Anfang – Leben und Historie des Doktor Faust
Doktor Faustus ist eines Bauern Sohn gewesen, zu
Rod bei Weimar gebürtig, der zu Wittenberg eine große Verwandtschaft gehabt
hat, dieweil seine Eltern gottselige und christliche Leute gewesen sind, ja sein
in Wittenberg sesshafter Vetter ein vermögender Bürger gewesen war, der den
Doktor Faustus aufgezogen und gehalten hat wie sein Kind. Da er ohne Erben war,
nahm er diesen Faustus als Kind und Erben auf und ließ ihn in die Schule gehen,
Theologie zu studieren. Er hat sich aber von solchem gottseligen Vornehmen
abgewendet und Gottes Wort missbraucht.
Derohalben wir solche Eltern und Freunde, die
gern alles Gute und das Beste gesehen hätten (wie solches alle frommen Eltern
gern sehen), ohne Tadel sein sollen lassen und sie nicht in die Geschichte
mischen, so haben auch seine Eltern dieses gottlosen Kindes Gräuel nicht erlebt
noch gesehen. Denn einmal ist gewiss, wie auch die Eltern des Doktor Faust
(wie mancher in Wittenberg wusste) sich ganz herzlich gefreut haben, dass ihr
Vetter ihn als Kind aufnahm, und darnach die Eltern an ihm spürten, wie er eine
treffliche Intelligenz und Gedächtnis hatte, aus solchem gewiss gefolgt ist,
dass diese Eltern große Fürsorge für ihn gehabt haben, gleich wie Job. cap. I
für seine Kinder gehabt hatte, damit sie sich am Herren nicht versündigten und
daraus folgt, dass fromme Eltern daneben auch gottlose und ungeratene Kinder
haben, die ich darum erwähne, dieweil ihr viele gewesen seid, die diesen Eltern
viel Schuld und Unglimpf vorwerfen, die ich hiermit entschuldigt haben will. Als
wären solche Larven den Eltern nicht allein schmachhaft, sondern als wäre
Faustus von seinen Eltern dazu erzogen worden, wofür sie etliche Artikel
vorgeben: So hätten sie ihm allen Mutwillen in der Jugend gestattet und ihn
nicht fleißig zum Studium angehalten etc. Da die Verwandten seine rasche
Auffassungsgabe gesehen hätten und er zu der Theologie nie viel Lust gehabt
hat, und öffentlich die Sage umherging, er gehe mit der Zauberei um, so sollte
man solchem beizeiten gewehrt haben etc. Solches sind alles Täuschungen, denn
sie sollen dadurch nicht geringer werden, da an ihnen keine Schuld ist. Soviel
fürs erste. ad propositum.
Da Doktor Faustus durch einen ganz klaren und
flinken Verstand zum Studieren qualifiziert und geneigt war, ist er hernach in
seinem Examen bei den Rhetorikern so weit gekommen, dass man ihn zum
Magisterexamen zuließ, und neben ihm auch sechzehn Magister. Denen war er in
Frage, Verhör und Geschicklichkeit allen überlegen, und da er seinen Teil
genugsam studiert hatte, wurde er ein Doktor der Theologie.
Daneben hat er auch einen dummen, unsinnigen und
hoffärtigen Kopf, warum man ihn dann allezeit den Spekulierer genannt hat, ist
in die böseste Gesellschaft geraten, hat die Heilige Schrift für eine Weile
hinter die Tür und unter die Bank gesteckt, das Wort Gottes nicht in Liebe
gehalten, sondern hat roh und gottlos in Völlerei und Unzucht gelebt (wovon
dann diese Historie hernach genugsam Zeugnis gibt.) Aber es ist ein wahres
Sprichwort: Was zum Teufel will, lässt sich nicht aufhalten. Zudem fand Doktor
Faustus seinesgleichen, die gingen um mit chaldäischen, persischen, arabischen
und griechischen Wörtern Figuris, characterib:
Coniurationibus, Incantationibus. Und diese erzählten Stücke waren lauter Dardaniæ Artes
Nigromantiæ, Carmina veneficium, vaticinium, Incantatio, und wie solche
Bücher, Wörter und Namen der Beschwörung und Zauberei genannt werden mögen.
Das gefiel Doktor Faustus wohl und er spekulierte und studierte Tag und Nacht
darinnen, wollte sich hernach keinen Theologen mehr heißen lassen und war ein
Weltmensch, nannte sich Doktor der Medizin, war ein Astrologe und Mathematiker
und war ein Arzt, half erstlich vielen Leuten mit der Arznei durch Kräuter,
Wurzel und Trank, Rezepten und Klestieren, neben dem war er beredt, in der
Heiligen Schrift wohl erfahren und wusste die Regel Christi gar wohl (wer den
Willen des Herrn weiß und tut ihn nicht, der wird doppelt geschlagen, item: Du
sollst Gott deinen Herren nicht versuchen.) Aber dies alles schlug er in den
Wind und setzte seine Seele ein, darum soll er nicht entschuldigt werden.
ORIGINALIS
Anfanng Leben vnd
Historj D: Faustj
Doctor
Faustus ist eines Bawren Sohn gewesen zu Rod bey Weimar vrburdig / Der zu
Wittemberg ein grosse Freundtschafft gehabt / Dieweil seine Eltern Gottselige
vnnd Cristliche Leuth gewesen / ja sein Vetter Der zu Wittemberg seshafft ein
Burger wol vermugens gewest / jn Den Doctor Faustum auferzogen / vnnd gehalten
wie ain kindt / Dann Er ohne Erben ward / Nam Er disen Faustum zu ainem kindt
vnnd Erben auf / Ließ jn jnn die Schuel geen Theologiam zu studiern / Er ist
aber von sollichem Gottseligen Furnemen abgedretten / Gottes wort misbraucht /
Derohalben wir solliche Eltern vnnd Freund die gern alles guetts / vnnd das
besst gesehen hetten (.wie solches alle Frombe Elttern gern sehen.) ohne Tadel
sein sollen lassen / Sie jnn die Historj nicht mischen / So haben auch seine
Eltern dises Gottlosen kinds Grewel nicht erlebt noch gesehen / Dann einmahl
gewiß / wie auch die Eltern dess Doctor Faustj (wie menigclich zu Wittemberg
bewust) sich ganntz hertzlich erfreudt haben / Das jr Vetter jn als ein kind
aufnam / vnnd darnach die Eltern an jm spurten wie er ein treffenlichs Ingenium
vnnd Memoriam hette / auss sollichem gewislich gefolgt ist / das Dise Elttern
grosse fursorg fur jn gehabt haben / gleich wie Job. cap: j. fur seine kinder
getragen hatte / Damit Sie sich am herren nicht versündigten / Vnnd volgen das
frombe Eltern daneben auch Gottlose vnnd Vngerathne kinder haben. Die jch darumb
erhole / Dieweil jr vil gewesen so disen Eltern viel Schuldt vnnd Vnglimpff
furwerffen / Die jch hiemit excusiert will haben / Dann solche Larfen den Eltern
nicht allein schmachhafft / sonndern auch als were Faustus von seinen Eltern
Darzue gezogen / da sie ettlich Articul furgeben / So Sie haben jm allen
Muetwill jnn der jugent gestattet / vnnd jn nit fleissig zum studiern geraytzt
etc. Jtem Da die Freundt seinen geschwinden kopff gesehen / vnnd Er zu der
Theologia nit Viel Lust gehabt / darzue offenntlichen ein Sag gewest/ Er gehe
mit der Zauberey vmb / solt man solchs bey zeit gewert haben etc. solches alles
seind somnia / Dann Sie hierjnnen nicht sollen verkleinert werden / Dieweil an
jnen kein Schuld ist Fur Ains. ad propositum.
Als Doctor Faustus eines gantz glirnigen vnnd geschwinden kopfs zum studiern
qualificiert vnnd genaigt ward / jst Er hernach in seinem Examine bey den
Rectoribus so weitt kommen / das man jn jm Magistrat examiniert / vnnd neben jm
auch Sechzehen Magistros. Denen ist Er jnn Frag / verhör / vnnd
geschickhlicheit allen obgelegen / Also Das er seinen Theil genuegsam gestudiert
hat / ward also ein Doctor Theologiæ.
Daneben so hat Er auch ein thummen Vnsynnigen vnd hofferttigen kopff wie man jn
dann allzeit den SPeculierer genannt / jst zu der boesten gesellschafft gerathen
/ hat die Haylig Schrift ein weil hinder die Thur/ vnnd vnder Die Bannckh
gesteckht / Das wortt Gottes nit Lieb gehalten/ sonnder hat Roch vnnd Gottloß
jnn Fullerey / vnnd Vnzucht gelebt (.wie dann dise Historj hernach genuegsam
zeugnus gibt.) Aber es ist ein War sprichtwort / Was zum Teuffel will / last
sich nit aufhalten/ Zudem so fand Doctor Faustus seines gleichen / Die giengen
Vmb mit Chaldeyischen / Persischen / Arabischen / vnnd Griechischen Wörtern
Figuris, characterib: Coniurationibus, Incantationibus / Vnnd Dise erzelte
stuckh waren Lautter Dardaniæ Artes Nigromantiæ, Carmina veneficium,
vaticinium, Incantatio, vnnd wie solliche Buecher / Worter/ vnnd Namen der
beschwerung vnnd Zauberey genennt werden mögen / Das gefiel Doctor Fausto wol
speculiert vnnd studiert Tag vnnd Nacht darjnnen / Wolt sich hernach kein
Theologum mehr nennen lassen / ward ein Weltmensch / Nennt sich ein Doctor
Medicinæ, ward ein Astrologus vnnd Mathematicus / vnnd zum glimpffen ward Er
ein Artzt / halff erstlichen vil Leuthen mit der Artzney durch Kreutter /
Wurtzel vnd Trankh / Recept / vnnd Christieren / neben dem ward Er beredt/ jnn
der Heyligen schrift wol erfahren / wust Die Regell Christj gar wol (.Wer den
willen des herren waist vnd thuet jn nicht / der wirt Doppelt geschlagen / jtem
Du solt Gott deinen herren nit versuechen.) Aber Diss alles schlueg Er jn Wind /
setzt sein Seel ein weil vf die Vberthur/ Darumb bey jm kein entschuldigung soll
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