Zeittafel
zu Leben und Werk
1775 - 1785
Dieses Symbol verweist jeweils auf weiterführende Texte Goethes, insbesondere auf seine autobiographischen Schriften "Dichtung und Wahrheit"
und "Italienische Reise" bzw. auf Eckermanns
"Gespräche mit Goethe".
Man mag nicht mit jedem leben, und so kann man
auch nicht für jeden leben; wer das recht einsieht, wird seine Freunde höchlich zu schätzen wissen, seine
Feinde nicht hassen noch verfolgen; vielmehr erlangt der Mensch nicht leicht einen größeren Vorteil, als
wenn er die Vorzüge seiner Widersacher gewahr werden kann: dies gibt ihm ein entschiedenes Übergewicht über sie.
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1775 |
Von Mai bis Juli begibt sich Goethe auf
seine erste Reise in die Schweiz mit den Brüdern
Stolberg und
besucht Johann
Caspar Lavater, dessen Arbeiten über Physiognomik
ihn besonders interessieren, in Zürich.
Im September übernimmt Herzog Carl
August die Regierung des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach
und lädt Goethe nach Weimar ein. Am 30. Oktober reist Goethe
von Frankfurt ab und kommt am 7. November in Weimar an.
Weimar von Osten.
Kupferstich von F. W. Schneider, um 1780
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Goethe trägt der Hofgesellschaft aus
seinem mitgebrachten, noch fragmentarischen Faust-Manuskript
vor.
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Im November begegnet Goethe erstmals Charlotte von Stein.
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Woher sind wir geboren?
Aus Lieb.
Wie wären wir verloren?
Ohn Lieb.
Was hilft uns überwinden?
Die Lieb.
Kann man auch Liebe finden?
Durch Lieb.
Was läßt nicht lange weinen?
Die Lieb.
Was soll uns stets vereinen?
Die Lieb.
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Charlotte von Stein
Mit der verheirateten Charlotte von Stein konnte Goethe nur
an eine platonische Beziehung zu denken. Aber er beschwört
in seinem berühmten Gedicht Warum gabst du uns die tiefen Blicke
eine derart intensive Seelenverwandtschaft, dass er sie nur
durch Seelenwanderung erklären zu können glaubt. Als Goethe
aber den zwingend erscheinenden Wechsel zum vertraulichen
"Du" versuchte, zog Charlotte hier sanft aber bestimmt
eine Grenze.
Goethe
Georg Melchior Kraus, 1776
Schwarze Kreide
Stiftung Weimarer Klassik, Museen
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1776 |
Anfang des Jahres
entschließt sich Goethe, länger in Weimar zu bleiben und
bezieht im April das Gartenhaus an den
Ilmwiesen, wo er bis
zum Juni 1782 wohnt. Am 21. April 1776 nahm Goethe Garten und
Haus dieses im späten 16. Jahrhundert erbauten ehemaligen
Weinberghäuschens in Besitz. Herzog Carl August übernahm die
Kaufsumme von 600 Talern und machte das Anwesen Goethe zum
Geschenk. Damit waren die Voraussetzungen erfüllt, dass
Goethe das Bürgerrecht der Stadt erhielt und Carl August ihm
den »letzten Platz im Geheimden Conseil mit dem Titul als
Geheimden Legations-Rath« geben konnte. Und
so tritt Goethe am 11. Juni in Weimar als Geheimer
Legationsrat in
den Staatsdienst ein, wo er in den ersten Jahren
vorwiegend mit staatspolitische Tätigkeiten beschäftigt ist. Daneben arbeitet er entschieden an seiner
Selbsterziehung und beginnt ein Tagebuch zu schreiben.
Claudine von Villa Bella. Ein
Schauspiel mit Gesang.
Stella:
"Ein Schauspiel für
Liebende", Drama in fünf Akten um eine Beziehung
eines Mannes, Fernando, zu zwei Frauen, Stella und Cäcilie.
In der ursprünglichen Fassung endet das Stück in einer
glücklichen Dreierbeziehung. Da das Anstoß erregte, hat
Goethe später eine dramatische Bearbeitung verfasst, die mit
dem Tod Fernandos und Stellas endet.
Goethe pflegt eine enge Verbindung
mit Herzog Carl
August und der Herzoginmutter Anna
Amalia sowie Herzogin Luise. Bekanntschaft mit Christoph
Martin Wieland, Johann
Karl August Musäus und Johann Joachim Christoph Bode.
Der "Musenhof"
der Herzogin Anna Amalia.
Aquarell von Georg Melchior Kraus um 1795.
- Abgebildet sind (v.l.n.r.): J.H. Meyer, Henriette von Fritsch, Goethe, F.H. von Einsiedel, Herzogin Anna Amalia, Elise, Charles und Emilie Gore, Luise von Göchhausen und
Herder.
Goethe schreibt
die Gedichte Wanderers
Nachtlied und An
den Mond und arbeitet an dem Monodrama Proserpina
(für die Schauspielerin Corona Schröter). Die
Geschwister: Schauspiel in einem Akt um
vermeintliche Geschwisterliebe.
Am 3. Mai besuchte Goethe zum ersten mal Ilmenau, um nach einem Brand nach dem Rechten zu sehen. Außer der großen Aufgabe,
das verarmte Städtchen zu retten, zieht ihn fortan noch
etwas anderes immer wieder nach Ilmenau - die Natur.
Es kommt zum Bruch mit Klopstock, der Goethes und
Herzog Carl Augusts Lebenswandel scharf kritisiert hatte.
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1777 |
Zusammen mit Ch.
G. Voigt wird Goethe die Leitung der mit 18. Februar
installierten Bergwerkskommission übertragen. Er
übernimmt damit die Oberaufsicht über den Bergbau
in Ilmenau, der zur Gewinnung von Kupfer und
Silber reaktiviert werden soll, was ihn zu
ausgedehnten Studien der Botanik,
Chemie,
Mineralogie und Geologie anregt.
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Am 16. März 1824 sagte Goethe im Gespräch
mit von Müller und Soret:
Ich kam höchst unwissend in allen Naturstudien nach
Weimar, und erst das Bedürfnis, dem Herzog bei seinen
mancherlei Unternehmungen, Bauten, Anlagen, praktische Vorschläge
geben zu können, trieb mich zum Studium der Natur...
Für eine
tiefergehende Würdigung von Goethes naturwissenschaftlicher
Forschung siehe Rudolf
Steiner, Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche
Schriften.
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Was Goethes naturwissenschaftliche
Forschungsmethode besonders auszeichnete, war seine Anschauende
Urteilskraft, von der schon der Philosoph Immanuel
Kant als von einem intellectus archetypus
gesprochen hatte, allerdings nicht für möglich hielt, dass
sich der Mensch zu dieser höheren Form der intellektuellen
Anschauung erheben könne. Goethe widersprach ihm:
Zwar scheint der Verfasser hier auf einen göttlichen Verstand zu deuten, allein wenn wir ja im sittlichen, durch Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit uns in eine obere Region erheben und an das erste Wesen annähern sollen: so dürft' es wohl im Intellektuellen derselbe Fall sein, daß wir uns, durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur zur geistigen Teilnahme an ihren Produktionen würdig machten. Hatte ich doch erst unbewußt und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, war es mir sogar geglückt, eine naturgemäße Darstellung aufzubauen, so konnte mich nunmehr nichts weiter verhindern, das Abenteuer der Vernunft, wie es der Alte vom Königsberge selbst nennt, mutig zu bestehen.
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Nun können wir uns aber auch einen Verstand denken, der, weil er nicht wie der unsrige diskursiv, sondern intuitiv ist, vom Synthetisch-Allgemeinen (der Anschauung eines Ganzen, als eines solchen) zum Besondern geht, d. i. vom Ganzen zu den
Teilen... Es ist hiebei auch gar nicht nötig zu beweisen, daß ein solcher intellectus archetypus möglich sei, sondern nur, daß wir in der Dagegenhaltung unseres diskursiven, der Bilder bedürftigen, Verstandes (intellectus ectypus), und der Zufälligkeit einer solchen Beschaffenheit, auf jene Idee (eines intellectus archetypus) geführet werden, diese auch keinen Widerspruch enthalte.
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Siehe auch Goethes Gestalt-Idee als Vermittlung von Bild und Begriff
und Kant und der deutsche Idealismus.
Wie schon erwähnt, war Goethe ein
ausgesprochener Augen-Mensch, dem eine ungewöhnlich
aufmerksame, wache Beobachtungsgabe eigen war, die es ihm
ermöglichte, unmittelbar die gedankliche Ordnung des Geschauten
zu erfassen. Darüber hinaus fiel es ihm leicht, das Nachbild
des Gesehenen innerlich festzuhalten und sich immer wieder zur
lebendigen inneren Anschauung zu bringen. Auf diesem Fundament
ruht Goethes ganze Naturforschung wie auch sein ausgeprägt
bildhafter Kunstsinn:
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Ich hatte die Gabe, wenn ich die Augen schloß und mit niedergesenktem Haupte mir in der Mitte des Sehorgans eine Blume dachte, so verharrte sie nicht einen Augenblick in ihrer ersten Gestalt, sondern sie legte sich auseinander, und aus ihrem Innern entfalteten sich wieder neue Blumen aus farbigen, auch wohl grünen Blättern; es waren keine natürlichen Blumen, sondern phantastische, jedoch regelmäßig wie die Rosetten der Bildhauer. Es war unmöglich, die hervorquellende Schöpfung zu fixieren, hingegen dauerte sie so lange, als mir beliebte, ermattete nicht und verstärkte sich nicht. Dasselbe könnt' ich hervorbringen, wenn ich mir den Zierat einer bunt gemalten Scheibe dachte, welcher denn ebenfalls aus der Mitte gegen die Peripherie sich immerfort veränderte, völlig wie die in unsern Tagen erst erfundenen Kaleidoskope. Ich erinnere mich nicht, inwiefern bei dieser regelmäßigen Bewegung eine Zahl zu bemerken gewesen, vermutlich aber bezog sie sich auf den Acht-Strahl, denn nicht weniger Blätter hatten die oben gemeldeten Blumen. Mit andern Gegenständen fiel mir nicht ein, den Versuch zu machen; warum aber diese bereitwillig von selbst hervortraten, mochte darin liegen, daß die vieljährige Betrachtung der Pflanzenmetamorphose, sowie nachheriges Studium der gemalten Scheiben, mich mit diesen Gegenständen ganz durchdrungen hatte; und hier tritt hervor, was Herr Purkinje so bedeutend anregt. Hier ist die Erscheinung des Nachbildes, Gedächtnis, produktive Einbildungskraft, Begriff und Idee alles auf einmal im Spiel und manifestiert sich in der eignen Lebendigkeit des Organs mit vollkommener Freiheit ohne Vorsatz und Leitung.
Hier darf nun unmittelbar die höhere Betrachtung aller bildenden Kunst eintreten; man sieht deutlicher ein, was es heißen wolle, daß Dichter und alle eigentliche Künstler geboren sein müssen. Es muß nämlich ihre innere produktive Kraft jene
Nachbilder, die im Organ, in der Erinnerung, in der Einbildungskraft zurückgebliebenen Idole freiwillig ohne Vorsatz und Wollen lebendig hervortun, sie müssen sich entfalten, wachsen, sich ausdehnen und zusammenziehn, um aus flüchtigen Schemen wahrhaft gegenständliche Wesen zu werden.
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Nächtlicher Dorfbrand.
Kreidezeichnung Goethes.
Das undatierte Blatt bezieht sich möglicherweise auf den
Brand vom 16. April 1776.
Die Aufsicht über die Lösch- und Bergungsarbeiten zählte zu
Goethes amtlichen Aufgaben in Weimar.
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Es war charakteristisch für Goethe, dass sich sein Denken
niemals weit von den betrachteten Erscheinungen entfernte und
in abstrakten Theorien oder Spekulationen verlor, die den
Phänomenen als etwas ganz Fremdes übergestülpt wurden,
sondern sich eng an die unmittelbar erfahrbaren Beobachtungen
hielt. Dem Denken kommt dabei nur die Aufgabe zu, die
Phänomene so zu ordnen, dass sich dadurch ihr innerer
gesetzmäßiger Zusammenhang von selbst offenbart. Durch
den Anthropologen Heinroth wurde im seine Methode, die
er zunächst geradezu mit instinktiver Sicherheit übte,
später erst so richtig zu Bewusstsein gebracht:
Herr Dr. Heinroth in seiner »Anthropologie«,
einem Werke, zu dem wir mehrmals zurückkommen werden, spricht von meinem Wesen und Wirken günstig, ja er bezeichnet meine Verfahrungsart als eine
eigentümliche: daß nämlich mein Denkvermögen gegenständlich tätig sei, womit er aussprechen will: daß
mein Denken sich von den Gegenständen nicht sondere, daß die Elemente der Gegenstände, die
Anschauungen in dasselbe eingehen und von ihm auf das innigste durchdrungen werden, daß mein Anschauen
selbst ein Denken, mein Denken ein Anschauen sei; welchem Verfahren genannter Freund seinen Beifall
nicht versagen will...
Aufgeregt nun durch eben diese Betrachtungen,
fuhr ich fort, mich zu prüfen, und fand, daß mein ganzes Verfahren auf dem Ableiten beruhe; ich raste
nicht, bis ich einen prägnanten Punkt finde, von dem sich vieles ableiten läßt, oder vielmehr der vieles
freiwillig aus sich hervorbringt und mir entgegenträgt, da ich denn im Bemühen und Empfangen vorsichtig und
treu zu Werke gehe. Findet sich in der Erfahrung irgendeine Erscheinung, die ich nicht abzuleiten weiß,
so laß ich sie als Problem liegen, und ich habe diese Verfahrungsart in einem langen Leben sehr vorteilhaft
gefunden: denn wenn ich auch die Herkunft und Verknüpfung irgendeines Phänomens lange nicht enträtseln konnte, sondern es beiseite lassen mußte, so fand
sich nach Jahren auf einmal alles aufgeklärt in dem schönsten Zusammenhange.
[1]
Bedeutende Fördernis durch ein einziges geistreiches Wort Goethes
wollte eben niemals die Phänomene aus einer abstrakten,
ausgedachten Theorie erklären, sondern vielmehr Schritt für
Schritt die komplexeren Erscheinungen aus den elementaren,
unmittelbar einsichtigen und direkt sinnlich erfahrbaren Urphänomenen
ableiten:
Das Höchste wäre, zu begreifen, daß alles
Faktische schon Theorie ist. Die Bläue des Himmels offenbart uns das Grundgesetz der Chromatik. Man suche
nur nichts hinter den Phänomenen; sie selbst sind die Lehre...
Wenn ich mich beim Urphänomen zuletzt beruhige, so ist es doch auch nur Resignation; aber es bleibt ein
großer Unterschied, ob ich mich an den Grenzen der Menschheit resigniere oder innerhalb einer
hypothetischen Beschränktheit meines bornierten Individuums...
Hypothesen sind Wiegenlieder, womit der Lehrer seine Schüler einlullt; der denkende treue Beobachter
lernt immer mehr seine Beschränkung kennen, er sieht: je weiter sich das Wissen ausbreitet, desto mehr
Probleme kommen zum Vorschein. [2]
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Dieses gegenständliche Denken zeichnete
auch Goethes künstlerische Arbeit aus, wie er überhaupt nie
einen wirklichen Bruch zwischen Kunst und Wissenschaft
empfand. Der große Erziehungsroman Wilhelm
Meisters Wanderjahre, den er viel später
veröffentlichte, gibt davon ein sprechendes Zeugnis,
besonders in dem Kapitel Betrachtungen
im Sinne der Wanderer - Kunst, Ethisches, Natur.
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Das Einfache durch das Zusammengesetzte, das Leichte durch das Schwierige erklären zu wollen, ist ein Unheil, das in dem ganzen Körper der Wissenschaft verteilt ist, von den Einsichtigen wohl anerkannt, aber nicht überall eingestanden. [2]
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Als schön empfinden wir
etwas dann, wenn durch dieses ein sonst verborgenes Gesetz des
Daseins in die sinnliche Erscheinung tritt und wir
fähig sind, diese Gesetzmäßigkeit mitzuerleben, denn:
Es ist etwas unbekanntes Gesetzliches im Objekt, welches dem unbekannten Gesetzlichen im Subjekt
entspricht.
Zum Schönen wird erfordert ein Gesetz, das in die Erscheinung tritt.
Beispiel von der Rose.
In den Blüten tritt das vegetabilische Gesetz in seine höchste Erscheinung, und die Rose wäre nun
wieder der Gipfel dieser Erscheinung.
Perikarpien können noch schön sein.
Die Frucht kann nie schön sein; denn da tritt das vegetabilische Gesetz in sich (ins bloße Gesetz)
zurück.
Das Gesetz, das in die Erscheinung tritt, in der größten Freiheit, nach seinen eigensten Bedingungen,
bringt das objektiv Schöne hervor, welches freilich würdige Subjekte finden muß, von denen es aufgefaßt
wird. [3]
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Und so gehen Kunst und Wissenschaft
für Goethe Hand in Hand um die geheimen Untergründe des
Daseins zu enthüllen. Die Kunst bedarf der strengen
Wahrheitstreue und Exaktheit, die
die Wissenschaft auszeichnet, um nicht in wesenlose
Phantasterei abzuschweifen, während die Wissenschaft auf die
künstlerisch geschulte Naturbetrachtung angewiesen ist, um
nicht in lebloser Abstraktion und Spekulation zu versinken:
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Wem die Natur ihr offenbares Geheimnis zu
enthüllen anfängt, der empfindet eine unwiderstehliche Sehnsucht nach ihrer würdigsten Auslegerin, der
Kunst. [5]
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Das Schöne ist eine Manifestation geheimer
Naturgesetze, die uns ohne dessen Erscheinung ewig wären verborgen geblieben.
[4]
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Am 8. Juni
stirbt Goethes Schwester Cornelia in Emmendingen.
J.W. Goethe, Beschwörungsszene
der Hexen bei Vollmond,
um 1776/79, vielfach als Walpurgisnacht zum Faust
interpretiert
Quelle: biblint.de
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Luise von Göchhausen kopiert
eine der Fassung (vermutlich die zweite) von Goethes Faust, die nach
ihrer Entdeckung im Jahre 1887 als sogenannter Urfaust veröffentlicht wird;
es sind darin wahrscheinlich weniger Szenen enthalten als in
der heute noch unbekannten frühesten Fassung.
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Von September bis Oktober begibt sich
Goethe auf Reisen nach Eisenach und auf die Wartburg.
Im Dezember
bereist Goethe zu Pferd den
Harz und besteigt auch den Brocken.
Harzreise im Winter
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Carl August, Herzog von
Sachsen-Weimar-Eisenach
(seit 1815 Großherzog)
Pastell von
Johann Heinrich Schröder, 1784
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1778 |
Bayrischer
Erbfolgekrieg 1778 -1779
Goethe reist mit
Herzog Carl August nach Berlin und Potsdam.
Im September: Aufenthalte in Erfurt, Eisenach,
Wilhelmsthal, auf der Wartburg und in Jena.
Grenzen
der Menschheit
Der
Fischer
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1779 |
Wiedersehen mit Friederike
und Lili.
Als Minister in Weimar leitet Goethe die Direktion der
weimarischen Kriegs- und Wegebaukommission.
Iphigenie
auf Tauris (Prosafassung)
Jery und Bätely
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Friedrich
Jacobi veröffentlicht, angeregt durch Goethes Werther,
zwei eigene Briefromane, nämlich Eduard Allwills Papiere
(1775) und Woldemar (1779). Letzteren überarbeitete er wegen Goethes
harscher öffentlicher Kritik mehrmals, bis schließlich 1794 eine
endgültige Fassung vorlag.
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Corona
Schröter und Goethe als Iphigenie und Orest in der Prosafassung
der Iphigenie
auf Tauris nach einem Ölgemälde von Georg Melchior
Kraus. Schon während seiner Leipziger Studienzeit hatte
Goethe Corona auf der Bühne erlebt. Goethe bewunderte
sie als Künstlerin und als enge persönliche Freundin. 1776 lud
sie Herzog Carl August auf Anregung Goethes dazu ein,
sich dem Weimarer Liebhabertheater anzuschließen.
Im Iphigenie-Drama
spiegelt sich Goethes Sehnsucht nach absoluter seelischer
Reinheit wider, die auch in seinem Gedicht Das
Göttliche und in seinem Faust-Drama
besonders deutlich wird und das zentrale Ideal seines
Lebens war, dem er künstlerisch und menschlich nachstrebte, freilich ohne es jemals
persönlich ganz
erreichen zu können.
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1780 |
Goethe beginnt
sich mit
mineralogischen Studien zu befassen. Am
23. Juni 1780 leitete Johann Joachim Christoph Bode die
Aufnahme Goethes in die Freimaurer-Loge Amalia in
Weimar. Goethe
als Freimaurer Im
Sommer beendet Goethe das Drama Die Vögel. Nach dem Aristophanes (Buchausgabe 1787). Wandrers
Nachtlied (Ein Gleiches): Goethe schrieb dieses
einzigartige Gedicht an die Holzwand der Jagdhütte auf dem
Kickelhahn, und es schien ihm so wichtig, dass er die
Inschrift 1813 nochmals erneuerte:
(6. SEPT. 1780)
Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! balde
Ruhest du auch.
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1781 |
Goethe
nimmt an der Weimarer Hofgesellschaft in Tiefurt teil.
Von November bis
Januar 1782: Vorträge über Anatomie im Freien
Zeicheninstitut in Weimar.
Die Fischerin.
Singspiel |
1782 |
Von März bis
Mai unternimmt Goethe diplomatische Reisen an die
thüringischen Höfe.
Goethes Vater stirbt.
Erlkönig
(aus
dem Singspiel Die Fischerin)
Am 2. Juni bezieht Goethe das Haus am
Frauenplan, das er bis zu seinem Tod bewohnt, und erhält am 3. Juni das von Kaiser Joseph II.
ausgestellte Adelsdiplom. Nach Entlassung des Kammerpräsidenten Johann
August Alexander von Kalb übernimmt Goethe die leitende Stelle
in der obersten Finanzbehörde.
Im Oktober versöhnt sich Goethe mit Friedrich
Jacobi, der sich durch Goethes öffentliche Kritik
tief beleidigt gefühlt hatte. |
Goethes Wohnhaus am
Frauenplan.
Johann Gottlob Samuel Rösel, 1828
Aquarell über Graphit
Goethe-Nationalmuseum
Quelle: biblint.de
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1783 |
Am
11. Februar wird Goethe Mitglied des 1776 von Adam
Weishaupt gegründeten Illuminatenordens.
Goethe
als Freimaurer. Nach den Vorstellungen Weishaupts, der selbst Professor für Kanonisches Recht an
der Universität Ingolstadt war, sollte dieser Geheimorden nach
dem organisatorischen Vorbild des Jesuitenordens eine geheime
Weisheitsschule sein, in der die besten jungen Akademiker
unbehindert von den traditionellen Fesseln alles lernen
sollten, was die Priester von den Lehrstühlen verbannt
hatten.
Aufenthalte in Ilmenau, Jena, Erfurt, Gotha und
Wilhelmsthal.
Von September bis
Oktober begibt sich Goethe auf seine zweite Reise in den Harz,
und reist auch nach Göttingen und Kassel.
Der
Sänger
Das
Göttliche
Ilmenau, am 3. September 1783 |
1784 |
Goethe
zeichnerische Tätigkeit führte ihn, angeleitet durch
den Jenaer Anatomieprofessor Loder, zu ausgedehnten
Studien der Anatomie
und Morphologie. Im März
entdeckt er den
Zwischenkieferknochens des menschlichen Schädels Über den Zwischenkiefer:
Bei Thierschädeln fällt es gar leicht in die Augen, daß die obere Kinnlade aus mehr als einem Paar Knochen besteht. Ihr vorderer Theil wird durch sehr sichtbare Nähte und Harmonien mit dem hintern Theile verbunden und macht ein Paar besondere Knochen aus.
Dieser vorderen Abtheilung der oberen Kinnlade ist der Name Os intermaxillare gegeben worden. Die Alten kannten schon diesen Knochen, und neuerdings ist er besonders merkwürdig geworden, da man ihn als ein Unterscheidungszeichen zwischen dem Affen und Menschen angegeben. Man hat ihn jenem Geschlechte zugeschrieben, diesem abgeläugnet, und wenn in natürlichen Dingen nicht der Augenschein überwiese, so würde ich schüchtern sein aufzutreten und zu sagen, daß sich diese Knochenabtheilung gleichfalls bei dem Menschen finde.
Der Unterschied zwischen Tier und Mensch
liegt für Goethe eben gerade nicht in den anatomischen
Details, sondern im geistigen Wesen des Menschen, das sich, im
Gegensatz zum Tier, durch sein geistiges Streben aus der
Knechtschaft der organischen Grundlage befreien kann.
Die
Geheimnisse, in denen er die verborgene
Gemeinschaft der geistig strebenden Brüder vom Rosenkreuz schildert, die in
aller Stille zum Heil der Menschheit wirken:
...
Er fühlet neu, was dort für Heil entsprungen,
Den Glauben fühlt er einer halben Welt;
Doch von ganz neuem Sinn wird er durchdrungen,
Wie sich das Bild ihm hier vor Augen stellt:
Es steht das Kreuz mit Rosen dicht umschlungen.
Wer hat dem Kreuze Rosen zugesellt?
Es schwillt der Kranz, um recht von allen Seiten
Das schroffe Holz mit Weichheit zu begleiten.
Und leichte Silber-Himmelswolken schweben,
Mit Kreuz und Rosen sich empor zu schwingen,
Und aus der Mitte quillt ein heilig Leben
Dreifacher Strahlen, die aus einem Punkte dringen;
Von keinen Worten ist das Bild umgeben,
Die dem Geheimnis Sinn und Klarheit bringen.
Im Dämmerschein, der immer tiefer grauet,
Steht er und sinnt und fühlet sich erbauet.
... |
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Als
Frucht seiner geologischen
und mineralogischen Studien erschein Goethes
grundlegende Schrift Über
den Granit. Durch die gemeinsame Arbeit mit J.
C. W. Voigt macht er sich mit der geologisch
-mineralogischen Systematik und Terminologie seiner Zeit
vertraut, die damals ganz von der Auseinandersetzung der
Neptunisten mit den Plutonisten geprägt war. Angeregt durch
die Lehre A. G. Werners, des führenden Mineralogen und
Geologen an der Bergakademie Freiberg, vertritt Goethe sehr
entschieden Ansicht, dass alle Gesteine durch die lebendig
bildenden neptunischen Kräfte des Wassers
geformt werden und nicht durch die gewaltsame eruptive plutonische
Gewalt des Feuers. Der Granit erscheint ihm dabei als
das Urgestein schlechthin, auf dem die ganze
mineralische Natur ruht und aus dem sich alle anderen Gesteine
ideell ableiten lassen. Goethe sieht den Granit derart als
eine Art Urgebirge an, wie er ähnlich in der Farbenlehre
vom Urphänomen oder in der Botanik
von der Urpflanze spricht:
Jeder Weg in unbekannte Gebirge bestätigte die alte
Erfahrung, daß das Höchste und das Tiefste Granit sei,
daß diese Steinart, die man nun näher kennen und von
andern unterscheiden lernte, die Grundfeste unserer Erde
sei, worauf sich alle übrigen mannigfaltigen Gebirge
hinaufgebildet. |
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Im
September: Friedrich Heinrich Jacobi besucht Goethe.
Studium der philosophischen Werke von Baruch
Spinoza. Gemeinsam mit Jacobi und Matthias
Claudius, reist Goethe nach Jena, um Karl
Ludwig von Knebel aufzusuchen, der sich dort niedergelassen
hatte. |
1785 |
Goethe beginnt
sich ab März mit botanischen Studien zu befassen.
Von Juni bis August reist Goethe
gemeinsam mit Karl Ludwig von Knebel durch das Fichtelgebirge nach
Karlsbad . Erster Kuraufenthalt in Karlsbad, wo er mit Charlotte von Stein
und Johann Gottfried
Herder zusammentrifft.
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