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Johann Wolfgang
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Zeittafel zu Leben und Werk1765 - 1770Dieses Symbol verweist jeweils auf weiterführende Texte Goethes, insbesondere auf seine autobiographischen Schriften "Dichtung und Wahrheit" und "Italienische Reise" bzw. auf Eckermanns "Gespräche mit Goethe".
Ob seiner Eleganz wurde Leipzig gerne auch als "Klein-Paris" bezeichnet. Die Promenade war ein beliebter Treffpunkt der jungen Damen und Herren.Bekanntschaft mit der Leipziger Gastwirtstochter Annette Käthchen Schönkopf. Käthchen, wie er die junge Frau nannte, die drei Jahre älter als er selbst war, scheint auf Goethes Werbung eher hinhaltend reagiert zu haben. Im Dezember beginnt Goethe Zeichenunterricht bei dem Maler, Kupferstecher und Bildhauer Adam Friedrich Oeser zu nehmen, der ihn für die Ideen Winkelmanns begeistert. Angeregt fühlt sich Goethe auch durch den Zyniker Ernst Wolfgang Behrisch , dem Hofmeister und späteren Prinzenerzieher in Dessau. Goethe widmet ihm seinen ersten, allerdings erst posthum veröffentlichten Gedichtzyklus Oden an meinen Freund. An Behrisch. Behrisch wird mit seiner unverkennbar zynischen Lebensart zum lebenden Urbild des Mephistopheles: Schon sein Äußeres war sonderbar genug. Hager und wohlgebaut, weit in den Dreißigen, eine sehr große Nase und überhaupt markierte Züge; eine Haartour, die man wohl eine Perücke hätte nennen können, trug er vom Morgen bis in die Nacht, kleidete sich sehr nett und ging niemals aus, als den Degen an der Seite und den Hut unter dem Arm. Er war einer von den Menschen, die eine ganz besondere Gabe haben, die Zeit zu verderben, oder vielmehr, die aus nichts etwas zu machen wissen, um sie zu vertreiben. Alles, was er tat, mußte mit Langsamkeit und einem gewissen Anstand geschehen, den man affektiert hätte nennen können, wenn Behrisch nicht schon von Natur etwas Affektiertes in seiner Art gehabt hätte. Er ähnelte einem alten Franzosen, auch sprach und schrieb er sehr gut und leicht französisch. Seine größte Lust war, sich ernsthaft mit possenhaften Dingen zu beschäftigen, und irgend einen albernen Einfall bis ins Unendliche zu verfolgen.
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Das Frankfurter
Arbeitszimmer
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Die von Heiterkeit geprägte anakreontische Gedichtsammlung Annette entsteht. Es ist die erste handschriftliche Gedichtsammlung Goethes. Abdruck des Gedichtes Poetische Gedanken über die Höllenfahrt Jesu Christi in der Frankfurter Zeitschrift «Die Sichtbaren» ohne Goethes Zustimmung. |
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1767 | Goethes künstlerische Begabungen richteten sich nicht nur auf die Dichtkunst. Auch als Zeichner war er hochbegabt und konnte sich lange nicht entscheiden, worauf er sein Schwergewicht legen sollte. Eine innige Beziehung zum Licht und seinen Farben zeichnete ihn ein Leben lang aus und prägte seinen Dichtungen einen unverkennbar konkret bildhaften Charakter auf, und so war sein Sinnen und Dichten zugleich immer auch ein Schauen. Dass Goethe in späteren Jahren als Naturforscher eine eigene Farbenlehre entwickelt hat, ist nicht zufällig, sondern liegt tief in seinem ganzen Wesen begründet: Der universelle Forscher und Dichter Goethe war wie kein zweiter ein Mensch des Augen-Sinns: Es war nicht allein die äußere Erscheinung seiner Augen - die dunkelbraunen Pupillen waren mit einem blauen Rand umgeben - die jeder seiner Gesprächspartner beeindruckt bemerkte, sondern deren nie ruhende Eindringlichkeit. [1] Johann Wolfgang Goethe,
Wartburg mit Mönch und Nonne, 14.12.1807 (?).
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1768 | Am 8. Juni wird Winkelmann in Triest ermordet; sein Tod hinterlässt bei Goethe einen tiefen Eindruck: Dieser ungeheuere Vorfall tat eine ungeheuere Wirkung; es war ein allgemeines Jammern und Wehklagen, und sein frühzeitiger Tod schärfte die Aufmerksamkeit auf den Wert seines Lebens. Ja vielleicht wäre die Wirkung seiner Tätigkeit, wenn er sie auch bis in ein höheres Alter fortgesetzt hätte, nicht so groß gewesen, als sie jetzt werden mußte, da er, wie mehrere außerordentliche Menschen, auch noch durch ein seltsames und widerwärtiges Ende vom Schicksal ausgezeichnet worden. |
Johann Joachim WinckelmannGeb. 9.12.1717
Stendal;
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Leipziger Liederbuch: zehn Gedichte zu Kompositionen von Bernhard Theodor Breitkopf. Kurz bevor sich Käthchen mit dem späteren Vizebürgermeister von Leipzig, Christian Karl Kanne, verlobte, löste er seine doch nur in der Phantasie bestehende Beziehung zur Wirtstochter und erlitt einen völligen psychischen und physischen Zusammenbruch. Die schwere Erkrankung mündete in einen Blutsturz und am 28. August reiste Goethe aus Leipzig ab. Die langwierige Erkrankung führte zu einem radikalen Umbruch und zu einer starken geistigen Vertiefung von Goethes Leben: |
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Eines Nachts wachte ich mit einem heftigen Blutsturz auf, und hatte noch soviel Kraft und Besinnung, meinen Stubennachbar zu wecken. Doktor Reichel wurde gerufen, der mir aufs freundlichste hülfreich ward, und so schwankte ich mehrere Tage zwischen Leben und Tod, und selbst die Freude an einer erfolgenden Besserung wurde dadurch vergällt, daß sich, bei jener Eruption, zugleich ein Geschwulst an der linken Seite des Halses gebildet hatte, den man jetzt erst, nach vorübergegangner Gefahr, zu bemerken Zeit fand. Genesung ist jedoch immer angenehm und erfreulich, wenn sie auch langsam und kümmerlich vonstatten geht, und da bei mir sich die Natur geholfen, so schien ich auch nunmehr ein anderer Mensch geworden zu sein: denn ich hatte eine größere Heiterkeit des Geistes gewonnen, als ich mir lange nicht gekannt, ich war froh, mein Inneres frei zu fühlen, wenn mich gleich äußerlich ein langwieriges Leiden bedrohte. |
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1768-1770 | Langsame Genesung Goethes in Frankfurt. Während der langen Krankheit wird Goethe durch Susanne Katharina von Klettenberg gepflegt, einer Verwandten seiner Mutter, die ihn in die religiöse Vorstellungswelt des Pietismus einführte und zur Lektüre pansophisch-alchimistischer Schriften (Alchemie) in neuplatonischer Tradition anregte (Paracelsus, Basilius Valentinus, Georg v. Wellings "Opus Mago-Cabalisticum et Theosophicum" u.a.). Goethe machte auch selbst verschiedene alchimistische Experimente, die sein Interesse für die exakte und aufmerksame Beobachtung von Naturvorgängen weckten. Susanne von Klettenberg wurde das lebendige Vorbild für die Schöne Seele in Wilhelm Meisters Lehrjahre VI und für die Gestalt der Makarie in Wilhelm Meisters Wanderjahre III: Sie hatte schon insgeheim Wellings »Opus mago-cabbalisticum« studiert, wobei sie jedoch, weil der Autor das Licht, was er mitteilt, sogleich wieder selbst verfinstert und aufhebt, sich nach einem Freunde umsah, der ihr in diesem Wechsel von Licht und Finsternis Gesellschaft leistete. Es bedurfte nur einer geringen Anregung, um auch mir diese Krankheit zu inokulieren. Ich schaffte das Werk an, das, wie alle Schriften dieser Art, seinen Stammbaum in gerader Linie bis zur neuplatonischen Schule verfolgen konnte. Meine vorzüglichste Bemühung an diesem Buche war, die dunklen Hinweisungen, wo der Verfasser von einer Stelle auf die andere deutet und dadurch das, was er verbirgt, zu enthüllen verspricht, aufs genauste zu bemerken und am Rande die Seitenzahlen solcher sich einander aufklären sollenden Stellen zu bezeichnen. Aber auch so blieb das Buch noch dunkel und unverständlich genug; außer daß man sich zuletzt in eine gewisse Terminologie hineinstudierte, und, indem man mit derselben nach eignem Belieben gebarte, etwas, wo nicht zu verstehen, doch wenigstens zu sagen glaubte. Gedachtes Werk erwähnt seiner Vorgänger mit vielen Ehren, und wir wurden daher angeregt, jene Quellen selbst aufzusuchen. Wir wendeten uns nun an die Werke des Theophrastus Paracelsus und Basilius Valentinus; nicht weniger an Helmont, Starkey und andere, deren mehr oder weniger auf Natur und Einbildung beruhende Lehren und Vorschriften wir einzusehen und zu befolgen suchten. Mir wollte besonders die »Aurea Catena Homeri« gefallen, wodurch die Natur, wenn auch vielleicht auf phantastische Weise, in einer schönen Verknüpfung dargestellt wird; und so verwendeten wir teils einzeln, teils zusammen viele Zeit an diese Seltsamkeiten, und brachten die Abende eines langen Winters, während dessen ich die Stube hüten mußte, sehr vergnügt zu, indem wir zu dreien, meine Mutter mit eingeschlossen, uns an diesen Geheimnissen mehr ergetzten, als die Offenbarung derselben hätte tun können. |
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1768 | Die Mitschuldigen |
Das Münster in
Straßburg.
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1769 | Goethe beschäftigt sich mit Fragen der Kunsttheorie und setzt sich vor allem mit Gotthold Ephraim Lessings Laokoon und Johann Gottfried Herders »Kritischen Wäldern« auseinander. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
1770 |
Goethe in StraßburgGegen Ostern verlässt Goethe sein Elternhaus Richtung Elsaß, um in Straßburg sein krankheitshalber unterbrochenes Studium zu vollenden. Er bezog eine Wohnung am alten Fischmarkt. Der Anblick des Straßburger Münsters überwältigt Goethe schon am ersten Tag. Als einer der wenigen seiner Zeit vermochte er unbefangen die erhabene Größe der gotischen Architektur einzuschätzen, die damals allgemein als roh und ungehobelt angesehen wurde: Als ich das erstemal nach dem Münster ging, hatt ich den Kopf voll allgemeiner Erkenntnis guten Geschmacks. Auf Hörensagen ehrt ich die Harmonie der Massen, die Reinheit der Formen, war ein abgesagter Feind der verworrnen Willkürlichkeiten gotischer Verzierungen. Unter die Rubrik gotisch, gleich dem Artikel eines Wörterbuchs, häufte ich alle synonymische Mißverständnisse, die mir von Unbestimmtem, Ungeordnetem, Unnatürlichem, Zusammengestoppeltem, Aufgeflicktem, Überladenem jemals durch den Kopf gezogen waren... Mit welcher unerwarteten Empfindung überraschte mich der Anblick, als ich davortrat. Ein ganzer, großer Eindruck füllte meine Seele, den, weil er aus tausend harmonierenden Einzelnheiten bestand, ich wohl schmecken und genießen, keineswegs aber erkennen und erklären konnte. Sie sagen, daß es also mit den Freuden des Himmels sei, und wie oft bin ich zurückgekehrt, diese himmlisch-irdische Freude zu genießen, den Riesengeist unsrer ältern Brüder in ihren Werken zu umfassen. Wie oft bin ich zurückgekehrt, von allen Seiten, aus allen Entfernungen, in jedem Lichte des Tags zu schauen seine Würde und Herrlichkeit. Schwer ist's dem Menschengeist, wenn seines Bruders Werk so hoch erhaben ist, daß er nur beugen und anbeten muß... [4] |
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Vom April bis März 1771 setzte Goethe nun sein Jurastudium in Straßburg fort und besucht Vorlesungen in Geschichte, Staatswissenschaft, Anatomie, Chirurgie und Chemie. Beim gemeinsamen Mittagstisch im nahe gelegenen Gasthaus in der Rue de l'Ail (Knoblauchgasse) kommt er mit dem pietistischen Schriftsteller und Arzt Jung-Stilling, mit Jakob Michael Reinhold Lenz, der als Hofmeister zweier kurländischer Edelleute nach Straßburg kam, und mit dem Theologen Franz Christian Lerse zusammen. Letzterer gab das Vorbild für Goethes Figur des Götz von Berlichingen ab. Im Gasthof Zum Geist trifft Goethe zufällig mit Johann Gottfried Herder zusammen, der wegen einer Augenoperation eine längere Reise hier in Straßburg unterbrechen musste: Denn das bedeutendste Ereignis, was die wichtigsten Folgen für mich haben sollte, war die Bekanntschaft und die daran sich knüpfende nähere Verbindung mit Herder... Da seine Gespräche jederzeit bedeutend waren, er mochte fragen, antworten oder sich sonst auf eine Weise mitteilen; so mußte er mich zu neuen Ansichten täglich, ja stündlich befördern. In Leipzig hatte ich mir eher ein enges und abgezirkeltes Wesen angewöhnt, und meine allgemeinen Kenntnisse der deutschen Literatur konnten durch meinen Frankfurter Zustand nicht erweitert werden; ja mich hatten jene mystisch-religiösen chemischen Beschäftigungen in dunkle Regionen geführt, und was seit einigen Jahren in der weiten literarischen Welt vorgegangen, war mir meistens fremd geblieben. Nun wurde ich auf einmal durch Herder mit allem neuen Streben und mit allen den Richtungen bekannt, welche dasselbe zu nehmen schien. |
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Herder bringt ihm die skurril antirationalistische, sybillinische Gedankenwelt Johann Georg Hamanns näher, des Verfassers der Sokratischen Denkwürdigkeiten, begeistert ihn für Shakespeare und zeigt ihm die Bedeutung der Volkspoesie. Im Oktober besucht Goethe erstmals Sesenheim und macht die Bekanntschaft der Pfarrerstochter Friederike Brion. Die Spuren dieser Begegnung spiegeln sich in den Sesenheimer Liedern, darunter die bekannten Gedichte Willkommen und Abschied und
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In diesem Augenblick trat sie wirklich in die Türe; und da ging fürwahr an diesem ländlichen Himmel ein allerliebster Stern auf. Beide Töchter trugen sich noch deutsch, wie man es zu nennen pflegte, und diese fast verdrängte Nationaltracht kleidete Friedriken besonders gut. Ein kurzes weißes rundes Röckchen mit einer Falbel, nicht länger, als daß die nettesten Füßchen bis an die Knöchel sichtbar blieben; ein knappes weißes Mieder und eine schwarze Taffetschürze - so stand sie auf der Grenze zwischen Bäuerin und Städterin. Schlank und leicht, als wenn sie nichts an sich zu tragen hätte, schritt sie, und beinahe schien für die gewaltigen blonden Zöpfe des niedlichen Köpfchens der Hals zu zart. Aus heiteren blauen Augen blickte sie sehr deutlich umher, und das artige Stumpfnäschen forschte so frei in die Luft, als wenn es in der Welt keine Sorge geben könnte; der Strohhut hing ihr am Arm, und so hatte ich das Vergnügen, sie beim ersten Blick auf einmal in ihrer ganzen Anmut und Lieblichkeit zu sehn und zu erkennen. Wie Goethe sich später erinnert, beschäftigte er sich schon zu dieser Zeit mit dem Gedanken an ein Faust-Drama. |
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Wolfgang
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