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Johann Wolfgang

von


Goethe

(1749-1832)

Johann Wolfgang von Goethe

 

Inszenierungen des ODYSSEE-Theaters:


Zeittafel zu Leben und Werk

1775 - 1785

1749- 1765- 1771- 1775- 1786- 1794- 1806 - 1813- 1832

Dieses Symbol verweist jeweils auf weiterführende Texte Goethes Dieses Symbol verweist jeweils auf weiterführende Texte Goethes, insbesondere auf seine autobiographischen Schriften "Dichtung und Wahrheit" und "Italienische Reise" bzw. auf Eckermanns "Gespräche mit Goethe".

Man mag nicht mit jedem leben, und so kann man auch nicht für jeden leben; wer das recht einsieht, wird seine Freunde höchlich zu schätzen wissen, seine Feinde nicht hassen noch verfolgen; vielmehr erlangt der Mensch nicht leicht einen größeren Vorteil, als wenn er die Vorzüge seiner Widersacher gewahr werden kann: dies gibt ihm ein entschiedenes Übergewicht über sie. [0]

 

Das erste Weimarer Jahrzehnt (1775-1786)

1775

Von Mai bis Juli begibt sich Goethe auf seine erste Reise in die Schweiz mit den Brüdern Stolberg und besucht Johann Caspar Lavater, dessen Arbeiten über Physiognomik ihn besonders interessieren, in Zürich.

Goethe in Weimar

Im September übernimmt Herzog Carl August die Regierung des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach und lädt Goethe nach Weimar ein. Am 30. Oktober reist Goethe von Frankfurt ab und kommt am 7. November in Weimar an.

Weimar von Osten
Weimar von Osten.
Kupferstich von F. W. Schneider, um 1780

Goethe trägt der Hofgesellschaft aus seinem mitgebrachten, noch fragmentarischen Faust-Manuskript vor.

Im November begegnet Goethe erstmals Charlotte von Stein.

An Charlotte von Stein

Woher sind wir geboren?
Aus Lieb.
Wie wären wir verloren?
Ohn Lieb.
Was hilft uns überwinden?
Die Lieb.
Kann man auch Liebe finden?
Durch Lieb.
Was läßt nicht lange weinen?
Die Lieb.
Was soll uns stets vereinen?
Die Lieb.

Charlotte von Stein
Charlotte von Stein

Mit der verheirateten Charlotte von Stein konnte Goethe nur an eine platonische Beziehung zu denken.  Aber er beschwört in seinem berühmten Gedicht Warum gabst du uns die tiefen Blicke eine derart intensive Seelenverwandtschaft, dass er sie nur durch Seelenwanderung erklären zu können glaubt. Als Goethe aber den zwingend erscheinenden Wechsel zum vertraulichen "Du" versuchte, zog Charlotte hier sanft aber bestimmt eine Grenze.

Frauen in Goethes Leben

Georg Melchior Kraus, Goethe. 1776
Goethe
Georg Melchior Kraus, 1776
Schwarze Kreide
Stiftung Weimarer Klassik, Museen
1776

Anfang des Jahres entschließt sich Goethe, länger in Weimar zu bleiben und bezieht im April das Gartenhaus an den Ilmwiesen, wo er bis zum Juni 1782 wohnt. Am 21. April 1776 nahm Goethe Garten und Haus dieses im späten 16. Jahrhundert erbauten ehemaligen Weinberghäuschens in Besitz. Herzog Carl August übernahm die Kaufsumme von 600 Talern und machte das Anwesen Goethe zum Geschenk. Damit waren die Voraussetzungen erfüllt, dass Goethe das Bürgerrecht der Stadt erhielt und Carl August ihm den »letzten Platz im Geheimden Conseil mit dem Titul als Geheimden Legations-Rath« geben konnte. Und so tritt Goethe am 11. Juni  in Weimar als Geheimer Legationsrat in den Staatsdienst ein, wo er in den ersten Jahren vorwiegend mit staatspolitische Tätigkeiten beschäftigt ist. Daneben arbeitet er entschieden an seiner Selbsterziehung und beginnt ein Tagebuch zu schreiben.

Claudine von Villa Bella. Ein Schauspiel mit Gesang.

Stella: "Ein Schauspiel für Liebende", Drama in fünf Akten um eine Beziehung eines Mannes, Fernando, zu zwei Frauen, Stella und Cäcilie. In der ursprünglichen Fassung endet das Stück in einer glücklichen Dreierbeziehung. Da das Anstoß erregte, hat Goethe später eine dramatische Bearbeitung verfasst, die mit dem Tod Fernandos und Stellas endet.

Goethe pflegt eine enge Verbindung mit Herzog Carl August und der Herzoginmutter Anna Amalia sowie Herzogin Luise. Bekanntschaft mit Christoph Martin Wieland, Johann Karl August Musäus und Johann Joachim Christoph Bode

Der "Musenhof" der Herzogin Anna Amalia.
Der "Musenhof" der Herzogin Anna Amalia.
Aquarell von Georg Melchior Kraus um 1795. 
- Abgebildet sind (v.l.n.r.): J.H. Meyer, Henriette von Fritsch, Goethe, F.H. von Einsiedel, Herzogin Anna Amalia, Elise, Charles und Emilie Gore, Luise von Göchhausen und Herder.

Goethe schreibt die Gedichte Wanderers Nachtlied und An den Mond und arbeitet an dem Monodrama Proserpina (für die Schauspielerin Corona Schröter).

Die Geschwister: Schauspiel in einem Akt um vermeintliche Geschwisterliebe.

Am 3. Mai besuchte Goethe zum ersten mal Ilmenau, um nach einem Brand nach dem Rechten zu sehen. Außer der großen Aufgabe, das verarmte Städtchen zu retten, zieht  ihn fortan noch etwas anderes immer wieder nach Ilmenau - die Natur.

Es kommt zum Bruch mit Klopstock, der Goethes und Herzog Carl Augusts Lebenswandel scharf kritisiert hatte.

1777

Zusammen mit Ch. G. Voigt wird Goethe die Leitung der mit 18. Februar installierten Bergwerkskommission übertragen. Er übernimmt damit die Oberaufsicht über den Bergbau in Ilmenau, der zur Gewinnung von Kupfer und Silber reaktiviert werden soll, was ihn zu ausgedehnten Studien der Botanik, Chemie, Mineralogie und Geologie anregt. 

Am 16. März 1824 sagte Goethe im Gespräch mit von Müller und Soret:

Ich kam höchst unwissend in allen Naturstudien nach Weimar, und erst das Bedürfnis, dem Herzog bei seinen mancherlei Unternehmungen, Bauten, Anlagen, praktische Vorschläge geben zu können, trieb mich zum Studium der Natur... Goethe über seine Naturstudien im Gespräch mit von Müller und Soret, 16. März 1824

Für eine tiefergehende Würdigung von Goethes naturwissenschaftlicher Forschung siehe Rudolf Steiner, Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften

Goethes Erkenntnistheorie

Was Goethes naturwissenschaftliche Forschungsmethode besonders auszeichnete, war seine Anschauende Urteilskraft, von der schon der Philosoph Immanuel Kant als von einem intellectus archetypus gesprochen hatte, allerdings nicht für möglich hielt, dass sich der Mensch zu dieser höheren Form der intellektuellen Anschauung erheben könne. Goethe widersprach ihm:

Zwar scheint der Verfasser hier auf einen göttlichen Verstand zu deuten, allein wenn wir ja im sittlichen, durch Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit uns in eine obere Region erheben und an das erste Wesen annähern sollen: so dürft' es wohl im Intellektuellen derselbe Fall sein, daß wir uns, durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur zur geistigen Teilnahme an ihren Produktionen würdig machten. Hatte ich doch erst unbewußt und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, war es mir sogar geglückt, eine naturgemäße Darstellung aufzubauen, so konnte mich nunmehr nichts weiter verhindern, das Abenteuer der Vernunft, wie es der Alte vom Königsberge selbst nennt, mutig zu bestehen.

Nun können wir uns aber auch einen Verstand denken, der, weil er nicht wie der unsrige diskursiv, sondern intuitiv ist, vom Synthetisch-Allgemeinen (der Anschauung eines Ganzen, als eines solchen) zum Besondern geht, d. i. vom Ganzen zu den Teilen... Es ist hiebei auch gar nicht nötig zu beweisen, daß ein solcher intellectus archetypus möglich sei, sondern nur, daß wir in der Dagegenhaltung unseres diskursiven, der Bilder bedürftigen, Verstandes (intellectus ectypus), und der Zufälligkeit einer solchen Beschaffenheit, auf jene Idee (eines intellectus archetypus) geführet werden, diese auch keinen Widerspruch enthalte. 

Immanuel Kant,
Kritik der Urteilskraft, § 77

Siehe auch Goethes Gestalt-Idee als Vermittlung von Bild und Begriff und Kant und der deutsche Idealismus

Wie schon erwähnt, war Goethe ein ausgesprochener Augen-Mensch, dem eine ungewöhnlich aufmerksame, wache Beobachtungsgabe eigen war, die es ihm ermöglichte, unmittelbar die gedankliche Ordnung des Geschauten zu erfassen. Darüber hinaus fiel es ihm leicht, das Nachbild des Gesehenen innerlich festzuhalten und sich immer wieder zur lebendigen inneren Anschauung zu bringen. Auf diesem Fundament ruht Goethes ganze Naturforschung wie auch sein ausgeprägt bildhafter Kunstsinn: 

Ich hatte die Gabe, wenn ich die Augen schloß und mit niedergesenktem Haupte mir in der Mitte des Sehorgans eine Blume dachte, so verharrte sie nicht einen Augenblick in ihrer ersten Gestalt, sondern sie legte sich auseinander, und aus ihrem Innern entfalteten sich wieder neue Blumen aus farbigen, auch wohl grünen Blättern; es waren keine natürlichen Blumen, sondern phantastische, jedoch regelmäßig wie die Rosetten der Bildhauer. Es war unmöglich, die hervorquellende Schöpfung zu fixieren, hingegen dauerte sie so lange, als mir beliebte, ermattete nicht und verstärkte sich nicht. Dasselbe könnt' ich hervorbringen, wenn ich mir den Zierat einer bunt gemalten Scheibe dachte, welcher denn ebenfalls aus der Mitte gegen die Peripherie sich immerfort veränderte, völlig wie die in unsern Tagen erst erfundenen Kaleidoskope. Ich erinnere mich nicht, inwiefern bei dieser regelmäßigen Bewegung eine Zahl zu bemerken gewesen, vermutlich aber bezog sie sich auf den Acht-Strahl, denn nicht weniger Blätter hatten die oben gemeldeten Blumen. Mit andern Gegenständen fiel mir nicht ein, den Versuch zu machen; warum aber diese bereitwillig von selbst hervortraten, mochte darin liegen, daß die vieljährige Betrachtung der Pflanzenmetamorphose, sowie nachheriges Studium der gemalten Scheiben, mich mit diesen Gegenständen ganz durchdrungen hatte; und hier tritt hervor, was Herr Purkinje so bedeutend anregt. Hier ist die Erscheinung des Nachbildes, Gedächtnis, produktive Einbildungskraft, Begriff und Idee alles auf einmal im Spiel und manifestiert sich in der eignen Lebendigkeit des Organs mit vollkommener Freiheit ohne Vorsatz und Leitung.

Hier darf nun unmittelbar die höhere Betrachtung aller bildenden Kunst eintreten; man sieht deutlicher ein, was es heißen wolle, daß Dichter und alle eigentliche Künstler geboren sein müssen. Es muß nämlich ihre innere produktive Kraft jene Nachbilder, die im Organ, in der Erinnerung, in der Einbildungskraft zurückgebliebenen Idole freiwillig ohne Vorsatz und Wollen lebendig hervortun, sie müssen sich entfalten, wachsen, sich ausdehnen und zusammenziehn, um aus flüchtigen Schemen wahrhaft gegenständliche Wesen zu werden. [6]

Nächtlicher Dorfbrand. Kreidezeichnung Goethes.
Nächtlicher Dorfbrand. Kreidezeichnung Goethes.
Das undatierte Blatt bezieht sich möglicherweise auf den Brand vom 16. April 1776.
Die Aufsicht über die Lösch- und Bergungsarbeiten zählte zu Goethes amtlichen Aufgaben in Weimar.

Es war charakteristisch für Goethe, dass sich sein Denken niemals weit von den betrachteten Erscheinungen entfernte und in abstrakten Theorien oder Spekulationen verlor, die den Phänomenen als etwas ganz Fremdes übergestülpt wurden, sondern sich eng an die unmittelbar erfahrbaren Beobachtungen hielt. Dem Denken kommt dabei nur die Aufgabe zu, die Phänomene so zu ordnen, dass sich dadurch ihr innerer gesetzmäßiger Zusammenhang von selbst offenbart.  Durch den Anthropologen Heinroth wurde im seine Methode, die er zunächst geradezu mit instinktiver Sicherheit übte, später erst so richtig zu Bewusstsein gebracht:

Herr Dr. Heinroth in seiner »Anthropologie«, einem Werke, zu dem wir mehrmals zurückkommen werden, spricht von meinem Wesen und Wirken günstig, ja er bezeichnet meine Verfahrungsart als eine eigentümliche: daß nämlich mein Denkvermögen gegenständlich tätig sei, womit er aussprechen will: daß mein Denken sich von den Gegenständen nicht sondere, daß die Elemente der Gegenstände, die Anschauungen in dasselbe eingehen und von ihm auf das innigste durchdrungen werden, daß mein Anschauen selbst ein Denken, mein Denken ein Anschauen sei; welchem Verfahren genannter Freund seinen Beifall nicht versagen will...

Aufgeregt nun durch eben diese Betrachtungen, fuhr ich fort, mich zu prüfen, und fand, daß mein ganzes Verfahren auf dem Ableiten beruhe; ich raste nicht, bis ich einen prägnanten Punkt finde, von dem sich vieles ableiten läßt, oder vielmehr der vieles freiwillig aus sich hervorbringt und mir entgegenträgt, da ich denn im Bemühen und Empfangen vorsichtig und treu zu Werke gehe. Findet sich in der Erfahrung irgendeine Erscheinung, die ich nicht abzuleiten weiß, so laß ich sie als Problem liegen, und ich habe diese Verfahrungsart in einem langen Leben sehr vorteilhaft gefunden: denn wenn ich auch die Herkunft und Verknüpfung irgendeines Phänomens lange nicht enträtseln konnte, sondern es beiseite lassen mußte, so fand sich nach Jahren auf einmal alles aufgeklärt in dem schönsten Zusammenhange. [1]

Bedeutende Fördernis durch ein einziges geistreiches Wort

Goethes wollte eben niemals die Phänomene aus einer abstrakten, ausgedachten Theorie erklären, sondern vielmehr Schritt für Schritt die komplexeren Erscheinungen aus den elementaren, unmittelbar einsichtigen und direkt sinnlich erfahrbaren Urphänomenen ableiten:

Das Höchste wäre, zu begreifen, daß alles Faktische schon Theorie ist. Die Bläue des Himmels offenbart uns das Grundgesetz der Chromatik. Man suche nur nichts hinter den Phänomenen; sie selbst sind die Lehre...

Wenn ich mich beim Urphänomen zuletzt beruhige, so ist es doch auch nur Resignation; aber es bleibt ein großer Unterschied, ob ich mich an den Grenzen der Menschheit resigniere oder innerhalb einer hypothetischen Beschränktheit meines bornierten Individuums...

Hypothesen sind Wiegenlieder, womit der Lehrer seine Schüler einlullt; der denkende treue Beobachter lernt immer mehr seine Beschränkung kennen, er sieht: je weiter sich das Wissen ausbreitet, desto mehr Probleme kommen zum Vorschein. [2]

Von der Kunst zur Wissenschaft

Dieses gegenständliche Denken zeichnete auch Goethes künstlerische Arbeit aus, wie er überhaupt nie einen wirklichen Bruch zwischen Kunst und Wissenschaft empfand. Der große  Erziehungsroman Wilhelm Meisters Wanderjahre, den er viel später veröffentlichte, gibt davon ein sprechendes Zeugnis, besonders in dem Kapitel Betrachtungen im Sinne der Wanderer - Kunst, Ethisches, Natur.

Das Einfache durch das Zusammengesetzte, das Leichte durch das Schwierige erklären zu wollen, ist ein Unheil, das in dem ganzen Körper der Wissenschaft verteilt ist, von den Einsichtigen wohl anerkannt, aber nicht überall eingestanden. [2]

Als schön empfinden wir etwas dann, wenn durch dieses ein sonst verborgenes Gesetz des Daseins in die sinnliche Erscheinung tritt und wir fähig sind, diese Gesetzmäßigkeit mitzuerleben, denn:

Es ist etwas unbekanntes Gesetzliches im Objekt, welches dem unbekannten Gesetzlichen im Subjekt entspricht.

Zum Schönen wird erfordert ein Gesetz, das in die Erscheinung tritt.

Beispiel von der Rose.
In den Blüten tritt das vegetabilische Gesetz in seine höchste Erscheinung, und die Rose wäre nun wieder der Gipfel dieser Erscheinung.
Perikarpien können noch schön sein.
Die Frucht kann nie schön sein; denn da tritt das vegetabilische Gesetz in sich (ins bloße Gesetz) zurück.

Das Gesetz, das in die Erscheinung tritt, in der größten Freiheit, nach seinen eigensten Bedingungen, bringt das objektiv Schöne hervor, welches freilich würdige Subjekte finden muß, von denen es aufgefaßt wird. [3]

Und so gehen Kunst und Wissenschaft für Goethe Hand in Hand um die geheimen Untergründe des Daseins zu enthüllen. Die Kunst bedarf der strengen Wahrheitstreue und Exaktheit, die die Wissenschaft auszeichnet, um nicht in wesenlose Phantasterei abzuschweifen, während die Wissenschaft auf die künstlerisch geschulte Naturbetrachtung angewiesen ist, um nicht in lebloser Abstraktion und Spekulation zu versinken:

Wem die Natur ihr offenbares Geheimnis zu enthüllen anfängt, der empfindet eine unwiderstehliche Sehnsucht nach ihrer würdigsten Auslegerin, der Kunst. [5]

Das Schöne ist eine Manifestation geheimer Naturgesetze, die uns ohne dessen Erscheinung ewig wären verborgen geblieben. [4]

Am 8. Juni stirbt Goethes Schwester Cornelia in Emmendingen.

J.W. Goethe, Beschwörungsszene der Hexen bei Vollmond, um 1776/79
J.W. Goethe, Beschwörungsszene der Hexen bei Vollmond,
um 1776/79, vielfach als Walpurgisnacht zum Faust interpretiert
Quelle: biblint.de

Luise von Göchhausen kopiert eine der Fassung (vermutlich die zweite) von Goethes Faust, die nach ihrer Entdeckung im Jahre 1887 als sogenannter Urfaust veröffentlicht wird; es sind darin wahrscheinlich weniger Szenen enthalten als in der heute noch unbekannten frühesten Fassung. 

Von September bis Oktober begibt sich Goethe auf Reisen nach Eisenach und auf die Wartburg.

Im Dezember bereist Goethe zu Pferd den Harz und besteigt auch den Brocken.
Harzreise im Winter

Carl August, Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach
Carl August, Herzog von
Sachsen-Weimar-Eisenach
(seit 1815 Großherzog)
Pastell von 
Johann Heinrich Schröder, 1784
1778 Bayrischer Erbfolgekrieg 1778 -1779

Goethe reist mit Herzog Carl August nach Berlin und Potsdam.

Im September: Aufenthalte in Erfurt, Eisenach, Wilhelmsthal, auf der Wartburg und in Jena.

Grenzen der Menschheit

Der Fischer Audio-File: Johann Wolfgang von Goethe, Der Fischer. Sprecher: Wolfgang Peter

1779 Wiedersehen mit Friederike und Lili.
Als Minister in Weimar leitet Goethe die Direktion der weimarischen Kriegs- und Wegebaukommission.

Iphigenie auf Tauris (Prosafassung)
Jery und Bätely

Friedrich Jacobi veröffentlicht, angeregt durch Goethes Werther, zwei eigene Briefromane, nämlich Eduard Allwills Papiere (1775) und Woldemar (1779). Letzteren überarbeitete er wegen Goethes harscher öffentlicher Kritik mehrmals, bis schließlich 1794 eine endgültige Fassung vorlag.

Corona Schröter und Goethe in der Prosafassung der "Iphigenie auf Tauris"Corona Schröter und Goethe als Iphigenie und Orest in der Prosafassung der Iphigenie auf Tauris nach einem Ölgemälde von Georg Melchior Kraus. Schon während seiner Leipziger Studienzeit hatte Goethe Corona auf der Bühne erlebt. Goethe bewunderte sie als Künstlerin und als enge persönliche Freundin. 1776 lud sie Herzog Carl August auf Anregung Goethes dazu ein, sich dem Weimarer Liebhabertheater anzuschließen. 

Im Iphigenie-Drama spiegelt sich Goethes Sehnsucht nach absoluter seelischer Reinheit wider, die auch in seinem Gedicht Das Göttliche und in seinem Faust-Drama besonders deutlich wird und das zentrale Ideal seines Lebens war, dem er künstlerisch und menschlich nachstrebte, freilich ohne es jemals persönlich ganz erreichen zu können.

1780 Goethe beginnt sich mit mineralogischen Studien zu befassen.

Am 23. Juni 1780 leitete Johann Joachim Christoph Bode die Aufnahme Goethes in die Freimaurer-Loge Amalia in Weimar.  Goethe als Freimaurer

Im Sommer beendet Goethe das Drama Die Vögel. Nach dem Aristophanes (Buchausgabe 1787).

Wandrers Nachtlied (Ein Gleiches): Goethe schrieb dieses einzigartige Gedicht an die Holzwand der Jagdhütte auf dem Kickelhahn, und es schien ihm so wichtig, dass er die Inschrift 1813 nochmals erneuerte:

Ein Gleiches Audio-File: Johann Wolfgang von Goethe, Ein Gleiches. Sprecher: Wolfgang Peter

(6. SEPT. 1780)

Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! balde
Ruhest du auch.

1781 Goethe nimmt an der Weimarer Hofgesellschaft in Tiefurt teil.

Von November bis Januar 1782: Vorträge über Anatomie im Freien Zeicheninstitut in Weimar.

Die Fischerin. Singspiel

1782 Von März bis Mai unternimmt Goethe diplomatische Reisen an die thüringischen Höfe.

Goethes Vater stirbt.

Erlkönig Audio-File: Johann Wolfgang von Goethe, Erlkönig. Sprecher: Wolfgang Peter(aus dem Singspiel Die Fischerin)

Am 2. Juni bezieht Goethe das Haus am Frauenplan, das er bis zu seinem Tod bewohnt, und erhält am 3. Juni das von Kaiser Joseph II. ausgestellte Adelsdiplom. Nach Entlassung des Kammerpräsidenten Johann August Alexander von Kalb übernimmt Goethe die leitende Stelle in der obersten Finanzbehörde.

Im Oktober versöhnt sich Goethe mit Friedrich Jacobi, der sich durch Goethes öffentliche Kritik tief beleidigt gefühlt hatte.

Goethes Wohnhaus am Frauenplan. Johann Gottlob Samuel Rösel, 1828
Goethes Wohnhaus am Frauenplan. 
Johann Gottlob Samuel Rösel, 1828
Aquarell über Graphit
Goethe-Nationalmuseum
Quelle: biblint.de
1783

Am 11. Februar wird Goethe Mitglied des 1776 von Adam Weishaupt gegründeten Illuminatenordens. Goethe als Freimaurer. Nach den Vorstellungen Weishaupts, der selbst Professor für Kanonisches Recht an der Universität Ingolstadt war, sollte dieser Geheimorden nach dem organisatorischen Vorbild des Jesuitenordens eine geheime Weisheitsschule sein, in der die besten jungen Akademiker unbehindert von den traditionellen Fesseln alles lernen sollten, was die Priester von den Lehrstühlen verbannt hatten.

Aufenthalte in Ilmenau, Jena, Erfurt, Gotha und Wilhelmsthal.

Von September bis Oktober begibt sich Goethe auf seine zweite Reise in den Harz, und reist auch nach Göttingen und Kassel.

Der Sänger

Das Göttliche

Ilmenau, am 3. September 1783

1784

Über das Wesen und die Bedeutung von Goethes Schriften über organische Bildung

Goethe zeichnerische Tätigkeit führte ihn,  angeleitet durch den Jenaer Anatomieprofessor Loder, zu ausgedehnten Studien der Anatomie und Morphologie. Im März entdeckt er den Zwischenkieferknochens des menschlichen Schädels Über den Zwischenkiefer:

Bei Thierschädeln fällt es gar leicht in die Augen, daß die obere Kinnlade aus mehr als einem Paar Knochen besteht. Ihr vorderer Theil wird durch sehr sichtbare Nähte und Harmonien mit dem hintern Theile verbunden und macht ein Paar besondere Knochen aus.

Dieser vorderen Abtheilung der oberen Kinnlade ist der Name Os intermaxillare gegeben worden. Die Alten kannten schon diesen Knochen, und neuerdings ist er besonders merkwürdig geworden, da man ihn als ein Unterscheidungszeichen zwischen dem Affen und Menschen angegeben. Man hat ihn jenem Geschlechte zugeschrieben, diesem abgeläugnet, und wenn in natürlichen Dingen nicht der Augenschein überwiese, so würde ich schüchtern sein aufzutreten und zu sagen, daß sich diese Knochenabtheilung gleichfalls bei dem Menschen finde.

Der Unterschied zwischen Tier und Mensch liegt für Goethe eben gerade nicht in den anatomischen Details, sondern im geistigen Wesen des Menschen, das sich, im Gegensatz zum Tier, durch sein geistiges Streben aus der Knechtschaft der organischen Grundlage befreien kann.

Die Geheimnisse, in denen er die verborgene Gemeinschaft der geistig strebenden Brüder vom Rosenkreuz schildert, die in aller Stille zum Heil der Menschheit wirken:

...

Er fühlet neu, was dort für Heil entsprungen,
Den Glauben fühlt er einer halben Welt;
Doch von ganz neuem Sinn wird er durchdrungen,
Wie sich das Bild ihm hier vor Augen stellt:
Es steht das Kreuz mit Rosen dicht umschlungen.
Wer hat dem Kreuze Rosen zugesellt?
Es schwillt der Kranz, um recht von allen Seiten
Das schroffe Holz mit Weichheit zu begleiten.

Und leichte Silber-Himmelswolken schweben,
Mit Kreuz und Rosen sich empor zu schwingen,
Und aus der Mitte quillt ein heilig Leben
Dreifacher Strahlen, die aus einem Punkte dringen;
Von keinen Worten ist das Bild umgeben,
Die dem Geheimnis Sinn und Klarheit bringen.
Im Dämmerschein, der immer tiefer grauet,
Steht er und sinnt und fühlet sich erbauet.

...

Das geologische Grundprinzip Goethes

Als Frucht seiner geologischen und mineralogischen Studien erschein Goethes grundlegende Schrift Über den Granit. Durch die gemeinsame Arbeit mit J. C. W. Voigt macht er sich mit der geologisch -mineralogischen Systematik und Terminologie seiner Zeit vertraut, die damals ganz von der Auseinandersetzung der Neptunisten mit den Plutonisten geprägt war. Angeregt durch die Lehre A. G. Werners, des führenden Mineralogen und Geologen an der Bergakademie Freiberg, vertritt Goethe sehr entschieden Ansicht, dass alle Gesteine durch die lebendig bildenden neptunischen Kräfte des Wassers geformt werden und nicht durch die gewaltsame eruptive plutonische Gewalt des Feuers. Der Granit erscheint ihm dabei als das Urgestein schlechthin, auf dem die ganze mineralische Natur ruht und aus dem sich alle anderen Gesteine ideell ableiten lassen. Goethe sieht den Granit derart als eine Art Urgebirge an, wie er ähnlich in der Farbenlehre vom Urphänomen oder in der Botanik von der Urpflanze spricht:

Jeder Weg in unbekannte Gebirge bestätigte die alte Erfahrung, daß das Höchste und das Tiefste Granit sei, daß diese Steinart, die man nun näher kennen und von andern unterscheiden lernte, die Grundfeste unserer Erde sei, worauf sich alle übrigen mannigfaltigen Gebirge hinaufgebildet. Über den Granit

Im September: Friedrich Heinrich Jacobi besucht Goethe. Studium der philosophischen Werke von Baruch Spinoza. Gemeinsam mit Jacobi und Matthias Claudius, reist Goethe nach Jena, um Karl Ludwig von Knebel aufzusuchen, der sich dort niedergelassen hatte. 

1785

Goethe beginnt sich ab März mit botanischen Studien zu befassen.

Von Juni bis August reist Goethe gemeinsam mit Karl Ludwig von Knebel durch das Fichtelgebirge nach Karlsbad . Erster Kuraufenthalt in Karlsbad, wo er mit Charlotte von Stein und Johann Gottfried Herder zusammentrifft.


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[0] Goethe, Maximen und Reflexionen, Goethe-BA Bd. 18, S. 533

[1] Goethe, Bedeutende Fördernis durch ein einziges geistreiches Wort, Goethe-BA Bd. 16, S. 385 ff., siehe http://www.odysseetheater.com/goethe/texte/bedeutende_foerdernis.htm

[2] Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre, 2. Buch, Betrachtungen im Sinne der Wanderer, Goethe-HA Bd. 8, S. 304, siehe http://gutenberg.spiegel.de/goethe/meisterw/mstw212c.htm

[3] Goethe, Maximen und Reflexionen, Goethe-BA Bd. 18, S. 671 ff.

[4] ebd.  S. 502

[5] ebd.  S. 504

[6] J.W. Goethe, Nachträge zur Farbenlehre, Das Sehen in subjektiver Hinsicht, von Purkinje, siehe http://www.steinerschule-bern.ch/goethe/wissenschaft/das_sehen.htm

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