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Johann Wolfgang
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Erster TeilHo mê dareis anthrôpos ou paideuetai.("Der nicht geschundene Mensch wird nicht erzogen." Menandros)Als
Vorwort zu der gegenwärtigen Arbeit, welche desselben vielleicht mehr
als eine andere bedürfen möchte, stehe hier der Brief eines Freundes,
durch den ein solches, immer bedenkliches Unternehmen veranlaßt worden. "Wir
haben, teurer Freund, nunmehr die zwölf Teile Ihrer dichterischen Werke
beisammen, und finden, indem wir sie durchlesen, manches Bekannte,
manches Unbekannte; ja manches Vergessene wird durch diese Sammlung
wieder angefrischt. Man kann sich nicht enthalten, diese zwölf Bände,
welche in einem Format vor uns stehen, als ein Ganzes zu betrachten, und
man möchte sich daraus gern ein Bild des Autors und seines Talents
entwerfen. Nun ist nicht zu leugnen, daß für die Lebhaftigkeit, womit
derselbe seine schriftstellerische Laufbahn begonnen, für die lange
Zeit, die seitdem verflossen, ein Dutzend Bändchen zu wenig scheinen müssen.
Ebenso kann man sich bei den einzelnen Arbeiten nicht verhehlen, daß
meistens besondere Veranlassungen dieselben hervorgebracht, und sowohl
äußere bestimmte Gegenstände als innere entschiedene Bildungsstufen
daraus hervorscheinen, nicht minder auch gewisse temporäre moralische
und ästhetische Maximen es und Überzeugungen darin obwalten. Im ganzen
aber bleiben diese Produktionen immer unzusammenhängend; ja oft sollte
man kaum glauben, daß sie von demselben Schriftsteller entsprungen
seien. Ihre
Freunde haben indessen die Nachforschung nicht aufgegeben, und suchen,
als näher bekannt mit Ihrer Lebens - und Denkweise, manches Rätsel zu
erraten, manches Problem aufzulösen; ja, sie finden, da eine alte
Neigung und ein verjährtes Verhältnis ihnen beisteht, selbst in den
vorkommenden Schwierigkeiten einigen Reiz. Doch würde uns hie und da
eine Nachhülfe nicht unangenehm sein, welche Sie unsern
freundschaftlichen Gesinnungen nicht wohl versagen dürfen. Das
erste also, warum wir Sie ersuchen, ist, daß Sie uns Ihre bei der neuen
Ausgabe nach gewissen innern Beziehungen geordneten Dichtwerke in einer
chronologischen Folge aufführen und sowohl die Lebens- und Gemütszustände,
die den Stoff dazu hergegeben, als auch die Beispiele, welche auf Sie
gewirkt, nicht weniger die theoretischen Grundsätze, denen Sie gefolgt,
in einem gewissen Zusammenhange vertrauen möchten. Widmen Sie diese Bemühung
einem engem Kreise, vielleicht entspringt daraus etwas, was auch einem
größern angenehm und nützlich werden kann. Der Schriftsteller soll
bis in sein höchstes Alter den Vorteil nicht aufgeben, sich mit denen,
die eine Neigung zu ihm gefaßt, auch in die Ferne zu unterhalten; und
wenn es nicht einem jeden verliehen sein möchte, in gewissen Jahren mit
unerwarteten, mächtig wirksamen Erzeugnissen von neuem aufzutreten: so
sollte doch gerade zu der Zeit, wo die Erkenntnis vollständiger, das
Bewußtsein deutlicher wird, das Geschäft sehr unterhaltend und
neubelebend sein, jenes Hervorgebrachte wieder als Stoff zu behandeln
und zu einem Letzten zu bearbeiten, welches denen abermals zur Bildung
gereiche, die sich früher mit und an dem Künstler gebildet
haben." Dieses
so freundlich geäußerte Verlangen erweckte bei mir unmittelbar die
Lust, es zu befolgen. Denn wenn wir in früherer Zeit leidenschaftlich
unsern eigenen Weg gehen, und, um nicht irre zu werden, die
Anforderungen anderer ungeduldig ablehnen, so ist es uns in spätern
Tagen höchst erwünscht, wenn irgend eine Teilnahme uns aufregen und zu
einer neuen Tätigkeit liebevoll bestimmen mag. Ich unterzog mich daher
sogleich der vorläufigen Arbeit, die größeren und kleineren
Dichtwerke meiner zwölf Bände auszuzeichnen und den Jahren nach zu
ordnen. Ich suchte mir Zeit und Umstände zu vergegenwärtigen, unter
welchen ich sie hervorgebracht. Allein das Geschäft ward bald
beschwerlicher, weil ausführliche Anzeigen und Erklärungen nötig
wurden, um die Lücken zwischen dem bereits Bekanntgemachten auszufüllen.
Denn zuvörderst fehlt alles, woran ich mich zuerst geübt, es fehlt
manches Angefangene und nicht Vollendete; ja sogar ist die äußere
Gestalt manches Vollendeten völlig verschwunden, indem es in der Folge
gänzlich umgearbeitet und in eine andere Form gegossen worden. Außer
diesem blieb mir auch noch zu gedenken, wie ich mich in Wissenschaften
und andern Künsten bemüht, und was ich in solchen fremd scheinenden Fächern,
sowohl einzeln als in Verbindung mit Freunden, teils im stillen geübt,
teils öffentlich bekannt gemacht. Alles
dieses wünschte ich nach und nach zu Befriedigung meiner Wohlwollenden
einzuschalten; allein diese Bemühungen und Betrachtungen führten mich
immer weiter: denn indem ich jener sehr wohl überdachten Forderung zu
entsprechen wünschte, und mich bemühte, die innern Regungen, die äußern
Einflüsse, die theoretisch und praktisch von mir betretenen Stufen der
Reihe nach darzustellen: so ward ich aus meinem engen Privatleben in die
weite Welt gerückt, die Gestalten von hundert bedeutenden Menschen,
welche näher oder entfernter auf mich eingewirkt, traten hervor; ja die
ungeheuren Bewegungen des allgemeinen politischen Weltlaufs, die auf
mich, wie auf die ganze Masse der Gleichzeitigen, den größten Einfluß
gehabt, mußten vorzüglich beachtet werden. Denn dieses scheint die
Hauptaufgabe der Biographie zu sein, den Menschen in seinen Zeitverhältnissen
darzustellen, und zu zeigen, inwiefern ihm das Ganze widerstrebt,
inwiefern es ihn begünstigt, wie er sich eine Welt- und Menschenansicht
daraus gebildet, und wie er sie, wenn er Künstler, Dichter,
Schriftsteller ist, wieder nach außen abgespiegelt. Hiezu wird aber ein
kaum Erreichbares gefordert, daß nämlich das Individuum sich und sein
Jahrhundert kenne, sich, inwiefern es unter allen Umständen dasselbe
geblieben, das Jahrhundert, als welches sowohl den Willigen als
Unwilligen mit sich fortreißt, bestimmt und bildet, dergestalt, daß
man wohl sagen kann, ein jeder, nur zehn Jahre früher oder später
geboren, dürfte, was seine eigene Bildung und die Wirkung nach außen
betrifft, ein ganz anderer geworden sein. Inhalt | weiter> |
Wolfgang
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