Das
Werk
Mensch im Sinne Goethes
ist man niemals voll und ganz, aber man wird es in dem Maße mehr und
mehr, in dem das höhere Ich, der schöpferische geistige Kern unseres
Wesens, die Herrschaft über das bloß niedere Ego gewinnt. Daß des
Menschen Kraft nur am beständigen Widerstand reifen kann, legt schon
der „Prolog im Himmel" nahe. Mephisto erhält vom Herrn freie Hand,
Faust zu versuchen. Und nicht nur der Mensch wird hier als sehr ambivalentes
Wesen gezeigt, auch das Böse selbst, verkörpert in der Gestalt des
Mephisto, erscheint doppelgesichtig. Zeigt sich Mephisto im ersten
Teil mehr von seiner luziferisch verführerischen Seite, kehrt er später
immer stärker sein eiskaltes, zynisch lächelndes satanisches Antlitz
hervor, bis endlich Faust, als Repräsentant des modernen Menschen
schlechthin, im Spannungsfeld ungehemmter Begierden und technokratisch
mitleidloser Intelligenz zerrissen zu werden droht. Schwere Schuld
lädt Faust auf sich – und doch steckt tief in seinem Inneren immer
noch die ungebrochene Kraft, zu wahrer Humanität zu finden. Wie man
wahrer Mensch werden kann, läßt sich durch den abstrakten Verstand
allein nicht begreifen und durch bloße äußere Taten nicht verwirklichen.
Wirkliche Menschwerdung muß in innerer Seelendramatik errungen werden,
die Goethe in gewaltigen Imaginationen auf die Bühne zu bringen sucht.
Alle Frauengestalten, denen Faust begegnet, sind zugleich Bilder seiner
inneren Seelenentwicklung. Von den lüsternen Hexen, über die kindlich
reine, aber völlig naive Margarete, führt der Weg zur schönen, wenn
auch nicht völlig makellosen Seele der Helena, bis in der Schlußapotheose
endlich die Mater Gloriosa als fernes Ideal menschlicher Vervollkommnung
erscheint. Goethe hat seine Bilder der christlichen und griechischen
Mythologie entlehnt, nicht weil es ihm an eigener Phantasie mangelte,
sondern weil er damit Archetypen anspricht, die über Zeiten und Räume
hinweg ihre Gültigkeit bewahrt haben. Er hat so eine lebendig bildhafte
Psychologie des Menschen schlechthin geschaffen, die gleichermaßen
tiefschürfend wie vergnüglich anzusehen ist, und in einer Linie steht
mit Werken wie der „Baghavad Githa“ oder Dantes „Göttlicher Komödie“.
|
Inhaltübersicht
Videoaufzeichnung FAUST - Der Tragödie erster Teil - 7. April 2012
HTML5-Video
Daß des
Menschen Kraft nur am Widerstand reifen kann, legt der „Prolog im Himmel"
nahe. Mephisto erhält vom Herrn freie Hand, Faust zu versuchen. Faust,
angeekelt vom abstrakten Bücherwissen verbissen nach tieferer Erkenntnis
ringend, beschwört magisch den Erdgeist, der ihn nur völlig niederschmettert:
„Du gleichst dem Geist, den begreifst, nicht mir!" - jenem Geist, der
sich in Fausts vertrocknetem Famulus Wagner vielsagend verkörpert!
In trotziger
Verzweiflung bereitet Faust einen tödlichen Gifttrank, nicht bloß um
zu sterben, sondern um wissend die Pforten des Jenseits aufzureißen
– „und wär‘ es mit Gefahr ins Nichts dahinzufließen." Nur die Glocken,
die den heranbrechenden Ostermorgen verkünden, halten Faust von diesem
letzten, ernsten Schritt zurück.
Der folgende
Osterspaziergang führt Faust jenen viel zitierten Pudel zu, der sich
alsbald als Mephisto entpuppt und Faust leicht für den teuflischen Pakt
gewinnt, muß dieser doch gestehen. „Ich habe mich zu hoch gebläht, in
deinen Rang gehör‘ ich nur." Vom Wissensdrang geheilt, will Faust nur
mehr in den Tiefen der Sinnlichkeit befriedigt werden, und der Verjüngungstrank
in der Hexenküche, in die ihn Mephisto lockt, soll seine verschütteten
animalischen Begierden entzünden. Doch zeigt sich zugleich im Zauberspiegel
wie von ferne die schöne Helena als kaum faßbares Idealbild höherer
Menschlichkeit.
Der naiv
unschuldigen, tief gläubigen Margarete wird Fausts neuer Lebensstil
zum bitteren Verhängnis. Ihren „süßen Leib" begehrend und fasziniert
von ihrer kindlich reinen Seele, weiß Faust sie durch sein weltmännisches
Gehabe und mit Hilfe Mephistos und der kupplerischen Nachbarin Marthe
endlich zu verführen. Ein Schlaftrunk soll die Mutter betäuben, während
sie sich ihm hingibt, doch die Mutter stirbt an dem Trank. Gretchens
Bruder Valentin fordert Faust zum Duell und wird getötet. Entsetzt stürzt
Faust davon und wird von Mephisto in das wüste, von unverhüllter Erotik
dampfende Walpurgisnachtstreiben hineingestoßen, bis ihm plötzlich Gretchen
als bleiche, mahnende Vision erscheint. In den Kerker geworfen, weil
sie verzweifelt und verwirrt ihr gemeinsames neugeborenes Kind ertränkt
hat, versucht Faust vergebens, sie zu befreien.
|
Der Tragödie zweiter Teil
Faust
|
|
Wolfgang
Peter
|
Mephistopheles
|
|
Elisabeth
Meixner
|
Kaiser
|
|
Johann
Potakowskyj
|
Kanzler,
Astrolog
|
|
Ernst
Horvath
|
Knabe
Lenker
|
|
Pascal Bergen, Sonja
Schürer-Waldheim |
Karnevalsvolk |
|
|
Damen,
Ritter und andere Hofleute |
|
|
Baccalaureus
|
|
Leif-Börge
Struck
|
Wagner
|
|
Ernst
Horvath
|
Homunkulus
|
|
Veronika
Kerschbaum
|
Erichtho
|
|
Eva
Peter-Culik
|
Chiron
|
|
Ernst
Horvath
|
Manto
|
|
Eva
Peter-Culik
|
Thales
|
|
Ernst
Horvath
|
Anaxagoras
|
|
Thomas
Schürer-Waldheim |
Nereus
|
|
Eva
Peter-Culik
|
Proteus
|
|
Johann
Potakowskyj, Wolfgang Knoche, Theresa Unger
|
Ariel,
Nymphen, Sirenen, Gnome, Ameisen, Greife, Spinxe, Pygmäen,
Doriden und Nereiden, Telchinen,
Phorkyaden, Lamien und andere mythologische Gestalten
|
|
Theresa Unger, Alexa Kuenburg, Anna Kerschbaummayr, G.
Kohmaier, Maria
Reisinger,V.
Kerschbaum, E.
Peter-Culik, Tamara
Lobenschuß, Lara Frei,
Inge
Lobenschuß, Leif-Börge
Struck,
Sonja Schürer-Waldheim, Elfriede Schmidt, Viviane Bergen, Pascal Bergen, Manuela Dummert, Poldi
Lembcke |
Helena
|
|
Margherita
Ehart
|
Chor
gefangener Trojanerinnen
|
|
Maria
Reisinger,
G.
Kohmaier, Theresa Unger, Alexa Kuenburg, E.
Peter-Culik, V.
Kerschbaum, Lara Frei |
Panthalis |
|
|
Lynkeus
|
|
Ernst
Horvath
|
Euphorion
|
|
Thomas
Schürer-Waldheim |
Philemon
|
|
Johann
Potakowskyj
|
Baucis
|
|
Veronika
Kerschbaum
|
Not,
Schuld, Mangel und Sorge
|
|
G.
Kohmaier, E.
Peter-Culik, Lara Frei,
Veronika
Kerschbaum
|
Lemuren,
Dick– und Dürrteufel
|
|
Theresa Unger, Maria
Reisinger, Manuela Dummert,
Alexa Kuenburg, Viviane Bergen, Pascal Bergen, Thomas und Sonja Schürer-Waldheim |
Himmlische
Heerscharen, Engelchöre, selige Knaben
|
|
Theresa Unger, Anna Kerschbaummayr, Maria
Reisinger,
Leif-Börge
Struck, Manuela Dummert,V.
Kerschbaum, Lara Frei |
Pater
Ecstaticus
|
|
Ernst
Horvath
|
Pater
Profundus
|
|
Thomas
Schürer-Waldheim |
Pater
Seraphicus
|
|
Johann
Potakowskyj
|
Magna
Peccatrix
|
|
Theresa Unger |
Mulier
Samaritana
|
|
Gerda
Kohmaier
|
Maria
Aegyptiaca
|
|
Anna Kerschbaummayr, Alexa Kuenburg |
Una
Poenitentium
|
|
Margherita
Ehart
|
|
|
|
Technik
|
|
Walter Vogl
|
Videotechnik
|
|
Franz
Janda
|
Maske
|
|
Eva
Peter-Culik
|
Regie
|
|
Wolfgang
Peter
|
|
Inhaltübersicht
Videoaufzeichnung FAUST - Der Tragödie zweiter Teil - 7. April 2012
HTML5-Video
Provokant
und überraschend eröffnet der zweite Teil: Faust auf blumigen
Rasen gebettet, umschwebt vom Luftgeist Ariel, der alle lastenden
Schuldgefühle wegspült – soll Faust so leicht davonkommen? Doch
welcher Faust ist hier gemeint? „Zwei Seelen wohnen, ach! in
meiner Brust", so hat er einst bekannt. „Die eine hält, in derber
Liebeslust, sich an die Welt mit klammernden Organe" - sie läßt
Faust wieder und wieder straucheln und triebe ihn unaufhaltsam
in Mephistos Arme, wäre da nicht zugleich jener andere Faust,
der ungebrochen nach den „Gefilden hoher Ahnen" strebte. Mensch
im Sinne Goethes ist man niemals voll und ganz, aber man wird
es in dem Maße mehr und mehr, in dem das höhere Ich, der schöpferische
geistige Kern unseres Wesens, die Herrschaft über das bloße
niedere Ego gewinnt. Von dieser allmählichen Menschwerdung spricht
der zweite Teil in grandiosen Bildern. Aber nicht nur der Mensch
selbst wird hier als sehr ambivalentes Wesen gezeigt, auch das
Böse selbst, verkörpert in der Gestalt des Mephisto, erscheint
doppelgesichtig. Zeigte sich Mephisto im ersten Teil mehr von
seiner luziferisch verführerischen Seite, kehrt er nun immer
stärker sein eiskaltes, zynisch lächelndes satanisches Antlitz
hervor, bis endlich Faust, als Repräsentant des modernen Menschen
schlechthin, im Spannungsfeld ungehemmter Begierden und technokratisch
mitleidloser Intelligenz zerrissen zu werden droht. Da wird
am Kaiserhof inmitten ausgelassener Karnevalsstimmung das Papiergeld
erfunden, das als letztlich illusionärer Reichtum später kriegerisch
das Reich erschüttern wird. Da soll Faust zur Belustigung des
ganzen Hofes in einer Art Massensuggestion Helena und Paris
magisch hervorzaubern, bis er sich selbst derart begierig an
seiner selbsterzeugten Vison ekstatisch berauscht, daß er besinnlungslos
zusammenstürzt und in einen todesähnlichen Schlaf fällt.
Der
zweite Akt führt zurück zu Fausts altem Studierzimmer, wo Wagner
sich inzwischen darangemacht hat, einen künstlichen Menschen, den Homunculus,
in der Retorte zu schaffen. Faust ruht indes noch immer paralysiert
auf seinem Lager. Was Wagner in äußeren Experimenten niemals
gelingen kann, beginnt Faust nun in gewaltigen inneren Wahrträumen
zu schauen: das Geheimnis der Menschwerdung. Durch alle Elemente
führt der Weg der klassischen Walpurgisnacht. Feuer, Luft, Wasser
und Erde, verkörpert in den unglaublichsten urbildlichen mythologischen
Gestalten von Sphinxen, Sirenen und Gnomen, von Nereiden und
Tritonen, lassen endlich die leuchtende Phiole des Homunkulus
in einem sprühenden Feuerwerk zerschellen – und plötzlich steht
Helena zu Beginn des dritten Akts wieder vor uns. Nicht mehr
ferne und illusionär, sondern greifbar körperlich erscheinend
und doch Teil von Fausts innerer Traumwelt, ist sie zugleich
reales Symbol der gereinigten hellen menschlichen Seele, mit
der sich Fausts strebender Geist vermählen muß, schöpferische
Begeisterung, Euphorion, als rein geistiges Kind zeugend in
einem zeitlosen Augenblick höchsten Glücks – der im nächsten
Moment wieder verweht und in unaufhörlicher geistiger Wiedergeburt
täglich neu erobert werden muß.
Der
vierte und fünfte Akt führen zurück ins äußere Geschehen. Das
Kaiserreich wird durch Fausts Hilfe gerettet und er erhält als
Dank einen kahlen Küstenstreifen zum Lehen. In ungebrochenem
Tatendrang gewinnt Faust dem unfruchtbaren Land neuen Lebensraum
ab – nicht ohne neue Schuld auf sich zu laden: die ärmliche
Hütte von Philemon und Baucis, die sich weigern, ihren Besitz
zugunsten des „großen Werkes" aufzugeben, geht in Flammen auf
und die beiden Alten kommen darin um. Faust, hochbetagt und
mittlerweile erblindet, berauscht sich ein letztes Mal an seinem
fast vollendeten Lebenswerk: „Zum Augenblicke dürft‘ ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön! Es kann die Spur von meinen
Erdentagen nicht in Äonen untergehn." - und stirbt. Mephisto
darf sich seiner Seele sicher wähnen, doch in einer gewaltigen
Schlußapotheose wird Fausts Unsterbliches seinem Zugriff entrissen,
denn:
Wer
immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen.
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben teilgenommen,
Begegnet ihm die selige Schar
Mit herzlichem Willkommen. |
|
|
Der
Tragödie dritter Teil
|
|