Aus
den »Wanderjahren«
Zu erfinden, zu
beschließen Bleibe,
Künstler, oft allein,
Deines Wirkens zu genießen,
Eile freudig zum Verein!
Dort im Ganzen schau, erfahre
Deinen eignen Lebenslauf,
Und die Taten mancher Jahre
Gehn dir in dem Nachbar auf.
Der Gedanke, das Entwerfen,
Die Gestalten, ihr Bezug,
Eines wird das andre schärfen,
Und am Ende sei's genug!
Wohl erfunden, klug ersonnen,
Schön gebildet, zart vollbracht,
So von jeher hat gewonnen
Künstler kunstreich seine Macht.
Wie Natur im Vielgebilde
Einen Gott nur offenbart,
So im weiten Kunstgefilde
Webt ein Sinn der ew'gen Art;
Dieses ist der Sinn der Wahrheit,
Der sich nur mit Schönem schmückt
Und getrost der höchsten Klarheit
Hellsten Tags entgegenblickt.
Wie beherzt in Reim und Prose
Redner, Dichter sich ergehn,
Soll des Lebens heitre Rose
Frisch auf Malertafel stehn,
Mit Geschwistern reich umgeben,
Mit des Herbstes Frucht umlegt,
Daß sie von geheimem Leben
Offenbaren Sinn erregt.
Tausendfach und schön entfließe
Form aus Formen deiner Hand,
Und im Menschenbild genieße,
Daß ein Gott sich hergewandt.
Welch ein Werkzeug ihr gebrauchet,
Stellet euch als Brüder dar;
Und gesangweis flammt und rauchet
Opfersäule vom Altar.
Homer ist lange mit
Ehren genannt,
Jetzt ward euch Phidias bekannt;
Nun hält nichts gegen beide Stich,
Darob ereifre niemand sich.
Seid willkommen, edle Gäste,
Jedem echten deutschen Sinn;
Denn das Herrlichste, das Beste
Bringt allein dem Geist Gewinn.
Fassest du die Muse
nur beim Zipfel,
Hast du wenig nur getan;
Geist und Kunst auf ihrem höchsten Gipfel
Muten alle Menschen an.
Nachahmung der Natur
- Der schönen -,
Ich ging auch wohl auf dieser Spur;
Gewöhnen
Mocht ich wohl nach und nach den Sinn,
Mich zu vergnügen;
Allein sobald ich mündig bin -
Es sind's die Griechen!
Es ist nichts in der
Haut,
Was nicht im Knochen ist.
Vor schlechtem Gebilde jedem graut,
Das ein Augenschmerz ihm ist.
Was freut denn jeden? Blühen zu sehn,
Das von innen schon gut gestaltet;
Außen mag's in Glätte, mag in Farben gehn,
Es ist ihm schon voran gewaltet.
Der Maler wagt's mit
Götterbildern,
Sein Höchstes hat er aufgestellt;
Doch was er für unmöglich hält:
Dem Liebenden die Liebste schildern,
Er wag es auch! Ein Traum wird frommen,
Ein Schattenbild ist hoch willkommen.
Künstler, wird's im
Innern steif,
Das ist nicht erfreulich;
Auch der vagen Züge Schweif
Ist uns ganz abscheulich;
Kommst du aber auf die Spur,
Daß du's nicht getroffen,
Zu der wahren Kunstnatur
Steht der Pfad schon offen.
Modernes
»Wie aber kann sich Hans van Eyck
Mit Phidias nur messen?«
Ihr müßt, so lehr ich, alsogleich
Einen um den andern vergessen.
Denn wärt ihr stets bei einer geblieben,
Wie könntet ihr noch immer lieben?
Das ist die Kunst, das ist die Welt,
Daß eins ums andere gefällt.
An Bildern schleppt
ihr hin und her
Verlornes und Erworbnes;
Und bei dem Senden kreuz und quer
Was bleibt uns denn? - Verdorbnes!
Titelbild
Wie seit seinen Jünglingsjahren
Unser Tischbein sich ergeht,
Wie er Berg und Tal befahren,
Stets an rechter Stelle steht;
Was er sieht, weiß mitzuteilen,
Was er dichtet, ebenfalls;
Faunen bringt er auch zuweilen,
Frauen doch auf allen Zeilen
Des poetisch-plastischen Alls:
Also war es an der Tiber,
Wo dergleichen wir geübt,
Und noch wirkt dieselbe Fiber,
Freund dem Freunde gleich geliebt.
1
Würdige Prachtgebäude
stürzen,
Mauer fällt, Gewölbe bleiben,
Daß nach tausendjähr'gem Treiben
Tor und Pfeiler sich verkürzen.
Dann beginnt das Leben wieder,
Boden mischt sich neuen Saaten,
Rank auf Ranke senkt sich nieder;
Der Natur ist's wohlgeraten.
2
Schön und
menschlich ist der Geist,
Der uns in das Freie weist,
Wo in Wäldern, auf der Flur,
Wie im steilen Berggehänge,
Sonnenauf- und - untergänge
Preisen Gott und die Natur.
3
Wenn in Wäldern
Baum an Bäumen,
Bruder sich mit Bruder nähret,
Sei das Wandern, sei das Träumen
Unverwehrt und ungestöret;
Doch wo einzelne Gesellen
Zierlich miteinander streben,
Sich zum schönen Ganzen stellen,
Das ist Freude, das ist Leben.
4
Mitten in dem
Wasserspiegel
Hob die Eiche sich empor,
Majestätisch Fürstensiegel
Solchem grünen Waldesflor;
Sieht sich selbst zu ihren Füßen,
Schaut den Himmel in der Flut:
So des Lebens zu genießen,
Einsamkeit ist höchstes Gut.
5
Harren seht ihr sie,
die Schönen,
Was durchs Ohr das Herz ergreife.
Flöte wird für diese tönen,
Für die andern Pans Gepfeife.
6
Heute noch im
Paradiese
Weiden Lämmer auf der Wiese,
Hüpft von Fels zu Fels die Ziege;
Milch und Obst nach ew'ger Weise
Bleibt der Alt' und Jungen Speise;
Mutterarm ist Kinderwiege,
Vaterflöte spricht ans Ohr,
Und Natur ist's nach wie vor;
Wo ihr huldiget der Holden,
Erd und Himmel silbern, golden.
Darum Heil dem Freunde sei,
Der sich fühlt so treu und frei!
7
Was die Alten
pfeifen,
Das wird ein Kind ergreifen,
Was die Väter sungen,
Das zwitschern muntere Jungen.
O möchten sie zum Schönen
Sich früh und früh gewöhnen,
Und wären sie geboren
Den ziegenfüßigen Ohren.
8
Edel-ernst, ein
Halbtier, liegend,
Im Beschauen, im Besinnen,
Hin und her im Geiste wiegend,
Denkt er, Großes zu gewinnen.
Ach, er möchte gern entfliehen
Solchem Auftrag, solcher Würde;
Einen Helden zu erziehen
Wird Zentauren selbst zur Bürde.
9
Was wir froh und
dankbar fühlen,
Wenn es auch am Ende quält,
Was wir lechzen zu erzielen,
Wo es Herz und Sinnen fehlt:
Heitre Gegend, groß gebildet,
Jugendschritt an Freundesbrust,
Wechselseitig abgemildet,
Holder Liebe Schmerzenslust -
Alles habt ihr nun empfangen,
Irdisch war's und in der Näh;
Sehnsucht aber und Verlangen
Hebt vom Boden in die Höh.
An der Quelle sind's Najaden,
Sind Sylphiden in der Luft,
Leichter fühlt ihr euch im Baden,
Leichter noch in Himmelsduft;
Und das Plätschern und das Wallen,
Ein und andres zieht euch an;
Lasset Lied und Bild verhallen,
Doch im Innern ist's getan.
10
Jetzo wallen sie
zusammen,
Kühle kühlt und birgt die Flammen,
Tiefer unten werden Hirten
Sich zum Wonnebad entgürten:
Um den Schönsten von den dreien
Werden beide sich entzweien.
Diese fließt in offner Schwüle,
Jene zu gewohnter Kühle
Sucht den Liebsten in der Mühle.
11
Was sich nach der
Erde senkte,
Was sich an den Boden hielt,
Was den Äther nicht erreicht,
Seht, wie es empor sich schwenkte,
Wie's auf Rohr und Ranken spielt!
Künstlerwille macht es leicht.
12
Wenn um das Götterkind
Auroren
In Finsternis werden Rosen geboren,
Sie fleucht, so leicht, so hoch gemeint,
Die Sonne ihr auf die Fersen scheint.
Das ist denn doch das wahre Leben,
Wo in der Nacht auch Blüten schweben.
13
Ohne menschliche
Gebrechen,
Göttergleich, mit heiterm Sinn,
Tauig Moos und Wasserflächen
Überschreitend, schwebt sie hin.
Heute floh sie, floh wie gestern,
Riß der Muse sich vom Schoß;
Ach, sie hat so lästige Schwestern,
Peinlich werden wir sie los.
14
Wirket Stunden
leichten Webens,
Lieblich lieblichen begegnend, Zettel,
Einschlag längsten Lebens,
Scheidend, kommend, grüßend, segnend.
15
Ruhig Wasser, grause
Höhle,
Bergeshöh und ernstes Licht,
Seltsam, wie es unsrer Seele
Schauderhafte Laute spricht.
So erweist sich wohl Natur,
Künstlerblick vernimmt es nur.
16
In dem lieblichsten
Gewirre,
Wo das Bild um Bilder summt,
Dichterblick wird scheu und irre,
Und die Leier, sie verstummt.
17
Die Lieblichen sind
hier zusammen,
Es ist doch gar zuviel der Flammen.
Der Überfluß erregt nur Pein,
Es sollten alle nur eine sein.
18
»Was trauern denn
die guten Kinder?
Sie sind so jung, da hilft's geschwinder.«
Habt ihr's vergessen, alte Kinder?
Es schmerzt im Augenblick nicht minder.
19
Glücklicher Künstler!
in himmlischer Luft
Bewegen sich ihm schöne Weiber.
Versteht er sich doch auf Rosenduft
Und appetitliche Leiber.
20
Hier hat Tischbein
nach seiner Art
Striche gar wunderlich gepaart;
Sie sind nicht alle deutlich zu lesen,
Sind aber alles Gedanken gewesen.
21
Wie herrlich ist die
Welt! wie schön!
Heil ihm, der je sie so gesehn!
So wie Moses, kaum
geboren,
Gewissem Tode bestimmt,
Wunderbar ward gerettet:
So mancher, schon halb verloren,
Da der Feind eindrang ergrimmt,
Ward wieder froh und glücklich gebettet.
Johannes erst in der Wüste predigt:
»Seht Gottes Lamm, das von Sünden erledigt.«
Nun deutet er in die himmlischen Auen:
»Dort sollt ihr den Herrn, den erlösenden, schauen.«
Nicht
gedeutet!
Ob Mutter? Tochter?
Schwester? Enkelin?
Von Helios gezeugt? Von wer geboren?
Wohin gewandert? Wo versteckt? Verloren?
Gefunden? - Rätsel ist's dem Künstlersinn.
Und ruhte sie verhüllt in düstre Schleier,
Vom Rauch umwirbelt acherontischer Feuer,
Die Gott-Natur enthüllt sich zum Gewinn:
Nach höchster Schönheit muß die Jungfrau streben,
Sizilien verleiht ihr Götterleben.
I
Einsamste Wildnis
Ich sah die Welt mit
liebevollen Blicken,
Und Welt und ich, wir schwelgten im Entzücken;
So duftig war, belebend, immer frisch
Wie Fels, wie Strom, so Bergwald und Gebüsch.
Doch unvermögend Streben, Nachgelalle
Bracht oft den Stift, den Pinsel bracht's zu Falle;
Auf neues Wagnis endlich blieb doch nur
Vom besten Wollen halb und halbe Spur.
Ihr Jüngern aber, die ihr unverzagt
Unausgesprochnes auszusprechen wagt,
Den Sinn, woran die Hand sich stotternd maß,
Das Unvermögen liebevoll vergaß,
Ihr seid es, die, was ich und ihr gefehlt,
Dem weiten Kreis der Kunstwelt nicht verhehlt.
Und wie dem Walde geht's den Blättern allen,
Sie knospen, grünen, welken ab und fallen.
II
Hausgarten
Hier sind wir denn
vorerst ganz still zu Haus,
Von Tür zu Türe sieht es lieblich aus;
Der Künstler froh die stillen Blicke hegt,
Wo Leben sich zum Leben freundlich regt.
Und wie wir auch durch fremde Lande ziehn,
Da kommt es her, da kehrt es wieder hin;
Wir wenden uns, wie auch die Welt entzücke,
Der Enge zu, die uns allein beglücke.
III
Freie Welt
Wir wandern ferner
auf bekanntem Grund,
Wir waren jung, hier waren wir gesund
Und schlenderten den Sommerabend lang
Mit halber Hoffnung mannigfalt'gen Gang.
Und wie man kam, so ging man nicht zurück:
Begegnen ist ein höchstes Liebeglück.
Und zwei zusammen sehen Fluß und Bahn
Und Berg und Busch sogleich ganz anders an.
Und wer dieselben Pfade wandernd schleicht,
Sei ihm des Zieles holder Wunsch erreicht!
IV
Geheimster Wohnsitz
Wie das erbaut war,
wie's im Frieden lag,
Es kommt vielleicht vom Altertum zu Tag:
Denn vieles wirkte, hielt am sel'gen Fleiß,
Wovon die Welt noch keine Silbe weiß.
Der Tempel steht, dem höchsten Sinn geweiht,
Auf Felsengrund in hehrer Einsamkeit.
Daneben wohnt die fromme Pilgerschar,
Sie wechseln, gehend, kommend, Jahr für Jahr.
So ruhig harrt ein wallendes Geschlecht,
Geschützt durch Mauern, mehr durch Licht und
Recht,
Und wer sich dort sein Probejahr befand,
Hat in der Welt gar einen eignen Stand;
Wir hofften selbst uns im Asyl zu gründen.
Wer Buchten kennt, Erdzungen, wird es finden.
Der Abend war unübertrefflich schön,
Ach, wollte Gott, ein Künstler hätt's gesehn!
V
Bequemes Wandern
Hier sind, so
scheint es, Wandrer wohl bedacht:
Denn jeder fände Pfad um Mitternacht.
Wir sagen nicht, wir hätten's oft gesehn,
Dergleichen Wege doch gelang's zu gehn;
Denn freilich, wo die Mühe war gehoben,
Da kann der Waller jede Stunde loben;
Er geht beherzt, denn Schritt für Schritt ist leicht,
So daß er fröhlich Zweck und Ziel erreicht.
O selige Jugend, wie sie, Tag und Nacht
Den Ort zu ändern innigst angefacht,
Durch wilden Bergriß höchst behaglich steigt
Und auf dem Gipfel Nebeldunst erreicht.
Man schelt es nicht, denn wohl genießt sie rein,
Auch über Wolken, heitern Sonnenschein.
VI
Gehinderter Verkehr
Wie sich am Meere
Mann um Mann befestigt
Und am Gestade Schiffer überlästigt,
Die engen Pfade völlig weglos macht,
Auf Sicherheit, mehr auf Gewalt bedacht,
Bald Recht, bald Plackerei, sein selbst gewiß,
Sei's, wie es sei, und immer Hindernis,
So Tag und Nacht den Reisenden zur Last:
Es ist vielleicht zu düster aufgefaßt.
Die Nachtigall, sie
war entfernt,
Der Frühling lockt sie wieder;
Was Neues hat sie nicht gelernt,
Singt alte liebe Lieder.
Übermütig sieht's nicht aus,
Dieses kleine Gartenhaus,
Allen, die sich drin genährt,
Ward ein guter Mut beschert.
Gar manches artig ist geschehn
Durch leichte Griffelspiele;
Doch recht betrachtet, wohl besehn,
Fehlt immer Hain und Mühle.
Erinnr' ich mich doch spät und früh
Des lieblichsten Gesichts,
Sie denkt an mich, ich denk an sie,
Und beiden hilft es nichts.
Das alles sieht so
lustig aus,
So wohl gewaschen das Bauerhaus,
So morgentaulich Gras und Baum,
So herrlich blau der Berge Saum!
Seht nur das Wölkchen, wie es spielt
Und sich im reinen Äther kühlt!
Fände sich ein Niederländer hier,
Er nähme wahrlich gleich Quartier,
Und was er sieht und was er malt,
Wird hundert Jahre nachgezahlt.
Wie kommt dir denn das alles vor?
Es glänzt als wie durch Silberflor,
Durchscheinend ist's, es steht ein Licht
Dahinter, lieblichstes Gesicht.
Durch solcher holden Lampe Schein
Wird alles klar und überrein,
Was sonst ein garstig Ungefähr,
Tagtäglich, ein Gemeines wär.
Fehlt's dir an Geist und Kunstgebühr,
Die Liebe weiß schon Rat dafür.
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