Spielgemeinschaft ODYSSEE - Inhaltsübersicht
http://goethe.odysseetheater.com 

Johann Wolfgang

von


Goethe

(1749-1832)

Johann Wolfgang von Goethe

Gedichte. Nachlese

Gedichte. Nachlese

 

 


Zu den römischen Elegien

I

Mehr, als ich ahndete, schön, das Glück, es ist mir 
geworden:
Amor führte mich klug allen Palästen vorbei.
Ihm ist es lange bekannt, auch hab ich es selbst wohl 
erfahren,
Was ein goldnes Gemach hinter Tapeten verbirgt
Nennet blind ihn und Knaben und ungezogen: ich 
kenne,
Kluger Amor, dich wohl, nimmer bestechlicher Gott!
Uns verführten sie nicht, die majestät'schen Fassaden,
Nicht der galante Balkon, weder das ernste Cortil.
Eilig ging es vorbei, und niedre, zierliche Pforte
Nahm den Führer zugleich, nahm den Verlangenden 
auf.
Alles verschafft er mir da, hilft alles und alles erhalten
Streuet jeglichen Tag frischere Rosen mir auf.
Hab ich den Himmel nicht hier? - Was gibst du, 
schöne Borghese,
Nipotina, was gibst deinem Geliebten du mehr?
Tafel, Gesellschaft und Cors und Spiel und Oper und 
Bälle,
Amorn rauben sie nur oft die gelegenste Zeit.
Ekel bleibt mir Gezier und Putz, und hebet am Ende
Sich ein brokatener Rock nicht wie ein wollener auf?
Oder will sie bequem den Freund im Busen 
verbergen,
Wünscht er von alle dem Schmuck nicht schon sie 
befreit?
Müssen nicht jene Juwelen und Spitzen, Polster und 
Fischbein
Alle zusammen herab, eh er die Liebliche fühlt?
Näher haben wir das! Schon fällt dein wollenes 
Kleidchen,
So wie der Freund es gelöst, faltig zum Boden hinab.
Eilig trägt er das Kind in leichter, linnener Hülle,
Wie es der Amme geziemt, scherzend aufs Lager 
hinan.
Ohne das seidne Gehäng und ohne gestickte 
Matratzen
Stehet es, zweien bequem, frei in dem weiten 
Gemach.
Nehme dann Jupiter mehr von seiner Juno, es lasse
Wohler sich, wenn er es kann, irgendein Sterblicher 
sein:
Uns ergötzen die Freuden des echten, nacketen Amors
Und des geschaukelten Betts lieblicher, knarrender 
Ton.

II

Zwei gefährliche Schlangen, vom Chore der Dichter 
gescholten,
Grausend nennt sie die Welt Jahre die Tausende 
schon:
Python, dich, und dich, Lernäischer Drache! Doch 
seid ihr
Durch die rüstige Hand tätiger Götter gefällt.
Ihr zerstöret nicht mehr mit feurigem Atem und Geifer
Herde, Wiesen und Wald, goldene Saaten nicht mehr.
Doch welch ein feindlicher Gott hat uns im Zorne die 
neue
Ungeheure Geburt giftigen Schlammes gesandt?
Überall schleicht er sich ein, und in den lieblichsten 
Gärtchen
Lauert tückisch der Wurm, packt den Genießenden 
an.
Sei mir, Hesperischer Drache, gegrüßt: du zeigtest 
dich mutig,
Du verteidigtest kühn goldener Äpfel Besitz!
Aber dieser verteidiget nichts - und wo er sich findet
Sind die Gärten, die Frucht keiner Verteidigung wert.
Heimlich krümmet er sich im Busche, besudelt die 
Quellen,
Geifert, wandelt in Gift Amors belebenden Tau.
O wie glücklich warst du, Lukrez! du konntest der 
Liebe
Ganz entsagen und dich jeglichem Körper vertraun.
Selig warst du, Properz! dir holte der Sklave die 
Dirnen
Vom Aventinus herab, aus dem Tarpeischen Hain
Und wenn Cynthia dich aus jenen Umarmungen 
schreckte,
Untreu fand sie dich zwar, aber sie fand dich gesund.
Jetzt wer hütet sich nicht, langweilige Treue zu 
brechen!
Wen die Liebe nicht hält, hält die Besorglichkeit auf.
Und auch da, wer weiß! gewagt ist jegliche Freude,
Nirgend legt man das Haupt ruhig dem Weib in den 
Schoß.
Sicher ist nicht das Ehbett mehr, nicht sicher der 
Ehbruch;
Gatte, Gattin und Freund: eins ist im andern verletzt.
O der goldenen Zeit, da Jupiter noch vom Olympus
Sich zu Semele bald, bald zu Callisto begab!
Ihm lag selber daran, die Schwelle des heiligen 
Tempels
Rein zu finden, den er liebend und mächtig betrat.
O wie hätte Juno getobt, wenn im Streite der Liebe
Gegen sie der Gemahl giftige Waffen gekehrt.
Doch wir sind nicht so ganz, wir alte Heiden, 
verlassen,
Immer schwebet ein Gott über der Erde noch hin,
Eilig und geschäftig, ihr kennt ihn alle, verehrt ihn,
Ihn, den Boten des Zeus, Hermes, den heilenden Gott.
Fielen des Vaters Tempel zu Grund, bezeichnen die 
Säulen
Paarweis kaum noch den Platz alter, verehrender 
Pracht,
Wird des Sohnes Tempel doch stehn, und ewige 
Zeiten
Wechselt der Bittende stets dort mit dem Dankenden 
ab.
Eins nur fleh ich im stillen, an euch, ihr Grazien, 
wend ich
Dieses heiße Gebet tief aus dem Busen herauf:
Schützet immer mein kleines, mein artiges Gärtchen, 
entfernet
Jegliches Übel von mir; reichet mir Amor die Hand,
O so gebet mir stets, sobald ich dem Schelmen 
vertraue,
Ohne Sorgen und Furcht, ohne Gefahr den Genuß.

III

Hier ist mein Garten bestellt, hier wart ich die 
Blumen der Liebe,
Wie sie die Muse gewählt, weislich in Beete verteilt.
Früchtebringenden Zweig, die goldenen Früchte des 
Lebens,
Glücklich pflanzt ich sie an, warte mit Freuden sie 
nun.
Stehe du hier an der Seite, Priap! ich habe von Dieben
Nichts zu befürchten, und frei pflück und genieße, 
wer mag.
Nur bemerke die Heuchler, entnervte, verschämte 
Verbrecher;
Nahet sich einer und blinzt über den zierlichen Raum,
Ekelt an Früchten der reinen Natur, so straf ihn von 
hinten
Mit dem Pfahle, der dir rot von den Hüften entspringt.

IV

Hinten im Winkel des Gartens, da stand ich, der letzte
der Götter,
Roh gebildet, und schlimm hatte die Zeit mich 
verletzt.
Kürbisranken schmiegten sich auf am veralteten 
Stamme,
Und schon krachte das Glied unter den Lasten der 
Frucht.
Dürres Gereisig neben mir an, dem Winter gewidmet,
Den ich hasse, denn er schickt mir die Raben aufs 
Haupt,
Schändlich mich zu besudeln; der Sommer sendet die 
Knechte,
Die, sich entladende, frech zeigen das rohe Gesäß.
Unflat oben und unten! ich mußte fürchten, ein Unflat
Selber zu werden, ein Schwamm, faules, verlorenes 
Holz.
Nun durch deine Bemühung, o redlicher Künstler, 
gewinn ich
Unter Göttern den Platz, der mir und andern gebührt.
Wer hat Jupiters Thron, den schlechterworbnen, 
befestigt?
Farb und Elfenbein, Marmor und Erz und Gedicht.
Gern erblicken mich nun verständige Männer, und 
denken
Mag sich jeder so gern, wie es der Künstler gedacht.
Nicht das Mädchen entsetzt sich vor mir und nicht die
Matrone,
Häßlich bin ich nicht mehr, bin ungeheuer nur stark.
Dafür soll dir denn auch halbfußlang die prächtige 
Rute
Strotzen vom Mittel herauf, wenn es die Liebste 
gebeut,
Soll das Glied nicht ermüden, als bis ihr die Dutzend 
Figuren
Durchgenossen, wie sie künstlich Philänis erfand.

 

zurück zum Anfang

Diese Seite als PDF drucken
Wolfgang Peter, Ketzergasse 261/3, A-2380 Perchtoldsdorf, Austria Tel/Fax: +43-1- 86 59 103 Mobil: 0676 9 414 616 
www.odysseetheater.com             Impressum             Email: wolfgang@odysseetheater.com

Free counter and web stats