
Wendet zur Seite den Blick, schalkisch und zärtlich
zugleich
Aber nach Bacchus, dem weichen, dem träumenden,
hebet Cythere
Blicke der süßen Begier, selbst in dem Marmor noch
feucht.
Seiner Umarmung gedenket sie gern und scheinet zu
fragen:
Sollte der herrliche Sohn uns an der Seite nicht stehn?
Hörest du,
Liebchen, das muntre Geschrei den
Flaminischen Weg her?
Schnitter sind es; sie ziehn wieder nach Hause zurück,
Weit hinweg. Sie haben des Römers Ernte vollendet,
Der für Ceres den Kranz selber zu flechten
verschmäht.
Keine Feste sind mehr der großen Göttin gewidmet,
Die, statt Eicheln, zur Kost goldenen Weizen verlieh.
Laß uns beide das Fest im stillen freudig begehen!
Sind zwei Liebende doch sich ein versammeltes Volk.
Hast du wohl je gehört von jener mystischen Feier,
Die von Eleusis hieher frühe dem Sieger gefolgt?
Griechen stifteten sie, und immer riefen nur Griechen,
Selbst in den Mauern Roms: »Kommt zur geheiligten
Nacht!«
Fern entwich der Profane; da bebte der wartende
Neuling,
Den ein weißes Gewand, Zeichen der Reinheit,
umgab.
Wunderlich irrte darauf der Eingeführte durch Kreise
Seltner Gestalten; im Traum schien er zu wallen: denn
hier
Wanden sich Schlangen am Boden umher,
verschlossene Kästchen,
Reich mit Ähren umkränzt, trugen hier Mädchen
vorbei,
Vielbedeutend gebärdeten sich die Priester und
summten;
Ungeduldig und bang harrte der Lehrling auf Licht.
Erst nach mancherlei Proben und Prüfungen ward ihm
enthüllt
Was der geheiligte Kreis seltsam in Bildern verbarg.
Und was war das Geheimnis! als daß; Demeter, die
große,
Sich gefällig einmal auch einem Helden bequemt,
Als sie Jasion einst, dem rüstigen König der Kreter,
Ihres unsterblichen Leibs holdes Verborgne gegönnt.
Da war Kreta beglückt! das Hochzeitbette der Göttin
Schwoll von Ähren, und reich drückte den Acker die
Saat.
Aber die übrige Welt verschmachtete; denn es
versäumte
Aber der Liebe Genuß Ceres den schönen Beruf.
Voll Erstaunen vernahm der Eingeweihte das
Märchen,
Winkte der Liebsten - Verstehst du nun, Geliebte,
den Wink?
Jene buschige Myrte beschattet ein heiliges Plätzchen!
Unsre Zufriedenheit bringt keine Gefährde der Welt.
Amor bleibet ein
Schalk, und wer ihm vertraut, ist
betrogen!
Heuchelnd kam er zu mir: »Diesmal nur traue mir
noch.
Redlich mein ich's mit dir, du hast dein Leben und
Dichten,
Dankbar erkenn ich es wohl, meiner Verehrung
geweiht.
Siehe, dir bin ich nun gar nach Rom gefolget; ich
möchte
Dir im fremden Gebiet gern was Gefälliges tun.
Jeder Reisende klagt, er finde schlechte Bewirtung;
Welchen Amor empfiehlt, köstlich bewirtet ist er.
Du betrachtest mit Staunen die Trümmern alter
Gebäude
Und durchwandelst mit Sinn diesen geheiligten
Raum.
Du verehrest noch mehr die werten Reste des Bildens
Einziger Künstler, die stets ich in der Werkstatt
besucht.
Diese Gestalten, ich formte sie selbst! Verzeih mir,
ich prahle
Diesmal nicht; du gestehst, was ich dir sage, sei wahr.
Nun du mir lässiger dienst, wo sind die schönen
Gestalten,
Wo die Farben, der Glanz deiner Erfindungen hin?
Denkst du nun wieder zu bilden, o Freund? Die
Schule der Griechen
Blieb noch offen, das Tor schlossen die Jahre nicht
zu.
Ich, der Lehrer, bin ewig jung und liebe die Jungen.
Altklug lieb ich dich nicht! Munter! Begreife mich
wohl!
War das Antike doch neu, da jene Glücklichen lebten!
Lebe glücklich, und so lebe die Vorzeit in dir!
Stoff zum Liede, wo nimmst du ihn her? Ich muß dir
ihn geben,
Und den höheren Stil lehret die Liebe dich nur.«
Also sprach der Sophist. Wer widerspräch ihm? und
leider
Bin ich zu folgen gewöhnt, wenn der Gebieter
befiehlt.
Nun, verräterisch hält er sein Wort, gibt Stoff zu
Gesängen,
Ach und raubt mir die Zeit, Kraft und Besinnung
zugleich;
Blick und Händedruck und Küsse, gemütliche Worte,
Silben köstlichen Sinns wechselt ein liebendes Paar.
Da wird Lispeln Geschwätz, wird Stottern liebliche
Rede:
Solch ein Hymnus verhallt ohne prosodisches Maß.
Dich, Aurora, wie kannt ich dich sonst als Freundin
der Musen!
Hat, Aurora, dich auch Amor, der lose, verführt?
Du erscheinest mir nun als seine Freundin und
weckest
Mich an seinem Altar wieder zum festlichen Tag.
Find ich die Fülle der Locken an meinem Busen! das
Köpfchen
Ruhet und drücket den Arm, der sich dem Halse
bequemt.
Welch ein freudig Erwachen, erhieltet ihr, ruhige
Stunden,
Mir das Denkmal der Lust, die in den Schlaf uns
gewiegt!
Sie bewegt sich im Schlummer und sinkt auf die
Breite des Lagers
Weggewendet; und doch läßt sie mir Hand noch in
Hand.
Herzliche Liebe verbindet uns stets und treues
Verlangen,
Und den Wechsel behielt nur die Begierde sich vor.
Einen Druck der Hand, ich sehe die himmlischen
Augen
Wieder offen. - O nein! laßt auf der Bildung mich
ruhn!
Bleibt geschlossen! Ihr macht mich verwirrt und
trunken, ihr raubet
Mir den stillen Genuß reiner Betrachtung zu früh.
Diese Formen, wie groß! wie edel gewendet die
Glieder!
Schlief Ariadne so schön: Theseus, du konntest
entfliehn?
Diesen Lippen ein einziger Kuß! O Theseus, nun
scheide!
Blick ihr ins Auge! Sie wacht! - Ewig nun hält sie
dich fest.
Zünde mir Licht an,
Knabe! - »Noch ist es hell. Ihr
verzehret
Öl und Docht nur umsonst. Schließet die Läden doch
nicht!
Hinter die Häuser entwich, nicht hinter den Berg, uns
die Sonne!
Ein halb Stündchen noch währt's bis zum Geläute der
Nacht.«
Unglückseliger! geh und gehorch! Mein Mädchen
erwart ich;
Tröste mich, Lämpchen, indes, lieblicher Bote der
Nacht!
Cäsarn wär ich
wohl nie zu fernen Britannen gefolget,
Florus hätte mich leicht in die Popine geschleppt!
Denn mir bleiben weit mehr die Nebel des traurigen
Nordens
Als ein geschäftiges Volk südlicher Flöhe verhaßt.
Und noch schöner von heut an seid mir gegrüßet, ihr
Schenken,
Osterien, wie euch schicklich der Römer benennt;
Denn ihr zeigtet mir heute die Liebste, begleitet vom
Oheim,
Den die Gute so oft, mich zu besitzen, betriegt.
Hier stand unser Tisch, den Deutsche vertraulich
umgaben;
Drüben suchte das Kind neben der Mutter den Platz,
Rückte vielmals die Bank und wußt es artig zu
machen,
Daß ich halb ihr Gesicht, völlig den Nacken gewann.
Lauter sprach sie, als hier die Römerin pfleget,
kredenzte,
Blickte gewendet nach mir, goß und verfehlte das
Glas.
Wein floß über den Tisch, und sie, mit zierlichem
Finger,
Zog auf dem hölzernen Blatt Kreise der Feuchtigkeit
hin.
Meinen Namen verschlang sie dem ihrigen; immer
begierig
Schaut ich dem Fingerchen nach, und sie bemerkte
mich wohl.
Endlich zog sie behende das Zeichen der römischen
Fünfe
Und ein Strichlein davor. Schnell, und sobald ich's
gesehn,
Schlang sie Kreise durch Kreise, die Lettern und
Ziffern zu löschen;
Aber die köstliche Vier blieb mir ins Auge geprägt.
Stumm war ich sitzen geblieben und biß die glühende
Lippe,
Halb aus Schalkheit und Lust, halb aus Begierde, mir
wund.
Erst noch so lange bis Nacht! dann noch vier Stunden
zu warten!
Hohe Sonne, du weilst, und du beschauest dein Rom!
Größeres sahest du nichts und wirst nichts Größeres
sehen,
Wie es dein Priester Horaz in der Entrückung
versprach.
Aber heute verweile mir nicht, und wende die Blicke
Von dem Siebengebirg früher und williger ab!
Einem Dichter zuliebe verkürze die herrlichen
Stunden,
Die mit begierigem Blick selig der Maler genießt;
Glühend blicke noch schnell zu diesen hohen
Fassaden,
Kuppeln und Säulen zuletzt und Obelisken herauf;
Stürze dich eilig ins Meer, um morgen früher zu
sehen,
Was Jahrhunderte schon göttliche Lust dir gewährt:
Diese feuchten, mit Rohr so lange bewachsenen
Gestade,
Diese mit Bäumen und Busch düster beschatteten
Höhn.
Wenig Hütten zeigten sie erst; dann sahst du auf
einmal
Sie vom wimmelnden Volk glücklicher Räuber
belebt.
Alles schleppten sie drauf an diese Stätte zusammen;
Kaum war das Übrige Rund deiner Betrachtung noch
wert.
Sahst eine Welt hier entstehn, sahst dann eine Welt
hier in Trümmern,
Aus den Trümmern aufs neu fast eine größere Welt!
Daß ich diese noch lange von dir beleuchtet erblicke,
Spinne die Parze mir klug langsam den Faden herab;
Aber sie eile herbei, die schön bezeichnete Stunde!
Glücklich! Hör ich sie schon? Nein; doch ich höre
schon Drei.
So, ihr lieben Musen, betrogt ihr wieder die Länge
Dieser Weile, die mich von der Geliebten getrennt.
Lebet wohl ! Nun eil ich und fürcht euch nicht zu
beleid'gen;
Denn ihr Stolzen, ihr gebt Amorn doch immer den
Rang.
»Warum bist du,
Geliebter, nicht heute zur Vigne
gekommen?
Einsam, wie ich versprach, wartet ich oben auf
dich.« -
Beste, schon war ich hinein; da sah ich zum Glücke
den Oheim
Neben den Stöcken, bemüht, hin sich und her sich zu
drehn.
Schleichend eilt ich hinaus! - »Oh, welch ein Irrtum
ergriff dich!
Eine Scheuche nur war's, was dich vertrieb! Die
Gestalt
Flickten wir emsig zusammen aus alten Kleidern und
Rohren;
Emsig half ich daran, selbst mir zu schaden bemüht.«
Nun, des Alten Wunsch ist erfüllt; den losesten Vogel
Scheucht' er heute, der ihm Gärtchen und Nichte
bestiehlt.
Manche Töne sind
mir Verdruß, doch bleibet am
meisten
Hundegebell mir verhaßt; kläffend zerreißt es mein
Ohr.
Einen Hund nur hör ich sehr oft mit frohem Behagen
Bellend kläffen, den Hund, den sich der Nachbar
erzog.
Denn er bellte mir einst mein Mädchen an, da sie sich
heimlich
Zu mir stahl, und verriet unser Geheimnis beinah.
Jetzo, hör ich ihn bellen, so denk ich nur immer: sie
kommt wohl!
Oder ich denke der Zeit, da die Erwartete kam.
Eines ist mir
verdrießlich vor allen Dingen, ein andres
Bleibt mir abscheulich, empört jegliche Faser in mir,
Nur der bloße Gedanke. Ich will es euch, Freunde,
gestehen:
Gar verdrießlich ist mir einsam das Lager zu Nacht.
Aber ganz abscheulich ist's, auf dem Wege der Liebe
Schlangen zu fürchten und Gift unter den Rosen der
Lust,
Wenn im schönsten Moment der hin sich gebenden
Freude
Deinem sinkenden Haupt lispelnde Sorge sich naht.
Darum macht Faustine mein Glück; sie teilet das
Lager
Gerne mit mir und bewahrt Treue dem Treuen genau.
Reizendes Hindernis will die rasche Jugend; ich liebe,
Mich des versicherten Guts lange bequem zu erfreun.
Welche Seligkeit ist's! wir wechseln sichere Küsse,
Atem und Leben getrost saugen und flößen wir ein.
So erfreuen wir uns der langen Nächte, wir lauschen,
Busen an Busen gedrängt, Stürmen und Regen und
Guß.
Und so dämmert der Morgen heran; es bringen die
Stunden
Neue Blumen herbei, schmücken uns festlich den
Tag.
Gönnet mir, o Quiriten! das Glück, und jedem
gewähre
Aller Güter der Welt erstes und letztes der Gott!
Schwer erhalten wir
uns den guten Namen, denn
Fama
Steht mit Amorn, ich weiß, meinem Gebieter, in
Streit.
Wißt auch ihr, woher es entsprang, daß beide sich
hassen?
Alte Geschichten sind das, und ich erzähle sie wohl.
Immer die mächtige Göttin, doch war sie für die
Gesellschaft
Unerträglich, denn gern führt sie das herrschende
Wort;
Und so war sie von je bei allen Göttergelagen
Mit der Stimme von Erz Großen und Kleinen verhaßt.
So berühmte sie einst sich übermütig, sie habe
Jovis herrlichen Sohn ganz sich zum Sklaven gemacht
»Meinen Herkules führ ich dereinst, o Vater der
Götter«,
Rief triumphierend sie aus , »wiedergeboren dir zu.
Herkules ist es nicht mehr, den dir Alkmene geboren;
Seine Verehrung für mich macht ihn auf Erden zum
Gott.
Schaut er nach dem Olymp, so glaubst du, er schaue
nach deinen
Mächtigen Knien; vergib! nur in den Äther nach mir
Blickt der würdigste Mann; nur mich zu verdienen,
durchschreitet
Leicht sein mächtiger Fuß Bahnen, die keiner betrat;
Aber auch ich begegn' ihm auf seinen Wegen und
preise
Seinen Namen voraus, eh er die Tat noch beginnt.
Mich vermählst du ihm einst; der Amazonen Besieger
Werd auch meiner, und ihn nenn ich mit Freuden
Gemahl!«
Alles schwieg; sie mochten nicht gern die Prahlerin
reizen:
Denn sie denkt sich, erzürnt, leicht was Gehässiges
aus.
Amorn bemerkte sie nicht: er schlich beiseite; den
Helden
Bracht er mit weniger Kunst unter der Schönsten
Gewalt.
Nun vermummt er sein Paar; ihr hängt er die Bürde
des Löwen
Über die Schultern und lehnt mühsam die Keule dazu.
Drauf bespickt er mit Blumen des Helden sträubende
Haare,
Reichet den Rocken der Faust, die sich dem Scherze
bequemt.
So vollendet er bald die neckische Gruppe; dann läuft
er,
Ruft durch den ganzen Olymp: »Herrliche Taten
geschehn!
Nie hat Erd und Himmel, die unermüdete Sonne
Hat auf der ewigen Bahn keines der Wunder
erblickt.«
Alles eilte; sie glaubten dem losen Knaben, denn
ernstlich
Hatt er gesprochen; und auch Fama, sie blieb nicht
zurück.
Wer sich freute, den Mann so tief erniedrigt zu sehen,
Denkt ihr! Juno. Es galt Amorn ein freundlich
Gesicht.
Fama daneben, wie stand sie beschämt, verlegen,
verzweifelnd!
Anfangs lachte sie nur: »Masken, ihr Götter, sind das!
Meinen Helden, ich kenn ihn zu gut! Es haben
Tragöden
Uns zum besten!« Doch bald sah sie mit Schmerzen,
er war's!
Nicht den tausendsten Teil verdroß es Vulkanen, sein
Weibchen
Mit dem rüstigen Freund unter den Maschen zu sehn,
Als das verständige Netz im rechten Moment sie
umfaßte,
Rasch die Verschlungnen umschlang, fest die
Genießenden hielt.
Wie sich die Jünglinge freuten! Merkur und Bacchus!
sie beide
Mußten gestehn: es sei, über dem Busen zu ruhn
Dieses herrlichen Weibes, ein schöner Gedanke. Sie
baten:
»Löse, Vulkan, sie noch nicht! Laß sie noch einmal
besehn.«
Und der Alte war so Hahnrei und hielt sie nur fester.
Aber Fama, sie floh rasch und voll Grimmes davon.
Seit der Zeit ist zwischen den zweien der Fehde nicht
Stillstand;
Wie sie sich Helden erwählt, gleich ist der Knabe
darnach.
Wer sie am höchsten verehrt, den weiß er am besten
zu fassen,
Und den Sittlichsten greift er am gefährlichsten an.
Will ihm einer entgehn, den bringt er vom Schlimmen
ins Schlimmste.
Mädchen bietet er an; wer sie ihm töricht verschmäht,
Muß erst grimmige Pfeile von seinem Bogen
erdulden;
Mann erhitzt er auf Mann, treibt die Begierden aufs
Tier.
Wer sich seiner schämt, der muß erst leiden; dem
Heuchler
Streut er bittern Genuß unter Verbrechen und Not.
Aber auch sie, die Göttin, verfolgt ihn mit Augen und
Ohren;
Sieht sie ihn einmal bei dir, gleich ist sie feindlich
gesinnt,
Schreckt dich mit ernstem Blick, verachtenden
Mienen, und heftig
Strenge verruft sie das Haus, das er gewöhnlich
besucht.
Und so geht es auch mir: schon leid ich ein wenig; die
Göttin,
Eifersüchtig, sie forscht meinem Geheimnisse nach.
Doch es ist ein altes Gesetz: ich schweig und verehre;
Denn der Könige Zwist büßten die Griechen, wie ich.
Zieret Stärke den
Mann und freies, mutiges Wesen,
Oh! so ziemet ihm fast tiefes Geheimnis noch mehr.
Städtebezwingerin du, Verschwiegenheit! Fürstin der
Völker!
Teure Göttin, die mich sicher durchs Leben geführt,
Welches Schicksal erfahr ich! Es löset scherzend die
Muse,
Amor löset, der Schalk, mir den verschlossenen
Mund.
Ach, schon wird es so schwer, der Könige Schande
verbergen!
Weder die Krone bedeckt, weder ein phrygischer
Bund
Midas' verlängertes Ohr; der nächste Diener entdeckt
es,
Und ihm ängstet und drückt gleich das Geheimnis die
Brust.
In die Erde vergrüb er es gern, um sich zu erleichtern:
Doch die Erde verwahrt solche Geheimnisse nicht;
Rohre sprießen hervor und rauschen und lispeln im
Winde:
»Midas! Midas, der Fürst, trägt ein verlängertes
Ohr!«
Schwerer wird es nun mir, ein schönes Geheimnis zu
wahren;
Ach, den Lippen entquillt Fülle des Herzens so leicht!
Keiner Freundin darf ich's vertraun: sie möchte mich
schelten;
Keinem Freunde: vielleicht brächte der Freund mir
Gefahr.
Mein Entzücken dem Hain, dem schallenden Felsen
zu sagen,
Bin ich endlich nicht jung, bin ich nicht einsam
genug.
Dir, Hexameter, dir, Pentameter, sei es vertrauet,
Wie sie des Tags mich erfreut, wie sie des Nachts
mich beglückt.
Sie, von vielen Männern gesucht, vermeidet die
Schlingen,
Die ihr der Kühnere frech, heimlich der Listige legt;
Klug und zierlich schlüpft sie vorbei und kennet die
Wege,
Wo sie der Liebste gewiß lauschend begierig
empfängt.
Zaudre, Luna, sie kommt! damit sie der Nachbar nicht
sehe;
Rausche, Lüftchen, im Laub! niemand vernehme den
Tritt.
Und ihr, wachset und blüht, geliebte Lieder, und
wieget
Euch im leisesten Hauch lauer und liebender Luft,
Und entdeckt den Quiriten, wie jene Rohre
geschwätzig,
Eines glücklichen Paars schönes Geheimnis zuletzt.
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