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FRIEDRICH SCHILLEREin Leben für die FreiheitIn dem kleinen, am Neckar gelegenen Städtchen Marbach wurde Friedrich Schiller am 10. November 1759 geboren. Die ersten drei Jahre waren für Friedrichs Mutter nicht einfach. Der Vater, Johann Caspar Schiller, nahm damals als Offizier am Siebenjährigen Krieg gegen Preußen teil, und kam immer nur auf wenige Tage nach Hause. Friedrichs Mutter, Elisabeth Dorothea Schiller, geborene Kodweiß, groß, schlank und von sehr blondem, beinahe roten Haar, erzog ihre Kinder - Friedrich war als zweites Kind nach seiner Schwester Christophine geboren worden - mit größter Sorgfalt; die religiöse Bildung achtete sie besonders. Nach dem Krieg zog die Familie nach Lorch, einem malerischen Dorf im Remstal. Hier wuchs der Knabe auf. Äußerlich war er ganz das Ebenbild seiner Mutter. Von ihr hatte er die schlanke Gestalt und die rötlichen Haare, die zarte Haut mit den vielen Sommersprossen und die zwinkernden, empfindlichen Augen. Friedrichs großes, schöngestaltetes Haupt mit dem scharfgeschnittenen Antlitz und der kraftvollen Nasenbildung lassen starke gefühlsdurchdrungene Gedankenkräfte ahnen; die Sommersprossen, das rote Haar und die Neigung zu fieberhaften Erkrankungen unterstreichen das Willensfeuer, den anderen Pol von Schillers Individualität, die sich im Wechselspiel ausgeprägter Gestaltungskräfte und fieberhaft auflösendem, überschäumenden Temperament entfaltete. Trotz seiner schwachen Konstitution war Friedrich ein freundlicher, lebhafter Spielkamerad. Der Vater, in bitterer Armut aufgewachsen und strebsam von Kindheit an, neigte zum Jähzorn; er war gewiß kein gerade umgänglicher Mensch. Mit fünf Jahren kam Friedrich in die Dorfschule, die jedoch sehr nachlässig geführt wurde. Friedrich und seine Geschwister schwänzten gerne die Schule - aber der strenge Vater bestrafte hart. Sechsjährig kam der Knabe zu Pfarrer Moser, der ihm Lateinunterricht erteilte. In ihm sah Friedrich den idealen Menschen, dem er später im Schlußakt der "Räuber" ein Denkmal setzte. Die lutherische Zucht zu Hause war streng, die Schule verlangte viel, und der Vater gab fast täglich zusätzliche Aufgaben - eine Erziehung, die Schiller später als geist- und herzlos empfand. Dennoch erweckte die religiöse Stimmung, in der er aufwuchs, schon bald die Neigung zum geistlichen Beruf. Als Friedrich sieben Jahre alt war, ließ sich der Vater nach Ludwigsburg, der neuen Residenz Herzog Carl Eugens, versetzen. Vermutlich schon mit neun Jahren besuchte Friedrich zum ersten Mal die Oper. Von diesem Erlebnis befeuert, improvisierte er zu Hause mit Geschwistern und Freunden dramatische Szenen, und es wurde mit Pappfiguren Theater gespielt. Friedrich war gerade vierzehn Jahre alt, da zwang der Herzog Carl Eugen die Eltern, ihren Sohn in seine "militärische Pflanzschule" zu geben. Friedrich, der unbedingt Pfarrer werden wollte, fühlte sich dort als Gefangener. Häufige fieberhafte Erkrankungen und der ständige Zwang führten bald zu einem Leistungsrückgang. Mit fünfzehn Jahren mußte Friedrich das Jurastudium beginnen. Kurze Zeit später wurde an der herzoglichen Akademie eine medizinische Fakultät eingerichtet und Schiller zum Medizinstudium befohlen. Eine abrupte Wendung in Schillers Leben tritt ein, als er, sechzehnjährig, Shakespeares Dramen kennenlernt. Zusammen mit Freunden wird alle greifbare Literatur verschlungen. Verzehrende, begeisternde Nächte verbringt er in rauschhaftem Zustand. Der Haß des Achtzehnjährigen gegen den militärischen Zwang entlädt sich in den jetzt begonnenen "Räubern". Das Abschlußexamen besteht Schiller mit Auszeichnung - das Ende des Gefängnisdaseins scheint nahe; doch eine Willkürentscheidung des Herzogs erzwingt, daß der ganze Jahrgang noch ein Jahr weiter studieren muß. Anläßlich der Schlußfeierlichkeiten der Militärakademie begegnet Schiller erstmals Goethe. Goethe erinnert sich später nicht mehr an diese flüchtige Begegnung. Die letzten Zeilen von Schillers Abschlußarbeit werfen bedeutsame Fragen über das Leben und den Tod auf und legen den Gedanken an wiederholte Erdenleben des Menschen nahe: "Die Materie zerfährt in ihre letzten Elemente wieder, die nun in anderen Formen und Verhältnissen durch die Reiche der Natur wandern, ändern Absichten dienen. Die Seele fährt fort, in anderen Kreisen ihre Denkkraft zu üben und das Universum von anderen Seiten zu beschauen. Man kann freilich sagen, daß sie diese Sphäre im geringsten noch nicht erschöpft hat, daß sie solche hätte vollkommener verlassen können, aber weiß man denn, daß diese Sphäre für sie verloren ist? Wir legen itzo manches Buch weg, das wir nicht verstehen. Aber vielleicht verstehen wir es in einigen Jahren besser." Ähnliche Gedanken hatte auch der fünfzigjährige Gotthold Ephraim Lessing im letzten Teil seiner kleinen Schrift "Die Erziehung des Menschengeschlechts" geäußert, die im selben Jahr 1780 erschienen war: "Aber warum könnte jeder einzelne Mensch auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt vorhanden gewesen sein ? ... Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf einmal so viel weg, daß es der Mühe wieder zu kommen etwa nicht lohnet?" Schiller ist nun 21 Jahre alt, seine Gedichte und Dichtungen sind da und dort bekannt, da trifft ihn ein neuer Schlag. Der Herzog schickt ihn als Regimentsmedikus nach Stuttgart, verweigert ihm das Offizierspatent und bindet seinen Ausgang an die Erlaubnis des kommandierenden Generals. Seine ärztliche Praxis betreibt Schiller zwar anfangs mit Eifer, aber mit wenig Erfolg - weil er die Krankheiten mit Gewalt brechen will, verordnet er viel zu hohe Medikamentendosen. Sein unbändiger Freiheitsdrang befeuert ihn zu neuem dichterischen Schaffen, das sein Ansehen in der Stadt nicht gerade fördert. Schiller ist 22 Jahre alt, als seine "Räuber" in Mannheim von Intendant Dalberg mit triumphalem Erfolg uraufgeführt werden. Eine schöpferische Zeit beginnt. Die "Anthologie", in der sich auch die "Oden an Laura" finden, kommt heraus. Der "Fiesko" wird begonnen. Schiller hofft nun von Dalberg als Theaterdichter angestellt zu werden. Doch da wird er vor den Herzog geladen und mit dem Bescheid: "Ich sage, bei Strafe der Cassation schreibt er keine Komödien mehr", entlassen. So bleibt Schiller nur die Flucht nach Mannheim. Dort endet jedoch sein Vortrag des soeben fertiggestellten "Fiesko" mit einem Fiasko. Schillers schwäbischer Dialekt und seine pathetische Diktion stoßen die Theaterleute ab und verdecken den tieferen Gehalt des Stücks. Enttäuscht, aber seiner Fähigkeiten bewußt, arbeitet Schiller unermüdlich weiter. In Bauerbach findet er durch Frau von Wolzogen eine Bleibe. Dort lebt er, aus Angst vor der Verfolgung durch den Herzog, unter dem Pseudonym Dr. Ritter. Rastlos arbeitet er hier an "Kabale und Liebe". "Don Carlos" und "Maria Stuart" werden skizziert. Schiller ist 24 Jahre alt, als er einen einjährigen Vertrag mit dem Mannheimer Theater abschließt. Drei Dramen muß er abliefern; doch kaum begonnen, erkrankte Schiller am "kalten Fieber", einer malariaartigen Seuche, die damals Mannheim heimsuchte. Trotz Fieber und Schwäche arbeitete Schiller unermüdlich weiter. Der "Fiesko" wurde allerdings ohne großem Erfolg uraufgeführt. Die Premiere von "Kabale und Liebe" gestaltete sich zu einem großen Ereignis. Allein, das half ihm in seinen finanziellen Nöten wenig. Schiller, der mit Geld nicht umzugehen verstand, hatte Schulden aus Stuttgart, Schulden in Bauerbach und jetzt auch schon Schulden in Mannheim, und die Gläubiger bedrängten ihn hart. Dazu kamen die schlechten Arbeitsbedingungen und Intrigen am Theater. Die Schauspieler hielten es lieber mit ihrem Kollegen, dem großen Schauspieler August Wilhelm Iffland, der ihnen in seinen damals äußerst beliebten rührseligen Familienstücken bequeme und dankbare Rollen schenkte. Zur selben Zeit gab ihm Intendant Dalberg den demütigenden Rat, er solle lieber seinen Arztberuf ausüben, als sich weiterhin als Dichter zu versuchen. Mit dem Vortrag "Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet" trat Schiller stolz das Erbe Lessings an. Schiller wollte zeigen, "was eine gute stehende Schaubühne wirken kann", nämlich "den Menschen mit dem Menschen bekanntzumachen und das geheime Räderwerk aufzudecken, nach welchem er handelt". Bald darauf wurde Schiller auf die Straße gesetzt. Er blieb dennoch in Mannheim und arbeitete am "Don Carlos". Seine ganze Hoffnung setzte er auf eine Zeitschrift, die er die "Rheinische Thalia" nannte. In einer Programmschrift wandte er sich an die deutsche Öffentlichkeit: "Ich schreibe als Weltbürger, der keinem Fürsten dient. Frühe verlor ich mein Vaterland, um es gegen die große Welt auszutauschen . . . Das Publikum ist mir jetzt alles, mein Studium, mein Souverän, mein Vertrauter. Ihm allein gehöre ich jetzt an. Vor diesem und keinem anderen Tribunal werde ich mich stellen. Dieses fürchte und verehre ich. Etwas Großes wandelt mich an bei der Vorstellung, keine andere Fessel zu tragen als den Anspruch der Welt - an keinen anderen Thron mehr zu appellieren, als an die menschliche Seele." Tief durchlebte seelische Not, aber auch ein unbeugsamer Wille sprechen aus diesen Zeilen des jetzt fünfundzwanzigjährigen Schiller. Schiller erinnert sich nun an ein Freundschaftsangebot aus Leipzig. Der Konsitorialrat Christian Gottfried Körner, der Lektor Ludwig Ferdinand Huber und zwei Schwestern, ihre Verlobten, hatten dem jungen Dichter einen langen Brief mit Worten der dankbarsten Verehrung geschrieben, begleitet von Geschenken und ihren Bildnissen. Körner schickte Schiller sofort das angeforderte Reisegeld. In Leipzig fühlte sich Schiller nun zum erstenmal innerlich frei. Die Begegnung mit Körner und Huber und deren Freunden füllten ihn aus, heitere Feste wurden gefeiert und viele Ausflüge in die nähere und fernere Umgebung unternommen. So beflügelt bricht eine neue Schaffensperiode für den sechsundzwanzigjährigen Schiller an. Das Gedicht "An die Freude" entsteht, "Don Carlos" wird weiter entwickelt, mehrere Hefte der "Rheinischen Thalia" kommen heraus, und die "Philosophischen Briefe", ein Briefwechsel zwischen Schiller und Körner, erscheinen. Körner, einige Jahre älter, gewandt, welterfahren und gebildet, wurde Schiller zum freundschaftlichen Helfer, Kritiker und Rater. Ein Jahr lang genoß Schiller das muntere, abwechslungsreiche Leben, bis wieder mehr und mehr schmerzliche Töne anklingen: "Ich fühle es schmerzlich, daß ich noch so erstaunlich viel lernen muß, säen muß, um zu ernten." An Huber schrieb er: "Mein Herz ist zusammengezogen, und die Lichter meiner Phantasie sind ausgelöscht. Sonderbar, fast jedes Erwachen und jedes Niederlegen nähert mich einer Revolution ... - Die Natur bereitete eine Zerstörung, um neu zu gebären." Ein anderes Ereignis beschleunigte noch den Umbruch. Henriette von Arnim, ein neunzehnjähriges, auffallend schönes Mädchen, begegnete ihm. Schiller stand in Flammen, wie schon so manches Mal. Er überhäufte Henriette mit teuren Geschenken, der Schuldenberg wuchs bedenklich. Ein neuer Schiller wurde zu dieser zeit geboren. Schiller plante zunächst eine Reise nach Hamburg. Doch das erste Reiseziel, Weimar, wird ihm zum Schicksal. Der bereich um Weimar und Jena wird sein Wirkungsbereich für den Rest seines Lebens. Man schreibt das Jahr 1787. Schiller ist nun fast 28. In Weimar trifft er Charlotte von Kalb wieder, die er bereits in Mannheim kennengelernt hatte. Sie führt ihn in die Weimarer Gesellschaft ein. Wieland, Herder und Goethe waren damals die drei Gestirne, die von Weimar aus kulturbildend wirkten. Wieland nahm Schiller warmherzig auf und verfaßte eine freundliche Besprechung des "Don Carlos", der inzwischen in Weimar erschienen war. Auch Herder empfing Schiller freundlich, war jedoch mit dessen Werk nicht bekannt. Goethe, der Jüngste dieses Dreigestirns, weilte gerade in Italien und wurde von Schiller ungeduldig erwartet. Ein großer Umbruch kündigte sich zu Beginn des fünften Lebensjahrsiebents an. Schiller wandte sich der Begründung seines Lebenswerkes im neuen Umkreis zu; dennoch brach er die Verbindung zu Körner nicht ab. Jetzt wurden auch die Fäden der Lebensverbindung mit Charlotte von Lengefeld gesponnen. Bei Lengefelds fand auch die erste Begegnung mit dem aus Italien zurückgekehrten Goethe statt. Doch seine hohen Erwartungen wurden enttäuscht: "Sein erster Anblick stimmte die hohe Meinung ziemlich tief herunter, die man mir von dieser anziehenden und schönen Figur beigebracht hatte... Im ganzen ist meine in der Tat große Idee von ihm nach dieser persönlichen Bekanntschaft nicht vermindert worden; aber ich zweifle, ob wir einander je sehr nahe rücken werden ..." Später brachte Goethe seine damaligen Gefühle zum Ausdruck: "Schiller ist mir verhaßt." So schwankte in den nächsten Jahren das Verhältnis von Schiller und Goethe zwischen Liebe und Haß. Zu dieser Zeit schloß Schiller seine Jugenddramen ab und wandte sich dem Studium der Geschichte zu. Goethe verschaffte ihm eine außerplanmäßige Professur für Geschichte an der Universität in Jena, die allerdings ohne Besoldung und nicht zuletzt mit Unkosten verbunden war. "Die Professur soll der Teufel holen", sagte Schiller, nahm aber an, "um für meinen Geist allenfalls in der Folge eine lichte Zukunft dadurch zu gewinnen". Die erste Vorlesung über "Die Definition des Begriffes der Universalgeschichte" machte großen Eindruck und war so gut besucht, daß ein Umzug zum größten Saal Jenas stattfinden mußte. Auch kleine Ereignisse sind groß: Schiller besaß zum ersten mal einen Schreibtisch! Er war jetzt 30 Jahre alt, heiratete Charlotte von Lengefeld, wurde zum Hofrat mit 200 Talern jährlich ernannt und konnte nun mit Hilfe der Schwiegermutter finanziell einigermaßen auskommen. Die Jugendzeit war abgeschlossen, das Gedicht "Die Künstler", ließ, wie auch Schiller selbst bemerkte, schon die Auseinandersetzung mit Goethe ahnen und enthält den Keim, der sich später in den "Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen" weiter entfalten sollte:
Da traf ihn zu Beginn seines 32. Lebensjahres eine schwere rechtsseitige Lungen- und Rippenfellentzündung, wahrscheinlich mit Abszeßbildung, deren akutes Stadium sich über vier Wochen hinzog. Das Gerücht von Schillers Tod verbreitete sich, aber dieser begann schon nach vierzehn Tagen, obgleich noch sehr geschwächt, wieder zu arbeiten. Der Rippenfellabszeß war vermutlich durch das Zwerchfell in die Bauchhöhle eingebrochen und führte zu einer chronischen Bauchfellentzündung. Seither litt Schiller immer wieder an heftigen Krampfen und andauernden Spannungen in der Brust. Die langwährende Erkrankung brachte wirtschaftliche Not. Schiller war sich auch bewußt, daß ihn von nun an der Schatten des Todes begleiten würde. Das peitschte ihn zu noch größerem Arbeitstempo. Er wollte seine Mission erfüllen; zugleich mußte er seine Familie erhalten. Da kam unerwartete Hilfe: Von drei dänischen Persönlichkeiten wurde ihm durch Vermittlung des dänischen Dichters Jens Immanuel Baggesen für die Dauer von drei Jahren ein jährliches Geschenk von 1000 Talern zur Erhaltung seiner Gesundheit angeboten: "Nehmen Sie dieses Anerbieten an, edler Mann! Der Anblick unserer Titel bewege Sie nicht, es abzulehnen ... Wir kennen keinen Stolz als nur den, Menschen zu sein." Schiller nahm freudig und dankbar an: "Rein und edel, wie Sie geben, glaube ich, empfangen zu können ... Nicht an Sie, sondern an die Menschheit habe ich eine Schuld abzutragen." Das Thema "Wallenstein" taucht nun zum ersten Mal auf. Doch zunächst greift Schiller den schon Jahre zurückliegenden Vorschlag Körners auf, und beginnt Kants "Kritik der reinen Vernunft" zu studieren, das Werk, von dem er vor seiner Krankheit noch gefürchtet hatte, daß es zu schwer für ihn sei. Die historischen Studien hatte Schiller im wesentlichen abgeschlossen, von der Professur war er beurlaubt. Die Schriften "Über Anmut und Würde", "Über das Pathetische" und "Über das Erhabene" entstanden. Eine Periode philosophischer Vertiefung begann, die schließlich 1795 in dem Werk fruchtbar wurden, das Rudolf Steiner als "eigentlich das Größte, was Schiller geleistet hat" bezeichnete: die "Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen". Die Kernaussage dieser Briefe gipfeln in folgenden zentralen Sätzen: "In einem wahrhaft schönen Kunstwerk soll der Inhalt nichts, die Form aber alles tun ... Darin also besteht das eigentliche Kunstgeheimnis des Meisters, daß er den Stoff durch die Form vertilgt; und je imposanter, anmaßender, verführerischer der Stoff an sich selbst ist, je eigenmächtiger derselbe mit seiner Wirkung sich vordrängt, oder je mehr der Betrachter geneigt ist, sich unmittelbar mit dem Stoff einzulassen, desto triumphierender ist die Kunst, welche jenen zurückzwingt und über diesen die Herrschaft behauptet ." Rudolf Steiner, der neben vielem anderen auch, gemeinsam mit seiner Gattin Marie Steiner - von Sivers, die Sprachkunst auf zeitgemäße Art erneuert hat, erläutert das so: "Was heißt das? Das heißt, man kann etwas aussprechen; man spricht da aus einem Gefühl, aus einer Empfindung heraus. Das ist das eine. Man kann aber nun eine Form finden, durch die der ursprüngliche Stoff, Empfindung, Gefühl, wie sie sich prosaisch ausdrücken, gar nicht mehr wirken, in der aber durch die Formung, durch das Bild, durch den Rhythmus dasselbe bewirkt wird wie ursprünglich durch den Stoff. Dann ist durch die Formung, durch die Gestaltung der Stoff überwunden." Erst wo der Mensch die zwei polaren Grundkräfte, den der Naturkausalität unterworfenen, sinnlichen Stofftrieb einerseits, und den der zwingenden Vernunft gehorchenden Formtrieb andererseits, in einem Punkt vereinigen und neutralisieren kann, erst dort wird er sich seiner Freiheit bewußt und erhebt sich im freien Spiel zur Produktion des Kunstwerks: "Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Nur auf das freie Individuum läßt sich aber auch eine wahrhaft moralische Gesinnung gründen. Wenn Kant von der Pflicht sagt: "Pflicht! du erhabener, großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst", der du "ein Gesetz aufstellst ..., vor dem alle Neigungen verstummen, wenn sie gleich im Geheim ihm entgegenwirken", so muß ihm Schiller spöttisch seine "Gewissensskrupel" entgegenhalten: "Gerne dien ich den Freunden, doch tu' ich es leider mit Neigung, Und so wurmt es mir oft, daß ich nicht tugendhaft bin." Ähnlich empfand Goethe und hat das in seinen "Sprüchen in Prosa" so formuliert: "Pflicht, wo man liebt, was man sich selbst befiehlt." Schillers stetes Eintreten für die Freiheit, das sich in seinen Philosophisch-Ästhetischen Studien niederschlug, wird überraschend honoriert. Wegen Verdiensten für die Revolution wird Schiller zum französischen Ehrenbürger ernannt. Doch entsetzt von den blutigen Verfolgungen, erkennt Schiller, daß der französische Freiheitsimpuls versagt hat. Das Jugendideal der physischen Freiheit schlägt nun, angeregt durch sein Kant-Studium, in das der ideellen, der geistigen Freiheit um. Endlich, elf Jahre nach der Flucht, sucht Schiller zum ersten - und auch zum letzten Mal - das geliebte Württemberg auf. Er freut sich über die Begegnung mit den Eltern und Geschwistern. Charlotte gebar das erste Kind, den Sohn Karl, und Herzog Carl Eugen, der verlauten ließ, daß er ihn ignorieren wolle, starb während Schillers Aufenthalt. Neun Monate weilte Schiller in der Heimat, aber mehr und mehr vermißte er die geistige Anregung seiner Wahlheimat. Schiller lernte Hölderlin kennen, und kam in Beziehung zu dem Verleger Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Die erste Fassung seiner "Ästhetischen Briefe" wurde von Kant anerkennend aufgenommen. Mit Cotta hatte Schiller auch die Idee der literarischen Monatsschrift "Die Horen" besprochen, für die er die Großen seiner Zeit zur Mitarbeit bewegen wollte. Mit etwas gefestigter Gesundheit und neuer Schaffensfreude kehrte Schiller nach Thüringen zurück. Fichte und Humboldt wurden für die "Horen" gewonnen. "Ich werde mit Freude und von ganzem Herzen von der Gesellschaft sein", schrieb Goethe. Am 20. Juli 1794 ereignete sich jene Schicksalsbegegnung, die die endgültige Freundschaft und Zusammenarbeit von Goethe und Schiller ermöglichte. Sie hatten gerade eine Sitzung der Naturforschenden Gesellschaft in Jena verlassen und waren ins Gespräch gekommen. Schiller war wenig befriedigt von der dort gepflegten abstrakten Naturanschauung. Da entwickelte ihm Goethe die Vorstellung einer plastisch-ideellen Form, die sich dem Geiste offenbart, wenn er die Mannigfaltigkeit der Pflanzengestalten überschaut und das Gemeinsame der sich ständig metamorphosierenden Formen erlebend verstehen lernt. Nicht willkürlicher Spekulation, sonder unbefangener Beobachtung glaubte er diese "Urpflanze" zu verdanken. "Das ist keine Erfahrung, das ist eine Idee", urteilte Schiller. "Das kann mir lieb sein, daß ich Ideen habe, ohne es zu wissen, und diese sogar mit Augen sehe", antwortete Goethe. Goethe anerkannte nur eine Quelle der Erkenntnis, die Erfahrungswelt, in der die objektive Ideenwelt mit eingeschlossen ist. Anders dachte Schiller. Ideenwelt und Erfahrungswelt empfand er als zwei getrennte Reiche. Trotz dieser konträren Weltanschauungen gelang es Schiller und Goethe, die jahrelang gepflegten Vorurteile zu überwinden. Goethe urteilte später: "Ich kann den Menschen nicht vergessen! Alle acht Tage war er ein Anderer und Vollendeterer; jedes Mal, wenn ich ihn wiedersah, erschien er mir fortgeschritten in Belesenheit, Gelehrsamkeit und Urteil." Er beschwor Schiller, zur dramatischen Arbeit zurückzukehren. Schiller überreichte Goethe die Neufassung seiner "Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen" mit folgender Anmerkung: "Sie werden in diesen Briefen Ihr Portrait finden, worunter ich gerne Ihren Namen geschrieben hätte, wenn ich es nicht haßte, dem Gefühl denkender Leser vorzugreifen." Die Zusammenarbeit mit Goethe wurde enger; fast täglich trafen sie einander und feuerten sich gegenseitig an. Endlich, nach sieben Jahren, war Schiller zur Dichtung zurückgekehrt. Allen körperlichen Beschwerden zum Trotz, arbeitete er unermüdlich und mußte oft mit wenigen Stunden Schlaf auskommen. Die reichen Früchte, die Schiller in den verbleibenden zehn Lebensjahren erwuchsen, waren dem siechen Körper mit äußerster Willensanstrengung abgerungen. In dem Gedicht "Das Ideal und das Leben" gelang es ihm schließlich, seine ästhetischen Erkenntnisse in die Poesie der Sprache zu verwandeln:
Durch die Arbeit an den "Horen" entwickelte sich eine enge Freundschaft mit dem acht Jahre jüngeren Wilhelm von Humboldt. Humboldt charakterisierte den Freund so: "Was jedem Beobachter an Schiller am meisten auffallen mußte, war, daß in einem höheren und prägnanteren Sinn als vielleicht je bei einem Anderen der Gedanke das Element seines Lebens war ... Dies zeigte sich am meisten im Gespräch, für das Schiller ganz eigentlich geboren schien ... Er behandelte den Gedanken immer als ein gemeinschaftlich zu gewinnendes Resultat, schien immer des Mitredenden zu bedürfen ... und daher war sein Gespräch so reich an Worten, die das Gepräge glücklicher Geburten des Augenblicks an sich tragen." Humboldts Lebenswerk wurde von Goethe und von Schiller gleichermaßen befruchtet. In seinem Hauptwerk "Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts" legte er dar, daß Worte nicht bloß Schälle und Zeichen sind, die uns auf fertig "gegebene" Gegenstande verweisen. Vielmehr drückt sich in der Verschiedenheit der Sprachen, die aus den einzelnen Volkstümern erwachsen, eine Verschiedenheit der Weltansichten selbst aus. In den Worten lebt jene formende Tätigkeit, die aus dem bewegten Stoff der sinnlichen, seelischen und geistigen Erscheinungen einige, ihrem innersten Wesen nach verwandte Eindrucke herausgreift, und so das betäubende Chaos vorüberflutender Impressionen in den Kosmos einer geordneten, be-greifbaren Welt verwandelt. So wird ihm die Sprache zum "bildenden Organ des Gedankens", zur "sich ewig wiederholenden Arbeit des Geistes, den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedankens fähig zu machen." Dieser Prozeß ist heute allerdings soweit gediehen, daß wir im Hören nur mehr zur Gedanken- und Ideenempfindung kommen, während wir die Wort- und Lautempfindung als solche verloren haben. Mit der alleinigen Ideenempfindung geht aber auch die sinnlich-wahrnehmbare Geistigkeit der Sprache, der Laute und Rhythmen verloren, die das Wesen aller Dichtkunst ist. Was bleibt, ist dann oft nur ein dürres intellektuelles Gerüst, dem die kraftvolle künstlerische Form mangelt, das nur mehr den nüchternen Verstand, aber nicht mehr die reiche Welt des Gefühls ansprechen kann. Der Dichter wird zum Literaten, zum Intellektuellen - und dieser wird heute immer stärker favorisiert. Jean-Paul Sartre hat das sehr treffend so ausgesprochen: Dichter sind Leute, die sich weigern,
die Sprache zu benutzen... Schiller war siebenunddreißig Jahre alt, als aus der Zusammenarbeit mit Goethe die Idee der "Xenien" entstand, die er Humboldt so charakterisierte: "Goethe und ich werden uns darin absichtlich so ineinander verschränken, daß uns nie ganz jemand auseinanderscheiden und absondern soll. Eine angenehme und zum Teil genialische Impudenz und Gottlosigkeit, eine nichtsverschonende Satyre ... wird der Charakter davon sein. Bei aller ungeheuren Verschiedenheit zwischen Goethe und mir, wird es selbst Ihnen öfters schwer und manchmal gewiß unmöglich sein, unseren Anteil an dem Werke zu sortieren..." In das öfter unterbrochene Ringen um den "Wallenstein" schob sich 1797 das Balladenjahr hinein. "Das Geheimnis", "Der Taucher", "Der Handschuh", "Der Ring des Polykrates", "Die Kraniche des Ibykus", "Der Gang nach dem Eisenhammer" - um nur einige zu nennen - entringen sich der Seele des achtunddreißigjährigen Schiller. An ihnen reifte jene Gestaltungskraft, die ihn das erste Drama nach der Lebensmitte schaffen ließ. Goethe war an diesem Ringen um den "Wallenstein" unmittelbar beteiligt. Hundert Briefe über dieses Thema wurden gewechselt, bis es Schiller schließlich in einem ungeheuer verflochtenen Ineinanderspiel menschlicher Schicksale gelang, die Idee von der Freiheit des Menschen mit der überwältigenden Wirkung des Schicksals so zu verschränken, daß die Gesetze des Himmels und die Gesetze der Erde in ihrem innigen Verwobensein aufleuchten. "Wallenstein hat zuletzt alle Stimmen vereinigt, indem er aus den vorbereitenden Kelchblättern wie eine Wunderblume unversehens hervorstieg und alle Erwartungen übertraf", so schrieb Goethe an Humboldt. Der vierzigjährige Schiller konnte nun endlich mit seiner Familie das mit Schulden gekaufte eigene Haus in Weimar beziehen. Kurz zuvor gebar Charlotte das dritte Kind; sie erkrankte dabei an einer schweren Kindbettpsychose. Tagelang wurde sie von Halluzinationen, Tobsuchtsanfällen und Delierien geschüttelt. Nächtelang wachte Schiller an ihrem Bett, bis sie sich schließlich erholte, und die Familie in das geliebte Weimar übersiedeln konnte. Gemeinsam mit Goethe wollte Schiller das neue deutsche Theater begründen. Ein neuer Bühnenstil sollte das gültige französische Vorbild mit seinen strengen Regeln ablösen. Neben entsprechenden Theaterstücken mußte auch ein neuer Schauspielstil entwickelt werden. Viele Stunden täglich verbrachten Schiller und Goethe im Theater. Schiller konnte durch seine Begeisterung und Phantasie die Schauspieler immer wieder hinreißen - wenngleich sein schwäbischer Dialekt oft mit leiser Ironie bespöttelt wurde, etwa wenn Schiller zornig herausplatzte: "Ei was! Mache Sie's wie ich's Ihne sag und wie's dr Goethe habbe will. Und er hat recht - es ischt ä Graus, das ewige Vagiere mit dene Hand und des Hinaufpfeife bei der Rezitation!" Kaum war der "Wallenstein" fertig, begann Schiller mit dem Quellenstudium für "Maria Stuart" . Mit der "Stuart" gelang es ihm, ein Stildrama zu schaffen, daß ganz den Intentionen entspricht, die er in seinen "Ästhetischen Briefen" niedergelegt hatte. Rudolf Steiner bemerkt dazu: "Gerade in der <Maria Stuart> ist von ihm etwas versucht, was ich etwa zum Unterschiede von dem Stil in der <Braut von Messina> Stimmungsstil nennen möchte. Das ist eigentlich ganz besonders auffällig bei der <Maria Stuart>, daß wir aufeinanderfolgende Stimmungen haben. Stimmungen, herbeigeführt durch die Charaktere allerdings, durch das Teilnehmenlassen solch antagonistischer Charaktere, wie die der Maria und der Elisabeth und so weiter; aber das Drama läuft im Grunde in Stimmungen ab, und sogar die Charaktere leben sich in Stimmungen aus ... Diesem Herankommen an die <Maria Stuart> geht ein bewußtes Hinstreben zur künstlerischen Dramatik voran ... Dazu sucht er seinen Stoff. Er sucht gewissermaßen den künstlerischen Stil und sucht dazu seine Stoffe. Der Stoff der <Maria> ist nicht dasjenige, wovon Schiller ausgegangen ist; er hat ihn gesucht, um ein in Stimmungen stilisiertes Drama kunstgerecht schaffen zu können." "Maria Stuart" wurde ein großer Erfolg. Schiller schrieb damals: "Ich habe zu Maria Stuart nach Abrechnung der Zeit, wo ich nicht daran arbeitete, 7 1/2 Monate gebraucht; ich kann also hoffen, bei zunehmender Übung und größerer Sicherheit in der Ausführung in einem halben Jahr ein Stück fertigzubringen. So hoffe ich, das Versäumte hereinzubringen und, wenn ich das 50. Jahr erreichen kann, noch unter den fruchtbaren Theaterschriftstellern einen Platz zu verdienen." Ein fieberhafter Schaffensdrang hatte Schiller ergriffen. Schon hatten die intensiven Arbeiten an der "Jungfrau von Orleans" begonnen - und in noch kürzerer Zeit zu Ende gebracht. Eine neuerliche Krankheit erzwingt eine eineinhalbjährige Pause. Schiller bekommt die Cholera, an der auch die Frau und die Kinder erkranken. Endlich konnte Schiller die "Braut von Messina" beginnen. Er griff dabei auf die strenge Form der antiken Tragödie zurück und verwandte - für die damalige Zeit ungewöhnlich - das musikalische Element des Chores. Schiller muß wohl gefühlt haben, daß sich seine Lebenskräfte immer mehr aufzehrten, und ihm nicht mehr viel Zeit gegeben war, seine Lebensaufgabe zu verwirklichen. So griff er rasch nach dem nächsten Thema, "Wilhelm Tell", einem volkstümlichen Freiheitsstück - ein Stoff, den er schon vierzehn Jahre in sich trug und mit dem sich auch Goethe beschäftigt hatte. Goethe schildert Schillers Arbeitsweise so: "Schiller stellte sich die Aufgabe, den Teil zu schreiben. Er fing damit an, alle Wände seines Zimmers mit so viel Spezialkarten der Schweiz zu bekleben, als er auftreiben konnte. Nun las er Schweizer Reisebeschreibungen, bis er mit Weg und Stegen des Schauplatzes des Schweizer Aufstandes aufs genaueste bekannt war. Dabei studierte er die Geschichte der Schweiz; und nachdem er alles Material zusammengebracht hatte, setzte er sich über die Arbeit, und buchstäblich genommen, stand er nicht eher vom Platze auf, bis der Teil fertig war. Überfiel ihn die Müdigkeit, so legte er den Kopf auf den Arm und schlief. Sobald er wieder erwachte, ließ er sich nicht, wie ihm fälschlich nachgesagt worden, Champagner, sondern starken Kaffee bringen, um sich munter zu halten. So wurde der Teil in 6 Wochen fertig; er ist aber auch wie aus einem Guß!" Der "Tell" brachte Schiller den größten Erfolg seines Lebens. Des Lobes voll waren selbst seine schärfsten Kritiker, die Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel, die als Frühromantiker dem, in der klassischen Antike wurzelnden, pietistisch-apollinischen Schönheitsideal der Weimarer Klassik von Ruhe, Ebenmaß und sittlicher Ordnung, das dynamisch-dionysische, geniale Individuum, das freie schöpferische "Ich" Fichtes entgegenstellten, das seine Identität im gefühlsbetonten, von der Sehnsucht nach Vereinigung mit dem Unendlichen getragenen Naturerlebnis fand, in dem sich die Grenzen zwischen Traum, Phantasie und Wirklichkeit verwischten, und das seine geistige Heimat vorallem im Ritterideal des katholischen Mittelalters suchte. Schiller selbst bemerkte zu seinem "Wilhelm Tell": "Ich fühle, daß ich nach und nach des Theatralischen mächtig werde ." Noch während der Proben zum "Tell" schrieb Schiller in seinen Kalender: "Mich zum Demetrius entschlossen." In dem russischen Demetrius mit seiner "groß und reichhaltig" geplanten Handlung sollte der Mensch im höchsten Ringen um die Identität seines Selbstes im Konflikt zwischen innerer und äußerer Legitimität dargestellt werden. Auf Schillers Dramenliste, die er seit Jahren führte, und die die Fülle und Buntheit seiner Pläne und Entwürfe widerspiegelt, stand dieses Drama noch unter dem Titel "Bluthochzeit in Moskau". Der endgültige Titel war "Demetrius"; doch Schiller war es nicht mehr vergönnt, sein letztes Werk zu vollenden. Überblickt man den ganzen Reichtum von Schillers dramatischem Schaffen, so wird deutlich, daß sich sein Denken nicht in nationalen Bahnen erschöpfte, sondern die Völker Europas überspannte. "Don Carlos" für Spanien, die "Jungfrau von Orleans" für Frankreich, "Wallensteins Trilogie" für Mitteleuropa, "Maria Stuart" für England, "Die Braut von Messina" für Italien, "Wilhelm Tell" für die Schweiz, und der unvollendet gebliebene "Demetrius" für Rußland - Volksgeister werden angesprochen und in ihrer Eigenart charakterisiert, aber in jedem dieser Dramen lebt auch etwas, was sie über das Nationale hinaushebt zum freien Menschentum, jenseits aller Klassen, Rassen und Kasten. In diesem letzten Lebensjahr entstanden Schwierigkeiten im Verhältnis zu Goethe, die in dem gegensätzlichen Charakter der beiden begründet lagen. Der immer auf ein Ziel gespannte Schiller konnte über Goethes lässige Art, über sein "Hinschlendern" recht ärgerlich werden: "Goethe ist jetzt ordentlich zu einem Mönch geworden und lebt in einer bloßen Beschaulichkeit, die zwar keine abgezogene ist, aber doch nicht nach Außen produktiv wirkt ... Wenn Goethe noch einen Glauben an die Möglichkeit von etwas Gutem und eine Konsequenz in seinem Tun hätte, so könnte hier in Weimar noch manches realisiert werden, in der Kunst überhaupt und besonders im Dramatischen ... Allein kann ich nichts machen, oft treibt es mich, mich in der Welt nach einem andern Wohnort und Wirkungskreis umzusehen; wenn es nur irgendwo leidlich wäre, ich ginge fort." Dazu kamen wieder wirtschaftliche Sorgen; Schiller hatte immer noch nur eine Jahrespension von 400 Talern, und trotz gestiegener Einnahmen aus seinem literarischen Werk war auch sein Haus noch nicht schuldenfrei. Außerdem gab es Spannungen mit dem Herzog Karl August; dieser war ihm zwar persönlich zugetan und hatte ihn schon im Herbst 1802 durch den Kaiser in den erblichen Adelsstand erheben lassen - was sich Schiller nicht ohne Schmunzeln gefallen ließ - , aber er mischte sich auch ständig in die Aufführung seiner Stücke. Schon an der "Maria Stuart" soll der Herzog Anstoß genommen haben. Schwierigkeiten gab es auch mit der "Jungfrau von Orleans" . Der Herzog fürchtete unliebsame Kommentare, wenn die für die Titelrolle vorgesehene Karoline Jagemann, die er als "Gesellschafterin seiner Unterhaltungsstunden" zu bezeichnen liebte, als gepanzerte Jungfrau auf der Bühne erschiene, und erst anderthalb Jahre später, als sich eine weniger stadtbekannte Schauspielerin für die Rolle fand, gab er die Erlaubnis für die Aufführung. Um diese Zeit erwartete Charlotte ihr viertes Kind. Aus Schillers Notizen spricht deutlich die Sorge, was aus seiner Frau und den Kindern nach seinem Tode werden solle. Da entschließt er sich "Knall und Fall" von Leipzig, wo er geschäftlich zu tun hatte, mit seiner Frau und den beiden Knaben nach Berlin zu reisen. Er folgte damit einer Einladung seines ehemaligen Widersachers Iffland, der schon seit einigen Jahren versuchte, Schiller nach Berlin zu locken. So wurde Schiller im Mai 1804 ein triumphaler Empfang bereitet. Verlockende Arbeitsbedingungen sowie großzügige finanzielle Angebote des Königshauses ließen ihn an eine Veränderung denken. Als Schiller nach zwei Wochen wieder in Weimar war, kamen ihm jedoch Bedenken, alte Verhältnisse zu zerreißen: "In neue mich zu begeben" , schrieb er an Körner, "schreckt mich Bequemlichkeit. Hier in Weimar bin ich freilich absolut frei und im eigentlichen Sinn zu Hause." Dazu kam Lolos - Charlottes - Unlust umzuziehen und sein angegriffener Gesundheitszustand. Obwohl direkte Zeugnisse fehlen, ist mit Sicherheit anzunehmen, daß sein Verhältnis zu Goethe, das wieder die herzlichsten Formen angenommen hatte, ihn schließlich bewog, in Weimar zu bleiben. Goethe konnte erreichen, daß er vom Herzog eine Verdopplung seiner Pension erhielt, nebst der Zusicherung, die Bezüge im Laufe der Jahre zu erhöhen, verbunden mit der Erlaubnis, einen Teil des Jahres in Berlin zu verbringen. Dazu kam es nicht mehr. Am Ende dieses vierundvierzigsten Lebensjahres befielen ihn wochenlang heftigste, kolikartige Krämpfe, die so heftig waren, daß der sonst so geduldige Kranke schrie: "Ich halte es nicht mehr aus, wenn es nur schon aus wäre. "Man vermutet heute, daß die Bauchfellentzündung, die Schiller schon seit Jahren quälte, damals in eine unheilbare Darmverschlingung übergegangen sei. Von jetzt an lebte Schiller nur noch kraft seines Geistes. Der letzte Frühling begann mit Hoffnungen - "Jetzt mit eintretendem Frühjahr kommt die Heiterkeit und der Lebensmut zurück" -, aber auch mit Sorgen um Goethe, der gleichfalls krank war. Trotz seiner Schwäche war Schiller bis in die letzten Apriltage tätig, insbesondere am "Demetrius". Am 29. April 1805 besuchte er zum letzten Mal das Theater in Weimar. Während der Aufführung befiel ihn heftiges Fieber.
In den ersten Maitagen empfing er noch Freunde. Sein "Demetrius" ging ihm ununterbrochen im Kopfe herum. "Gebt mir Märchen und Rittergeschichten, da liegt doch der Stoff zu allem Schönen und Großen", sagte er. Sein Kopf sei bis zum 6. Mai ganz frei gewesen, berichtet seine Schwägerin Caroline von Beulwitz. Als sie am Abend des 8. Mai an sein Bett trat und ihn fragte, wie es ihm gehe, antwortete er: "Immer besser, immer heiterer". Er habe noch viel gesprochen, meist vom "Demetrius", aus dem er Szenen rezitierte, berichtet sein treuer Diener. Immer wieder verließ ihn nun das Bewußtsein. Von Fieberphantasien geschüttelt, tat er einmal den seltsamen Ausruf: "Ist das euer Himmel, ist das eure Hölle?" und "Du, von oben herab, bewahr mich vor langem Leiden". "Der Ewige erhörte seine Bitte. Am Neunten früh trat Besinnungslosigkeit ein; er sprach nur unzusammenhängende Worte, meistens Latein", berichtet uns seine Schwägerin Caroline. "Gegen drei trat vollkommene Schwäche ein; der Atem fing an zu stocken. Meine Schwester kniete an seinem Bette, sie sagte, daß er ihr noch die hand gedrückt. Ich stand mit dem Arzte am Fuß des Lagers und legte gewärmte Kissen auf seine erkaltenden Füße. Es fuhr wie ein elektrischer Schlag über seine Züge, dann sank sein Haupt zurück, und die vollkommenste Ruhe verklärte sein Antlitz; seine Züge waren die eines sanft Schlafenden." Die unmittelbare Todesursache war eine akute Lungenentzündung links. Henriette von Knebel faßte die Stimmung nach Schillers Tod in folgende Worte: "Es ist merkwürdig, daß Schiller allein in seinem schön organisierten Kopfe gelebt hat. Die Ärzte stimmen darin überein, daß sie nie einen so ganz verdorbenen und aufgelösten Körper angetroffen hätten. Alles verknorpelt, nur der kleinste Rest von Lunge und - stelle Dir vor - gar kein Herz mehr, als ein Stückchen Haut." Schillers sterbliche Hülle wurde in aller Stille im Landschaftskassengewölbe beigesetzt und nach 22 Jahren endgültig in die Fürstengruft umgebettet. Goethe, der Schiller um mehr als ein Vierteljahrhundert überlebte, war damals anwesend und dichtete angesichts Schillers Reliquien:
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