Zeittafel
zu Leben und Werk
1771 - 1775
Dieses Symbol verweist jeweils auf weiterführende Texte Goethes, insbesondere auf seine autobiographischen Schriften "Dichtung und Wahrheit"
und "Italienische Reise" bzw. auf Eckermanns
"Gespräche mit Goethe".
Man mag nicht mit jedem leben, und so kann man
auch nicht für jeden leben; wer das recht einsieht, wird seine Freunde höchlich zu schätzen wissen, seine
Feinde nicht hassen noch verfolgen; vielmehr erlangt der Mensch nicht leicht einen größeren Vorteil, als
wenn er die Vorzüge seiner Widersacher gewahr werden kann: dies gibt ihm ein entschiedenes Übergewicht über sie.
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1771 |
Goethes Dissertation über
das kirchengeschichtliche Thema "Der
Gesetzgeber ist nicht allein berechtigt, sondern verpflichtet,
einen gewissen Kultus festzusetzen, von welchem weder die
Geistlichkeit noch die Laien sich lossagen dürfen"
wird abgelehnt aufgrund seiner kühnen Thesen, nach denen die
christliche Lehre nicht von Christus stamme, sondern von
anderen unter seinem Namen verkündet worden wäre. Man
gestattet aber Goethe eine Verteidigung einfacherer Thesen,
wodurch er am 6. August den akademischen Grad eines
Lizentiaten der Rechte erwirbt, der in Deutschland
gleichwertig dem Doktorat angesehen wurde. Goethe war dadurch
berechtigt, sich als Dr. juris auszugeben. Zwei Tage
nach der Prüfung sieht Goethe Friederike Brion zum
letzten Mal, allerdings ohne sie wissen zu lassen, dass er
nicht wiederkehren werde. Erst von Frankfurt aus wagt er ihr
die Trennung schriftlich bekanntzugeben: |
Johann Gottfried Herder
(1744-1803)
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Die Antwort Friedrikens auf einen schriftlichen Abschied zerriß
mir das Herz. Es war dieselbe Hand, derselbe Sinn, dasselbe Gefühl, die
sich zu mir, die sich an mir herangebildet hatten. Ich fühlte nun erst
den Verlust, den sie erlitt, und sah keine Möglichkeit ihn zu ersetzen,
ja nur ihn zu lindern. Sie war mir ganz gegenwärtig; stets empfand ich,
daß sie mir fehlte, und, was das Schlimmste war, ich konnte mir mein
eignes Unglück nicht verzeihen. Gretchen hatte man mir genommen,
Annette mich verlassen, hier war ich zum erstenmal schuldig; ich hatte
das schönste Herz in seinem Tiefsten verwundet, und so war die Epoche
einer düsteren Reue, bei dem Mangel einer gewohnten erquicklichen
Liebe, höchst peinlich, ja unerträglich.
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Für Herder
sammelt Goethe elsässische Volkslieder nach mündlicher Überlieferung.
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1771-1774 |
Goethe
eröffnet eine Anwaltspraxis im Hirschgraben, die er während
der nächsten vier Jahre allerdings nur recht erfolglos betreibt
und lediglich 28 Prozesse führt.
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1772 |
Erste
Polnische Teilung zwischen Österreich, Russland und
Preußen.
Von
deutscher Baukunst
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Im Januar wird Goethe mit dem Kriegszahlmeister
und Schriftsteller Johann Heinrich Merck
und dem Zirkel der Empfindsamen
am Darmstädter Hof der Großen Landgräfin Caroline bekannt und beginnt intensiv an den
Frankfurter Gelehrten Anzeigen mitzuarbeiten. Mit zu
diesem Zirkel gehören die Hofdamen Henriette von
Roussillon, Luise von Ziegler, Herders Braut Caroline
Flachsland, Minister Carl Freiherr von Moser, Hofrat
Franz Michael Leuchsenring und Merck selbst. Mercks
scharfer analytischer Geist und seine unbezwingbare Spottlust
inspirierte Goethe für einige markante Charakterzüge seines Mephisto.
Von Mai bis September
arbeitet Goethe als Rechtspraktikant am Reichskammergericht in
Wetzlar, wo er Charlotte Buff
kennenlernt.
Als Goethe sich in sie verliebte, war sie bereits vier Jahre mit dem hannoverschen Legationssekretär
Johann Christian Kestner verlobt. Die unerfüllte
Liebe zu ihr machte sie zum Vorbild der Lotte im
Werther,
der zwei Jahre später erschien. Auch der Selbstmord Werthers
hatte einen realen biographischen Hintergrund: Der
braunschweigische Legationssekretär Karl Wilhelm Jerusalem
hatte sich in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober
umgebracht, vornehmlich wegen seiner Liebe zur Ehefrau des
pfälzischen Legationssekretärs.
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Charlotte Kestner, geb.
Buff
Pastell von
Johann Heinrich Schröder, 1782
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Mahomets
Gesang
Der Wandrer
Wanderers Sturmlied
Im September verlässt Goethe Wetzlar und wandert nach
Ems. Anschließend besucht er Sophie von La Roche in
Thal-Ehrenbreitenstein und macht die Bekanntschaft von Johanna Katharina Sybilla
Fahlmer.
Goethe beginnt die Arbeit am Urfaust
(bis 1775).
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Erscheinung des
Erdgeistes.
Bleistiftzeichnung Goethes.
Goethe 1773
Ölgemälde von Johann Daniel Bager.
Das Bild entstand auf Anregung Lavaters für dessen
"Physiognomische Fragmente", wofür Goethe auf
Lavaters Wunsch mit glatt gekämmtem und gepudertem Haar Model
saß.
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1773-1775 |
Goethe lebt nun
wieder in Frankfurt. Er begegnet Jacobi, Friedrich
Gottlieb Klopstock, Friedrich
Maximilian Klinger und Herzog Carl August
von Sachsen-Weimar-Eisenach.
Goethe beginnt mit der
Niederschrift einzelner Szenen seines Faust-Dramas,
so die Erscheinung des Erdgeistes, die Schülerszene des
ersten Teils, Auerbachs Keller und Teile der Gretchentragödie.
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1773 |
Götz
von Berlichingen:
Der Ritter Götz v. Berlichingen
wird in diesem fünfaktigen Drama als urwüchsige Persönlichkeit
der kraft- und charakterlosen
Gegenwart gegenübergestellt.
Auf
dem See
Goethe macht die Bekanntschaft von Maximiliane
von Brentano (geb. Laroche) und trifft häufig mit
Dichtern des Sturm und Drang zusammen.
Im November verehelicht sich Goethes Schwester
Cornelia
mit Johann Georg Schlosser und
übersiedelt nach Emmendingen.
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1774 |
Goethe
verkehrt regelmäßig im Haus der unterdessen verheirateten,
aber von ihm leidenschaftlich verehrten Maximiliane von La Roche,
wodurch es schließlich zum Streit zwischen ihm und ihrem
Mann kommt.
In Elberfeld trifft Goethe mit Johann Heinrich
Jung-Stilling, Johann Georg Jacobi, Wilhelm Heinse
und Friedrich Heinrich Jacobi zusammen. Im Oktober
lernt er Klopstock kennen.
Die Gedichte Prometheus
und Ganymed
entstehen.
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Lahn- und
Rheinreise mit Lavater und
Basedow von Juli bis August.
Zwischen Lavater und Basedow
Die Leiden des jungen
Werthers, ein
monologischer Briefroman, wird zum Welterfolg,
der Goethe auf einen Schlag berühmt und begehrt macht. Die
Epoche des Sturm & Drang ist
auf ihrem Höhepunkt angelangt.
Clavigo,
ein Trauerspiel in fünf Aufzügen in
Prosa über Liebe, Ehe und
Treue; der junge Schriftsteller Clavigo meint,
die "Pflichten gemeiner Menschen" seien für ihn
nicht gültig, durch seinen Treuebruch treibt er seine
Geliebte Marie in den Tod und
wird von ihrem Bruder erschossen.
Am 15./17. Oktober trifft
Goethe mit Heinrich
Christian Boie zusammen, dem er aus seinem Faust
vorliest, welcher erst 1790
als Fragment publiziert wird.
Ende 1774 begleitete der Lyriker und
Übersetzer römischer Klassiker Karl
Ludwig von Knebel, der ehemals im Regiment des Prinzen
von Preußen gedient hatte und nun seit kurzem Erzieher des Prinzen
Konstantin von Sachsen-Weimar-Eisenach war, die Prinzen
Carl August und Konstantin nach Paris. Während
ihres Aufenthalts in Frankfurt besuchte er Goethe und stellte
ihn am 12. 12. 1774 den Prinzen vor, die ihn einluden, nach
Weimar zu kommen. Knebel sollte einer der ersten nahen Freunde
Goethes in Weimar werden. Goethe berichtet über ihre erste
Begegnung:
... so trat ein wohlgebildeter schlanker Mann bei mir ein,
den ich zuerst in der Halbdämmerung für Fritz Jacobi hielt,
bald aber meinen Irrtum erkennend als einen Fremden begrüßte.
An seinem freien anständigen Betragen war eine gewisse militärische
Haltung nicht zu verkennen. Er nannte mir seinen Namen von
Knebel, und aus einer kurzen Eröffnung vernahm ich, daß er,
im preußischen Dienste, bei einem längern Aufenthalt in
Berlin und Potsdam, mit den dortigen Literatoren und der
deutschen Literatur überhaupt ein gutes und tätiges Verhältnis
angeknüpft habe...
Kaum hatten wir diese allgemein deutschen literarischen
Gegenstände durchgesprochen, als ich zu meinem Vergnügen
erfuhr, daß er gegenwärtig in Weimar angestellt und zwar dem
Prinzen Konstantin zum Begleiter bestimmt sei. Von den
dortigen Verhältnissen hatte ich schon manches Günstige
vernommen: denn es kamen viele Fremde von daher zu uns, die
Zeugen gewesen waren, wie die Herzogin Amalia zu Erziehung
ihrer Prinzen die vorzüglichsten Männer berufen; wie die
Akademie Jena durch ihre bedeutenden Lehrer zu diesem schönen
Zweck gleichfalls das Ihrige beigetragen; wie die Künste
nicht nur von gedachter Fürstin geschützt, sondern selbst
von ihr gründlich und eifrig getrieben würden. Auch vernahm
man, daß Wieland in vorzüglicher Gunst stehe; wie denn auch
der "Deutsche Merkur", der die Arbeiten so mancher
auwärtigen Gelehrten versammelte, nicht wenig zu dem Rufe der
Stadt beitrug, wo er herausgegeben wurde. Eins der besten
deutschen Theater war dort eingerichtet, und berühmt durch
Schauspieler sowohl als Autoren, die dafür arbeiteten.
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1775 |
Bekanntschaft mit
Maler Müller.
Im April verlobt sich Goethe
mit der Franfurter Bankierstochter Lili Schönemann.
Kennen gelernt hatte er die damals 16-jährige bei einem
abendlichen Hauskonzert im Hause Schönemann, wo ihn
ihr anmutiges Klavierspiel sofort bezauberte.
Mein
Verhältnis zu ihr war von Person zu Person, zu einer
schönen, liebenswürdigen, gebildeten Tochter; es glich
meinen früheren Verhältnissen, und war noch höherer Art. An
die Äußerlichkeiten jedoch, an das Mischen und Wiedermischen
eines geselligen Zustandes hatte ich nicht gedacht. Ein
unbezwingliches Verlangen war eingetreten; ich konnte nicht
ohne sie, sie nicht ohne mich sein; aber in den Umgebungen und
bei den Einwirkungen einzelner Glieder ihres Kreises, was
ergaben sich da oft für Mißtage und Fehlstunden!
An
Belinden
So sehr es ihn auch zu Lili hinzog, denn
sie war "die erste, die ich tief und wahrhaft
liebte" - in den gesellschaftlichen Kreis der Schönemanns
konnte sich Goethe nur schwer einleben, und so wurde die Verlobung
bereits im
Herbst des selben Jahres wieder gelöst .
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Anna Elisabeth (Lili)
von Türckheim,
geb. Schönemann
Pastell von F. B. Frey, 1782
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Erwin und Elmire.
Ein Schauspiel mit Gesang.
Gesang
der Geister über den Wassern
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