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Johann Wolfgang
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Zweites BuchAlles
bisher Vorgetragene deutet auf jenen glücklichen und gemächlichen
Zustand, in welchem sich die Länder während eines langen Friedens
befinden. Nirgends aber genießt man eine solche schöne Zeit wohl mit
größerem Behagen als in Städten, die nach ihren eigenen Gesetzen
leben, die groß genug sind, eine ansehnliche Menge Bürger zu fassen,
und wohl gelegen, um sie durch Handel und Wandel zu bereichern. Fremde
finden ihren Gewinn, da aus- und einzuziehen, und sind genötigt,
Vorteil zu bringen, um Vorteil zu erlangen. Beherrschen solche Städte
auch kein weites Gebiet, so können sie desto mehr im Innern Wohlhäbigkeit
bewirken, weil ihre Verhältnisse nach außen sie nicht zu kostspieligen
Unternehmungen oder Teilnahmen verpflichten. Auf
diese Weise verfloß den Frankfurtern während meiner Kindheit eine
Reihe glücklicher Jahre. Aber kaum hatte ich am 28. August 1756 mein
siebentes Jahr zurückgelegt, als gleich darauf jener weltbekannte Krieg
ausbrach, welcher auf die nächsten sieben Jahre meines Lebens auch großen
Einfluß haben sollte. Friedrich der Zweite, König von Preußen, war
mit 60000 Mann in Sachsen eingefallen, und statt einer vorgängigen
Kriegserklärung folgte ein Manifest, wie man sagte, von ihm selbst
verfaßt, welches die Ursachen enthielt, die ihn zu einem solchen
ungeheuren Schritt bewogen und berechtigt. Die Welt, die sich nicht nur
als Zuschauer, sondern auch als Richter aufgefordert fand, spaltete sich
sogleich in zwei Parteien, und unsere Familie war ein Bild des großen
Ganzen. Mein
Großvater, der als Schöff von Frankfurt über Franz dem Ersten den Krönungshimmel
getragen, und von der Kaiserin eine gewichtige goldene Kette mit ihrem
Bildnis erhalten hatte, war mit einigen Schwiegersöhnen und Töchtern
auf östreichischer Seite. Mein Vater, von Karl dem Siebenten zum
kaiserlichen Rat ernannt, und an dem Schicksale dieses unglücklichen
Monarchen gemütlich teilnehmend, neigte sich mit der kleinem Familienhälfte
gegen Preußen. Gar bald wurden unsere Zusammenkünfte, die man seit
mehrern Jahren Sonntags ununterbrochen fortgesetzt hatte, gestört. Die
unter Verschwägerten gewöhnlichen Mißhelligkeiten fanden nun erst
eine Form, in der sie sich aussprechen konnten. Man stritt, man überwarf
sich, man schwieg, man brach los. Der Großvater, sonst ein heitrer,
ruhiger und bequemer Mann, ward ungeduldig. Die Frauen suchten vergebens
das Feuer zu tüschen, und nach einigen unangenehmen Szenen blieb mein
Vater zuerst aus der Gesellschaft. Nun freuten wir uns ungestört zu
Hause der preußischen Siege, welche gewöhnlich durch jene
leidenschaftliche Tante mit großem Jubel verkündigt wurden. Alles
andere Interesse mußte diesem weichen und wir brachten den Überrest
des Jahres in beständiger Agitation zu. Die Besitznahme von Dresden,
die anfängliche Mäßigung des Königs, die zwar langsamen aber sichern
Fortschritte, der Sieg bei Lowositz, die Gefangennehmung der Sachsen
waren für unsere Partei ebenso viele Triumphe. Alles, was zum Vorteil
der Gegner angeführt werden konnte, wurde geleugnet oder verkleinert;
und da die entgegengesetzten Familienglieder das gleiche taten, so
konnten sie einander nicht auf der Straße begegnen, ohne daß es Händel
setzte, wie in "Romeo und Julie ". Und
so war ich denn auch preußisch oder, um richtiger zu reden, fritzisch
gesinnt: denn was ging uns Preußen an. Es war die Persönlichkeit des
großen Königs, die auf alle Gemüter wirkte. Ich freute mich mit dem
Vater unserer Siege, schrieb sehr gern die Siegeslieder ab, und fast
noch lieber die Spottlieder auf die Gegenpartei, so platt die Reime auch
sein mochten. Als
ältester Enkel und Pate hatte ich seit meiner Kindheit jeden Sonntag
bei den Großeltern gespeist: es waren meine vergnügtesten Stunden der
ganzen Woche. Aber nun wollte mir kein Bissen mehr schmecken: denn ich
mußte meinen Helden aufs greulichste verleumden hören. Hier wehte ein
anderer Wind, hier klang ein anderer Ton als zu Hause. Die Neigung, ja
die Verehrung für meine Großeltern nahm ab. Bei den Eltern durfte ich
nichts davon erwähnen, ich unterließ es aus eigenem Gefühl und auch,
weil die Mutter mich gewarnt hatte. Dadurch war ich auf mich selbst zurückgewiesen,
und wie mir in meinem sechsten Jahre, nach dem Erdbeben von Lissabon,
die Güte Gottes einigermaßen verdächtig geworden war, so fing ich
nun, wegen Friedrichs des Zweiten, die Gerechtigkeit des Publikums zu
bezweifeln an. Mein Gemüt war von Natur zur Ehrerbietung geneigt und es
gehörte eine große Erschütterung dazu, um meinen Glauben an irgend
ein Ehrwürdiges wanken zu machen. Leider hatte man uns die guten
Sitten, ein anständiges Betragen, nicht um ihrer selbst, sondern um der
Leute willen anempfohlen; was die Leute sagen würden, hieß es immer,
und ich dachte, die Leute müßten auch rechte Leute sein, würden auch
alles und jedes zu schätzen wissen. Nun aber erfuhr ich das Gegenteil.
Die größten und augenfälligsten Verdienste wurden geschmäht und
angefeindet, die höchsten Taten, wo nicht geleugnet, doch wenigstens
entstellt und verkleinert; und ein so schnödes Unrecht geschah dem
einzigen, offenbar über alle seine Zeitgenossen erhabenen Manne, der täglich
bewies und dartat, was er vermöge; und dies nicht etwa vom Pöbel,
sondern von vorzüglichen Männern, wofür ich doch meinen Großvater
und meine Oheime zu halten hatte. Daß es Parteien geben könne, ja daß
er selbst zu einer Partei gehörte, davon hatte der Knabe keinen
Begriff. Er glaubte um so viel mehr recht zu haben und seine Gesinnung für
die bessere erklären zu dürfen, da er und die Gleichgesinnten Marien
Theresien, ihre Schönheit und übrigen guten Eigenschaften ja gelten
ließen, und dem Kaiser Franz seine Juwelen- und Geldliebhaberei weiter
auch nicht verargten; daß Graf Daun manchmal eine Schlafmütze geheißen
wurde, glaubten sie verantworten zu können. Bedenke
ich es aber jetzt genauer, so finde ich hier den Keim der Nichtachtung,
ja der Verachtung des Publikums, die mir eine ganze Zeit meines Lebens
anhing und nur spät durch Einsicht und Bildung ins gleiche gebracht
werden konnte. Genug, schon damals war das Gewahrwerden parteiischer
Ungerechtigkeit dem Knaben sehr unangenehm, ja schädlich, indem es ihn
gewöhnte, sich von geliebten und geschätzten Personen zu entfernen.
Die immer auf einander folgenden Kriegstaten und Begebenheiten ließen
den Parteien weder Ruhe noch Rast. Wir fanden ein verdrießliches
Behagen, jene eingebildeten Übel und willkürlichen Händel immer von
frischem wieder zu erregen und zu schärfen, und so fuhren wir fort, uns
unter einander zu quälen, bis einige Jahre darauf die Franzosen
Frankfurt besetzten und uns wahre Unbequemlichkeit in die Häuser
brachten. Ob
nun gleich die meisten sich dieser wichtigen, in der Ferne vorgehenden
Ereignisse nur zu einer leidenschaftlichen Unterhaltung bedienten, so
waren doch auch andre, welche den Ernst dieser Zeiten wohl einsahen, und
befürchteten, daß bei einer Teilnahme Frankreichs der Kriegsschauplatz
sich auch in unsern Gegenden auftun könne. Man hielt uns Kinder mehr
als bisher zu Hause, und suchte uns auf mancherlei Weise zu beschäftigen
und zu unterhalten. Zu solchem Ende hatte man das von der Großmutter
hinterlassene Puppenspiel wieder aufgestellt, und zwar dergestalt
eingerichtet, daß die Zuschauer in meinem Giebelzimmer sitzen, die
spielenden und dirigierenden Personen aber, so wie das Theater selbst
vom Proszenium an, in einem Nebenzimmer Platz und Raum fanden. Durch die
besondere Vergünstigung, bald diesen bald jenen Knaben als Zuschauer
einzulassen, erwarb ich mir anfangs viele Freunde; allein die Unruhe,
die in den Kindern steckt, ließ sie nicht lange geduldige Zuschauer
bleiben, sie störten das Spiel, und wir mußten uns ein jüngeres
Publikum aussuchen, das noch allenfalls durch Ammen und Mägde in der
Ordnung gehalten werden konnte. Wir hatten das ursprüngliche
Hauptdrama, worauf die Puppengesellschaft eigentlich eingerichtet war,
auswendig gelernt, und führten es anfangs auch ausschließlich auf;
allein dies ermüdete uns bald, wir veränderten die Garderobe, die
Dekorationen und wagten uns an verschiedene Stücke, die freilich für
einen so kleinen Schauplatz zu weitläuftig waren. Ob wir uns nun gleich
durch diese Anmaßung dasjenige, was wir wirklich hätten leisten können,
verkümmerten und zuletzt gar zerstörten, so hat doch diese kindliche
Unterhaltung und Beschäftigung auf sehr mannigfaltige Weise bei mir das
Erfindungs- und Darstellungsvermögen, die Einbildungskraft und eine
gewisse Technik geübt und befördert, wie es vielleicht auf keinem
andern Wege in so kurzer Zeit, in einem so engen Raume, mit so wenigem
Aufwand hätte geschehen können. Ich
hatte früh gelernt, mit Zirkel und Lineal umzugehen, indem ich den
ganzen Unterricht, den man uns in der Geometrie erteilte, sogleich in
das Tätige verwandte, und Pappenarbeiten konnten mich höchlich beschäftigen.
Doch blieb ich nicht bei geometrischen Körpern, bei Kästchen und
solchen Dingen stehen, sondern ersann mir artige Lusthäuser, welche mit
Pilastern, Freitreppen und flachen Dächern ausgeschmückt wurden; wovon
jedoch wenig zustande kam. Weit
beharrlicher hingegen war ich, mit Hülfe unsers Bedienten, eines
Schneiders von Profession, eine Rüstkammer auszustatten, welche zu
unsern Schau- und Trauerspielen dienen sollte, die wir, nachdem wir den
Puppen über den Kopf gewachsen waren, selbst aufzuführen Lust hatten.
Meine Gespielen verfertigten sich zwar auch solche Rüstungen und
hielten sie für ebenso schön und gut als die meinigen; allein ich
hatte es nicht bei den Bedürfnissen einer Person bewenden lassen,
sondern konnte mehrere des kleinen Heeres mit allerlei Requisiten
ausstatten, und machte mich daher unserm kleinen Kreise immer
notwendiger. Daß solche Spiele auf Parteiungen, Gefechte und Schläge
hinwiesen, und gewöhnlich auch mit Händeln und Verdruß ein
schreckliches Ende nahmen, läßt sich denken. In solchen Fällen
hielten gewöhnlich gewisse bestimmte Gespielen an mir, andre auf der
Gegenseite, ob es gleich öfter manchen Parteiwechsel gab. Ein einziger
Knabe, den ich Pylades nennen will, verließ nur ein einzigmal, von den
andern aufgehetzt, meine Partei, konnte es aber kaum eine Minute
aushalten, mir feindselig gegenüberzustehen; wir versöhnten uns unter
vielen Tränen, und haben eine ganze Weile treulich zusammengehalten. Diesen
so wie andre Wohlwollende konnte ich sehr glücklich machen, wenn ich
ihnen Märchen erzählte, und besonders liebten sie, wenn ich in eigner
Person sprach, und hatten eine große Freude, daß mir als ihrem
Gespielen so wunderliche Dinge könnten begegnet sein, und dabei gar
kein Arges, wie ich Zeit und Raum zu solchen Abenteuern finden können,
da sie doch ziemlich wußten, wie ich beschäftigt war und wo ich aus
und ein ging. Nicht weniger waren zu solchen Begebenheiten Lokalitäten,
wo nicht aus einer andern Welt, doch gewiß aus einer andern Gegend nötig,
und alles war doch erst heut oder gestern geschehen, sie mußten sich
daher mehr selbst betrügen, als ich sie zum besten haben konnte. Und
wenn ich nicht nach und nach, meinem Naturell gemäß, diese
Luftgestalten und Windbeuteleien zu kunstmäßigen Darstellungen hätte
verarbeiten lernen, so wären solche aufschneiderische Anfänge gewiß
nicht ohne schlimme Folgen für mich geblieben. Betrachtet
man diesen Trieb recht genau, so möchte man in ihm diejenige Anmaßung
erkennen, womit der Dichter selbst das Unwahrscheinlichste gebieterisch
ausspricht, und von einem jeden fordert, er solle dasjenige für
wirklich erkennen, was ihm, dem Erfinder, auf irgend eine Weise als wahr
erscheinen konnte. Was
jedoch hier nur im allgemeinen und betrachtungsweise vorgetragen worden,
wird vielleicht durch ein Beispiel, durch ein Musterstück angenehmer
und anschaulicher werden. Ich füge daher ein solches Märchen bei,
welches mir, da ich es meinen Gespielen oft wiederholen mußte, noch
ganz wohl vor der Einbildungskraft und im Gedächtnis schwebt. Der neue Paris,KnabenmärchenMir
träumte neulich in der Nacht vor Pfingstsonntag, als stünde ich vor
einem Spiegel und beschäftigte mich mit den neuen Sommerkleidern,
welche mir die lieben Eltern auf das Fest hatten machen lassen. Der
Anzug bestand, wie ihr wißt, in Schuhen von sauberem Leder, mit großen
silbernen Schnallen, feinen baumwollenen Strümpfen, schwarzen
Unterkleidern von Sarsche, und einem Rock von grünem Berkan mit goldnen
Balletten. Die Weste dazu, von Goldstoff, war aus meines Vaters Bräutigamsweste
geschnitten. Ich war frisiert und gepudert, die Locken standen mir wie
Flügelchen vom Kopfe; aber ich konnte mit dem Anziehen nicht fertig
werden, weil ich immer die Kleidungsstücke verwechselte, und weil mir
immer das erste vom Leibe fiel, wenn ich das zweite umzunehmen gedachte.
In dieser großen Verlegenheit trat ein junger schöner Mann zu mir und
begrüßte mich aufs freundlichste. "Ei, seid mir willkommen!
" sagte ich, "es ist mir ja gar lieb, daß ich Euch hier sehe.
" - "Kennt Ihr mich denn? " versetzte jener lächelnd. -
"Warum nicht? " war meine gleichfalls lächelnde Antwort.
"Ihr seid Merkur, und ich habe Euch oft genug abgebildet gesehen.
" - "Das bin ich ", sagte jener, "und von den Göttern
mit einem wichtigen Auftrag an dich gesandt, siehst du diese drei Äpfel?
" - Er reichte seine Hand her und zeigte mir drei Äpfel, die sie
kaum fassen konnte, und die ebenso wundersam schön als groß waren, und
zwar der eine von roter, der andere von gelber, der dritte von grüner
Farbe. Man mußte sie für Edelsteine halten, denen man die Form von Früchten
gegeben. Ich wollte darnach greifen; er aber zog zurück und sagte:
"Du mußt erst wissen, daß sie nicht für dich sind. Du sollst sie
den drei schönsten jungen Leuten von der Stadt geben, welche sodann,
jeder nach seinem Lose, Gattinnen finden sollen, wie sie solche nur wünschen
können. Nimm, und mach deine Sachen gut! " sagte er scheidend und
gab mir die Äpfel in meine offnen Hände; sie schienen mir noch größer
geworden zu sein. Ich hielt sie darauf in die Höhe, gegen das Licht,
und fand sie ganz durchsichtig; aber gar bald zogen sie sich aufwärts
in die Länge und wurden zu drei schönen, schönen Frauenzimmerchen in
mäßiger Puppengröße, deren Kleider von der Farbe der vorherigen Äpfel
waren. So gleiteten sie sacht an meinen Fingern hinauf, und als ich nach
ihnen haschen wollte um wenigstens eine festzuhalten, schwebten sie
schon weit in der Höhe und Ferne, daß ich nichts als das Nachsehen
hatte. Ich stand ganz verwundert und versteinert da, hatte die Hände
noch in der Höhe und beguckte meine Finger, als wäre daran etwas zu
sehen gewesen. Aber mit einmal erblickte ich auf meinen Fingerspitzen
ein allerliebstes Mädchen herumtanzen, kleiner als jene, aber gar
niedlich und munter; und weil sie nicht wie die andern fortflog, sondern
verweilte, und bald auf diese bald auf jene Fingerspitze tanzend hin und
her trat, so sah ich ihr eine Zeitlang verwundert zu. Da sie mir aber
gar so wohl gefiel, glaubte ich sie endlich haschen zu können und
dachte geschickt genug zuzugreifen; allein in dem Augenblick fühlte ich
einen Schlag an den Kopf, so daß ich ganz betäubt niederfiel, und aus
dieser Betäubung nicht eher erwachte, als bis es Zeit war mich
anzuziehen und in die Kirche zu gehen. Unter
dem Gottesdienst wiederholte ich mir jene Bilder oft genug; auch am großelterlichen
Tische, wo ich zu Mittag speiste. Nachmittags wollte ich einige Freunde
besuchen, sowohl um mich in meiner neuen Kleidung, den Hut unter dem Arm
und den Degen an der Seite, sehen zu lassen, als auch weil ich ihnen
Besuche schuldig war. Ich fand niemanden zu Hause, und da ich hörte, daß
sie in die Gärten gegangen, so gedachte ich ihnen zu folgen und den
Abend vergnügt zuzubringen. Mein Weg führte mich den Zwinger hin, und
ich kam in die Gegend, welche mit Recht den Namen "schlimme Mauer
" führt: denn es ist dort niemals ganz geheuer. Ich ging nur
langsam und dachte an meine drei Göttinnen, besonders aber an die
kleine Nymphe, und hielt meine Finger manchmal in die Höhe, in
Hoffnung, sie würde so artig sein, wieder darauf zu balancieren. In
diesen Gedanken Vorwärts gehend erblickte ich, linker Hand, in der
Mauer ein Pförtchen, das ich mich nicht erinnerte je gesehen zu haben.
Es schien niedrig, aber der Spitzbogen drüber hätte den größten Mann
hindurch gelassen. Bogen und Gewände waren aufs zierlichste vom
Steinmetz und Bildhauer ausgemeißelt, die Türe selbst aber zog erst
recht meine Aufmerksamkeit an sich. Braunes uraltes Holz, nur wenig
verziert, war mit breiten, sowohl erhaben als vertieft gearbeiteten Bändern
von Erz beschlagen, deren Laubwerk, worin die natürlichsten Vögel saßen,
ich nicht genug bewundern konnte. Doch was mir das Merkwürdigste
schien, kein Schlüsselloch war zu sehen, keine Klinke, kein Klopfer,
und ich vermutete daraus, daß diese Türe nur von innen aufgemacht
werde. Ich hatte mich nicht geirrt: denn als ich ihr näher trat, um die
Zieraten zu befühlen, tat sie sich hineinwärts auf, und es erschien
ein Mann, dessen Kleidung etwas Langes, Weites und Sonderbares hatte.
Auch ein ehrwürdiger Bart umwölkte sein Kinn; daher ich ihn für einen
Juden zu halten geneigt war. Er aber, eben als wenn er meine Gedanken
erraten hätte, machte das Zeichen des heiligen Kreuzes, wodurch er mir
zu erkennen gab, daß er ein guter katholischer Christ sei. -
"Junger Herr, wie kommt Ihr hierher, und was macht Ihr da? "
sagte er mit freundlicher Stimme und Gebärde. - "Ich bewundre
", versetzte ich, "die Arbeit dieser Pforte: denn ich habe
dergleichen noch niemals gesehen; es müßte denn sein auf kleinen Stücken
in den Kunstsammlungen der Liebhaber. " - "Es freut mich
", versetzte er darauf, "daß Ihr solche Arbeit liebt.
Inwendig ist die Pforte noch viel schöner: tretet herein, wenn es Euch
gefällt. " Mir war bei der Sache nicht ganz wohl zu Mute. Die
wunderliche Kleidung des Pförtners, die Abgelegenheit und ein sonst ich
weiß nicht was, das in der Luft zu liegen schien, beklemmte mich. Ich
verweilte daher, unter dem Vorwunde, die Außenseite noch länger zu
betrachten, und blickte dabei verstohlen in den Garten: denn ein Garten
war es, der sich vor mir eröffnet hatte. Gleich hinter der Pforte sah
ich einen großen beschatteten Platz; alte Linden, regelmäßig von
einander abstehend, bedeckten ihn völlig mit ihren dicht in einander
greifenden Ästen, so daß die zahlreichsten Gesellschaften in der größten
Tageshitze sich darunter hätten erquicken können, schon war ich auf
die Schwelle getreten, und der Alte wußte mich immer um einen Schritt
weiter zu locken. Ich widerstand auch eigentlich nicht: denn ich hatte
jederzeit gehört, daß ein Prinz oder Sultan in solchem Falle niemals
fragen müsse, ob Gefahr vorhanden sei. Hatte ich doch auch meinen Degen
an der Seite; und sollte ich mit dem Alten nicht fertig werden, wenn er
sich feindlich erweisen wollte? Ich trat also ganz gesichert hinein; der
Pförtner drückte die Türe zu, die so leise einschnappte, daß ich es
kaum spürte. Nun zeigte er mir die inwendig angebrachte, wirklich noch
viel kunstreichere Arbeit, legte sie mir aus, und bewies mir dabei ein
besonderes Wohlwollen. Hiedurch nun völlig beruhigt, ließ ich mich in
dem belaubten Raume an der Mauer, die sich ins Runde zog, weiter führen,
und fand manches an ihr zu bewundern. Nischen, mit Muscheln, Korallen
und Metallstufen künstlich ausgeziert, gaben aus Tritonenmäulern
reichliches Wasser in marmorne Becken; dazwischen waren Vogelhäuser
angebracht und andre Vergitterungen, worin Eichhörnchen herumhüpften,
Meerschweinchen hin und wider liefen, und was man nur sonst von artigen
Geschöpfen wünschen kann. Die Vögel riefen und sangen uns an, wie wir
vorschritten; die Stare besonders schwätzten das närrischste Zeug; der
eine rief immer: "Paris, Paris ", und der andre: "Narziß,
Narziß ", so deutlich, als es ein Schulknabe nur aussprechen kann.
Der Alte schien mich immer ernsthaft anzusehen, indem die Vögel dieses
riefen; ich tat aber nicht, als wenn ich's merkte, und hatte auch
wirklich nicht Zeit, auf ihn Acht zu geben: denn ich konnte wohl gewahr
werden, daß wir in die Runde gingen, und daß dieser beschattete Raum
eigentlich ein großer Kreis sei, der einen andern viel bedeutendern
umschließe. Wir waren auch wirklich wieder bis ans Pförtchen gelangt,
und es schien, als wenn der Alte mich hinauslassen wolle; allein meine
Augen blieben auf ein goldnes Gitter gerichtet, welches die Mitte dieses
wunderbaren Gartens zu umzäunen schien, und das ich auf unserm Gange
hinlänglich zu beobachten Gelegenheit fand, ob mich der Alte gleich
immer an der Mauer und also ziemlich entfernt von der Mitte zu halten wußte.
Als er nun eben auf das Pförtchen losging, sagte ich zu ihm, mit einer
Vorbeugung: "Ihr seid so äußerst gefällig gegen mich gewesen, daß
ich wohl noch eine Bitte wagen möchte, ehe ich von Euch scheide. Dürfte
ich nicht jenes goldne Gitter näher besehen, das in einem sehr weiten
Kreise das Innere des Gartens einzuschließen scheint? "-
"Recht gern ", versetzte jener; "aber sodann müßt Ihr
Euch einigen Bedingungen unterwerfen. " - "Worin bestehen sie?
" fragte ich hastig. - "Ihr müßt Euren Hut und Degen hier
zurücklassen, und dürft mir nicht von der Hand, indem ich Euch
begleite. "- "Herzlich gern! " erwiderte ich, und legte
Hut und Degen auf die erste beste steinerne Bank. Sogleich ergriff er
mit seiner Rechten meine Linke, hielt sie fest, und führte mich mit
einiger Gewalt gerade vorwärts. Als wir ans Gitter kamen, verwandelte
sich meine Verwunderung in Erstaunen: so etwas hatte ich nie gesehen.
Auf einem hohen Sockel von Marmor standen unzählige Spieße und
Partisanen neben einander gereiht, die durch ihre seltsam verzierten
oberen Enden zusammenhingen und einen ganzen Kreis bildeten. Ich schaute
durch die Zwischenräume, und sah gleich dahinter ein sanft fließendes
Wasser, auf beiden Seiten mit Marmor eingefaßt, das in seinen klaren
Tiefen eine große Anzahl von Gold- und Silberfischen sehen ließ, die
sich bald sachte bald geschwind, bald einzeln bald zugweise hin und her
bewegten. Nun hätte ich aber auch gern über den Kanal gesehen, um zu
erfahren, wie es in dem Herzen des Gartens beschaffen sei; allein da
fand ich zu meiner großen Betrübnis, daß an der Gegenseite das Wasser
mit einem gleichen Gitter eingefaßt war, und zwar so künstlicher
Weise, daß auf einen Zwischenraum diesseits gerade ein Spieß oder eine
Partisane jenseits paßte, und man also, die übrigen Zieraten
mitgerechnet, nicht hindurchsehen konnte, man mochte sich stellen, wie
man wollte. Überdies hinderte mich der Alte, der mich noch immer
festhielt, daß ich mich nicht frei bewegen konnte. Meine Neugier wuchs
indes, nach allem, was ich gesehen, immer mehr, und ich nahm mir ein
Herz, den Alten zu fragen, ob man nicht auch hinüber kommen könne. -
"Warum nicht? " versetzte jener; "aber auf neue
Bedingungen. " - Als ich nach diesen fragte, gab er mir zu
erkennen, daß ich mich umkleiden müsse. Ich war es sehr zufrieden; er
führte mich zurück nach der Mauer in einen kleinen reinlichen Saal, an
dessen Wänden mancherlei Kleidungen hingen, die sich sämtlich dem
orientalischen Kostüm zu nähern schienen. Ich war geschwind
umgekleidet; er streifte meine gepuderten Haare unter ein buntes Netz,
nachdem er sie zu meinem Entsetzen gewaltig ausgestäubt hatte. Nun fand
ich mich vor einem großen Spiegel in meiner Vermummung gar hübsch, und
gefiel mir besser als in meinem steifen Sonntagskleide. Ich machte
einige Gebärden und Sprünge, wie ich sie von den Tänzern auf dem Meßtheater
gesehen hatte. Unter diesem sah ich in den Spiegel und erblickte zufällig
das Bild einer hinter mir befindlichen Nische. Auf ihrem weißen Grunde
hingen drei grüne Strickchen, jedes in sich auf eine Weise
verschlungen, die mir in der Ferne nicht deutlich werden wollte. Ich
kehrte mich daher etwas hastig um, und fragte den Alten nach der Nische
so wie nach den Strickchen. Er, ganz gefällig, holte eins herunter und
zeigte es mir. Es war eine grünseidene Schnur von mäßiger Stärke,
deren beide Enden, durch ein zwiefach durchschnittenes grünes Leder
geschlungen, ihr das Ansehn gaben, als sei es ein Werkzeug zu einem eben
nicht sehr erwünschten Gebrauch. Die Sache schien mir bedenklich, und
ich fragte den Alten nach der Bedeutung. Er antwortete mir ganz gelassen
und gütig: es sei dieses für diejenigen, welche das Vertrauen mißbrauchten,
das man ihnen hier zu schenken bereit sei. Er hing die Schnur wieder an
ihre Stelle und verlangte sogleich, daß ich ihm folgen solle: denn
diesmal faßte er mich nicht an, und so ging ich frei neben ihm her. Meine
größte Neugier war nunmehr, wo die Türe, wo die Brücke sein möchte,
um durch das Gitter, um über den Kanal zu kommen: denn ich hatte
dergleichen bis jetzt noch nicht ausfindig machen können. Ich
betrachtete daher die goldene Umzäunung sehr genau, als wir darauf
zueilten; allein augenblicklich verging mir das Gesicht: denn unerwartet
begannen Spieße, Speere, Hellebarden, Partisanen sich zu rütteln und
zu schütteln, und diese seltsame Bewegung endigte damit, daß die sämtlichen
Spitzen sich gegen einander senkten, eben als wenn zwei altertümliche,
mit Piken bewaffnete Heerhaufen gegen einander losgehen wollten. Die
Verwirrung fürs Auge, das Geklirr für die Ohren war kaum zu ertragen,
aber unendlich überraschend der Anblick, als sie völlig niedergelassen
den Kreis des Kanals bedeckten und die herrlichste Brücke bildeten, die
man sich denken kann: denn nun lag das bunteste Gartenparterre vor
meinem Blick. Es war in verschlungene Beete geteilt, welche zusammen
betrachtet ein Labyrinth von Zieraten bildeten; alle mit grünen
Einfassungen von einer niedrigen, wollig wachsenden Pflanze, die ich nie
gesehen; alle mit Blumen, jede Abteilung von verschiedener Farbe, die,
ebenfalls niedrig und am Boden, den vorgezeichneten Grundriß leicht
verfolgen ließen. Dieser köstliche Anblick, den ich in vollem
Sonnenschein genoß, fesselte ganz meine Augen; aber ich wußte fast
nicht, wo ich den Fuß hinsetzen sollte: denn die schlängelnden Wege
waren aufs reinlichste von blauem Sande gezogen, der einen dunklem
Himmel, oder einen Himmel im Wasser, an der Erde zu bilden schien; und
so ging ich, die Augen auf den Boden gerichtet, eine Zeitlang, neben
meinem Führer, bis ich zuletzt gewahr werd, daß in der Mitte von
diesem Beeten- und Blumenrund ein großer Kreis von Zypressen oder
pappelartigen Bäumen stand, durch den man nicht hindurchsehen konnte,
weil die untersten Zweige aus der Erde hervorzutreiben schienen. Mein Führer,
ohne mich gerade auf den nächsten Weg zu drängen, leitete mich doch
unmittelbar nach jener Mitte, und wie war ich überrascht, als ich, in
den Kreis der hohen Bäume tretend, die Säulenhalle eines köstlichen
Gartengebäudes vor mir sah, das nach den übrigen Seiten hin ähnliche
Ansichten und Eingänge zu haben schien. Noch mehr aber als dieses
Muster der Baukunst entzückte mich eine himmlische Musik, die aus dem
Gebäude hervordrang. Bald glaubte ich eine Laute, bald eine Harfe, bald
eine Zither zu hören, und bald noch etwas Klimperndes, das keinem von
diesen drei Instrumenten gemäß war. Die Pforte, auf die wir zugingen,
eröffnete sich bald nach einer leisen Berührung des Alten; aber wie
erstaunt war ich, als die heraustretende Pförtnerin ganz vollkommen dem
niedlichen Mädchen glich, das mir im Traume auf den Fingern getanzt
hatte, sie grüßte mich auch auf eine Weise, als wenn wir schon bekannt
wären, und bat mich hereinzutreten. Der Alte blieb zurück, und ich
ging mit ihr durch einen gewölbten und schön verzierten kurzen Gang
nach dem Mittelsaal, dessen herrliche domartige Höhe beim Eintritt
meinen Blick auf sich zog und mich in Verwunderung setzte. Doch konnte
mein Auge nicht lange dort verweilen, denn es ward durch ein reizenderes
Schauspiel herabgelockt. Auf einem Teppich, gerade unter der Mitte der
Kuppel, saßen drei Frauenzimmer im Dreieck, in drei verschiedene Farben
gekleidet, die eine rot, die andre gelb, die dritte grün; die Sessel
waren vergoldet, und der Teppich ein vollkommenes Blumenbeet. In ihren
Armen lagen die drei Instrumente, die ich draußen hatte unter scheiden
können: denn durch meine Ankunft gestört, hatten sie mit Spielen inne
gehalten. - "Seid uns willkommen! " sagte die mittlere, die nämlich,
welche mit dem Gesicht nach der Türe saß, im roten Kleide und mit der
Harfe. "setzt Euch zu Alerten und hört zu, wenn Ihr Liebhaber von
der Musik seid. " Nun sah ich erst, daß unten quervor ein ziemlich
langes Bänkchen stand, worauf eine Mandoline lag. Das artige Mädchen
nahm sie auf, setzte sich und zog mich an ihre Seite. Jetzt betrachtete
ich auch die zweite Dame zu meiner Rechten; sie hatte das gelbe Kleid
an, und eine Zither in der Hand; und wenn jene Harfenspielerin
ansehnlich von Gestalt, groß von Gesichtszügen, und in ihrem Betragen
majestätisch war, so konnte man der Zitherspielerin ein leicht
anmutiges heitres Wesen anmerken, sie war eine schlanke Blondine, da
jene dunkelbraunes Haar schmückte. Die
Mannigfaltigkeit und Übereinstimmung ihrer Musik konnte mich nicht
abhalten, nun auch die dritte Schönheit im grünen Gewande zu
betrachten, deren Lautenspiel etwas Rührendes und zugleich Auffallendes
für mich hatte. Sie war diejenige, die am meisten auf mich Acht zu
geben und ihr Spiel an mich zu richten schien; nur konnte ich aus ihr
nicht klug werden: denn sie kam mir bald zärtlich, bald wunderlich,
bald offen, bald eigensinnig vor, je nachdem sie die Mienen und ihr
Spiel veränderte. Bald schien sie mich rühren, bald mich necken zu
wollen. Doch mochte sie sich stellen wie sie wollte, so gewann sie mir
wenig ab: denn meine kleine Nachbarin, mit der ich Ellbogen an Ellbogen
saß, hatte mich ganz für sich eingenommen; und wenn ich in jenen drei
Damen ganz deutlich die Sylphiden meines Traums und die Farben der Äpfel
erblickte, so begriff ich wohl, daß ich keine Ursache hätte, sie
festzuhalten. Die artige Kleine hätte ich lieber angepackt, wenn mir
nur nicht der Schlag, den sie mir im Traume versetzt hatte, gar zu
erinnerlich gewesen wäre. Sie hielt sich bisher mit ihrer Mandoline
ganz ruhig, als aber ihre Gebieterinnen aufgehört hatten, so befahlen
sie ihr, einige lustige Stückchen zum besten zu geben. Kaum hatte sie
einige Tanzmelodien gar aufregend abgeklimpert, so sprang sie in die Höhe;
ich tat das gleiche, sie spielte und tanzte; ich ward hingerissen, ihre
Schritte zu begleiten, und wir führten eine Art von kleinem Ballett
auf, womit die Damen zufrieden zu sein schienen: denn sobald wir
geendigt, befahlen sie der Kleinen, mich derweil mit etwas Gutem zu
erquicken, bis das Nachtessen herankäme. Ich hatte freilich vergessen,
daß außer diesem Paradiese noch etwas anderes in der Welt wäre.
Alerte führte mich sogleich in den Gang zurück, durch den ich
hereingekommen war. An der Seite hatte sie zwei wohleingerichtete
Zimmer; in dem einen, wo sie wohnte, setzte sie mir Orangen, Feigen,
Pfirschen und Trauben vor, und ich genoß sowohl die Früchte fremder Länder,
als auch die der erst kommenden Monate mit großem Appetit. Zuckerwerk
war im Überfluß, auch füllte sie einen Pokal von geschliffnem
Kristall mit schäumendem Wein: doch zu trinken bedurfte ich nicht, denn
ich hatte mich an den Früchten hinreichend gelabt. - "Nun wollen
wir spielen ", sagte sie und führte mich in das andere Zimmer.
Hier sah es nun aus wie auf einem Christmarkt; aber so kostbare und
feine Sachen hat man niemals in einer Weihnachtsbude gesehen. Da waren
alle Arten von Puppen, Puppenkleidern und Puppengerätschaften; Küchen,
Wohnstuben und Läden; und einzelne Spielsachen in Unzahl, sie führte
mich an allen Glasschränken herum: denn in solchen waren diese künstlichen
Arbeiten aufbewahrt. Die ersten Schränke verschloß sie aber bald
wieder und sagte: "Das ist nichts für Euch, ich weiß es wohl.
Hier aber ", sagte sie, "könnten wir Baumaterialien finden,
Mauern und Türme, Häuser, Paläste, Kirchen, um eine große Stadt
zusammenzustellen. Das unterhält mich aber nicht; wir wollen zu etwas
anderem greifen, das für Euch und mich gleich vergnüglich ist. "
- Sie brachte darauf einige Kasten hervor, in denen ich kleines
Kriegsvolk über einander geschichtet erblickte, von dem ich sogleich
bekennen mußte, daß ich niemals so etwas Schönes gesehen hätte. Sie
ließ mir die Zeit nicht, das einzelne näher zu betrachten, sondern
nahm den einen Kasten unter den Arm, und ich packte den andern auf.
"Wir wollen auf die goldne Brücke gehen ", sagte sie;
"dort spielt sich's am besten mit Soldaten: die Spieße geben
gleich die Richtung, wie man die Armeen gegen einander zu stellen hat.
" Nun waren wir auf dem goldnen schwankenden Boden angelangt; unter
mir hörte ich das Wasser rieseln und die Fische plätschern, indem ich
niederkniete, meine Linien aufzustellen. Es war alles Reiterei, wie ich
nunmehr sah, sie rühmte sich, die Königin der Amazonen zum Führer
ihres weiblichen Heeres zu besitzen; ich dagegen fand den Achill und
eine sehr stattliche griechische Reiterei. Die Heere standen gegen
einander, und man konnte nichts Schöneres sehen. Es waren nicht etwa
flache bleierne Reiter, wie die unsrigen, sondern Mann und Pferd rund
und körperlich, und auf das feinste gearbeitet; auch konnte man kaum
begreifen, wie sie sich im Gleichgewicht hielten: denn sie standen für
sich, ohne ein Fußbrettchen zu haben. Wir
hatten nun jedes mit großer Selbstzufriedenheit unsere Heerhaufen
beschaut, als sie mir den Angriff verkündigte. Wir hatten auch Geschütz
in unsern Kästen gefunden; es waren nämlich Schachteln voll kleiner
wohlpolierter Achatkugeln. Mit diesen sollten wir aus einer gewissen
Entfernung gegen einander kämpfen, wobei jedoch ausdrücklich bedungen
war, daß nicht stärker geworfen werde, als nötig sei, die Figuren
umzustürzen: denn beschädigt sollte keine werden. Wechselseitig ging
nun die Kanonade los, und im Anfang wirkte sie zu unser beider
Zufriedenheit. Allein als meine Gegnerin bemerkte, daß ich doch besser
zielte als sie, und zuletzt den Sieg, der von der Überzahl der
Stehngebliebenen abhing, gewinnen möchte, trat sie näher, und ihr mädchenhaftes
Werfen hatte denn auch den erwünschten Erfolg, sie streckte mir eine
Menge meiner besten Truppen nieder, und je mehr ich protestierte, desto
eifriger warf sie. Dies verdroß mich zuletzt, und ich erklärte, daß
ich ein gleiches tun würde. Ich trat auch wirklich nicht allein näher
heran, sondern warf im Unmut viel heftiger, da es denn nicht lange währte,
als ein paar ihrer kleinen Zentaurinnen in Stücke sprangen. In ihrem
Eifer bemerkte sie es nicht gleich; aber ich stand versteinert, als die
zerbrochnen Figürchen sich von selbst wieder zusammenfügten, Amazone
und Pferd wieder ein Ganzes, auch zugleich völlig lebendig wurden, im
Galopp von der goldnen Brücke unter die Linden setzten, und, in
Karriere hin und wider rennend, sich endlich gegen die Mauer, ich weiß
nicht wie, verloren. Meine schöne Gegnerin war das kaum gewahr worden,
als sie in ein lautes Weinen und Jammern ausbrach und rief: daß ich ihr
einen unersetzlichen Verlust zugefügt, der weit größer sei, als es
sich aussprechen lasse. Ich aber, der ich schon erbost war, freute mich
ihr etwas zu Leide zu tun, und warf noch ein paar mir übrig gebliebene
Achatkugeln blindlings mit Gewalt unter ihren Heerhaufen. Unglücklicherweise
traf ich die Königin, die bisher bei unserm regelmäßigen Spiel
ausgenommen gewesen. Sie sprang in Stücken, und ihre nächsten
Adjutanten wurden auch zerschmettert; aber schnell stellten sie sich
wieder her und nahmen Reißaus wie die ersten, galoppierten sehr lustig
unter den Linden herum und verloren sich gegen die Mauer. Meine
Gegnerin schalt und schimpfte; ich aber, nun einmal im Gange, bückte
mich, einige Achatkugeln aufzuheben, welche an den goldnen Spießen
herumrollten. Mein ergrimmter Wunsch war, ihr ganzes Heer zu vernichten;
sie dagegen, nicht faul, sprang auf mich los und gab mir eine Ohrfeige,
daß der Kopf summte. Ich, der ich immer gehört hatte, auf die Ohrfeige
eines Mädchens gehöre ein derber Kuß, faßte sie bei den Ohren und küßte
sie zu wiederholten Malen. Sie aber tat einen solchen durchdringenden
Schrei, der mich selbst erschreckte; ich ließ sie fahren, und das war
mein Glück: denn in dem Augenblick wußte ich nicht, wie mir geschah.
Der Boden unter mir fing an zu beben und zu rasseln; ich merkte
geschwind, daß sich die Gitter wieder in Bewegung setzten: allein ich
hatte nicht Zeit zu überlegen, noch konnte ich Fuß fassen, um zu
fliehen. Ich fürchtete jeden Augenblick gespießt zu werden: denn die
Partisanen und Lanzen, die sich aufrichteten, zerschlitzten mir schon
die Kleider; genug, ich weiß nicht, wie mir geschah, mir verging Hören
und Sehen, und ich erholte mich aus meiner Betäubung, von meinem
Schrecken am Fuß einer Linde, wider den mich das aufschnellende Gitter
geworfen hatte. Mit dem Erwachen erwachte auch meine Bosheit, die sich
noch heftig vermehrte, als ich von drüben die Spottworte und das Gelächter
meiner Gegnerin vernahm, die an der andern Seite, etwas gelinder als
ich, mochte zur Erde gekommen sein. Daher sprang ich auf, und als ich
rings um mich das kleine Heer nebst seinem Anführer Achill, welche das
auffahrende Gitter mit mir herüber geschnellt hatte, zerstreut sah,
ergriff ich den Helden zuerst und warf ihn wider einen Baum. Seine
Wiederherstellung und seine Flucht gefielen mir nun doppelt, weil sich
die Schadenfreude zu dem artigsten Anblick von der Welt gesellte, und
ich war im Begriff, die sämtlichen Griechen ihm nachzuschicken, als auf
einmal zischende Wasser von allen Seiten her, aus Steinen und Mauern,
aus Boden und Zweigen hervorsprühten, und, wo ich mich hinwendete,
kreuzweise auf mich lospeitschten. Mein leichtes Gewand war in kurzer
Zeit völlig durchnäßt; zerschlitzt war es schon, und ich säumte
nicht, es mir ganz vom Leibe zu reißen. Die Pantoffeln warf ich von
mir, und so eine Hülle nach der andern; ja ich fand es endlich bei dem
warmen Tage sehr angenehm, ein solches Strahlbad über mich ergehen zu
lassen. Ganz nackt schritt ich nun gravitätisch zwischen diesen
willkommnen Gewässern einher, und dachte, mich lange so wohl befinden
zu können. Mein Zorn verkühlte sich, und ich wünschte nichts mehr als
eine Versöhnung mit meiner kleinen Gegnerin. Doch in einem Nu
schnappten die Wasser ab, und ich stand nun feucht auf einem durchnäßten
Boden. Die Gegenwart des alten Mannes, der unvermutet vor mich trat, war
mir keineswegs willkommen; ich hätte gewünscht, mich, wo nicht
verbergen, doch wenigstens verhüllen zu können. Die Beschämung, der
Frostschauer, das Bestreben, mich einigermaßen zu bedecken, ließen
mich eine höchst erbärmliche Figur spielen; der Alte benutzte den
Augenblick, um mir die größesten Vorwürfe zu machen. "Was
hindert mich ", rief er aus, "daß ich nicht eine der grünen
Schnuren ergreife und sie, wo nicht Eurem Hals, doch Eurem Rücken
anmesse! " Diese Drohung nahm ich höchst übel. "Hütet Euch
", rief ich aus, "vor solchen Worten, ja nur vor solchen
Gedanken: denn sonst seid Ihr und Eure Gebieterinnen verloren! " -
"Wer bist denn du ", fragte er trutzig, "daß du so reden
darfst? " - "Ein Liebling der Götter ", sagte ich,
"von dem es abhängt, ob jene Frauenzimmer würdige Gatten finden
und ein glückliches Leben führen sollen, oder ob er sie will in ihrem
Zauberkloster verschmachten und veralten lassen. " - Der Alte trat
einige Schritte zurück. "Wer hat dir das offenbart? " fragte
er erstaunt und bedenklich. - "Drei Äpfel ", sagte ich,
"drei Juwelen. " - "Und was verlangst du zum Lohn? "
rief er aus. - "Vor allen Dingen das kleine Geschöpf ",
versetzte ich, "die mich in diesen verwünschten Zustand gebracht
hat. " - Der Alte warf sich vor mir nieder, ohne sich vor der noch
feuchten und schlammigen Erde zu scheuen; dann stand er auf, ohne
benetzt zu sein, nahm mich freundlich bei der Hand, führte mich in
jenen Saal, kleidete mich behend wieder an, und bald war ich wieder
sonntägig geputzt und frisiert wie vorher. Der Pförtner sprach kein
Wort weiter aber ehe er mich über die Schwelle ließ, hielt er mich an,
und deutete mir auf einige Gegenstände an der Mauer drüben über den
Weg, indem er zugleich rückwärts auf das Pförtchen zeigte. Ich
verstand ihn wohl, er wollte nämlich, daß ich mir die Gegenstände
einprägen möchte, um das Pförtchen desto gewisser wieder zu finden,
welches sich unversehens hinter mir zuschloß. Ich merkte mir nun wohl,
was mir gegenüber stand. Über eine hohe Mauer ragten die Äste uralter
Nußbäume herüber, und bedeckten zum Teil das Gesims, womit sie
endigte. Die Zweige reichten bis an eine steinerne Tafel, deren
verzierte Einfassung ich wohl erkennen, deren Inschrift ich aber nicht
lesen konnte. Sie ruhte auf dem Kragstein einer Nische, in welcher ein künstlich
gearbeiteter Brunnen, von Schale zu Schale, Wasser in ein großes Becken
goß, das wie einen kleinen Teich bildete und sich in die Erde verlor.
Brunnen, Inschrift, Nußbäume alles stand senkrecht über einander; ich
wollte es malen, wie ich es gesehn habe. Nun
läßt sich wohl denken, wie ich diesen Abend und manchen folgenden Tag
zubrachte, und wie oft ich mir diese Geschichten, die ich kaum selbst
glauben konnte wiederholte. Sobald mir's nur irgend möglich war, ging
ich wieder zur "schlimmen Mauer ", um wenigstens jene
Merkzeichen im Gedächtnis anzufrischen und das köstliche Pförtchen zu
beschauen. Allein zu meinem größten Erstaunen fand ich alles verändert.
Nußbäume ragten wohl über die Mauer, aber sie standen nicht
unmittelbar neben einander. Eine Tafel war auch eingemauert, aber von
den Bäumen weit rechts, ohne Verzierung, und mit einer leserlichen
Inschrift. Eine Nische mit einem Brunnen findet sich weit links, der
aber jenem, den ich gesehen, durchaus nicht zu vergleichen ist; so daß
ich beinahe glauben muß, das zweite Abenteuer sei so gut als das erste
ein Traum gewesen: denn von dem Pförtchen findet sich überhaupt gar
keine Spur. Das einzige, was mich tröstet, ist die Bemerkung, daß jene
drei Gegenstände stets den Ort zu verändern scheinen: denn bei
wiederholtem Besuch jener Gegend glaube ich bemerkt zu haben, daß die
Nußbäume etwas zusammenrücken, und daß Tafel und Brunnen sich
ebenfalls zu nähern scheinen. Wahrscheinlich, wenn alles wieder
zusammentrifft, wird auch die Pforte von neuem sichtbar sein, und ich
werde mein mögliches tun, das Abenteuer wieder anzuknüpfen. Ob ich
euch erzählen kann, was weiter begegnet, oder ob es mir ausdrücklich
verboten wird, weiß ich nicht zu sagen. Dieses
Märchen, von dessen Wahrheit meine Gespielen sich leidenschaftlich zu
überzeugen trachteten, erhielt großen Beifall. Sie besuchten, jeder
allein, ohne es mir oder den andern zu vertrauen, den angedeuteten Ort,
fanden die Nußbäume, die Tafel und den Brunnen, aber immer entfernt
von einander: wie sie zuletzt bekannten, weil man in jenen Jahren nicht
gern ein Geheimnis verschweigen mag. Hier ging aber der Streit erst an.
Der eine versicherte: die Gegenstände rückten nicht vom Flecke und
blieben immer in gleicher Entfernung unter einander. Der zweite
behauptete: sie bewegten sich, aber sie entfernten sich von einander.
Mit diesem war der dritte über den ersten Punkt der Bewegung
einstimmig, doch schienen ihm Nußbäume, Tafel und Brunnen sich
vielmehr zu nähern. Der vierte wollte noch was Merkwürdigeres gesehen
haben: die Nußbäume nämlich in der Mitte, die Tafel aber und den
Brunnen auf den entgegengesetzten Seiten, als ich angegeben. In Absicht
auf die Spur des Pförtchens variierten sie auch. Und so gaben sie mir
ein frühes Beispiel, wie die Menschen von einer ganz einfachen und
leicht zu erörternden Sache die widersprechendsten Ansichten haben und
behaupten können. Als ich die Fortsetzung meines Märchens hartnäckig
verweigerte, ward dieser erste Teil öfters wieder begehrt. Ich hütete
mich, an den Umständen viel zu verändern, und durch die Gleichförmigkeit
meiner Erzählung verwandelte ich in den Gemütern meiner Zuhörer die
Fabel in Wahrheit. Übrigens
war ich den Lügen und der Verstellung abgeneigt, und überhaupt
keineswegs leichtsinnig; vielmehr zeigte sich der innere Ernst, mit dem
ich schon früh mich und die Welt betrachtete, auch in meinem Äußern,
und ich ward, oft freundlich, oft auch spöttisch, über eine gewisse Würde
berufen, die ich mir herausnahm. Denn ob es mir zwar an guten
ausgesuchten Freunden nicht fehlte, so waren wir doch immer die
Minderzahl gegen jene, die uns mit rohem Mutwillen anzufechten ein Vergnügen
fanden, und uns freilich oft sehr unsanft aus jenen märchenhaften
selbstgefälligen Träumen aufweckten, in die wir uns, ich erfindend und
meine Gespielen teilnehmend, nur allzugern verloren. Nun wurden wir
abermals gewahr, daß man, anstatt sich der Weichlichkeit und
phantastischen Vergnügungen hinzugeben, wohl eher Ursache habe, sich
abzuhärten, um die unvermeidlichen Übel entweder zu ertragen, oder
ihnen entgegen zu wirken. Unter
die Übungen des Stoizismus, den ich deshalb, so ernstlich als es einem
Knaben möglich ist, bei mir ausbildete, gehörten auch die Duldungen körperlicher
Leiden. Unsere Lehrer behandelten uns oft sehr unfreundlich und
ungeschickt mit Schlägen und Püffen, gegen die wir uns um so mehr verhärteten,
als Widersetzlichkeit oder Gegenwirkung aufs höchste verpönt war. Sehr
viele Scherze der Jugend beruhen auf einem Wettstreit solcher
Erfragungen: zum Beispiel, wenn man mit zwei Fingern oder der ganzen
Hand sich wechselsweise bis zur Betäubung der Glieder schlägt, oder
die bei gewissen Spielen verschuldeten Schläge mit mehr oder weniger
Gesetztheit aushält; wenn man sich beim Ringen und Balgen durch die
Kniffe der Halbüberwundenen nicht irre machen läßt; wenn man einen
aus Neckerei zugefügten Schmerz unterdrückt, ja selbst das Zwicken und
Kitzeln, womit junge Leute so geschäftig gegen einander sind, als etwas
Gleichgültiges behandelt. Dadurch setzt man sich in einen großen
Vorteil, der uns von andern so geschwind nicht abgewonnen wird. Da
ich jedoch von einem solchen Leidenstrotz gleichsam Profession machte,
so wuchsen die Zudringlichkeiten der andern; und wie eine unartige
Grausamkeit keine Grenzen kennt, so wußte sie mich doch aus meiner
Grenze hinauszutreiben. Ich erzähle einen Fall statt vieler. Der Lehrer
war eine Stunde nicht gekommen; solange wir Kinder alle beisammen waren,
unterhielten wir uns recht artig; als aber die mir wohlwollenden,
nachdem sie lange genug gewartet, hinweggingen, und ich mit drei mißwollenden
allein blieb, so dachten diese mich zu quälen, zu beschämen und zu
vertreiben, sie hatten mich einen Augenblick im Zimmer verlassen und
kamen mit Ruten zurück, die sie sich aus einem geschwind zerschnittenen
Besen verschafft hatten. Ich merkte ihre Absicht, und weil ich das Ende
der Stunde nahe glaubte, so setzte ich aus dem Stegreife bei mir fest,
mich bis zum Glockenschlage nicht zu wehren, sie fingen darauf
unbarmherzig an, mir die Beine und Waden auf das grausamste zu
peitschen. Ich rührte mich nicht, fühlte aber bald, daß ich mich
verrechnet hatte, und daß ein solcher Schmerz die Minuten sehr verlängert.
Mit der Duldung wuchs meine Wut, und mit dem ersten Stundenschlag fuhr
ich dem einen, der sich's am wenigsten versah, mit der Hand in die
Nackenhaare und stürzte ihn augenblicklich zu Boden, indem ich mit dem
Knie seinen Rücken drückte; den andern, einen Jüngeren und Schwächeren,
der mich von hinten anfiel, zog ich bei dem Kopfe durch den Arm und
erdrosselte ihn fast, indem ich ihn an mich preßte. Nun war der Letzte
noch übrig und nicht der Schwächste, und mir blieb nur die linke Hand
zu meiner Verteidigung. Allein ich ergriff ihn beim Kleide, und durch
eine geschickte Wendung von meiner Seite, durch eine übereilte von
seiner brachte ich ihn nieder und stieß ihn mit dem Gesicht gegen den
Boden, sie ließen es nicht an Beißen, Kratzen und Treten fehlen; aber
ich hatte nur meine Rache im Sinn und in den Gliedern. In dem Vorteil,
in dem ich mich befand, stieß ich sie wiederholt mit den Köpfen
zusammen, sie erhuben zuletzt ein entsetzliches Zetergeschrei, und wir
sahen uns bald von allen Hausgenossen umgeben. Die umhergestreuten Ruten
und meine Beine, die ich von den Strümpfen entblößte, zeugten bald für
mich. Man behielt sich die Strafe vor und ließ mich aus dem Hause; ich
erklärte aber, daß ich künftig bei der geringsten Beleidigung einem
oder dem andern die Augen auskratzen, die Ohren abreißen, wo nicht gar
ihn erdrosseln würde. Dieser
Vorfall, ob man ihn gleich, wie es in kindischen Dingen zu geschehen
pflegt, bald wieder vergaß und sogar belachte, war jedoch Ursache, daß
diese gemeinsamen Unterrichtsstunden seltner wurden und zuletzt ganz
aufhörten. Ich war also wieder wie vorher mehr ans Haus gebannt, wo ich
an meiner Schwester Cornelia, die nur ein Jahr weniger zählte als ich,
eine an Annehmlichkeit immer wachsende Gesellschafterin fand. Ich
will jedoch diesen Gegenstand nicht verlassen, ohne noch einige
Geschichten zu erzählen, wie mancherlei Unangenehmes mir von meinen
Gespielen begegnet: denn das ist ja eben das Lehrreiche solcher
sittlichen Mitteilungen, daß der Mensch erfahre, wie es andern
ergangen, und was auch er vom Leben zu erwarten habe, und daß er, es
mag sich ereignen was will, bedenke, dieses widerfahre ihm als Menschen
und nicht als einem besonders Glücklichen oder Unglücklichen. Nützt
ein solches Wissen nicht viel, um die Übel zu vermeiden, so ist es doch
sehr dienlich, daß wir uns in die Zustände finden, sie ertragen, ja
sie überwinden lernen. Noch
eine allgemeine Bemerkung steht hier an der rechten Stelle, daß nämlich
bei dem Emporwachsen der Kinder aus den gesitteten Ständen ein sehr großer
Widerspruch zum Vorschein kommt, ich meine den, daß sie von Eltern und
Lehrern angemahnt und angeleitet werden, sich mäßig, verständig, ja
vernünftig zu betragen, niemanden aus Mutwillen oder Übermut ein Leids
zuzufügen und alle gehässigen Regungen, die sich an ihnen entwickeln möchten,
zu unterdrücken; daß nun aber im Gegenteil, während die jungen Geschöpfe
mit einer solchen Übung beschäftigt sind, sie von andern das zu leiden
haben, was an ihnen gescholten wird und höchlich verpönt ist. Dadurch
kommen die armen Wesen zwischen dem Naturzustande und dem der
Zivilisation gar erbärmlich in die Klemme, und werden, je nachdem die
Charakter sind, entweder tückisch, oder gewaltsam aufbrausend, wenn sie
eine Zeitlang an sich gehalten haben. Gewalt ist eher mit Gewalt zu
vertreiben; aber ein gut gesinntes, zur Liebe und Teilnahme geneigtes
Kind weiß dem Hohn und dem bösen Willen wenig entgegenzusetzen. Wenn
ich die Tätlichkeiten meiner Gesellen so ziemlich abzuhalten wußte, so
war ich doch keineswegs ihren Sticheleien und Mißreden gewachsen, weil
in solchen Fällen derjenige, der sich verteidigt, immer verlieren muß.
Es wurden also auch Angriffe dieser Art, insofern sie zum Zorn reizten,
mit physischen Kräften zurückgewiesen, oder sie regten wundersame
Betrachtungen in mir auf, die denn nicht ohne Folgen bleiben konnten.
Unter andern Vorzügen mißgönnten mir die Übelwollenden auch, daß
ich mir in einem Verhältnis gefiel, welches aus dem Schultheißenamt
meines Großvaters für die Familie entsprang: denn indem er als der
Erste unter seinesgleichen dastand, hatte dieses doch auch auf die
Seinigen nicht geringen Einfluß. Und als ich mir einmal nach gehaltenem
Pfeifergerichte etwas darauf einzubilden schien, meinen Großvater in
der Mitte des Schöffenrats, eine Stufe höher als die andern, unter dem
Bilde des Kaisers gleichsam thronend gesehen zu haben, so sagte einer
der Knaben höhnisch: ich sollte doch, wie der Pfau auf seine Füße, so
auf meinen Großvater väterlicher Seite hinsehen, welcher Gastgeber zum
Weidenhof gewesen und wohl an die Thronen und Kronen keinen Anspruch
gemacht hätte. Ich erwiderte darauf, daß ich davon keineswegs beschämt
sei, weil gerade darin das Herrliche und Erhebende unserer Vaterstadt
bestehe, daß alle Bürger sich einander gleich halten dürften, und daß
einem jeden seine Tätigkeit nach seiner Art förderlich und ehrenvoll
sein könne. Es sei mir nur leid, daß der gute Mann schon so lange
gestorben: denn ich habe mich auch ihn persönlich zu kennen öfters
gesehnt, sein Bildnis vielmals betrachtet, ja sein Grab besucht und mich
wenigstens bei der Inschrift an dem einfachen Denkmal seines vorübergegangenen
Daseins gefreut, dem ich das meine schuldig geworden. Ein anderer Mißwollender,
der tückischste von allen, nahm jenen ersten bei Seite und flüsterte
ihm etwas in die Ohren, wobei sie mich immer spöttisch ansahen, schon
fing die Galle mir an zu kochen, und ich forderte sie auf, laut zu
reden. - "Nun, was ist es denn weiter ", sagte der erste,
"wenn du es wissen willst: dieser da meint, du könntest lange
herumgehen und suchen, bis du deinen Großvater fändest. " - Ich
drohte nun noch heftiger, wenn sie sich nicht deutlicher erklären würden,
sie brachten darauf ein Märchen vor, das sie ihren Eltern wollten
abgelauscht haben: mein Vater sei der Sohn eines vornehmen Mannes, und
jener gute Bürger habe sich willig finden lassen, äußerlich
Vaterstelle zu vertreten, sie hatten die Unverschämtheit, allerlei
Argumente vorzubringen, z.B. daß unser Vermögen bloß von der Großmutter
herrühre, daß die übrigen Seitenverwandten, die sich in Friedberg und
sonst aufhielten, gleichfalls ohne Vermögen seien, und was noch andre
solche Gründe waren, die ihr Gewicht bloß von der Bosheit hernehmen
konnten. Ich hörte ihnen ruhiger zu, als sie erwarteten, denn sie
standen schon auf dem Sprung zu entfliehen, wenn ich Miene machte, nach
ihren Haaren zu greifen. Aber ich versetzte ganz gelassen: auch dieses könne
mir recht sein. Das Leben sei so hübsch, daß man völlig für gleichgültig
achten könne, wem man es zu verdanken habe: denn es schriebe sich doch
zuletzt von Gott her, vor welchem wir alle gleich wären, so ließen
sie, da sie nichts ausrichten konnten, die Sache für diesmal gut sein;
man spielte zusammen weiter fort, welches unter Kindern immer ein
erprobtes Versöhnungsmittel bleibt. Mir
war jedoch durch diese hämischen Worte eine Art von sittlicher
Krankheit eingeimpft, die im stillen fortschlich. Es wollte mir gar
nicht mißfallen, der Enkel irgend eines vornehmen Herrn zu sein, wenn
es auch nicht auf die gesetzlichste Weise gewesen wäre. Meine Spürkraft
ging auf dieser Fährte, meine Einbildungskraft war angeregt und mein
Scharfsinn aufgefordert. Ich fing nun an, die Aufgaben jener zu
untersuchen, fand und erfand neue Gründe der Wahrscheinlichkeit. Ich
hatte von meinem Großvater wenig reden hören, außer daß sein Bildnis
mit dem meiner Großmutter in einem Besuchzimmer des alten Hauses
gehangen hatte, welche beide, nach Erbauung des neuen, in einer obern
Kammer aufbewahrt wurden. Meine Großmutter mußte eine sehr schöne
Frau gewesen sein, und von gleichem Alter mit ihrem Manne. Auch
erinnerte ich mich, in ihrem Zimmer das Miniaturbild eines schönen
Herrn, in Uniform mit Stern und Orden, gesehen zu haben, welches nach
ihrem Tode mit vielen andern kleinen Gerätschaften, während des alles
umwälzenden Hausbaues, verschwunden war, solche wie manche andre Dinge
baute ich mir in meinem kindischen Kopfe zusammen, und übte frühzeitig
genug jenes moderne Dichtertalent, welches durch eine abenteuerliche
Verknüpfung der bedeutenden Zustände des menschlichen Lebens sich die
Teilnahme der ganzen kultivierten Welt zu verschaffen weiß. Da
ich nun aber einen solchen Fall niemanden zu vertrauen, oder auch nur
von ferne nachzufragen mich unterstand, so ließ ich es an einer
heimlichen Betriebsamkeit nicht fehlen, um wo möglich der Sache etwas näher
zu kommen. Ich hatte nämlich ganz bestimmt behaupten hören, daß die Söhne
den Vätern oder Großvätern oft entschieden ähnlich zu sein pflegten.
Mehrere unserer Freunde, besonders auch Rat Schneider, unser Hausfreund,
hatten Geschäftsverbindungen mit allen Fürsten und Herren der
Nachbarschaft, deren, sowohl regierender als nachgeborner, keine geringe
Anzahl am Rhein und Main und in dem Raume zwischen beiden ihre
Besitzungen hatten, und die aus besonderer Gunst ihre treuen Geschäftsträger
zuweilen wohl mit ihren Bildnissen beehrten. Diese, die ich von Jugend
auf vielmals an den Wänden gesehen, betrachtete ich nunmehr mit
doppelter Aufmerksamkeit, forschend, ob ich nicht eine Ähnlichkeit mit
meinem Vater oder gar mit mir entdecken könnte; welches aber zu oft
gelang, als daß es mich zu einiger Gewißheit hätte führen können.
Denn bald waren es die Augen von diesem, bald die Nase von jenem, die
mir auf einige Verwandtschaft zu deuten schienen. So führten mich diese
Kennzeichen trüglich genug hin und wider. Und ob ich gleich in der
Folge diesen Vorwurf als ein durchaus leeres Märchen betrachten mußte,
so blieb mir doch der Eindruck, und ich konnte nicht unterlassen, die sämtlichen
Herren, deren Bildnisse mir sehr deutlich in der Phantasie geblieben
waren, von Zeit zu Zeit im stillen bei mir zu mustern und zu prüfen, so
wahr ist es, daß alles, was den Menschen innerlich in seinem Dünkel
bestärkt, seiner heimlichen Eitelkeit schmeichelt, ihm dergestalt höchlich
erwünscht ist, daß er nicht weiter fragt, ob es ihm sonst auf irgend
eine Weise zur Ehre oder zur Schmach gereichen könne. Doch anstatt hier
ernsthafte, ja rügende Betrachtungen einzumischen, wende ich lieber
meinen Blick von jenen schönen Zeiten hinweg: denn wer wäre imstande,
von der Fülle der Kindheit würdig zu sprechen! Wir können die kleinen
Geschöpfe, die vor uns herumwandeln, nicht anders, als mit Vergnügen,
ja mit Bewunderung ansehen: denn meist versprechen sie mehr als sie
halten, und es scheint, als wenn die Natur unter andern schelmischen
Streichen, die sie uns spielt, auch hier sich ganz besonders vorgesetzt,
uns zum besten zu haben. Die ersten Organe, die sie Kindern mit auf die
Welt gibt, sind dem nächsten unmittelbaren Zustande des Geschöpfs gemäß;
es bedient sich derselben kunst- und anspruchslos, auf die geschickteste
Weise zu den nächsten Zwecken. Das Kind, an und für sich betrachtet,
mit seinesgleichen und in Beziehungen, die seinen Kräften angemessen
sind, scheint so verständig, so vernünftig, daß nichts drüber geht,
und zugleich so bequem, heiter und gewandt, daß man keine weitre
Bildung für dasselbe wünschen möchte. Wüchsen die Kinder in der Art
fort, wie sie sich andeuten, so hätten wir lauter Genies. Aber das
Wachstum ist nicht bloß Entwicklung; die verschiednen organischen
Systeme, die den einen Menschen ausmachen, entspringen auseinander,
folgen einander, verwandeln sich ineinander, verdrängen einander, ja
zehren einander auf, so daß von manchen Fähigkeiten, von manchen Kraftäußerungen
nach einer gewissen Zeit kaum eine Spur mehr zu finden ist. Wenn auch
die menschlichen Anlagen im ganzen eine entschiedene Richtung haben, so
wird es doch dem größten und erfahrensten Kenner schwer sein, sie mit
Zuverlässigkeit voraus zu verkünden; doch kann man hintendrein wohl
bemerken, was auf ein Künftiges hingedeutet hat. Keineswegs
gedenke ich daher in diesen ersten Büchern meine Jugendgeschichten völlig
abzuschließen, sondern ich werde vielmehr noch späterhin manchen Faden
aufnehmen und fortleiten, der sich unbemerkt durch die ersten Jahre
schon hindurchzog. Hier muß ich aber bemerken, welchen stärkeren
Einfluß nach und nach die Kriegsbegebenheiten auf unsere Gesinnungen
und unsre Lebensweise ausübten. Der
ruhige Bürger steht zu den großen Weltereignissen in einem wunderbaren
Verhältnis. Schon aus der Ferne regen sie ihn auf und beunruhigen ihn,
und er kann sich, selbst wenn sie ihn nicht berühren, eines Urteils,
einer Teilnahme nicht enthalten, schnell ergreift er eine Partei,
nachdem ihn sein Charakter oder äußere Anlässe bestimmen. Rücken so
große Schicksale, so bedeutende Veränderungen näher, dann bleibt ihm
bei manchen äußern Unbequemlichkeiten noch immer jenes innre Mißbehagen,
verdoppelt und schärft das Übel meistenteils und zerstört das noch mögliche
Gute. Dann hat er von Freunden und Feinden wirklich zu leiden, oft mehr
von jenen als von diesen, und er weiß weder, wie er seine Neigung, noch
wie er seinen Vorteil wahren und erhalten soll. Das
Jahr 1757, das wir noch in völlig bürgerlicher Ruhe verbrachten, wurde
dem ungeachtet in großer Gemütsbewegung verlebt. Reicher an
Begebenheiten als dieses war vielleicht kein anderes. Die Siege, die Großtaten,
die Unglücksfälle, die Wiederherstellungen folgten aufeinander,
verschlangen sich und schienen sich aufzuheben; immer aber schwebte die
Gestalt Friedrichs, sein Name, sein Ruhm, in kurzem wieder oben. Der
Enthusiasmus seiner Verehrer ward immer größer und belebter, der Haß
seiner Feinde bitterer, und die Verschiedenheit der Ansichten, welche
selbst Familien zerspaltete, trug nicht wenig dazu bei, die ohnehin
schon auf mancherlei Weise von einander getrennten Bürger noch mehr zu
isolieren. Denn in einer Stadt wie Frankfurt, wo drei Religionen die
Einwohner in drei ungleiche Massen teilen, wo nur wenige Männer, selbst
von der herrschenden, zum Regiment gelangen können, muß es gar manchen
Wohlhabenden und Unterrichteten geben, der sich auf sich zurückzieht
und durch Studien und Liebhabereien sich eine eigne und abgeschlossene
Existenz bildet. Von solchen wird gegenwärtig und auch künftig die
Rede sein müssen, wenn man sich die Eigenheiten eines Frankfurter Bürgers
aus jener Zeit vergegenwärtigen soll. Mein
Vater hatte, sobald er von Reisen zurückgekommen, nach seiner eigenen
Sinnesart den Gedanken gefaßt, daß er, um sich zum Dienste der Stadt fähig
zu machen, eins der subalternen Ämter übernehmen und solches ohne
Emolumente führen wolle, wenn man es ihm ohne Ballotage übergäbe. Er
glaubte nach seiner Sinnesart, nach dem Begriffe, den er von sich selbst
hatte, im Gefühl seines guten Willens, eine solche Auszeichnung zu
verdienen, die freilich weder gesetzlich noch herkömmlich war. Daher,
als ihm sein Gesuch abgeschlagen wurde, geriet er in Ärger und Mißmut,
verschwur, jemals irgend eine Stelle anzunehmen, und um es unmöglich zu
machen, verschaffte er sich den Charakter eines Kaiserlichen Rates, den
der Schultheiß und die ältesten Schöffen als einen besonderen
Ehrentitel tragen. Dadurch hatte er sich zum Gleichen der Obersten
gemacht und konnte nicht mehr von unten anfangen. Derselbe Beweggrund führte
ihn auch dazu, um die älteste Tochter des Schultheißen zu werben,
wodurch er auch auf dieser Seite von dem Rate ausgeschlossen werd. Er
gehörte nun unter die Zurückgezogenen, welche niemals unter sich eine
Sozietät machen. Sie stehen so isoliert gegen einander wie gegen das
Ganze, und um so mehr, als sich in dieser Abgeschiedenheit das Eigentümliche
der Charakter immer schroffer ausbildet. Mein Vater mochte sich auf
Reisen und in der freien Welt, die er gesehen, von einer elegantern und
liberalern Lebensweise einen Begriff gemacht haben, als sie vielleicht
unter seinen Mitbürgern gewöhnlich war. Zwar fand er darin Vorgänger
und Gesellen. Der
Name von Uffenbach ist bekannt. Ein Schöff von Uffenbach lebte damals
in gutem Ansehen. Er war in Italien gewesen, hatte sich besonders auf
Musik gelegt, sang einen angenehmen Tenor, und da er eine schöne
Sammlung von Musikalien mitgebracht hatte, wurden Konzerte und Oratorien
bei ihm aufgeführt. Weil er nun dabei selbst sang und die Musiker begünstigte,
so fand man es nicht ganz seiner Würde gemäß, und die eingeladenen Gäste
sowohl als die übrigen Landsleute erlaubten sich darüber manche
lustige Anmerkung. Ferner
erinnere ich mich eines Barons von Häckel, eines reichen Edelmanns,
der, verheiratet aber kinderlos, ein schönes Haus in der Antoniusgasse
bewohnte, mit allem Zubehör eines anständigen Lebens ausgestattet.
Auch besaß er gute Gemälde, Kupferstiche, Antiken und manches andre,
wie es bei Sammlern und Liebhabern zusammenfließt. Von Zeit zu Zeit lud
er die Honoratioren zum Mittagessen, und war auf eine eigne achtsame
Weise wohltätig, indem er in seinem Hause die Armen kleidete, ihre
alten Lumpen aber zurückbehielt, und ihnen nur unter der Bedingung ein
wöchentliches Almosen reichte, daß sie in jenen geschenkten Kleidern
sich ihm jedesmal sauber und ordentlich vorstellten. Ich erinnere mich
seiner nur dunkel als eines freundlichen, wohlgebildeten Mannes; desto
deutlicher aber seiner Auktion, der ich vom Anfang bis zu Ende
beiwohnte, und teils auf Befehl meines Vaters, teils aus eigenem Antrieb
manches erstand, was sich noch unter meinen Sammlungen befindet. Früher,
und von mir kaum noch mit Augen gesehen, machte Johann Michael von Loen
in der literarischen Welt so wie in Frankfurt ziemliches Aufsehen. Nicht
von Frankfurt gebürtig, hatte er sich daselbst niedergelassen und war
mit der Schwester meiner Großmutter Textor, einer gebornen Lindheimer,
verheiratet. Bekannt mit der Hof- und Staatswelt, und eines erneuten
Adels sich erfreuend, erlangte er dadurch einen Namen, daß er in die
verschiedenen Regungen, welche in Kirche und Staat zum Vorschein kamen,
einzugreifen den Mut hatte. Er schrieb den "Grafen von Rivera
", einen didaktischen Roman, dessen Inhalt aus dem zweiten Titel:
"oder der ehrliche Mann am Hofe " ersichtlich ist. Dieses Werk
wurde gut aufgenommen, weil es auch von den Höfen, wo sonst nur
Klugheit zu Hause ist, Sittlichkeit verlangte; und so brachte ihm seine
Arbeit Beifall und Ansehen. Ein zweites Werk sollte dagegen desto gefährlicher
für ihn werden. Er schrieb: "Die einzige wahre Religion ",
ein Buch, das die Absicht hatte, Toleranz, besonders zwischen
Lutheranern und Calvinisten, zu befördern. Hierüber kam er mit den
Theologen in Streit; besonders schrieb Dr. Benner in Gießen gegen ihn.
Von Loen erwiderte; der Streit wurde heftig und persönlich, und die
daraus entspringenden Unannehmlichkeiten veranlaßten den Verfasser, die
Stelle eines Präsidenten zu Lingen anzunehmen, die ihm Friedrich der
Zweite anbot, der in ihm einen aufgeklärten, und den Neuerungen, die in
Frankreich schon viel weiter gediehen waren, nicht abgeneigten
vorurteilsfreien Mann zu erkennen glaubte, seine ehemaligen Landsleute,
die er mit einigem Verdruß verlassen, behaupteten, daß er dort nicht
zufrieden sei, ja nicht zufrieden sein könne, weil sich ein Ort wie
Lingen mit Frankfurt keineswegs messen dürfe. Mein Vater zweifelte auch
an dem Behagen des Präsidenten, und versicherte, der gute Oheim hätte
besser getan, sich mit dem Könige nicht einzulassen, weil es überhaupt
gefährlich sei, sich demselben zu nähern, so ein außerordentlicher
Herr er auch übrigens sein möge. Denn man habe ja gesehen, wie schmählich
der berühmte Voltaire, auf Requisition des preußischen Residenten
Freitag, in Frankfurt sei verhaftet worden, da er doch vorher so hoch in
Gunsten gestanden und als des Königs Lehrmeister in der französischen
Poesie anzusehen gewesen. Es mangelte bei solchen Gelegenheiten nicht an
Betrachtungen und Beispielen, um vor Höfen und Herrendienst zu warnen,
wovon sich überhaupt ein geborner Frankfurter kaum einen Begriff machen
konnte. Eines
vortrefflichen Mannes, Doktor Orth, will ich nur dem Namen nach
gedenken, indem ich verdienten Frankfurtern hier nicht sowohl ein
Denkmal zu errichten habe, vielmehr derselben nur insofern erwähne, als
ihr Ruf oder ihre Persönlichkeit auf mich in den frühsten Jahren
einigen Einfluß gehabt. Doktor Orth war ein reicher Mann und gehörte
auch unter die, welche niemals teil am Regimente genommen, ob ihn gleich
seine Kenntnisse und Einsichten wohl dazu berechtigt hätten. Die
deutschen und besonders die frankfurtischen Altertümer sind ihm sehr
viel schuldig geworden; er gab die Anmerkungen zu der sogenannten
"Frankfurter Reformation " heraus, ein Werk, in welchem die
Statuten der Reichsstadt gesammelt sind. Die historischen Kapitel
desselben habe ich in meinen Jünglingsjahren fleißig studiert. Von
Ochsenstein, der ältere jener drei Brüder, deren ich oben als unserer
Nachbarn gedacht, war, bei seiner eingezogenen Art zu sein, während
seines Lebens nicht merkwürdig geworden, desto merkwürdiger aber nach
seinem Tode, indem er eine Verordnung hinterließ, daß er morgens früh
ganz im stillen und ohne Begleitung und Gefolg, von Handwerksleuten zu
Grabe gebracht sein wolle. Es geschah, und diese Handlung erregte in der
Stadt, wo man an prunkhafte Leichenbegängnisse gewöhnt war, großes
Aufsehn. Alle diejenigen, die bei solchen Gelegenheiten einen herkömmlichen
Verdienst hatten, erhuben sich gegen die Neuerung. Allein der wackre
Patrizier fand Nachfolger in allen Ständen, und ob man schon
dergleichen Begängnisse spottweise Ochsenleichen nannte, so nahmen sie
doch zum Besten mancher wenig bemittelten Familien überhand, und die
Prunkbegängnisse verloren sich immer mehr. Ich führe diesen Umstand
an, weil er eins der frühern Symptome jener Gesinnungen von Demut und
Gleichstellung darbietet, die sich in der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts von obenherein auf so manche Weise gezeigt haben und in so
unerwartete Wirkungen ausgeschlagen sind. Auch
fehlte es nicht an Liebhabern des Altertums. Es fanden sich Gemäldekabinette,
Kupferstichsammlungen, besonders aber wurden vaterländische Merkwürdigkeiten
mit Eifer gesucht und aufgehoben. Die älteren Verordnungen und Mandate
der Reichsstadt, von denen keine Sammlung veranstaltet war, wurden in
Druck und Schrift sorgfältig aufgesucht, nach der Zeitfolge geordnet
und als ein Schatz vaterländischer Rechte und Herkommen mit Ehrfurcht
verwahrt. Auch die Bildnisse von Frankfurtern, die in großer Anzahl
existierten, wurden zusammengebracht und machten eine besondre Abteilung
der Kabinette. Solche Männer scheint mein Vater sich überhaupt zum
Muster genommen zu haben. Ihm fehlte keine der Eigenschaften, die zu
einem rechtlichen und angesehnen Bürger gehören. Auch brachte er,
nachdem er sein Haus erbaut, seine Besitzungen von jeder Art in Ordnung.
Eine vortreffliche Landkartensammlung der Schenkischen und anderer
damals vorzüglicher geographischen Blätter, jene oberwähnten
Verordnungen und Mandate, jene Bildnisse, ein Schrank alter Gewehre, ein
Schrank merkwürdiger venezianischer Gläser, Becher und Pokale,
Naturalien, Elfenbeinarbeiten, Bronzen und hundert andere Dinge wurden
gesondert und aufgestellt, und ich verfehlte nicht, bei vorfallenden
Auktionen mir jederzeit einige Aufträge zu Vermehrung des Vorhandenen
zu erbitten. Noch
einer bedeutenden Familie muß ich gedenken, von der ich seit meiner frühsten
Jugend viel Sonderbares vernahm und von einigen ihrer Glieder selbst
noch manches Wunderbare erlebte; es war die Senckenbergische. Der Vater,
von dem ich wenig zu sagen weiß, war ein wohlhabender Mann. Er hatte
drei Söhne, die sich in ihrer Jugend schon durchgängig als Sonderlinge
auszeichneten. Dergleichen wird in einer beschränkten Stadt, wo sich
niemand weder im Guten noch im Bösen hervortun soll, nicht zum besten
aufgenommen. Spottnamen und seltsame, sich lang im Gedächtnis
erhaltende Märchen sind meistens die Frucht einer solchen
Sonderbarkeit. Der Vater wohnte an der Ecke der Hasengasse, die von dem
Zeichen des Hauses, das einen, wo nicht gar drei Hasen vorstellt, den
Namen führte. Man nannte daher diese drei Brüder nur die drei Hasen,
welchen Spitznamen sie lange Zeit nicht los wurden. Allein, wie große
Vorzüge sich oft in der Jugend durch etwas Wunderliches und
Unschickliches ankündigen, so geschah es auch hier. Der älteste war
der nachher so rühmlich bekannte Reichshofrat von Senckenberg. Der
zweite ward in den Magistrat aufgenommen und zeigte vorzügliche
Talente, die er aber auf eine rabulistische, ja verruchte Weise, wo
nicht zum Schaden seiner Vaterstadt, doch wenigstens seiner Kollegen in
der Folge mißbrauchte. Der dritte Bruder, ein Arzt und ein Mann von großer
Rechtschaffenheit, der aber wenig und nur in vornehmen Häusern
praktizierte, behielt bis in sein höchstes Alter immer ein etwas
wunderliches Äußere. Er war immer sehr nett gekleidet, und man sah ihn
nie anders auf der Straße als in Schuh und Strümpfen und einer
wohlgepuderten Lockenperücke, den Hut unterm Arm. Er ging schnell, doch
mit einem seltsamen Schwanken vor sich hin, so daß er bald auf dieser
bald auf jener Seite der Straße sich befand, und im Gehen ein Zickzack
bildete. Spottvögel sagten: er suche durch diesen abweichenden Schritt
den abgeschiedenen Seelen aus dem Wege zu gehen, die ihn in grader Linie
wohl verfolgen möchten, und ahme diejenigen nach, die sich vor einem
Krokodil fürchten. Doch aller dieser Scherz und manche lustige Nachrede
verwandelte sich zuletzt in Ehrfurcht gegen ihn, als er seine
ansehnliche Wohnung mit Hof, Garten und allem Zubehör, auf der
Eschenheimer Gasse, zu einer medizinischen Stiftung widmete, wo neben
der Anlage eines bloß für Frankfurter Bürger bestimmten Hospitals ein
botanischer Garten, ein anatomisches Theater, ein chemisches
Laboratorium, eine ansehnliche Bibliothek und eine Wohnung für den
Direktor eingerichtet werd, auf eine Weise, deren keine Akademie sich hätte
schämen dürfen. Ein
andrer vorzüglicher Mann, dessen Persönlichkeit nicht sowohl als seine
Wirkung in der Nachbarschaft und seine Schriften einen sehr bedeutenden
Einfluß auf mich gehabt haben, war Karl Friedrich von Moser, der seiner
Geschäftstätigkeit wegen in unserer Gegend immer genannt wurde. Auch
er hatte einen gründlich-sittlichen Charakter der, weil die Gebrechen
der menschlichen Natur ihm wohl manchmal zu schaffen machten, ihn sogar
zu den sogenannten Frommen hinzog; und so wollte er, wie von Loen das
Hofleben, ebenso das Geschäftsleben einer gewissenhafteren Behandlung
entgegenführen. Die große Anzahl der kleinen deutschen Höfe stellte
eine Menge von Herren und Dienern dar, wovon die ersten unbedingten
Gehorsam verlangten und die andern meistenteils nur nach ihren Überzeugungen
wirken und dienen wollten. Es entstand daher ein ewiger Konflikt und
schnelle Veränderungen und Explosionen, weil die Wirkungen des
unbedingten Handelns im kleinen viel geschwinder merklich und schädlich
werden als im großen. Viele Häuser waren verschuldet und kaiserliche
Debitkommissionen ernannt; andre fanden sich langsamer oder geschwinder
auf demselben Wege, wobei die Diener entweder gewissenlos Vorteil zogen,
oder gewissenhaft sich unangenehm und verhaßt machten. Moser wollte als
Staatsund Geschäftsmann wirken; und hier gab sein ererbtes, bis zum
Metier ausgebildetes Talent ihm eine entschiedene Ausbeute, aber er
wollte auch zugleich als Mensch und Bürger handeln und seiner
sittlichen Würde so wenig als möglich vergeben, sein "Herr und
Diener ", sein "Daniel in der Löwengrube ", seine
"Reliquien " schildern durchaus die Lage, in welcher er sich
zwar nicht gefoltert, aber doch immer geklemmt fühlte. Sie deuten sämtlich
auf eine Ungeduld in einem Zustand, mit dessen Verhältnissen man sich
nicht versöhnen und den man doch nicht los werden kann. Bei dieser Art
zu denken und zu empfinden mußte er freilich mehrmals andere Dienste
suchen, an welchen es ihm seine große Gewandtheit nicht fehlen ließ.
Ich erinnere mich seiner als eines angenehmen, beweglichen und dabei
zarten Mannes. Aus
der Ferne machte jedoch der Name Klopstock auch schon auf uns eine große
Wirkung. Im Anfang wunderte man sich, wie ein so vortrefflicher Mann so
wunderlich heißen könne; doch gewöhnte man sich bald daran und dachte
nicht mehr an die Bedeutung dieser Silben. In meines Vaters Bibliothek
hatte ich bisher nur die früheren, besonders die zu seiner Zeit nach
und nach heraufgekommenen und gerühmten Dichter gefunden. Alle diese
hatten gereimt, und mein Vater hielt den Reim für poetische Werke unerläßlich.
Canitz, Hagedorn, Drollinger, Geliert, Creuz, Haller standen in schönen
Franzbänden in einer Reihe. An diese schlossen sich Neukirchs
"Telemach ", Koppens "Befreites Jerusalem " und
andre Übersetzungen. Ich hatte diese sämtlichen Bände von Kindheit
auf fleißig durchgelesen und teilweise memoriert, weshalb ich denn zur
Unterhaltung der Gesellschaft öfters aufgerufen wurde. Eine verdrießliche
Epoche im Gegenteil eröffnete sich für meinen Vater, als durch
Klopstocks "Messias " Verse, die ihm keine Verse schienen, ein
Gegenstand der öffentlichen Bewunderung wurden. Er selbst hatte sich
wohl gehütet, dieses Werk anzuschaffen; aber unser Hausfreund, Rat
Schneider, schwärzte es ein und steckte es der Mutter und den Kindern
zu. Auf
diesen geschäftstätigen Mann, welcher wenig las, hatte der
"Messias " gleich bei seiner Erscheinung einen mächtigen
Eindruck gemacht. Diese so natürlich ausgedrückten und doch so schön
veredelten frommen Gefühle, diese gefällige Sprache, wenn man sie auch
nur für harmonische Prosa gelten ließ, hatten den übrigens trocknen
Geschäftsmann so gewonnen, daß er die zehn ersten Gesänge, denn von
diesen ist eigentlich die Rede, als das herrlichste Erbauungsbuch
betrachtete, und solches alle Jahre einmal in der Karwoche, in welcher
er sich von allen Geschäften zu entbinden wußte, für sich im stillen
durchlas und sich daran fürs ganze Jahr erquickte. Anfangs dachte er
seine Empfindungen seinem alten Freunde mitzuteilen; allein er fand sich
sehr bestürzt, als er eine unheilbare Abneigung vor einem Werke von so
köstlichem Gehalt, wegen einer, wie es ihm schien, gleichgültigen äußern
Form, gewahr werden mußte. Es fehlte, wie sich leicht denken läßt,
nicht an Wiederholung des Gesprächs über diesen Gegenstand; aber beide
Teile entfernten sich immer weiter von einander, es gab heftige Szenen,
und der nachgiebige Mann ließ sich endlich gefallen, von seinem
Lieblingswerke zu schweigen, damit er nicht zugleich einen Jugendfreund
und eine gute Sonntagssuppe verlöre. Proselyten zu machen ist der natürlichste
Wunsch eines jeden Menschen, und wie sehr fand sich unser Freund im
Stillen belohnt, als er in der übrigen Familie für seinen Heiligen so
offen gesinnte Gemüter entdeckte. Das Exemplar, das er jährlich nur
eine Woche brauchte, war uns für die übrige Zeit gewidmet. Die Mutter
hielt es heimlich, und wir Geschwister bemächtigten uns desselben, wann
wir konnten, um in Freistunden, in irgend einem Winkel verborgen, die
auffallendsten Stellen auswendig zu lernen, und besonders die zartesten
und heftigsten so geschwind als möglich ins Gedächtnis zu fassen. Portias
Traum rezitierten wir um die Wette, und in das wilde verzweifelnde Gespräch
zwischen Satan und Adramelech, welche ins Rote Meer gestürzt worden,
hatten wir uns geteilt. Die erste Rolle, als die gewaltsamste, war auf
mein Teil gekommen, die andere, um ein wenig kläglicher, übernahm
meine Schwester. Die wechselseitigen, zwar gräßlichen aber doch
wohlklingenden Verwünschungen flossen nur so vom Munde, und wir
ergriffen jede Gelegenheit, uns mit diesen höllischen Redensarten zu
begrüßen. Es
war ein Samstagsabend im Winter- der Vater ließ sich immer bei Licht
rasieren, um Sonntags früh sich zur Kirche bequemlich anziehen zu können
- wir saßen auf einem Schemel hinter dem Ofen und murmelten, während
der Barbier einseifte, unsere herkömmlichen Flüche ziemlich leise. Nun
so hatte aber Adramelech den Satan mit eisernen Händen zu fassen; meine
Schwester packte mich gewaltig an, und rezitierte, zwar leise genug,
aber doch mit steigender Leidenschaft: Hilf
mir! ich flehe dich an, ich bete, wenn du es forderst, Ungeheuer,
dich an! Verworfner, schwarzer Verbrecher, Hilf
mir! ich leide die Pein des rächenden ewigen Todes!... Vormals
konnt' ich mit heißem, mit grimmigem Hasse dich hassen! Jetzt
vermag ich's nicht mehr! Auch dies ist stechender Jammer! Bisher
war alles leidlich gegangen; aber laut, mit fürchterlicher Stimme rief
sie die folgenden Worte: O
wie bin ich zermalmt!.. Der
gute Chirurgus erschrak und goß dem Vater das Seifenbecken in die
Brust. Da gab es einen großen Aufstand, und eine strenge Untersuchung
ward gehalten, besonders in Betracht des Unglücks, das hätte entstehen
können, wenn man schon im Rasieren begriffen gewesen wäre. Um allen
Verdacht des Mutwillens von uns abzulehnen, bekannten wir uns zu unsern
teuflischen Rollen, und das Unglück, das die Hexameter angerichtet
hatten, war zu offenbar, als daß man sie nicht aufs neue hätte
verrufen und verbannen sollen. So
pflegen Kinder und Volk das Große, das Erhabene in ein Spiel, ja in
eine Posse zu verwandeln; und wie sollten sie auch sonst imstande sein,
es auszuhalten und zu ertragen!
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Wolfgang
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