http://goethe.odysseetheater.com |
Johann Gottfried
|
IVDie genetische Kraft ist die Mutter aller Bildungen auf der Erde, der das Klima feindlich oder freundlich nur zuwirketWer zum erstenmal das Wunder der Schöpfung eines lebendigen Wesens sähe, wie würde er staunen! [125] Aus Kügelchen, zwischen welchen Säfte schießen, wird ein lebender Punkt, und aus dem Punkt erzeugt sich ein Geschöpf der Erde. Bald wird das Herz sichtbar und fängt an, so schwach und unvollkommen es sei, zu schlagen; das Blut, das vor dem Herzen da war, fängt an, sich zu röten; bald erscheinet das Haupt; bald zeigen sich Augen, Mund, Sinne und Glieder. Noch ist keine Brust da, und schon ist Bewegung in ihren innern Teilen; noch sind die Eingeweide nicht gebildet, und das Tier öffnet den Schnabel Das kleine Gehirn ist außerhalb dem Kopf, das Herz noch außer der Brust; wie ein Spinnengewebe sind Rippen und Beine; bald zeigen sich Flügel, Füße, Zehen, Hüften, und nun wird das Lebendige weiter genähret. Was bloß war, bedecket sich: die Brust, das Hirn schließen sich zu; Magen und Eingeweide hangen noch hinunter. Auch diese bilden sich endlich, je mehr die Materie verzehrt wird; die Häute ziehn sich zusammen und hinauf; der Unterleib schließt sich: das Tier ist bereitet. Es schwimmt jetzt nicht mehr, sondern es liegt; bald wachet, bald schläft es; es regt sich, es schläft, es ruft, es suchet Ausgang und kommt, in allen Teilen ganz und völlig, ans Licht der Welt. Wie würde der, der dies Wunder zum erstenmal sähe, es nennen? Da ist, würde er sagen, eine lebendige, organische Kraft; ich weiß nicht, woher sie gekommen, noch was sie in ihrem Innern sei, aber daß sie da sei, daß sie lebe, daß sie organische Teile sich aus dem Chaos einer homogenen Materie zueigne, das sehe ich, das ist unleugbar. Bemerkte er ferner und sähe, daß jeder dieser organischen Teile, gleichsam actu, in eigner Wirkung gebildet werde: das Herz erzeuge sich nicht anders als durch eine Zusammenströmung der Kanäle, die schon vor ihm waren; sobald der Magen sichtbar werde, habe er Materie der Verdauung in sich. So alle Adern, alle Gefäße; das Enthaltne war vor dem Enthaltenden, das Flüssige vor dem Festen, der Geist vor dem Körper da, in welchen jener sich nur kleidet. Bemerkte er dies [126]: was würde er sagen, als daß die unsichtbare Kraft nicht willkürlich bilde, sondern daß sie sich ihrer innern Natur nach gleichsam nur offenbare. Sie wird in einer ihr zugehörigen Masse sichtbar und muß, wie und woher es auch sei, den Typus ihrer Erscheinung in ihr selbst haben. Das neue Geschöpf ist nichts als eine wirklich gewordene Idee der schaffenden Natur, die immer nur tätig denket. Führe er fort und bemerkte, daß, was diese Schöpfung befördert, mütterliche oder Sonnenwärme sei, daß das Ei der Mutter aber, aller vorhandenen Materie und Wärme ungeachtet, ohne Belebung des Vaters keine lebendige Frucht gebe, was würde er mutmaßen, als das Principium der Wärme könne mit dem Principium des Lebens, das es befördert, zwar verwandt sein, eigentlich aber müsse in der Vereinigung zweier lebendigen Wesen die Ursache liegen, die diese organische Kraft in Wirksamkeit setzt, dem toten Chaos der Materie lebendige Form zu geben. So sind wir, so sind alle lebende Wesen gebildet: jedes nach der Art seiner Organisation, alle aber nach dem unverkennbaren Gesetz einer Analogie, die durch alles Lebendige unsrer Erde herrschet. Endlich, wenn er erführe, daß diese lebendige Kraft das ausgebildete Geschöpf nicht verlasse, sondern sich in ihm tätig zu offenbaren fortfahre; zwar nicht mehr schaffend, denn es ist erschaffen, aber erhaltend, belebend, nährend. Sobald es auf die Welt tritt, verrichtet es alle Lebensverrichtungen, zu welchen, ja zum Teil in welchen es gebildet ward: der Mund öffnet sich, wie Öffnung seine erste Gebärde war, und die Lunge schöpft Atem; die Stimme ruft, der Magen verdauet, die Lippen saugen: es wächst, es lebt, alle innern und äußern Teile kommen einander zu Hülfe; in einer gemeinschaftlichen Tätigkeit und Mitleidenheit ziehen sie an, werfen aus, verwandeln in sich, helfen einander in Schmerzen und Krankheit auf tausendfältig-wunderbare, unerforschte Weise. Was würde, was könnte jeder, der dies zuerst bemerkte, sagen als: Die eingeborne, genetische Lebenskraft ist in dem Geschöpf, das durch sie gebildet worden, in allen Teilen und in jedem derselben nach seiner Weise, d. i. organisch noch einwohnend. Allenthalben ist sie ihm aufs vielartigste gegenwärtig, da es nur durch sie ein lebendiges Ganze ist, was sich erhält, wächst und wirket. Und diese Lebenskraft haben wir alle in uns: in Gesundheit und Krankheit stehet sie uns bei, assimiliert gleichartige Teile, sondert die fremden ab, stößt die feindlichen weg; sie ermattet endlich im Alter und lebt in einigen Teilen noch nach dem Tode. Das Vernunftvermögen unsrer Seele ist sie nicht; denn dieses hat sich den Körper, den es nicht kennet und ihn nur als ein unvollkommenes, fremdes Werkzeug seiner Gedanken braucht, gewiß nicht selbst gebildet. Verbunden ist es indes mit jener Lebenskraft, wie alle Kräfte der Natur in Verbindung stehen; denn auch das geistige Denken hangt von der Organisation und Gesundheit des Körpers ab und alle Begierden und Triebe unsres Herzens sind von der animalischen Wärme untrennbar. - Alle dies sind Fakta der Natur, die keine Hypothese umstoßen, kein scholastisches Wort vernichten kann; ihre Anerkennung ist die älteste Philosophie der Erde, wie sie auch wahrscheinlich die letzte sein wird. [127] So gewiß ich's weiß, daß ich denke, und kenne doch meine denkende Kraft nicht, so gewiß empfinde und sehe ich's, daß ich lebe, wenn ich gleich auch nie weiß, was Lebenskraft sei. Angeboren, organisch, genetisch ist dies Vermögen; es ist der Grund meiner Naturkräfte, der innere Genius meines Daseins. Aus keiner andern Ursache ist der Mensch das vollkommenste Wesen der Erdeschöpfung, als weil die feinsten organischen Kräfte, die wir kennen, bei ihm in den feinsten Werkzeugen der Organisation einwohnend wirken. Er ist die vollkommenste animalische Pflanze, ein eingeborner Genius in einer menschlichen Bildung. Sind unsre Grundsätze bisher richtig gewesen, wie sie sich denn auf unstreitige Erfahrungen gründen, so kann auch keine Verartung unsres Geschlechts vorgehen ohne eigentlich durch diese organischen Kräfte. Wie auch das Klima wirke, jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze hat ihr eignes Klima; denn alle äußern Einwirkungen nimmt jedes nach seiner Weise auf und verarbeitet sie organisch. Auch in der kleinsten Fiber leidet der Mensch nicht wie ein Stein, nicht wie eine Wasserblase. Lasset uns einige Stufen oder Schattierungen dieser Verartung bemerken. Die erste Stufe der Verartung des menschlichen Geschlechts zeiget sich in den äußern Teilen; nicht als ob diese für sich litten oder wirkten, sondern weil die uns einwohnende Kraft von innen heraus wirket. Durch den wunderbarsten Mechanismus strebt sie aus dem Körper zu treiben, was ihr hinderlich und fremd ist; die ersten Veränderungen ihres organischen Baues müssen also an den Grenzen ihres Reichs sichtbar werden, und so betreffen die auffallendsten Varietäten des Menschengeschlechts nichts als Haut und Haare. Die Natur schützte ihr inneres wesentliches Gebilde und schaffte die beschwerende Materie so weit hinaus, als sie es zu tun vermochte. Griff die verändernde äußere Macht weiter, so zeigen sich ihre Wirkungen auf keinen andern Wegen, als auf denen die lebendige Kraft selbst wirket, auf den Wegen der Nahrung und Fortpflanzung. Der Neger wird weiß geboren; die Teile, die sich bei ihm zuerst schwärzen [128], sind ein offenbares Kennzeichen, daß das Miasma seiner Veränderung, das die äußere Luft nur entwickelt, genetisch wirke. Nun zeigen uns die Jahre der Mannbarkeit sowohl als eine Schar von Erfahrungen an Kranken, welch ein weites Reich die Kräfte der Nahrung und Fortpflanzung im menschlichen Körper haben. Die entferntsten Glieder stehn durch sie miteinander in Verbindung; und eben diese Glieder sind's, die bei der Verartung der Völker auch gemeinschaftlich leiden. Außer der Haut und den Geschlechtsteilen sind daher Ohren, Hals und die Stimme, die Nase, die Lippen, das Haupt u. f. genau die Region, in welcher sich die meisten Veränderun- gen zeigen. Endlich, da die Lebenskraft alle Teile zur Gemeinschaft bindet und die Organisation ein vielverschlungener Kreis ist, der eigentlich nirgend Anfang und Ende findet, so wird begreiflich, daß die innigste Hauptveränderung zuletzt auch in den festesten Teilen sichtbar werden müsse, die vermöge der innern leidenden Kraft vom Schädel bis zum Fuß in ein andres Verhältnis treten. Schwer gehet die Natur an diese Verwandlung; auch bei Mißgeburten, wo sie in ihrem Kunstwerk gewaltsam gestört wird, hat sie wunderbare Wege der Erstattung, wie ein geschlagner Feldherr eben im Rückzuge die meiste Weisheit zeiget. Indessen zeigen die verschiednen Bildungen der Völker, daß auch diese, die schwerste Verwandlung beim Menschengebilde, möglich war; denn eben die tausendfache Zusammensetzung und feine Beweglichkeit unsrer Maschine samt den unnennbar-mannigfaltigen Mächten, die auf sie wirken, machten sie möglich. Aber auch diese schwere Verwandlung ward nur von innen heraus bewirket. Jahrhundertelang haben Nationen ihre Köpfe geformt, ihre Nasen durchbohrt, ihre Füße gezwungen, ihre Ohren verlängert; die Natur blieb auf ihrem Wege; und wenn sie eine Zeitlang folgen, wenn sie den verzerreten Gliedern Säfte zuführen mußte, wohin sie nicht wollte: sobald sie konnte, ging sie ins Freie wieder und vollendete ihren vollkommenern Typus. Ganz anders, sobald die Mißbildung genetisch war und auf Wegen der Natur wirkte; hier vererbten sich Mißbildungen, selbst an einzelnen Gliedern. Sage man nicht, daß Kunst oder die Sonne des Negers Nase geplattet habe. Da die Bildung dieses Teils mit der Konformation des ganzen Schädels, des Kinns, des Halses, des Rückens zusammenhängt und das sprossende Rückenmark gleichsam der Stamm des Baums ist, an dem sich die Brust und alle Glieder bilden, so zeigt die vergleichende Anatomie genugsam [129], daß die Verartung die ganze Gestalt angegriffen und sich keiner dieser festen Teile ändern konnte, ohne daß das Ganze verändert wurde. Eben daher gehet die Negergestalt auch erblich über und kann nur genetisch zurückverändert werden. Setzet den Mohren nach Europa: er bleibt, was er ist; verheiratet ihn aber mit einer Weißen, und eine Generation wird verändern, was Jahrhunderte hindurch das bleichende Klima nicht würde getan haben. So ist's mit den Bildungen aller Völker: die Weltgegend verändert sie äußerst langsam, durch die Vermischung mit fremden Nationen verschwinden in wenigen Geschlechtern alle mongolischen, sinesischen, amerikanischen Züge. Gefällt es meinen Lesern, auf diesem Wege fortzugehen, so lasset uns ihn noch einige Schritte verfolgen. 1. Jedem Bemerkenden muß es aufgefallen sein, daß in den unzählbar-verschiednen Gestalten der Menschen gewisse Formen und Verhältnisse nicht nur wiederkommen, sondern auch ausschließend zueinander gehören. Bei Künstlern ist dies eine ausgemachte Sache, und in den Statuen der Alten siehet man, daß sie diese Proportion oder Symmetrie, wie sie es nannten, nicht etwa nur in die Länge und Breite der Glieder, sondern auch in die harmonische Bildung derselben zur Seele des Ganzen setzten. Die Charaktere ihrer Götter und Göttinnen, ihrer Jünglinge und Helden waren in ihrer ganzen Haltung so bestimmt, daß man sie zum Teil schon aus einzelnen Gliedern kennet und sich keinem Gebilde ein Arm, eine Brust, eine Schulter geben läßt, die für ein andres gehöret. Der Genius eines einzeln-lebendigen Wesens lebt in jeder dieser Gestalten, die er wie eine Hülle nur durchhaucht und sich im kleinsten Maß der Stellung und Bewegung, ähnlich dem Ganzen, charakterisieret. Unter den Neuern hat der Polyklet unsres Vaterlandes, Albrecht Dürer [130], das Maß verschiedner Proportionen des menschlichen Körpers sorgfältig untersucht, und jedem Auge wird dabei offenbar, daß die Bildung aller Teile sich mit den Verhältnissen ändre. Wie nun, wenn wir Dürers Genauigkeit mit dem Seelengefühl der Alten verbänden und die Verschiedenheit mensch- licher Hauptformen und Charaktere in ihrem zusammenstimmenden Gebilde studierten? Mich dünkt, die Physiognomik träte damit auf den alten natürlichen Weg, auf den sie ihr Name weiset, nach welchem sie weder eine Etho- noch Technognomik, sondern die Auslegerin der lebendigen Natur eines Menschen, gleichsam die Dolmetscherin seines sichtbar gewordenen Genius sein soll. Da sie in diesen Schranken der Analogie des Ganzen, das auch im Antlitz das sprechendste ist, stets treu bleibt, so muß die Pathognomik ihre Schwester, die Physiologie und Semiotik ihre Mithelferin und Freundin werden; denn die Gestalt des Menschen ist doch nur eine Hülle des innern Triebwerks, ein zusammenstimmendes Ganze, wo jeder Buchstab zwar zum Wort gehört, aber nur das ganze Wort einen Sinn gibt. Im gemeinen Leben brauchen und üben wir die Physiognomik also: Der geübte Arzt siehet, welchen Krankheiten der Mensch seinem Bau und Gebilde nach unterworfen sein könne, und das physiognomische Auge, selbst der Kinder, bemerkt die natürliche Art (physis) des Menschen in seinem Gebilde, d. i. die Gestalt, in der sich sein Genius offenbaret. Ferner. Sollten sich nicht diese Formen, diese Harmonien zusammentreffender Teile bemerken und als Buchstaben gleichsam in ein Alphabet bringen lassen? Vollständig werden diese Buchstaben nie werden, denn das ist auch kein Alphabet irgendeiner Sprache; zur Charakteristik der menschlichen Natur aber in ihren Hauptgestalten würde durch ein sorgsames Studium dieser lebendigen Säulenordnungen unsres Geschlechts gewiß ein weites Feld geöffnet. Schränkte man sich dabei nicht auf Europa ein und nähme noch weniger unser gewohntes Ideal zum Muster aller Gesundheit und Schönheit, sondern verfolgte die lebendige Natur überall auf der Erde, in welchen Harmonien zusammenstimmender Teile sie sich hie und da mannigfaltig und immer ganz zeige: ohne Zweifel würden zahlreiche Entdeckungen über den Concentus und die Melodie lebendiger Kräfte im Bau des Menschen der Lohn dieser Bemerkungen werden. Ja vielleicht würde uns dies Studium des natürlichen Consensus der Formen im menschlichen Körper weiter führen als die so oft und fast immer mit Undank bearbeitete Lehre der Komplexionen und Temperamente. Die scharfsinnigsten Beobachter kamen in dieser nicht weit, weil zu dem Mannigfaltigen, das bezeichnet werden sollte, ihnen ein bestimmtes Alphabet der Bezeichnung fehlte. [131] 2. So wie nun bei einer solchen bildlichen Geschichte der Formung und Verartung des Menschengeschlechts die lebendige Physiologie allenthalben die Fackel vortragen müßte, so würde in ihr auch Schritt vor Schritt die Weisheit der Natur sichtbar, die nicht anders als nach einem Gesetz der tausendfach erstattenden Güte Formen bildet und abändert. Warum z. B. sonderte die schaffende Mutter Gattungen ab? Zu keinem andern Zweck, als daß sie den Typus ihrer Bildung desto vollkommener machen und erhalten könnte. Wir wissen nicht, wie manche unsrer jetzigen Tiergattungen in einem frühern Zustande der Erde näher aneinandergegangen sein mögen; aber das sehen wir, ihre Grenzen sind jetzt genetisch geschieden. Im wilden Zustande paaret sich kein Tier mit einer fremden Gattung, und wenn die zwingende Kunst der Menschen oder der üppige Müßiggang, an dem die gemästeten Tiere teilnehmen, auch ihren sonst sichern Trieb verwildern, so läßt doch in ihren unwandelbaren Gesetzen die Natur von der üppigen Kunst sich nicht überwinden. Entweder ist die Vermischung ohne Frucht, oder die erzwungene Bastardart pflanzt sich nur unter den nächsten Gattungen weiter. Ja bei diesen Bastardarten selbst sehen wir die Abweichung nirgend als an den äußersten Enden des Reichs der Bildung, genau wie wir sie bei der Verartung des Menschengeschlechts beschrieben haben; hätte der innere, wesentliche Typus der Bildung Mißgestalt bekommen müssen, so wäre kein lebendiges Geschöpf subsistent worden. Weder ein Centaur also noch ein Satyr, weder die Scylla noch die Meduse kann nach den innern Gesetzen der schaffenden Natur und des genetischen wesentlichen Typus jeder Gattung sich er zeugen. 3. Das feinste Mittel endlich, dadurch die Natur Vielartigkeit und Bestandheit der Formen in ihren Gattungen verband, ist die Schöpfung und Paarung zweier Geschlechter. Wie wunderbar fein und geistig mischen sich die Züge beider Eltern in dem Angesicht und Bau ihrer Kinder! als ob nach verschiedenen Verhältnissen ihre Seele sich in sie gegossen und die tausendfältigen Naturkräfte der Organisation sich unter dieselben verteilt hätten. Daß Krankheiten und Züge der Bildung, daß sogar Neigungen und Dispositionen sich forterben, ist weltbekannt; ja oft kommen wunderbarerweise die Gestalten lange verstorbener Vorfahren aus dem Strom der Generation wieder. Ebenso unleugbar, obgleich schwer zu erklären, ist der Einfluß mütterlicher Gemüts- und Leibeszustände auf den Ungebornen, dessen Wirkung manches traurige Beispiel lebenslang mit sich träget. - Zwei Ströme des Lebens hat also die Natur zusammengeleitet, um das werdende Geschöpf mit einer ganzen Naturkraft auszustatten, die nach den Zügen beider Eltern jetzt in ihr selbst lebe. Manches versunkne Geschlecht ist durch eine gesunde und fröhliche Mutter wieder emporgehoben; mancher entkräftete Jüngling mußte im Arm seines Weibes erst selbst zum leben den Naturgeschöpf erweckt werden. Auch in der genialischen Bildung der Menschheit also ist Liebe die mächtigste der Göttinnen; sie veredelt Geschlechter und hebt die gesunknen wieder empor: eine Fackel der Gottheit, durch deren Funken das Licht des menschlichen Lebens, hier trüber, dort heller, glänzet. Nichts widerstrebet hingegen dem bildenden Genius der Naturen mehr als jener kalte Haß oder jene widrige Konvenienz, die ärger als Haß ist. Sie zwingt Menschen zusammen, die nicht füreinander gehören, und verewigt elende, mit sich selbst disharmonische Geschöpfe. Kein Tier versank je so weit, als in dieser Entartung der Mensch versinket.
|
|
<zurück | Inhalt | weiter> |
|
zurück zum Anfang |
Wolfgang
Peter, Ketzergasse 261/3,
A-2380 Perchtoldsdorf, Austria Tel/Fax: +43-1- 86 59 103 Mobil: 0676 9
414 616 |
|