Zeittafel
zu Leben und Werk
1813 - 1832
Dieses Symbol verweist jeweils auf weiterführende Texte Goethes, insbesondere auf seine autobiographischen Schriften "Dichtung und Wahrheit"
und "Italienische Reise" bzw. auf Eckermanns
"Gespräche mit Goethe".
Kenne ich mein Verhältnis zu mir selbst und zur
Außenwelt, so heiß ich's Wahrheit.
Und so kann jeder seine eigene Wahrheit haben, und es ist doch immer
dieselbige. [1]
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1813 |
Völkerschlacht
bei Leipzig.
Die Völkerschlacht bei
Leipzig 1813.
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Auflösung der Ilmenauer
Bergwerkskommission.
Dichtung und Wahrheit,
Dritter Teil
Gefunden
- Christiane Vulpius gewidmet.
Der
Totentanz
Im November lernt Goethe
Arthur Schopenhauer
kennen.
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Johann Wolfgang von
Goethe
im 68. Lebensjahr.
Kolorierter Stich von Johann Müller
nach einer Kreidezeichnung des
Weimarer Hofmalers
Ferdinand Jagemann.
Goethe um 1818
Ölgemälde von Ferdinand Jagemann
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1814 |
Reisen an den
Rhein. Liebe zu Marianne von Willemer,
die das Urbild der Suleika in Goethes später
veröffentlichter Gedichtsammlung West-östlicher
Divan ist, zu welcher Goethe durch die gemeinsame
Lektüre des persischen Dichters Hafis (14. Jh.)
inspiriert wurde. |
1815 |
Schlacht bei
Waterloo. Napoleon
wird besiegt und nach St. Helena
verbannt.
Im Februar wird
Sachsen-Weimar-Eisenach durch Beschluss des Wiener Kongresses
(1814/15)zum Großherzogtum erhoben.
Goethe wird Erster Minister und führt
die Oberaufsicht über die Anstalten für Kunst und
Wissenschaft. Zweite
Reise an den Rhein, den Main und an die Neckar. Mit dem preußischen
Reformer Karl von und zum Stein besichtigt Goethe
den Kölner Dom und die Wallraf-Kunstsammlung.
Zusammentreffen mit den Brüdern
Grimm und den Familien Brentano und Städel. |
1816 |
Am 6. Juni
stirbt Christiane von
Vulpius. Nach dem Tod Christianens
Charlotte Kestner besucht Goethe in Weimar; die daraus resultierenden Begegnungen verliefen
aber durchweg förmlich und steif, wohl auch wegen Goethes damaliger Krankheit.
Juli bis September ist Goethe in Bad
Tennstedt.
Italienische
Reise |
1817 |
Von März bis
August und von November bis Dezember ist Goethe häufig in
Jena.
Am 17. Juni vermählt sich Goethes Sohn
August mit Ottilie von Pogwisch. |
1818 |
Juli bis
September verbringt Goethe in Karlsbad. |
1819 |
Goethe wird
Ehrenmitglied der von Freiherr von und zum Stein gegründeten
Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde,
die er in der Folgezeit durch mehrere Beiträge für die
Quellensammlung Monumenta Germaniae unterstützt.
Von August bis
September ist Goethe in Karlsbad.
West-östlicher
Divan
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Dem Physiker
»Ins Innre der Natur -«
O du Philister! -
»Dringt kein erschaffner Geist.«
Mich und Geschwister
Mögt ihr an solches Wort
Nur nicht erinnern: Wir denken:
Ort für Ort Sind wir im Innern.
»Glückselig, wem sie nur
Die äußre Schale weist!«
Das hör ich sechzig Jahre wiederholen,
Ich fluche drauf, aber verstohlen;
Sage mir tausend tausend Male:
Alles gibt sie reichlich und gern;
Natur hat weder Kern Noch Schale,
Alles ist sie mit einem Male.
Dich prüfe du nur allermeist,
Ob du Kern oder Schale seist.
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Johann Wolfgang von
Goethe 1828
Ausschnitt aus dem Ölgemälde von
Joseph Karl Stieler
(Neue Pinakothek, München)
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1820 |
Goethe
beschäftigt sich mit meteorologischen Beobachtungen: Wolkengestalt
nach Howard, die sich auch in dem Gedicht Howards
Ehrengedächtnis widerspiegeln.
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Von
April bis Mai hält sich Goethe in Karlsbad auf.
September: Geburt des Enkels Wolfgang.
Zahme
Xenien |
Ulrike von Levetzow
Pastell, 1821
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1821 |
Von
Juli bis September ist Goethe in Marienbad und Eger.
Begegnung mit Amalie von Levetzow
und ihren drei Töchtern, darunter die 18jährige Ulrike
von Levetzow,
der Goethe einen Heiratsantrag macht, den sie aber ablehnt, da
sie ihn mehr oder weniger als Scherz aufgefasst hat.
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1822 |
Die Zeit von
Juni bis August verbringt Goethe in Marienbad und Eger.
Kampagne in Frankreich
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1823
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Von Februar bis
März laboriert Goethe an einer Herzbeutel- und Rippenfellentzündung.
Am 10. Juni wird Goethe erstmals von Johann
Peter Eckermann
besucht und beginnt seine Gespräche mit Goethe aufzuzeichnen:
Gespräche
mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens.
Von 1823 an sind die
Jahreszahlen unmittelbar mit den entsprechenden Aufzeichnungen
Eckermanns verlinkt!
Von Juli bis September weilt Goethe in
Marienbad, Eger und Karlsbad.
Die Marienbader Elegie entsteht. |
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1824 |
Goethe bereitet
die Herausgabe seines Briefwechsels mit Schiller
vor.
Im Juli wird Goethe von Bettina von Arnim besucht
und im Oktober von Heinrich
Heine.
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1825 |
Goethe
wendet sich entschieden gegen die Meinung, dass kosmische,
planetarische Einflüsse das Wettergeschehen mitbestimmen.
Dieses ist ihm ein rein tellurisches Phänomen, das er als
gleichsam lebendigen rhythmischen Atmungsvorgang der
Erde auffasst, den er studiert, indem er die
räumlichen und zeitlichen Schwankungen des Barometerstandes
beobachtet. Goethe spricht sich darüber aus in seinem Versuch
einer Witterungslehre:
Hiernach werden also zwei Grundbewegungen des lebendigen
Erdkörpers angenommen und sämtliche barometrische
Erscheinungen als symbolische Äußerung derselben betrachtet.
Zuerst deutet uns die sogenannte Oszillation auf eine gesetzmäßige
Bewegung um die Achse, wodurch die Umdrehung der Erde
hervorgebracht wird, woraus denn Tag und Nacht erfolgt. Dieses
Bewegende senkt sich in vierundzwanzig Stunden zweimal und
erhebt sich zweimal, wie solches aus mannigfaltigen bisherigen
Beobachtungen hervorgeht; wir versinnlichen sie uns als
lebendige Spirale, als belebte Schraube ohne Ende; sie bewirkt
als anziehend und nachlassend das tägliche Steigen und Fallen
des Barometers unter der Linie; dort, wo die größte Erdmasse
sich umrollt, muß sie am bemerklichsten sein, gegen die Pole
sich vermindern, ja Null werden, wie auch schon von
Beobachtern ausgesprochen ist. Diese Rotation hat auf die
Atmosphäre entschiedenen Einfluß; Klarheit und Regen
erscheinen tagtäglich abwechselnd, wie die Beobachtungen
unter dem Äquator deutlich beweisen.
Die zweite allgemein bekannte Bewegung, die wir einer
vermehrten oder verminderten Schwerkraft gleichfalls
zuschreiben und sie einem Ein- und Ausatmen vom Mittelpunkte
gegen die Peripherie vergleichen, diese darzutun haben wir das
Steigen und Fallen des Barometers als Symptom betrachtet.
Goethes Ansicht nach ist es die
rhythmisch wechselnde, pulsierende Anziehungskraft der Erde, welche die im
Wettergeschehen chaotisch waltenden Elemente so bändigt, dass
sie sich in einen gesetzmäßig geordneten Ablauf einfügen:
Die Elemente sind die Willkür selbst zu nennen; die Erde möchte
sich des Wassers immerfort bemächtigen und es zur Solideszenz
zwingen, als Erde, Fels oder Eis, in ihren Umfang nötigen.
Ebenso unruhig möchte das Wasser die Erde, die es ungern
verließ, wieder in seinen Abgrund reißen. Die Luft, die uns
freundlich umhüllen und beleben sollte, rast auf einmal als
Sturm daher, uns niederzuschmettern und zu ersticken. Das
Feuer ergreift unaufhaltsam, was von Brennbarem, Schmelzbarem
zu erreichen ist. Diese Betrachtungen schlagen uns nieder,
indem wir solche so oft bei großem, unersetzlichem Unheil
anzustellen haben. Herz und Geist erhebend ist dagegen, wenn
man zu schauen kommt, was der Mensch seinerseits getan hat,
sich zu waffnen, zu wehren, ja seinen Feind als Sklaven zu
benutzen.
Das Höchste jedoch, was in solchen Fällen dem Gedanken
gelingt, ist: gewahr zu werden, was die Natur in sich selbst
als Gesetz und Regel trägt, jenem ungezügelten, gesetzlosen
Wesen zu importieren. Wie viel ist nicht davon zu unserer
Kenntnis gekommen. Hier dürfen wir nur des Nächsten
gedenken.
Die erhöhte Anziehungskraft der Erde, von der wir durch
das Steigen des Barometers in Kenntnis gesetzt sind, ist die
Gewalt, die den Zustand der Atmosphäre regelt und den
Elementen ein Ziel setzt; sie widersteht der übermäßigen
Wasserbildung, den gewaltsamsten Luftbewegungen; ja, die
Elektrizität scheint dadurch in der eigentlichsten
Indifferenz gehalten zu werden.
Niederer Barometerstand hingegen entläßt die Elemente,
und hier ist vor allen Dingen zu bemerken, daß die untere
Region der Kontinental-Atmosphäre Neigung habe, von Westen
nach Osten zu strömen; Feuchtigkeit, Regengüsse, Wellen,
Wogen, alles zieht milder oder stürmischer ostwärts, und wo
diese Phänomene unterwegs auch entspringen mögen, so werden
sie schon mit der Tendenz, nach Osten zu dringen, geboren.
In seiner Farbenlehre
hatte Goethe Licht und Finsternis als jene Urpolaritäten
erkannt, die vermittels der trüben Materie derart miteinander
wechselwirken, dass daraus die Farberscheinungen entstehen.
Eine analoge Polarität scheint ihm das Wettergeschehen zu
beherrschen: Ebenso haben wir nun Anziehungskraft und
deren Erscheinung, Schwere, an der einen Seite, dagegen an der
andern Erwärmungskraft und deren Erscheinen, Ausdehnung, als
unabhängig einander gegenübergestellt; zwischen beide hinein
setzten wir die Atmosphäre, den von eigentlich sogenannten Körperlichkeiten
leeren Raum, und wir sehen, je nachdem obgenannte beide Kräfte
auf die feine Luftmaterialität wirken, das, was wir Witterung
nennen, entstehen und so das Element, in dem und von dein wir
leben, aufs mannigfaltigste und zugleich gesetzlichste
bestimmt.
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Im Februar nimmt
Goethe wieder die Arbeit an seinem Faust
auf.
Franz Schubert schickt seine Vertonungen
der Gedichte An
Schwager Kronos,
An Mignon
und Ganymed,
aber Goethe antwortet ihm nicht.
Ehrendoktorwürde der Juristischen
Fakultät der Universität Jena.
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1826 |
Der Helena-Akt
(3. Akt) von Goethes Faust
wird niedergeschrieben.
Von August bis September wird Goethe
wieder von Bettina von Arnim
besucht.
Im September/Oktober ist Franz
Grillparzer für einige Tage bei Goethe zu Gast.
Im Dezember sind Alexander und
Wilhelm von Humboldt zu
Besuch.
Novelle
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Goethe 1826
Kreidezeichnung von
Julius Ludwig Sebbers
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1827 |
Im Januar
stirbt Charlotte von
Stein.
Besuche von Zelter und Hegel.
Oktober: Geburt der Enkelin Alma.
Zahme
Xenien
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1828 |
Am 14. Juni
stirbt Großherzog Carl
August.
Von Juli bis September zieht sich Goethe auf die Dornburg
zurück.
Besuch von Ludwig
Tieck.
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Johann Wolfgang von
Goethe
Gemälde von Josef Stieler, 1828
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1829 |
Wilhelm
Meisters Wanderjahre. Neben vielem anderen findet
sich hier auch ein bedeutsames Beispiel für Goethes
kosmisch-mystische Vertiefung, die hier durch die merkwürdige
Persönlichkeit Makariens dargestellt wird:
Makarie befindet sich zu unserm
Sonnensystem in einem Verhältnis, welches man auszusprechen
kaum wagen darf. Im Geiste, der Seele, der Einbildungskraft
hegt sie, schaut sie es nicht nur, sondern sie macht gleichsam
einen Teil desselben; sie sieht sich in jenen himmlischen
Kreisen mit fortgezogen, aber auf eine ganz eigene Art; sie
wandelt seit ihrer Kindheit um die Sonne, und zwar, wie nun
entdeckt ist, in einer Spirale, sich immer mehr vom
Mittelpunkt entfernend und nach den äußeren Regionen
hinkreisend.
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Wenn man annehmen darf, daß die Wesen, insofern sie körperlich
sind, nach dem Zentrum, insofern sie geistig sind, nach der
Peripherie streben, so gehört unsere Freundin zu den
geistigsten; sie scheint nur geboren, um sich von dem
Irdischen zu entbinden, um die nächsten und fernsten Räume
des Daseins zu durchdringen. Diese Eigenschaft, so herrlich
sie ist, ward ihr doch seit den frühsten Jahren als eine
schwere Aufgabe verliehen. Sie erinnert sich von klein auf ihr
inneres Selbst als von leuchtendem Wesen durchdrungen, von
einem Licht erhellt, welchem sogar das hellste Sonnenlicht
nichts anhaben konnte. Oft sah sie zwei Sonnen, eine innere nämlich
und eine außen am Himmel, zwei Monde, wovon der äußere in
seiner Größe bei allen Phasen sich gleich blieb, der innere
sich immer mehr und mehr verminderte. [6]
Schwatzet mir nicht
so viel von Nebelflecken und Sonnen!
Ist die Natur nur groß, weil sie zu
zählen euch gibt?
Euer Gegenstand ist der erhabenste freilich im Raume,
Aber, Freunde, im Raum wohnt das
Erhabene nicht.
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Faust
I. wird
in Braunschweig uraufgeführt.
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Goethes Sohn August von
Goethe
Kreidezeichnung von Joseph Schmeller, um 1823
Goethe in seinem
Arbeitszimmer,
dem Kopisten Johann August John diktierend.
Ölgemälde von
Joseph Schmeller, 1831
Stiftung
Weimarer Klassik,
Goethe-Nationalmuseum
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1830 |
Der Komponist Felix
Mendelssohn-Bartholdy besucht Goethe im Mai/Juni.
Um Distanz von
seinen häuslichen und dienstlichen Verpflichtungen zu
bekommen, unternimmt Goethes Sohn August von Goethe, nicht
zuletzt auf den Rat seines Vaters hin, eine ausgedehnte Reise
nach Italien. In Rom erliegt er am 27. Oktober einer
Pockeninfektion. Um eine würdige Bestattung und um die
Verwahrung des Nachlasses kümmerte sich August Kestner,
der Sohn von Johann Christian und Charlotte Kestner,
der bereits 1817 als hannoverscher Gesandtschaftssekretär
nach Rom gekommen war und seitdem hier lebte und als Diplomat
und besonders auch als Kunstsammler tätig war.
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Am 10. November erfährt Goethe vom Tod
seines Sohnes und erleidet gegen Ende November einen
Blutsturz.
Dichtung und Wahrheit,
Vierter Teil
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1831 |
Am 22. Juni
beendet Goethe Faust
- Der Tragödie zweiter Teil, das mit dem Credo
seines Lebens endet:
CHORUS MYSTICUS.
Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis;
Das Unzulängliche,
Hier wird's Ereignis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist's getan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.
(Faust II,
5.Akt)
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Im August hält sich Goethe in Ilmenau
auf.
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1832 |
Über den Regenbogen
Am 17. März äußert sich Goethe in
einem Brief
an Wilhelm von Humboldt das letzte Mal
über seinen Faust.
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Mitte
März beginnt die kurze Todeskrankheit Goethes. Sein
behandelnder Arzt,
Dr. Carl Vogel berichtet:
Da wurde ich am 16ten März zu ungewöhnlich
früher Stunde, schon um 8 Uhr Morgens, zu Goethe
beschieden. -- In der Regel sah ich ihn in ärztlicher und
amtlicher Beziehung jeden Vormittag erst um 9 Uhr, und hatte
am vorigen Tage, nach langer Unterhaltung, ihn sehr heiter und
wohl um diese Zeit verlassen. -- Ich fand ihn im Bette
schlummernd. Bald erwachte er, konnte sich indessen nicht
sogleich völlig ermuntern, und klagte, er habe sich bereits
gestern, während der Rückkehr von einer, in sehr windigem,
kaltem Wetter, zwischen 1 und 2 Uhr Nachmittags unternommenen
Spatzierfahrt unbehaglich gefühlt, darauf nur wenig und ohne
rechten Appetit essen mögen, das Bette zeitig gesucht und in
demselben eine zum grössten Theile schlaflose Nacht, unter öfters
wiederkehrendem, trocknem, kurzem Husten, mit Frösteln
abwechselnder Hitze, und unter Schmerzen in den äussern
Theilen der Brust unangenehm genug verbracht. Am
wahrscheinlichsten sei eine Erkältung, die er sich vor dem
Ausfahren bei dem Herübergehen aus seinem sehr stark
geheizten Arbeitszimmer über den kalten Flur in die nach der
Strasse zu gelegenen Gesellschaftszimmer, leicht zugezogen
haben könne, Ursache der gegenwärtigen Leiden. [7]
Am 22. März, mittags um
halb zwölf Uhr stirbt Goethe 82-jährig nach einwöchiger
Krankheit.
Dr. Carl Vogel berichtet über die letzten Momente
von Goethes Leben:
Die Sprache wurde immer mühsamer und undeutlicher.
"Mehr Licht" sollen, während ich das Sterbezimmer
auf einen Moment verlassen hatte, die letzten Worte des Mannes
gewesen seyn, dem Finsterniss in jeder Beziehung stets
verhasst war. Als später die Zunge den Gedanken ihren Dienst
versagte, malte er, wie auch wohl früher, wenn irgend ein
Gegenstand seinen Geist lebhaft beschäftigte, mit dem
Zeigefinger der rechten Hand öfters Zeichen in die Luft, erst
höher, mit den abnehmenden Kräften immer tiefer, endlich auf
die über seinen Schooss gebreitete Decke. Mit Bestimmtheit
unterschied ich einigemal den Buchstaben W. und
Interpunctionszeichen.
Um halb zwölf Uhr Mittags drückte sich der Sterbende
bequem in die linke Ecke des Lehnstuhls, und es währte lange,
ehe den Umstehenden einleuchten wollte, dass Goethe ihnen
entrissen sey.
So machte ein ungemein sanfter Tod das Glücksmaass eines
reich begabten Daseyns voll. [7]
Eckermann
sah am nächsten Tag den
Toten:
Auf dem Rücken ausgestreckt, ruhte er wie ein Schlafender.
Tiefer Friede und Festigkeit waltete auf den Zügen seines
erhaben-edlen Gesichts. Die mächtige Stirn schien noch
Gedanken zu hegen. [8]
Am 26. März wurde die sterbliche Hülle
Goethes in der Weimarer
Fürstengruft beigesetzt.
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Es irrt der Mensch,
solang' er strebt.
(Faust I,
Prolog im Himmel)
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Goethe auf dem Totenbett
Friedrich Preller, 1832
Bleistift und Graphit
Stiftung
Weimarer Klassik, Museen
Quelle: biblint.de
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Gerettet ist das edle Glied
Der Geisterwelt vom Bösen,
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen.
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben teilgenommen,
Begegnet ihm die selige Schar
Mit herzlichem Willkommen.
(Faust II,
5.Akt)
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[1] Goethe, Maximen und
Reflexionen, Goethe-BA Bd. 18, S. 504
[2] Goethe, Tag- und
Jahreshefte, Goethe-BA Bd. 16, S. 16
[5] Goethe, Farbenlehre, siehe http://www.farben-welten.de/farbenlehre/1physiologisch/vorwort.htm
[6] Goethe, Wilhelm
Meisters Wanderjahre, III. Buch, 15. Kapitel, siehe http://gutenberg.spiegel.de/goethe/meisterw/mstw315.htm
[7] Carl
Vogel, Die
letzte Krankheit Goethe's. Nebst einer Nachschrift von C.W.
Hufeland. In: Journal der practischen Heilkunde, 1833, S. 3-32,
siehe http://www.odysseetheater.com/goethe/goethe_tod.htm
[8] J. P. Eckermann,
Gespräche mit Goethe, II. Teil, 23.
März 1832, siehe http://gutenberg.spiegel.de/eckerman/gesprche/gsp2118.htm
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